Zusammenfassung
Der politische Umschwung, der sich am Anfang der 1930er Jahre in Deutschland vollzog, betraf die PTR in einer ganz besonderen Weise. Für die PTR bedeutete er den Versuch, einen wissenschaftspolitischen Zentralismus (“Führerprinzip”) in der Institution mit einer antisemitischen Ideologie in der Physik zu verbinden, die sich aus der schroffen Ablehnung der als “jüdisch” apostrophierten modernen Physik rekrutierte. Die Quantentheorie und die Relativitätstheorie wurden zum Gegenstand massiver, teilweise staatlich sanktionierter Polemik. Eine Verengung der wissenschaftlichen Perspektive auf die konservativen Positionen einer Ideologie und die Zurückdrängung unbefangenen Fortschrittdenkens waren die Folge. Hinzu kam die Auswirkung des Gesetzes über dieWiederherstellung des Berufsbeamtentums (7. April 1933), das die Entlassung jüdisch stämmiger Mitarbeiter aus dem Dienst der PTR erzwang. Auch wenn ernsthafte Vorbehalte und Einwände, die sich hauptsächlich gegen die Konzepte der Relativitätstheorie richteten, im wissenschaftlichen Tagesgeschehen der PTR diskutiert werden konnten - wir erwähnten in Kapitel 9 die Position von Ernst Gehrcke - , so sind es doch die extremen Einstellungen der Protagonisten der “Deutschen Physik”, Johannes Stark und Philipp Lenard, die es der nachwachsenden Generation sehr schwer - wenn nicht unmöglich - machen, die Ursachen dieser bedrückenden Entwicklung und ihre historischen Folgen für die Wissenschaft in Deutschland nachzuvollziehen. Gewiss lag eine der Ursachen in der staatstragenden Funktion, die die politischen Parteien nach dem Ende der Monarchie 1918 übernommen hatten, und die Auswirkung auf die PTR war lediglich eine konsequente Umsetzung in die Struktur eines großen wissenschaftlichen Instituts des Reiches. Umso unverständlicher ist es allerdings, dass dieser Umschlag von Persönlichkeiten getragen wurde, die selbst bedeutende Beiträge zur physikalischen Forschung erbracht hatten. In dieser Situation ist es wichtig, einem Zeitzeugen hoher persönlicher Integrität und wissenschaftlicher Kompetenz zuzuhören, dessenWirken seit Mitte der 1920er Jahre mit der PTR eng verknüpft war und der die Geschicke der PTR/PTB und den Wiederaufbau der Metrologie im Westen Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg ganz entscheidend gefördert hat: Max von Laue.
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Huebener, R., Lübbig, H. (2011). Die Reichsanstalt unter der NS Diktatur und der Neuanfang . In: Die Physikalisch- Technische Reichsanstalt. Vieweg+Teubner. https://doi.org/10.1007/978-3-8348-9908-8_14
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Publisher Name: Vieweg+Teubner
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Online ISBN: 978-3-8348-9908-8
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