Zusammenfassung
Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.1 Das gilt nicht nur für unsere Kenntnis der Gesellschaft und der Geschichte, sondern auch für unsere Kenntnis der Natur. Was wir über die Stratosphäre wissen, gleicht dem, was Platon über Atlantis weiß: Man hat davon gehört. Oder wie Horatio es ausdrückt: So I have heard, and do in part believe it.2 Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, daß wir diesen Quellen nicht trauen können. Wir wehren uns mit einem Manipulationsverdacht, der aber nicht zu praktischen Konsequenzen führt, da das den Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem selbstverstärkenden Gefüge zusammenschließt. Man wird alles Wissen mit dem Vorzeichen des Bezweifelbaren versehen — und trotzdem darauf aufbauen, daran anschließen müssen. Die Lösung des Problems kann nicht, wie in den Schauerromanen des 18. Jahrhunderts, in einem geheimen Drahtzieher im Hintergrund gefunden werden, so gerne selbst Soziologen daran glauben möchten. Wir haben es — so die These, die im Folgenden ausgearbeitet werden soll — mit einem Effekt der funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft zu tun. Man kann ihn durchschauen, man kann ihn theoretisch reflektieren. Aber es geht nicht um ein Geheimnis, das sich auflösen würde, wenn man es bekannt macht. Eher könnte man von einem „Eigenwert“ oder einem „Eigenverhalten“ der modernen Gesellschaft sprechen3 — also von rekursiv stabilisierten Funktoren, die auch dann stabil bleiben, wenn ihre Genetik und ihre Funktionsweise aufgedeckt sind.
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Luhmann, N. (1995). Die Realität der Massenmedien. In: Die Realität der Massenmedien. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, vol 333. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16287-2_1
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