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Auszug

Versteht man unter einer Geisel801 einen privaten, nicht übertragbaren802 Wert eines Geiselgebers, dessen Vernichtung der Geiselnehmer dem Geiselgeber androhen und ihn hierdurch zu einem vom Geiselnehmer erwünschten Verhalten bewegen kann, dann kann die Institution der Rechnungslegung mit Umkehrwirkung im vorliegenden Modellkontext bei hinreichender Voraussicht des Erstellers sowie Kommunikationskontinuität als Hingabe einer Geisel zwecks Selbstbindung zur Unterlassung von Manipulation interpretiert werden:

  • Das erwünschte Verhalten des Erstellers ist die Unterlassung von Manipulation, also unverfälschte Rechnungslegung in der betrachteten Periode (t = d). Unerwünscht hingegen ist insbesondere die durch Manipulation herbeigeführte Konformität.

  • Die Geisel ist die Möglichkeit, künftig mit Hilfe von Rechnungslegung zu kommunizieren, die bei Wohlverhalten in t = d nicht durch Umkehrwirkungen belastet wäre. Der verhaftete, maximal vernichtbare, teilbare Wert ist der Barwert künftiger intratemporaler Konformitätswerte innerhalb des Planungshorizontes des Erstellers.

  • Die Liquidation der Geisel exekutiert die Umkehrwirkung, in dem sie höhere Manipulationsmalusse oder gar die Aufgabe der Konformität erzwingt und somit künftige Konformitätswerte mindert im Vergleich zur unverfälschten Abbildung in t = d. Rechtzeitige Bildung stiller Reserven reduziert den Schaden, beseitigt ihn aber nicht.

Eine mit Durchsetzungsanreizen bewehrte Rechnungslegung, deren Manipulation sich in Folgeperioden umkehrt, kann insofern als Mittel zur Selbstbindung eingesetzt werden. Sie bestraft Manipulation ähnlich wie der Verlust einer Reputation803 für getreue Rechnungslegung: In beiden Fällen erschwert das unerwünschte Verhalten die künftige Erzielung von Vorteilen aus der Kommunikation.

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Literatur

  1. Die freiwillige Hingabe einer Geisel kann zwecks Selbstbindung sehr sinnvoll sein. Siehe zu einem hier einschlägigen Beispiel Fn. 58 S. 262. Vgl. zu einer Modellierung von vertragsspezifischen Kosten als Hingabe einer Geisel Williamson (1983) insbes. S. 522–526. S.a. Bigus (2003) S. 46. Anschaulich ermöglicht in „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller (1799) in der zweiten bis vierten Strophe die Geiselhingabe dem Damon (in der Originalfassung Möros) die Vermählung seiner Schwester. Eine Analogie ließe sich etwa wie folgt ziehen: Damon entspricht dem Ersteller; der Tyrann dem Kontrahenten; dessen Erlaubnis zur Abreise der Kontrahierung (in t = 1); der Wert, den das Leben des Freundes für Damon hat, den künftigen positiven Konformitätswerten (in t ≥ 3) und die Hinrichtung des Freundes den künftigen Durchsetzungsanreizen (in t ≥ 3). Die Rückkehr des Damon entspricht regeltreuem Abbildungsverhalten des Erstellers in t = 2; wäre er nach seiner Rückkehr hingerichtet worden, ließe sich dies mit Nonkonformität in t = 2 vergleichen. Die Begnadigung durch den Tyrannen in der letzten Strophe entspräche einem Verhalten des Kontrahenten, wonach er trotz einmaliger Nonkonformität kontrahieren würde (in t = 2), s.a.o. S. 257. Der Zweifel des Tyrannen an der Glaubwürdigkeit der Selbstbindung, also an dem Wert des Lebens des Freundes für Damon (siehe die Rührung des Tyrannen in der letzten Strophe; „sei ich in Eurem Bunde der Dritte“), entspricht der Ungewissheit des Kontrahenten hinsichtlich der künftigen Konformitätswerte des Erstellers.

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  2. Verschiedene Effekte, die den hier dargestellten ähneln, werden von der spieltheoretischen Literatur mit der Pfandhingabe assoziiert. Die Geisel unterscheidet sich vom Pfand durch ihre fehlende Übertragbarkeit. Auch beim Pfand kann der Pfandnehmer dem Pfandgeber einen Schaden androhen. Jedoch wird der Pfand nicht vernichtet, sondern zum Nutzen des Pfandnehmers verwertet. U.a. der Aufbau von Reputation wird häufig als Pfandhingabe bezeichnet: Verbricht sich der die Reputation als Pfand hingebende Transaktionspartner gegen die mit der Reputation verbundenen Erwartungen, werden ihm künftige Transaktionen versagt oder erschwert. Sofern bei dieser Erschwerung der Pfandnehmer, also der bei der Transaktion auf die Kooperation des Pfandgebers vertrauende Part, keinen Nutzen bei der Vernichtung der Reputation erzielt, ist hierfür „Geisel“ der engere und treffendere Begriff. S.a. Fn. 803.

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  3. Die mit modellhafter Erklärung von Reputationsaufbau verbundenen Probleme, u.a. das Handelskettenparadoxon von Selten (1978) S. 130–136, besprechen als Überblicksdarstellungen u.a. Holler/Illing (1993) S. 173–182 und Wilson (1985) S. 27–62, jeweils m.w.N. Nach dem Handelskettenparadoxon lohnt der Reputationsaufbau in der letzten Wiederholung des Spiels mangels künftiger Vorteile aus der Reputationserhaltung nicht. Deshalb geht der Gegenspieler in der letzten Periode nicht vom reputationsgemäßen Verhalten aus, womit die Vorteile der Reputation entfallen. Dann aber besteht auch in der vorletzten Periode kein Grund für die Reputationserhaltung, was der Gegenspieler wiederum antizipiert. Diese Argumentation lässt sich bis in die erste Periode fortsetzen. Kriterien zur Eliminierung unplausibler Erwartungsgleichgewichte besprechen u.a. Holler/Illing (1993) S. 114–138, Damme (1987).

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© 2008 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2008). Rechnungslegung als Geisel. In: Informationsgehalt manipulierbarer Periodenergebnisse. Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-9888-0_20

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