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Intuition und Verantwortung: Alternative Entscheidungsaspekte

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Entscheidungstheorie

Zusammenfassung

Wird der Mensch vor eine konkrete Entscheidung gestellt, so kann er zwar auf ein umfassendes Instrumentarium zurückgreifen, das in vielen Standardwerken über Entscheidungstheorie, darüber hinaus auch über andere Bereiche wie etwa Risikotheorie, bereitgestellt wird. Aber tut er dies im Ernstfall auch? Der Mensch entscheidet nun einmal in vielen Situationen nicht rational. Menschen mit den unterschiedlichsten Präferenzen treffen aufeinander, schätzen vielleicht Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse unterschiedlich ein.Was ist gerecht, was ist ungerecht – eine letztlich nicht objektiv zu klärende Frage. Erst langsam finden in der Literatur alternative Entscheidungsszenarien Zugang. Von Schwarmintelligenz ist viel die Rede, und in der Spieltheorie gibt es mit der evolutionären Spieltheorie einen Zweig, der immer mehr Beachtung findet. Solchen und ähnlichen Verfahren wollen wir uns nun zuwenden. Wir beginnen dieses letzte Kapitel mit einem Ausflug in die Wahrscheinlichkeitstheorie, da gerade hier erstaunlich viele Irrtümer vorliegen und Fehler gemacht werden. Es werden Problemstellungen behandelt, die imvorangehenden Exkurs bereits teilweise angesprochen wurden. Wie lernt der Mensch auf Grundlage wahrscheinlichkeitstheoretischer Erkenntnisse und Erfahrungen; da ist die Bayes-Regel. Die Bewertungen und Einschätzungen reeller Situationen sind nicht absolut, und ob wir etwas als gerecht oder als ungerecht beurteilen, kann sich im Laufe der Zeit ändern. Dann wird es wichtig, dass die Beteiligten, die Entscheidenden miteinander in einen Dialog treten.

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Notes

  1. 1.

    Die Ergebnisse der Studie sind in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht worden [29].

  2. 2.

    Für die konkrete Berechnung der Varianz einer Zufallsvariablen \(X\) bietet sich manchmal die Verschiebungsformel

    $$V(X)=E(X^{2})-E(X)^{2}$$
    (6.15)

    an.

  3. 3.

    Will man den Erwartungswert einer Zufallsvariablen schätzen, die durch ein Zufallsexperiment realisiert wird, so kann man von einer Stichprobe ausgehen. Das arithmetische Mittel

    $$\overline{x}=\frac{1}{n}\sum _{{k=1}}^{n}x_{k}$$

    der Stichprobe ist ein sogenannter erwartungstreuer Schätzer für den Erwartungswert der Zufallsvariablen.

  4. 4.

    Anders als beim Mittelwert ist die Stichprobenvarianz

    $$s^{2}=\frac{1}{n}\sum _{{k=1}}^{n}(x_{k}-\overline{x})^{2}$$

    kein guter, kein erwartungstreuer Schätzer für die Varianz der Zufallsvariablen. Jedoch erfüllt

    $$s^{2}=\frac{1}{n-1}\sum _{{k=1}}^{n}(x_{k}-\overline{x})^{2}$$

    genau diese Anforderung.

  5. 5.

    Mit Hilfe von Poisson-Prozessen können Szenarien mit seltenen Ereignissen sehr gut beschrieben werden. Ein solcher Poisson-Prozess hat seinen Ursprung in einem sehr einfachen diskreten Modell, der bekannten Binomialverteilung. Führt man ein Zufallsexperiment mit nur zwei möglichen Ausgängen (ein sogenanntes Bernoulli-Experiment; häufig nennt man einen der beiden Ausgänge einen „Treffer“) mehrfach, sagen wir \(n\)-mal, hintereinander durch, so gilt für die Zufallsvariable \(X\), die die Zahl der „Treffer“ dabei angibt,

    $$P(X=k)={n\choose k}\cdot p^{k}\cdot(1-p)^{{n-k}}=\frac{n!}{k!\cdot(n-k)!}\cdot p^{k}\cdot(1-p)^{{n-k}}\;,$$

    wobei \(p\) die Trefferwahrscheinlichkeit bezeichnet. Bekannterweise hat diese Verteilung den Erwartungswert \(\mu=n\cdot p\) und die Varianz \(\sigma^{2}=n\cdot p\cdot(1-p)\). Betrachtet man dann Experimente mit „seltenen und unwahrscheinlichen Treffern“ (ist also \(p\) sehr viel kleiner als 1 und \(k\) sehr viel kleiner als \(n\)), so folgt

    $$P(X=k)\approx\frac{n^{k}}{k!}\cdot p^{k}\cdot\left(1-\frac{\mu}{n}\right)^{{n}}\approx\frac{\mu^{k}}{k!}\cdot e^{{-\mu}}\;,$$
    (6.22)

    und dies ist die übliche Form, in die (für sehr große \(n\) und sehr kleine \(p\)) die Binomialverteilung übergeht. Man spricht dann schon von der Poisson-Verteilung, und wir haben erkannt, woher in diesem Zusammenhang die Formulierung mit der Exponentialfunktion kommt. Solche Verteilungen kommen bei Aussagen vor wie: „An dieser Kreuzung ereignen sich im Mittel 0,3 Unfälle pro Monat.“ Was soll das bedeuten, und wie lässt sich die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis berechnen lässt, dass sich auf diesem Straßenabschnitt in einem Monat mehr als ein Unfall ereignet? Dazu könnte man die Aussage so auffassen, dass das Ereignis „ein Unfall pro Monat“ mit einer Wahrscheinlichkeit von \(p=0{,}3\) und das Ereignis „kein Unfall pro Monat“ mit einer Wahrscheinlichkeit von \(p=0{,}7\) eintritt. Dies entspricht einer klassischen Binomialverteilung mit den Parametern \(n=1\) und \(p=0{,}3\) und somit dem Erwartungswert \(\mu=n\cdot p=0{,}3\). Es ist klar, dass dieses Modell zwar die Bedingung erfüllt, aber wohl kaum ernsthaft in Frage kommen darf, da sich ja grundsätzlich auch zwei oder mehr Unfälle ereignen können. Bei leichter Abänderung der Sichtweise geht man davon aus, es geschehe pro Tag: ein Unfall mit einer Wahrscheinlichkeit von \(p=\frac{0{,}3}{30}=0{,}01\) und kein Unfall mit einer Wahrscheinlichkeit von \(1-p=0{,}99\). Dann passieren wiederum „im Mittel 0,3 Unfälle pro Monat“, denn es gilt wieder \(\mu=n\cdot p=30\cdot 0{,}01=0{,}3\). Allerdings ist das Szenario ein wenig realistischer geworden – wenn auch noch nicht perfekt; wir haben den Fall zweier Unfälle an einem Tag nicht abgedeckt. Das weitere Vorgehen ist aber nun jedem klar, der schon einmal mit Grenzwerten zu tun gehabt hat. Wir lassen die Anzahl der Abschnitte \(n\) immer mehr anwachsen, was hingegen die Wahrscheinlichkeit eines „Treffers“ (Unfalls) während eines Zeitintervalls immer mehr sinken lässt; das Produkt \(\mu=n\cdot p=0{,}3\) hingegen bleibt aber konstant! Und genau dies ist die eingangs etwas theoretische beschrieben Situation, die wir – für den diskreten Fall – mit (6.22) modellieren können.

  6. 6.

    Man spricht hier auch von einem vollständigen Graphen: Jeder Knoten ist mit jedem anderen verbunden.

  7. 7.

    Seit Beginn des Jahrtausends untersuchen sie solche Phänomene mit Hilfe gewisser Matrix-Differentialgleichungen [46].

  8. 8.

    Das kann auch realistischer modelliert werden, da Sympathie in der Regel nie ganz symmetrisch ist, sondern es verschiedene Schattierungen gibt. Hier wird diese Eigenschaft nur der Einfachheit halber angenommen.

  9. 9.

    Es gibt auch andere Interpretationen, nach denen die Zahlen \(x_{{kk}}\) auch positiv oder negativ sein können, je nach „Selbstbindung“ der Person, also beispielsweise nach dem Grad ihres Selbstbewusstseins.

  10. 10.

    Die Einheitsmatrix hat die spezielle Gestalt

    $$I=\begin{pmatrix}1&0&\cdots&0&0\\0&1&\cdots&0&0\\\vdots&&\ddots&&\vdots\\0&0&\cdots&1&0\\0&0&\cdots&0&1\\\end{pmatrix}$$

    und spielt bei der Matrizenmultiplikation die Rolle des neutralen Elements. Die zu einer Matrix \(X\) inverse Matrix wird mit \(X^{{-1}}\) bezeichnet und ist dadurch definiert, dass \(X\cdot X^{{-1}}=I\) ist. Mehr Details zur Matrizenrechnung findet man beispielsweise im Standardwerk von Gerd Fischer [28], und die exakte Herleitung der Lösung (6.27) kann in der Arbeit von Kleinberg, Kleinberg, Marvel und Strogatz nachgelesen werden [46].

  11. 11.

    Im Jahre 1977 veröffentlichte Wayne Zachary die Resultate in seiner Arbeit An information flow model for conflict and fission in small groups [77].

  12. 12.

    Als theoretischer Biologe befasste sich John Maynard Smith intensiv mit der Verquickung von Biologie und Mathematik, insbesondere Spieltheorie. Wegweisend sind hier seine beiden Arbeiten The Logic of Animal Conflict [68] und Evolution and the Theory of Games [69].

  13. 13.

    Im Gegensatz zu vielen anderen spieltheoretischen Modellen wird hier übrigens die Entscheidung für eine Strategie häufig nicht bewusst gefällt. Den „Spielern“ ist vielleicht noch nicht einmal klar, dass überhaupt eine strategische Entscheidungssituation vorliegt. Üblicherweise werden in den Modellen daher Spieler und Strategien gleichgesetzt und nicht voneinander getrennt, denn ein Spieler wird hier weniger durch seine Strategienmenge charakterisiert, sondern vielmehr durch die Strategie, die er repräsentiert bzw. die ihn repräsentiert.

  14. 14.

    Dawkins wurde in den 1970er Jahren vor allem durch sein Buch The Selfish Gene bekannt [16]. Hierin analysiert er den „großen“ Prozess der Evolution auf der „kleinen“ Ebene der Gene.

  15. 15.

    Das Zitat stammt aus dem Beitrag Evolutionsspiele von S. Gallwas, J. Harttmann und F. Sossong [30].

  16. 16.

    Das Beispiel der Leuchtkäfer wurde wie auch dieses Zitat (in der Übersetzung von Helmut Reuter) [70] entnommen.

  17. 17.

    Nachzulesen ist dies neben weiteren faszinierenden Resultaten in Strogatz' Buch Sync: How Order Emerges From Chaos In the Universe, Nature, and Daily Life [71].

  18. 18.

    Dies ist nachzulesen in How to cut a cake [70].

  19. 19.

    Der amerikanische Mathematiker Norbert Wiener beschäftigte sich überwiegend mit der sogenannten Kybernetik , einem Gebiet, für das er in den 1940er Jahren den Namen selbst vorschlug und das sich mit der Steuerung und Regelung mechanischer wie organischer Prozesse befasst. Von ihm stammt auch das wunderbare Zitat (hier im englischen Original): „The economists have developed the habit of dressing up their rather imprecise ideas in the language of the infinitesimal calculus. Any pretense of applying precise formulae to these loosly defined quantities is a shame and a waste of time.“

  20. 20.

    Der italienische Mathematiker Marco Dorigo schlug Ameisenalgorithmen in den 1990er Jahren vor, um damit u. A. das berühmte Travelling Salesman Problems zu behandeln.

  21. 21.

    Das Zitat stammt aus Boysens Arbeit Ameisenalgorithmen und das Hochzeitsproblem, der wir auch die Idee für die Anwendung auf Sitzordnungen entnommen haben [9].

  22. 22.

    Die entsprechenden Arbeiten sind Self-organisation mechanisms in ant societies: Trail recrutment to newly discovered food sources [19] und The self-organizing exploratory pattern of the argentine ant [3].

  23. 23.

    Diese sogenannte Layoutplanung ist Thema jedes Standard-Logistik-Buchs und kann etwa bei Domschke und Drexl nachgelesen werden [23].

  24. 24.

    Das lineare Optimierungsproblem hätte in diesem Fall die Form:

    $$\begin{aligned}\displaystyle&\displaystyle\text{Maximiere die Gesamtsympathiesumme }\sum _{{i,j=1}}^{n}\sum _{{t=1}}^{T}s_{{ij}}\cdot p_{{it}}\cdot p_{{jt}}\\\displaystyle&\displaystyle\text{unter den Nebenbedingungen}\sum _{{t=1}}^{T}p_{{it}}\text{ für alle }i\;.\end{aligned}$$
  25. 25.

    Die Studie The Limits to Growth wurde als Buch im Jahr 1972 veröffentlicht [51]. Im Jahr 2004 folgte The Limits to Growth: The 30-Year Update [52].

  26. 26.

    So schreibt Niko Paech in dem Beitrag Die Legende vom nachhaltigen Wachstum, der in der 9288. Ausgabe von Le Monde diplomatique im September 2010 erschien.

  27. 27.

    Die interessanten Ansätze sind in vielen Publikationen Paechs nachzulesen, darunter Nachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum: eine unternehmensbezogene Transformationstheorie aus dem Jahr 2012 [59].

  28. 28.

    So äußerte sich Paech in einem Radiointerview mit Sandra Schulz vom Deutschlandfunk im Januar 2012.

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Wessler, M. (2012). Intuition und Verantwortung: Alternative Entscheidungsaspekte. In: Entscheidungstheorie. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3734-6_6

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  • Publisher Name: Gabler Verlag, Wiesbaden

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