Zusammenfassung
Als ich 1969 als achtjähriger Junge zum ersten Mal mitten in der Nacht fernsehen durfte, um die erste Mondlandung live zu verfolgen, war ich noch völlig ahnungslos, welchem besonderen Ereignis ich als Zuschauer beiwohnte. Man kann sich heute schwer vorstellen, was in den Medien zu dieser Zeit los war. Berichte von neuen Raketenstarts und Raumfahrtmissionen waren noch besondere Ereignisse und sie wurden von einer breiten Öffentlichkeit verfolgt. Sie wurden live im Fernsehen gesendet und fesselten die Menschen genauso wie mich selbst. Die „Eroberung des Weltraums“ war nun schon rund zehn Jahre im Gange und es war ziemlich sicher, dass die Olympischen Spiele im Jahr 2000 auf dem Mond stattfinden würden. Wir stritten uns, wie neue Rekorde angesichts verminderter Schwerkraft bewertet werden sollten (man stelle sich einen Speerwurf von 500 Metern vor), und Astronaut zu werden, war DER Traum aller Jungen2. Jedenfalls war völlig klar, dass sich neue Welten eröffneten — der Film 2001 — Odyssee im Weltraum spiegelt diese Einstellung sehr gut wider. Den meisten erwachsenen Menschen, nicht nur in unserer Stadt, war das Ereignis soviel Aufwand wert, dass sie um drei Uhr an einem Montagmorgen (!) ihre Nachtruhe unterbrachen, um zu sehen, was da auf unserem Trabanten vor sich ging. Die meisten Fenster in unserer Nachbarschaft waren erleuchtet. Diese Begeisterung erfasste einen beträchtlichen Teil aller Erdenbewohner, doch auf dem amerikanischen Kontinent konnte man sich über die NASA besonders freuen. Sie hatte die Landungszeit so eingerichtet, dass diese zwischen der Mittags- und Nachmittagszeit des 20. Juli stattfand, je nachdem, wo man dort lebte. Und die ersten Schritte auf dem Mond konnten zur besten Fernseh- und Werbezeit (The Moonlanding-Brought to you by Kellogs!) zwischen 18 und 21 Uhr verfolgt werden. Für alle anderen Bewohner des Planeten bedeutete dies mehr oder weniger starke Unannehmlichkeiten, abhängig vom Längengrad, auf dem sie ihrem täglichen Leben nachgingen. Das waren immerhin rund 500 Millionen Menschen, zu einer Zeit, als es im deutschen Fernsehen gerade mal zwei Programme gab und die Medien auch nicht annähernd so verbreitet waren wie heute. Am schlimmsten traf es natürlich die Mehrheit aller Erdenbürger, die so arm waren, dass sie keine Zeit für den Luxus hatten, etwas zu verfolgen, das ihr Leben keinen Deut besser macht3.
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Eversberg, T. (2013). Russen, Raketen und Wahlkampf. In: Hollywood im Weltall. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-8274-3022-9_2
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