Zusammenfassung
Freud hatte die Paranoia als eine Abwehrneurose, die hauptsächlich auf dem Mechanismus der Projektion fußt, gedeutet. Er hatte die Wahnbildungen als Heilungsversuche aufgefaßt. „Die Paranoia zerlegt, die Hysterie verdichtet“, meinte er und konnte so Verfolgungsideen, Geschlechtsumwandlungsphantasien, assoziativen Verfall usw. eigentlich überzeugend erklären. In der Folgezeit wurde etwas einseitig nur die Regression der Ich-Funktionen auf ein frühkindliches Niveau in den Vordergrund des Verständnisses und der Therapieversuche gerückt. Die konflikthafte Sicht geriet immer mehr in Vergessenheit. Vielleicht ist dies mit schuld daran, daß in den USA die Bewertung der psychoanalytischen Psychosentherapie immer geringschätziger wurde und zur Zeit nicht einmal die Krankenversicherungen bereit sind, diese Therapieformen zu bezahlen. In Europa gibt es jedoch eine fruchtbare und rasch wachsende neue Bewegung, die sich wiederum um die psychoanalytische Therapie der Psychosen bemüht (beispielsweise Mentzos 1993). In der vorliegenden Skizze werden diese konflikthaften Gesichtspunkte symbolisiert durch den Begriff eines Höllenriffes stark in den Vordergrund gestellt.
Der Psychosentherapeut ist nicht nur der Begleiter des Patienten in die Unterwelt, in die Hölle der Psychose, aus der er ihn an der Hand zurück ins Licht der Realität führen soll. Er ist in dieser Unterwelt auch ein Lotse, der die gefährlichen Riffe ortet, die stets den durch die Regression auftauchenden unheimlichen und übermächtigen frühen strafenden und ermordenden Vater verkörpern. Aspekte dieses Vaters werden von den Therapeuten gerne auf die bösen Pharmakopsychiater, auf die verständnislose Gesellschaft, auf die Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie und auf strenge sozialpsychiatrische Programme projiziert. Durch den bewußten Einbezug des Gesamtbehandlungssettings wird der ganze mörderische psychotische Konflikt mit seinen frühen oralen Themen der Erzeugung und Vernichtung von menschlichen Gestalten erst voll sichtbar. Aus diesem Horrorfilm mit apokalyptischen Visionen und nach Menschenblut gierenden Zombies ist es schwer, gemeinsam mit den Patienten einen anderen Ausweg als die wahnhafte Restitution von charismatischen Größenideen oder den autistischen Rückzug zu finden. Es ist sicher in der allgemeinen Theoriebildung, ebenso wie in der einzelnen Therapie, noch ein mühsames Herumirren in einem Labyrinth, in dem wir den Ariadnefaden noch nicht überzeugend gefunden haben.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Arieti, S. (1965), American Handbook of Psychiatry. 7. Aufl., Bd. I. New York: Basic Books.
Abraham, K. (1971), Die psychosexuellen Differenzen der Hysterie und der Dementia praecox (1908). Frankfurt a. M: S. Fischer.
Benedetti, G. (1983), Todeslandschaften der Seele. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Binswanger, L. (1957), Schizophrenie. Pfullingen: Neske.
Buckley, P. (Ed.) (1988), Essential Papers on Psychosis. New York: University Press.
Fairbairn, W. R. D. (1944), Endopsychic Structure Considered in Terms of Object Relationships. Int. Journ. Psychoanalysis 25: S. 72–95.
Federn, P. (1952), Ego Psychology and the Psychoses. London: Imago.
Foerster, H. von (1985), Kybernetik einer Erkenntnistheorie. In: ders. (Hrsg.), Sicht und Einsicht. Braunschweig: Vieweg, S. 65–79.
Freud, S. (1911), Psychoanalytische Betrachtungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia. Wien: Imago.
Fromm-Reichmann, F. (1959), Intensive Psychotherapie. Stuttgart: Hippokrates.
Frosch, J. (1983), The Psychotic Process. New York: Int. Univ. Press.
Mannoni, M. (1973), Der Psychiater, sein Patient und die Psychoanalyse. Olten: Walter.
Maturana, H., Varela, F. (1984), Der Baum der Erkenntnis. Bern: Scherz.
Mentzos, S. (Hrsg.) (1992), Psychose und Konflikt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Nunberg, H. (1921), Der Verlauf des Liebeskonfliktes in einem Falle von Schizophrenie. Int. Z. f. Psychoanalyse: S. 7.
Rosen, J. N. (1964), Psychotherapie der Psychosen. Stuttgart: Hippokrates.
Rosenfeld, A. (1981), Zur Psychoanalyse psychotischer Zustände. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Scharfetter, Ch. (1983), Schizophrene Menschen. München: Urban & Schwarzenberg.
Schilder, P. (1925), Entwurf zu einer Psychiatrie auf psychoanalytischer Grundlage. Wien: Int. Psychoan. Vlg.
Searles, H. F. (1974), Der psychoanalytische Beitrag zur Schizophrenieforschung. München: Kindler.
Sechehaye, M. (1947), La réalisation symbolique. New York: Int. Univ. Press.
Tausk, V. (1919), Über die Entstehung des „Beeinflussungsapparates“ der Schizophrenie. Int. Z. f. Psychoanalyse 5: S. 1–33.
Ursano, R. J. et al. (1991), Psychodyna-mic Psychotherapy. Washington: Am. Psychiatr. Press Inc.
Winnicott, D. W. (1982), Bruchstück einer Psychoanalyse. Stuttgart: Klett-Cotta.
Wolf, M. (1992), Die weiche Mauer. Zur wechselseitigen Ergänzung von analytischer Psychotherapie, Supervision und Gemeindepsychiatrie. In: Mentzos, S. (Hrsg.), Psychose und Konflikt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 72–112.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Springer-Verlag Wien
About this chapter
Cite this chapter
Danzinger, R. (1994). Das Höllenriff. In: Hutterer-Krisch, R. (eds) Psychotherapie mit psychotischen Menschen. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-2290-7_17
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-7091-2290-7_17
Publisher Name: Springer, Vienna
Print ISBN: 978-3-211-82583-9
Online ISBN: 978-3-7091-2290-7
eBook Packages: Springer Book Archive