Zusammenfassung
“Der 9. November” ist nicht, wie zu erwarten wäre, ein Revolutionsroman, sondern vor allem ein Antikriegsroman. Kellermann wollte nicht die Revolution, sondern das Kriegsende schildern. In seinem Vorwort zur zweiten Auflage von 1946 bekennt er, daß er in dem Roman “den Militarismus geißeln”1 wollte. Immerhin verarbeitet er im Roman auch das revolutionäre Zeitgeschehen von 1918. Ihm sind die letzten sieben Kapitel gewidmet. Sie beginnen mit dem Ausbruch der Revolution in Berlin, der in einem durch und durch expressionistischen Stil dargeboten wird:
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Horch!
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Schritte. Horch! Rufe.
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Fäuste pochen an die Tore der düsteren Kasernen.
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Öffnet, Kameraden!
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Öffnet — wir sind es …
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Jubel!
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Und die Tore der Kasernen öffneten sich: der böse Geist der düsteren Gebäude entweicht. Ein Toter liegt still auf dem Bürgersteig, mit einem Mantel zugedeckt.
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Die Morgensonne blendet durch die Straßen. Funkelnd steigt die Sonne des 9. November über Berlin empor. Horch! Die Stadt erbebt unter dem Tritt von Hunderttausenden. Über den tausend Köpfen schwankt ein Plakat: Nicht schießen, Kameraden!2
Die Revolution ist allerdings auch in anderen Kapiteln anwesend; man spürt, daß sie aus der Sicht der historischen Revolutionserfahrung geschrieben sind. Immer wieder werden in ihnen Hoffnungen formuliert, die der revolutionäre Umbruch erfüllen soll. Kellermann konfrontiert sie mit dem traurigen Bild der Hauptstadt, in der bereits alle Gesellschaftsschichten von den Kriegsnöten erfaßt sind. Aus der Gegenüberstellung von Zukunftsträumen und der erdrückenden Gegenwart entsteht ein besonderes Revolutionsbild, so daß man auch Kellermann als einen Schriftsteller bezeichnen kann, der im Banne der Novemberrevolution von 1918 steht, obwohl er an ihr politisch3 kaum interessiert war. Er hatte sie im Alter von zweiundvierzig Jahren erlebt. Schon während seiner Weltreise über Rußland, Japan und Amerika, die er von 1907 bis 1909 unternommen hatte, war sein politisches Interesse gering gewesen, denn sonst hätte er das Revolutionsjahr 1905 zur Kenntnis genommen.4
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Chołuj, B. (1991). Bernhard Kellermanns „Der 9. November“. Die Revolution als hoffnungsloses Chaos. In: Deutsche Schriftsteller im Banne der Novemberrevolution 1918. DUV : Literaturwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19808-6_1
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8244-4039-9
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