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Versuch einer Pathographie der Schilddrüse

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Zusammenfassung

Die Grundforderung für die normale Funktion der fötalen und kindlichen Schilddrüse ist die normale Funktion der mütterlichen. Eine Störung dieser muß nach der hier vertretenen Anschauung irgendwie erkennbare Ausschläge in der Leistung jener ergeben. Damit ist eines der schwersten und wichtigsten Kapitel der Schilddrüsenpathologie angeschnitten.1

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Literatur

  1. In der Frage der „föto-maternalen Organkorrelation“ (Lüttge-Mertz) sei das bei Wegelin Wiedergegebene hier ergänzt. R. Neurath teilt eine bemerkenswerte Beobachtung mit: 30jährige Frau, seit der Pubertät mit einer langsam wachsenden Struma behaftet. Zwei Töchter gesund und strumafrei. Eineinhalb Jahre nach der zweiten Geburt Strumektomie. Zehn Monate später nach ungestörter Gravidität Geburt eines ausgetragenen Mädchens, das der Asphyxie durch eine kongenitale Struma erlag. Diese klinische Beobachtung deckt sich vollkommen mit den Ergebnissen der Tierversuche von Edmund, Gauthier, Halsted. Die Insuffizienz der mütterlichen Schilddrüse zwingt die fötale zur Hypertrophie. Auch Stämmler nimmt an, daß die Schilddrüse schon im Fötalleben funktioniert, daß diese Funktion um die Zeit der Geburt eine Erhöhung erfährt, um bald hierauf wieder abzusinken. Maurer findet den Jodgehalt der Schilddrüse des Neugeborenen in offenbar gesetzmäßiger Verteilung. Dies erscheint als Beweis einer bereits im intrauterinen Leben einsetzenden Funktion der Schilddrüse. Hieher gehören auch die Arbeiten von Syring und Rasche. Nach den Untersuchungen von v. Hellmuth ist auch der Blutzuckerspiegel des Kindes in weitgehendem Maße von dem der Mutter abhängig. Über die Eigentätigkeit der innersekretorischen Organe des Fötus hat auch E. Vogt interessante Untersuchungen angestellt, deren Deutung ich nur darin nicht zu folgen vermag, daß die biologische Einheit zwischen Mutter und Kind strikte abgelehnt wird. Mir scheint gerade das gewählte Beispiel der diabetes-kranken Mutter, deren Pankreasinsuffizienz durch die Mehrleistung der fötalen Bauchspeicheldrüse gedeckt wird, im Sinne der „Einheit“ und damit der hier gewählten Auffassung zu sprechen (s. a. K. v. Oettingen, Thomas). Hier halte ich es auch für angebracht, die ausgezeichnete Darstellung Biedls zur Charakteristik der Pubertät anzuführen, die von gleichen Vorstellungen ausgeht. Biedl gibt ein anschauliches Bild von den Wandlungen des Inkretgleichgewichtes in der Prävalenz einzelner Drüsen während der Entwicklungsperiode bis zur Keife. Im Embryonalzustande werden die Funktionsvariationen der Blutdrüsen durch die mütterlichen Inkretorgane verdeckt. In der letzten Zeit der intrauterinen Entwicklung und auch beim Neugeborenen besteht ein Übergewicht des Interrenalsystemes und der mit ihm genetisch verwandten Keimdrüsen. Pigment und Hautbeschaffenheit der Neugeborenen, Kopf- und Körperbehaarung sowie die Eigenart des Fettgewebes und den Rückgang dieser Erscheinungen in den ersten Zeiten des extrauterinen Lebens möchte Verfasser auf das Interrenalsystem und seine Wirkung zurückführen. Die Schilddrüse befindet sich demgegenüber in einem Zustande minimaler Aktivität. Erst mit dem zweiten Vierteljahr beginnt der Umsatz zu steigen, wird am Ende des ersten Halbjahres gleich dem eines Erwachsenen und wächst dann weiter bis zum zweiten Lebensjahre (40% bis 50% höher als beim Erwachsenen), d.h. die Schilddrüse prävaliert nunmehr im endokrinen Konzert. Auch die Epithelkörperchen, die im ersten Jahre nur eine minimale Funktion entfalteten, werden jetzt durch das Knochenwachstum stärker beansprucht. Für die Periode der ersten Streckung greifen Zirbeldrüse und Hypophysenvorderlappen ein. Nach einer Periode relativer Stabilität, die durch den Rückgang der Thymus sowie der Schilddrüse und Prähypophyse gekennzeichnet ist, setzt bei langsamem und stetigem Wachsen der Keimdrüsen die Pubertät ein. In dem ersten Stadium der Pubeszenz prävaliert die Schilddrüse und anderseits die Prähypophyse (starkes Längenwachstum, Stoffwechselsteigerung, Ermüdbarkeit, Erregbarkeit). Die Reifung der Keimdrüsen sieht Verfasser nicht als etwas Primäres an, sondern als sekundäre Folge der Überaktivität der beiden genannten Drüsen. Sie wird begünstigt durch die gleichzeitige Involution der Thymusdrüse. Das zweite Stadium der Pubertät, die Adoleszenz, ist der Kampf der Keimdrüsen um die Vorherrschaft. Rückdrängen des Längenwachstums und der peripheren Umsatzregulierung durch die Schilddrüse zugunsten des Zentralnervensystems durch das Zwischenhirn, unter Heranziehung des Adrenalinsystems und des Inselapparates sowie des Mittellappens der Hypophyse, geht Hand in Hand mit dem Hervortreten der spezifischen Keimdrüsenwirkung (Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale und Sexualität.) Im dritten Stadium, der Reife, ist die Vorherrschaft der Keimdrüsen entschieden. (Monatsschr. f. Kinderheilk. H. 3 bis 4. Ref. in Fortschr. der Organotherap. 1927.)

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  2. Immer wieder kehrt die Forschung zum Problem des endemischen Kretinismus zurück. Aber wir sind von einer Klärung anscheinend noch weit entfernt. Eindeutig und kurz, wie Sauerbruch das klinische Bild des Morb. Basedow und des endemischen Kretinismus und ihrer Probleme wiedergibt, muß die Linie gehalten sein, die hier den Weg einer befriedigenden Arbeitshypothese anzeigt. Die Mitteilungen von Hanhart, Galant; die ausführliche Beschreibung und Besprechung durch Ottonello einer Kropf-KretinismusEndemie in Sardinien (in der Nachbarschaft des Meeres, familiär auftretend und vorwiegend das weibliche Geschlecht betreffend) bilden wertvolle Beiträge. De Quervain und seine Schule haben der Fülle theoretischer Klügeleien ein großes Material und eine exakte Bearbeitung entgegengestellt (Branowacky, Chaitan, Doubler, Dubois, Pedotti, Walder, Wydler). Aber Vielheit der klinischen Untersuchungen und Laboratoriumsarbeiten haben fast noch mehr Fragen wachgerufen. Am auffallendsten scheint die gelungene Neutralisation von Basedowserum durch Kretinenserum in vitro und im Tierversuch. Denn während die übrigen Erhebungen sich mehr minder leicht mit unserer Auffassung in Einklang bringen lassen, ja sie teilweise durchaus unterstützen, tritt hier ein neues Moment auf, das noch der Verarbeitung bedarf. E. Bircher führt in einer Studie über die kretinische Degeneration im Kanton Aargau seine Symptomauffasssung des Kropfes — ob Sub- oder Koordination bleibe dahingestellt — aus und bringt die hydrotellurische Theorie in Beziehung zu den anatomischen Kropfformen. Aus seiner Zusammenstellung ergibt sich, daß die Hälfte der Triaskröpfe den diffusen Kropfformen angehören, während in der Molassegegend 87% der Strumen das Bild der Knotenform zeigen. So findet sich eine Variation im Gebiete der Endemien selbst, eine Feststellung, die, erstmals von Bircher erhoben, neue Überlegungen eröffnet. Die weite Fassung der Fragen behandelt de Quervain unter dem Titel: „Ist der Kretinismus ein anthropologisches Rückschlagsphänomen?“ Angeregt durch Finkbeiner prüft de Quervain die alte Rückschlagstheorie (Rösch, St. Lager, Virchov), ohne eine Nötigung zu finden, sie wieder aufzunehmen. Das von Finkbeiner gesammelte Material und manches in seinen Ausführungen muß aber trotzdem als Bereicherung unseres Wissens in dem so widerspruchreichen Kapitel betrachtet werden. Andere Autoren wenden sich neuen Einzelheiten zu. W. Jaensch fand bei Kretinen alle Spielarten von Kapillarhemmungen (Kümmerformen der Entwicklungsstufen des Kapillarsystems), die aber auch häufig in Gegenden angetroffen werden, in denen der Kropf endemisch ist. Hier sieht man sie „weit in die Breite des Normalen“ hinein; und gleichzeitig damit Neurosen mit basedowoider Färbung, mancherlei Formen von motorischem Infantilismus mit und ohne Intelligenzdeffekt, auch die verschiedensten Differenzierungsstörungen (Dattner). Es ist nun sehr bemerkenswert, daß durch Jod-Thyreoideabehandlung sich diese Kapillarformen Hand in Hand mit der geistigen Entwicklung der Patienten im Sinne der Norm weiterbilden. Beachtenswert sind im Hinblick darauf die Untersuchungen, die Olesen und Taylor über den Zusammenhang von endemischem Kropf und geistigen Fähigkeiten bei Schulkindern in Cincinati anstellten. Kinder mit stark vergrößerter Schilddrüse erschienen weniger intelligent. Am Wiener Material gemessen, betont Dattner die Ubiquität der Symptome (Kropf und Kapillarhemmung) als Folge einer sich allgemein auswirkenden Schädlichkeit, welche nicht ausschließlich die Schilddrüse angreift, sondern verschiedene Organsysteme trifft. Diese Beobachtungen sind in vielfacher Hinsicht wichtig. Das Wesentlichste scheint mit darin zu liegen, daß die Jodmangeltheorie gestützt, die thyreogene Natur des Kretinismus betont und das Verständnis der Jodwirkung gefördert wird. Besonders aber glaube ich die Ausführungen Dattners für die Erklärung der Basedowhäufigkeit in Gegenden leichter Verkropfung verwenden zu können. Dattner fand die Kapillarhemmungen häufig bei Vasoneurosen, bei denen er einen basedowoiden und tetanoiden Typ aufstellte. Man findet also basedowoide Patienten und Kapillarhemmung an den Grenzen von Endemiebezirken, das heißt dort, wo sich die endemische Schädigung nur mehr in kleinsten Ausläufern zeigt. Diese letzte (vielleicht eben deshalb primäre) Auswirkung läge in einer Kapillarhemmung, so weit uns morphologische Feststellungen heute möglich sind. Ich habe 1912 die Meinung ausgesprochen, daß die Basedowhäufigkeit in Gegenden einer leichten Endemie als Ausdruck des Obsiegens einzelner Individuen über die in hypothyreotem Sinne wirkende Noxe aufzufassen sei. In den Untersuchungen von Jaensch und Dattner ist nun der Beweis enthalten, daß es sich bei den basedowoiden Patienten dieser Gegenden tatsächlich um solche handelt, die ein Stigma endogener Schädigung in der Form der Kapillarhemmung tragen. Die Behebung der Hemmungsbildungen durch Jodthyreoglobulin zeigt die Gleichheit des ätiologischen Momentes. Es ist in diesem Zusammenhange bemerkenswert, daß Jagic die thyreotoxischen Einwirkungen auf den Zirkulationsapparat als das hauptsächlichste klinische Anzeichen einer unerwünschten Jodwirkung bezeichnet. Doxiades und Pototzky stellen sich ablehnend zu Jaensch. Sie verneinen die therapeutische Beeinflußbarkeit des „archikapillären Schwachsinnes“, da sie in der Form der Archikapillaren den Ausdruck eines Fötalismus sehen, also die Persistenz eines Zustandes des kardiovaskulären Systems aus der Zeit vor der Geburt. Der endokrine Faktor der von Jaensch beschriebenen Kapillarstörung liegt nach der Meinung von Doxiades und Pototzky nicht in der Schlingenform, fondern in der „Durchtränkung des subkapillären Raumes“. Hieraus allein kann eine Therapie erschlossen und in ihrer Wirkung beobachtet werden. Die Erfahrungen der beiden Autoren bei Fällen von Mongolismus und Myxödem beim Kind führen dazu, stets mit kleinen Thyreoidindosen zu beginnen, die nach wenigen Wochen durch Präphyson abgelöst werden, worauf wieder Thyreoidin gereicht wird. In der Untersuchung der Kapillaren scheint jedesfalls ein neuer aussichtsreicher Pfad betreten zu sein. V. Pfaundler bringt den endemischen Kropf und Kretinismus mit der Wirkung einer besonderen Emanation aus dem Erdboden in Beziehung. Es sind zwei Momente wirksam: Örtlich bedingte, physikalisch noch nicht erfaßbare radioaktive Stoffe, der „Strahlungsschaden“, und eine idiopathische Erbanlage, bei der vor allem die Wechselbeziehungen zwischen Schilddrüse und Hypophyse bedeutungsvoll sind. Greil erklärt das Kropfproblem aus der Genodynamik, der Entwicklungsphysiologie. Unter Zugrundelegung frühester Embrionalstufen beschreibt er die Entwicklung der ersten Schilddrüsenknospe und zeichnet epigenetisch das Schicksal der strukturellen und funktionellen Differenzierung der S childdrüsenanlage. Damit rückt auch von dieser Seite her das konstitutionelle Moment in den Vordergrund. Die Betonung einer „monistischen Auffassung“ hat ebensoviel Segen wie Verwirrung gebracht. Die Folge war das Aneinandervorbeireden. So äußert sich Kutschera-Aichbergen in dem Sinne, daß er eine endemische Dystrophie als Grund aller Störungen anerkennt, die von den herrschenden Theorien der Schilddrüsenirritation zugeschrieben werden. Der Kropf ist nur ein Symptom und eigentlich das Endprodukt des biologischen Kampfes zwischen endemischer Schädlichkeit und Körper; als solches kann er aber doch nicht wieder dasselbe Symptom erzeugen. Aber auch die Ansicht ist zu bekämpfen, daß das Symptom Kropf durch ein primär auf die Schilddrüse wirkendes Agens hervorgerufen wird. Die Kette der Nervenstörungen, von der einfachen Schwerfälligkeit der Innervation angefangen bis zur schweren Idiotie, ist jedenfalls ungleich wichtiger und folgenschwerer als der Kropf. An dieser revolutionär gemeinten Anschauung ergibt sich bei genauer Zergliederung ein besserer Einblick in das Wesen der thyreogenen oder polyglandulären Theorie als aus vielen affirmativen, zustimmenden Meinungen. Es ist nur nicht ersichtlich, warum eine funktionelle Umstellung, mag sie auch selbst nur ein Symptom darstellen, nicht wieder zum Ausgangspunkt anderer „Symptome“ werden kann. Für mechanische Vorgänge ist das doch kein Streitpunkt. Der mit Verkürzung geheilte Beinbruch bedingt das Hinken, die Beckenneigung, die Skoliose. Hier ist nicht nur nicht die Skoliose die gleichsinnige Auswirkung der Fraktur, sondern es werden durch die Korrektur der Verkürzung auch die von ihr abhängigen Symptome beseitigt. Trotzdem dieser Vergleich im wahrsten Sinne des Wortes hinkt, scheint er zum Verständnis verwertbar: Besondere exogene Faktoren erschweren die normale Tätigkeit der Schilddrüse. Das dadurch bedingte Absinken ihrer Leistung macht sich in allen von ihr beherrschten Organgebieten als Dystrophie bemerkbar. Der Versuch der Leistungssteigerung der Schilddrüse tritt als ihre Vergrößerung in Erscheinung. Die Insuffizienz der Wirkung führt bei Fortbestehen der exogenen Faktoren in einzelnen Geschlechterfolgen zur anatomischen Fixierung der Dystrophie. Wird die Normalleistung rechtzeitig therapeutisch ermöglicht, so kommt es zum Rückgang der unmittelbar davon abhängigen funktionellen Vorgänge. Letzten Endes vollzieht sich auch der Rückgang der Vergrößerung der Schilddrüse, womit das Kardinalsymptom der auf endemischen Umweltfaktoren ruhenden Störungen beseitigt ist. W. v. Rether fordert in seiner schönen Studie über „Kropf und endemische Dystrophie“ die primäre Schädigung des Zentralnervensystems. Diese Auffassung fällt in gewissem Sinne nicht weit von jener, die ich hier bei Besprechung der Physiologie angedeutet habe.

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  3. Siehe später: Der endemische Kropf. S. 113.

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  4. Diese Schilderung der Entwicklung der Schilddrüse ist eine gekürzte Wiedergabe des betreffenden Abschnittes aus dem demnächst im gleichen Verlag erscheinenden „Lehrbuch der Entwicklung des Menschen“ von Alfred Fischel. Diesem Buch entstammen auch die Abbildungen 1–3.

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  5. Bei zwei von Kochers „Total“ exstirpationen fehlten die Erscheinungen der Kachexie, dafür war ein Kropfrezidiv nachweisbar!

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  6. Die ersten Versuche wurden von M. Schiff 1854 vorgenommen.

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  7. Der letzte King — die experimentelle Erzeugung des Morb. Basedow — ist noch nicht geschlossen (Bleicher, Klose, Lampé, Baruch, O. Hoche).

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  8. Die Beziehungen der Schilddrüse zum vegetativen Nervensystem sind doppelter Natur: Als Drüse mit innerer Sekretion übt ihr Hormon, so wie diese der anderen gleichartigen Organe, großen Einfluß auf die vegetativen Funktionen des Organismus und ihren regulierenden Apparat aus. Anderseits untersteht sie aber auch in der Produktion ihres Inkretes der Leitung des vegetativen Nervensystems. Aus der Fülle der pharmakologischen Wirkungen des Schilddrüsensekretes jene auf das vegetative System auszuscheiden, erscheint schwierig, da ja der Beweis für direkte Wirkung oder nur sekundäre über den Weg anderer inkretorischer Organe oder über eine allgemeine Veränderung des Stoffwechsels schwer zu erbringen ist. So lehnt Fröhlich eine unmittelbare Wirkung auf das sympathische Nervensystem ab, während Wegelin zu dem Schlusse kommt, daß das Schilddrüsensekret erregend auf das parasympathische und sympathische Nervensystem wirkt, eine Auffassung, die auch im wesentlichen v. Bergmann und Billigheimer und E. Kost teilen. Abderhalden und Wertheimer kamen auf Grund von Stoffwechseluntersuchungen zu dem Ergebnis, daß das Thyroxin über das sympathische Nervensystem auf den Zellstoffwechsel steigernd einwirkt. Nach Harrington und Barger ist das Thyroxin kein Tryptophanderivat (Kendall), sondern eine β [3,5-Dijod-4 (3′,5′-dijod-4′ oxyphenoxy)-phenyl] α-aminopropionsäure. Abderhalden und Hartmann finden das von Hoffmann la Roche synthetisch obiger Formel entsprechend hergestellte Präparat im Kaulquappenversuch gleichwertig dem Kendallschen aus der Drüse gewonnenen Thyroxin. Wenn sich nun auch noch das Thyroxin der wirksamen Schilddrüsensubstanz biologisch gleichwertig erweist, wie es schon jetzt sehr wahrscheinlich ist, wird die durch ungleiche Präparate sehr erschwerte experimentelle Prüfung der Schilddrüsenwirkung auf das automone Nervensystem einwandfrei ermöglicht werden (Susani). Die Innervation der Schilddrüse erfolgt vom sympathischen als auch vom parasympathischen Nervensystem, die entsprechenden anatomischen Bahnen der N. laryngei, recurrentes, vagus, plexus caroticus, plexus venae jugularis int., plexus pharyngeus und Nervi cardiaci (Bräucker) sind so reichlich anastomosiernd, daß eine Klärung durch präparatorische Trennung kaum möglich erscheint. Aufschlußreicher sind hier die physiologischen und pharmakologischen Experimente. So hält Spiegel neben den Vasomotoren auch sekretorische Fasern für erwiesen, wenn er auch über ihre sympathische oder vagale Natur kein Urteil fällt. Wegelin kommt zu dem Schlusse, daß den sympathischen Fasern eine sekretorische Funktion zukommt, während der Vagus eine solche nicht zu besitzen scheint. Da sich die sekretorische Funktion der Drüse entsprechend morphologischer und klinischer Befunde in zwei Komponenten, nämlich Sekretbildung und Sekretabfuhr teilen läßt, so wird entsprechend der Befunde von Demel, Yatru und Wallner, Orator, Reinhard, Weiss u. a. die Annahme wahrscheinlich, daß der Sympathikus die Sekretbildung und Sekretabfuhr fördert, während der Parasympathikus letztere hemmt (Susani). Ob nun letzterer seine Wirkung vorwiegend direkt auf die Drüse entfaltet oder auch durch zentrale Hemmung des Sympathikus, ist derzeit noch unklar.

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  9. Eine eingehende historische Darstellung siehe: Breitner „Kropf und Jod“, Erg. d. Chir. u. Orth., 1928, Bd. XXI.

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  10. Siehe S. 87.

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  11. Oswalds Behauptung verlangt keine makroskopisch veränderte Schilddrüse. Fälle, wiesie Eimer beschrieb, widersprechen keinesfalls.

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  12. Selbst jene Autoren, die das Kolloid als eine „Entartung“ auffassen, geben die mobilisierende Wirkung des Jods auf „in jüngerer Phase kolloider Degeneration begriffene Drüsen“ zu (v. Bruns, Capelle).

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  13. Hoff hat im Institut Marburg gezeigt, daß beim normalen Tier Jodalkalien nicht in das Zentralnervensystem dringen. Durch gleichzeitige Verabfolgung von Schilddrüsenpräparaten ist es aber möglich, dem Natriumjodat den Weg ins Zentralnervensystem zu bahnen.

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  14. Kiyono konnte durch Sympathikusexstirpation am Versuchstier keine morphologischen Veränderungen in der Schilddrüse erzielen. Allerdings wurde die Exstirpation nur einseitig vorgenommen.

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  15. Eckstein hät die Jodwirkung für einen katalysatorischenProseß.

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  16. Das große Arbeitsgebiet moderner Laboratoriumsuntersuchungen kann hier nur gestreift werden. Bezüglich des Jodhaushaltes, der in den Fragen der Physiologie im Vordergrund steht, sei vermerkt: Nach Plummer sezerniert die menschliche Schilddrüse täglich 0,5 bis 1 mg Thyroxin, das im Körper zur Anregung des Stoffwechsels verbraucht wird. In sämtlichen Geweben mit Ausnahme der Schilddrüse soll der Thyroxingehalt etwa 18 mg betragen. Die Menge des im Blute kreisenden Jods ist nach den Untersuchungen Kendalls und Richardsons in 100 ccm etwa 0,013 mg, davon sind rund 65% organisch gebunden, der Rest anorganisch. Die Schilddrüse ist nicht nur die Bildungsstätte des Thyroxins, sondern auch ein Speicher, der diesen Körper dauernd an das Blut und an die Gewebe abgibt. Der nervöse Apparat sorgt für eine genaue Regulierung der Abgabe und Konstanthaltung des Jodspiegels im Blute. Experimentell zugeführter Jodüberschuß, selbst in Form von Schilddrüsensubstanz, wird rasch in die Nieren ausgeschieden. Die Jodwerte im Blute sind bei demselben Individuum im allgemeinen sehr konstant, unterliegen aber, ähnlich wie der Jodgehalt der Schilddrüse selbst, periodischen Schwankungen, indem sie im Winter etwas niederer und im Sommer höher sind (Fortschr. d. Organoth. 1924, 4). Andere physiologische Einblicke wurden auf den verschiedensten Wegen zu erreichen getrachtet. Kisch untersuchte den Arbeitsstoffwechsel beim Morb. Basedow, Zondek und Kochler die Beziehungen des Blutbildes zur inneren Sekretion. Jene der Schilddrüse zur Oberflächenspannung des Blutplasmas prüften Wilhelmy und Fleisher; Scheer und Berchtold studierten den Einfluß von Thymus und Thyreoidea bei verschiedener Wasserstoffionenkonzentration auf die Lebensdauer der Kaulquappen. Bernhard findet ebenfalls im Tierexperiment (Axolotl) eine Unterstützung der Anschauung von Zondek bzgl. des Einflusses des Ionenmilieus auf die Wirkungsweise der Hormone. Troell und Josephs on stellten die Wasserstoffionenkonzentration in verschiedenen Strumenpräparaten fest. Der Wasserhaushalt bei Myxödem und Basedow ist Gegenstand einer Arbeit von Falta und Högler. Asher und Dietricker befassen sich mit der Rolle der Milz im Wasserhaushalt und ihrer antagonistischen Funktion zur Schilddrüse. Über die Bedeutung der Inkrete für den Wasserhaushalt schreibt Boenheim. Vielleicht führt auch der von Kato eingeschlagene Weg der Bestimmung des Gesamtstickstoff-, Eiweiß- und Wassergehaltes der einzelnen Strumen und sein Vergleich mit dem histologischen Bild zu verwertbaren Einblicken. Das Rachitisproblem bei der Athyreose wird von Siegert, die Osteomalazie bei Morb. Basedow von Bernhard abgehandelt. Ein anderes Gebiet betreten die folgenden: Cartex und Steingart (Cholesteringehalt bei thyreotoxischen Zuständen); Walinski und Herzfeld (Alkalireserve im Blute bei Schilddrüsenerkrankungen); Kraft (Einfluß der Schilddrüse auf die Verteilung von Jod, Glukose und Aminosäuren im Blute); Römer (Speicheldrüsen und innere Sekretion); Lewit (Schilddrüse und Magensekretion). Über die Beziehung zwischen psychischen Vorgängen, der Geschlechtsdrüse und den Drüsen mit innerer Sekretion sucht Ceni Aufschluß zu geben. Marotta macht darauf aufmerksam, daß den endokrinen Drüsen eine bestimmende Rolle in der Ätiologie der Dementia praecox zukommt, bei deren akuten Formen besonders klinische Erscheinungen von Hyperthyreoidismus zutage treten. Langenfeldt spricht von zwei Komponenten, von denen die eine konstitutionell bedingt ist, während die andere erst zur Zeit der Manifestation der Psychose eintritt. Hoff und Stransky prüfen das Verhalten der Jodausscheidung auf dem Harnwege bei Manisch-Depressiven. Harrower glaubt unter Umständen in der Hypothyreose einen ätiologischen Faktor der Epilepsie zu sehen. Inglessis beobachtete akuten Basedow nach Grippe, Vischer traumatischen Morbus Basedow mit tödlichem Ausgange. Schiötz und Fr. Müller beschreiben Besserung des Morbus Basedow durch Fieber. Auch die Größenschwankungen der Sehdinge wurden zur Stützung der konstitutionellen Bedingtheit des Morbus Basedow herangezogen. Neuhaus nimmt in der Makropsie und Mikropsie zentrale Erscheinungen an, die in der basedowoiden Konstitution als regelmäßig anzusehen sind. Die experimentellen Studien Blums zur Schilddrüsenausschaltung zeigen vielleicht neue Wege zu neuen Auffassungen. Das mag auch von den Experimenten von Enderlen, Blanco und Gessler gelten. Die Beziehungen mancher Krankheiten zum endokrinen System sind erst geahnt, z. B. beim Pemphigus (Buschke und Langer); einzelne Autoren fanden dabei Kolloidstrumen (Khoor). Mancher Aufschluß kann von der Tierbiologie erwartet werden (Fritschi, v. Haecke, F. W. Müller). Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, wo die nächsten Probleme der Schilddrüsenforschung liegen.

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  17. Tohumitsu untersuchte das Blut der Schilddrüsenvenen in seiner Wirkung auf den Vagus und Sympathikus. Die Ergebnisse schienen dafür zu sprechen, das Venensystem als Abfuhrsweg des Sekretes anzusehen. (Siehe Hektoen u. a.)

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  18. Die Möglichkeit einer Sekretüberproduktion bei normaler Drüse, mithin der Fähigkeit der Speicherung geht schon daraus hervor, daß die nach Operation zurückgelassenen Reste fast immer genügen. Christiani erwies dies für den zehnten Teil der normalen Schilddrüse. Halsted fand beim Hunde, daß Ausfallserscheinungen ausblieben, wenn ein kaum erbsengroßes Stück am Aortenbogen vorhanden war (Knauer).

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  19. Ich nehme den Einwurf de Quervains, daß es sich um eine ergänzende Jodierung handle, ohneweiters an. Die Befunde von Katum und van Dycke scheinen tatsächlich für einen Jodgehalt des Kolloids zu sprechen. Mit dieser graduellen Verschiedenheit wird der Sinn meiner Auffassung nicht geändert.

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  20. Daß ein Teil des Kolloids unmittelbar durch die Lymphbahnen abgegeben wird, ist wahrscheinlich. Die „exokrine Sekretion“ (Matton) und die „endokrine Sekretion“ (Beunsley) sind wohl ähnlich aufzufassen.

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  21. Über die Raschheit, mit der sich Schädigungen eines endokrinen Organes an anderen metakerastischen Drüsen auswirken, ist uns sehr wenig bekannt. Für endogen bedingte Umstellungen glauben wir eine minimale Zeit annehmen zu können. Bei exogenen Giften liegen ganz ungeklärte Verhältnisse vor. Granzow vergiftete Hunde mit Sublimat. Er fand stets erhebliche Funktionsstörungen an Nebenniere und Hypophyse, während Schilddrüse, E. K. und Pankreas fast durchwegs unverändert gefunden wurden. (Siehe dazu Schönemann!) Sauerbruch glaubt bei der Schilddrüse nicht an die Möglichkeit einer raschen Funktionsumstellung.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Breitner, B. (1928). Versuch einer Pathographie der Schilddrüse. In: Die Erkrankungen der Schilddrüse. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-9900-8_3

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