Zusammenfassung
Eine protestantische Lehre über das Verhältnis von Staat und Kirche kann es schon deshalb nicht geben, weil die gesamten Reformatoren die göttliche Stiftung der verfaßten Kirche bestreiten, ihre Ausgestaltung und damit auch die Regelung ihrer Beziehungen zum Staat der Vernunft der Dinge überlassen. Da die verfaßte Kirche nicht nach göttlichem, nur nach menschlichem Recht besteht und sich entwickelt, steht sie in keiner Weise über dem Staat, der nach gemeinsamer protestantischer Überzeugung eine gottgewollte Ordnung der Christenheit nach ihren weltlichen und rechtlichen Beziehungen ist. Allen protestantischen Bekenntnissen gemeinsam ist der von Luther besonders scharf ausgesprochene Grundsatz von der Scheidung des geistlichen und des weltlichen Schwerts, der kirchlichen und der staatlichen Ordnung. Daraus folgte nun aber weder die Trennung von Kirche und Staat noch die Gleichberechtigung der verschiedenen Kirchen und Bekenntnisse. Die beiden Schwerter oder Holheitsgebiete gehören für Luther und Kalvin demselben großen Körper der einen Thristenheit an, und der Staat, insbesondere der Fürst als Obrigkeit ist der Christenheit zu Dienst verpflichtet. So sind die Reformatoren einerseits an einer reinlichen Scheidung der beiden Gebiete interessiert: keine irdische Gewalt soll sich anmaßen, der Seele Gesetze zu geben und sich einzudrängen zwischen sie und ihren Herrn, gar die Wirksamkeit des Evangeliums hindern; andererseits wollen sie doch die Zusammengehörigkeit von Staat und Kirche als Formen derselben Christenheit festhalten, woraus die Verpflichtung der staatlichen Obrigkeit zur Aufrechterhaltung christlicher Ordnung und zur Unterdrückung der sie gefährdenden öffentlichen Irrlehre folgt.
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Literatur
Zu 1: Otto Mayer, Artikel „Staat und Kirche“ in Herzogs Realenzyklopädie, 3. Aufl. XVIII, S. 707–727.
Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik, 1894, Band I, 246ff., J. C. B. Mohr, Tübingen.
R. Sohm, Kirchenrcht I, 1892, Duncker & Humblot, München.
Ernst Tröltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Sekten, 1913, Mohr, Tübingen.
Derselbe, Die Trennung von Staat und Kirche, 1907, Mohr, Tübingen.
O. Baumgarten, „Das Ende der Staatskirche das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklungb“ aus F. Thimme, Revolution und Kirche, 1919, De Gruyter, Berlin, S. 70–82; dort auch der Beitrag von Tröltsch.
O. Baumgarten, Für die Entstehung des Iandesherrlichen Kirchenregiments: K. Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 1893, Hirschfeld, Leipzig.
E. Förster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche, 1905, Mohr, Tübingen.
Th Kaften, Vier Kapitel von der Landeskirche, 1903, Bergs Verlag, Schleswig.
Schian, Förster, Naumann, Katzer, v. Soden Baumgarten, Die evangelischen Kirchen und der Staat. Leit-, Zeit- und Streitsätze (Hefte zur christlichen Welt, 1905), Dülfer, Görlitz.
Zur III: Zu der Geschichte der Auflösung des Staatskirchentums vgl. die kirchlichen Monatschroniken, die Otto Baumgarten in seiner „Monatschrift für die kirchliche Praxis“, später „Evangelische Freiheit“ 1900–1920, Mohr, Tübingen, veröffentlichte. Dazu: Erich Foerster, Entwurf eines Gesetzes betreffend die Religionsfreiheit im preußischen Staat, 1911, Mohr, Tübingen.
Theodor Kaftan, Wo stehen wir?, 1911, Bergas Verlag, Schleswig.
Theodor Kaftan, Die Einzelbestimmungen der Verfassung, die vorstehend skizziert find, siehe bei Sägmüller, S. 32f., woselbst auch nichtdeutsche Lösungen des Problems angeführt sind.
Zu IV: Über Kirchenhoheit vgl. besonders Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, 1893, Hirschfeld, Leipzig.
Paul Hinschius, Das Verhaltnis von Staat und Kirche in Marquardsens Handbuch des öffentlichen Rechts, Mohr, Tübingen.
Wilh Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik I, 1894, Mohr, Tübingen; eine kurze Orientierung in „Religion in Geschichte und Gegenwart“, Art. Kirchenhoheit von Friedrich.
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Baumgarten, O., Sägmüller, J.B. (1927). Staat und Kirche. In: Staats-kunde. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-17715-9_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-17715-9_7
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-663-17715-9
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