Zusammenfassung
Als die Begründer der atomistischen Lehre gelten Leukippos und sein Schüler Demokritos von Abdera (letzterer um 460 v.Chr.).1) Hatten die Eleaten, vor allem Parmenides, die absolute Einheitlichkeit und Unveränderlichkeit alles Seins gelehrt, so trachtet Leukippos, gleichwie schon vor ihm Empedokles, den eleatischen Seinsbegriff so umzuprägen, daß er mit der sinnlichen Erfahrung in Übereinstimmung gebracht werden könne. Um die Vielheit und Veränderlichkeit der Erscheinungen zu erklären, verzichtet er auf die Merkmale der Einzigkeit und räumlichen Bewegungslosigkeit des eleatischen Seinsbegriffes, hingegen hält er für seine Atome um so bestimmter an den Merkmalen der Ungewordenheit und Unzerstörbarkeit sowie der qualitativen Gleichartigkeit fest. Alle Veränderung, alles Geschehen muß dann durch die räumliche Bewegung dieser (unsichtbar kleinen) Atome erklärt werden. Während Empedokles noch 4 qualitativ verschiedene Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft) unterschied, welche durch die bewegenden „Kräfte“ der Liebe und des Hasses gemischt und entmischt werden, sind die Atome Leukipps in sich und untereinander gleichartige, nicht weiter teilbare (άτομον) kleinste Teilchen, die sich lediglich durch ihre Gestalt und Größe, ihre Anordnung und Lage unterscheiden.2)
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Literatur
Wir stützen uns im folgenden auf E. Zeller, „Die Philosophie der Griechen“. 6. Aufl. Leipzig 1920 (I 2.) und auf W. Windelband, „Geschichte der abendländischen Philosophie im Altertum”. 4. Aufl. München 1991.
Aristot. Metaphysik I4, 985 b: „Solcher Unterschiede aber nehmen sie drei an: Gestalt, Ordnung und Lage; denn das Seiende, sagen sie, unterscheide sich nur durch Zug, Berührung und Wendung. Hiervon ist aber Zug gleich Gestalt, Berührung gleich Ordnung und Wendung gleich Lage. So unterscheidet sich A von N durch die Gestalt, AN von NA durch die Ordnung und Z von N durch die Lage.“
Aristot. a. a. O. Anm. 2.
Vgl. z. B. Aristot. Metaphysik VII 13, 1039 a.
Aristot. gen. et corr. 1, B.
Aristot. De sensu c. 2. 438 a.
Aristot. De coelo IV 2, 308 b, Aristot. gen. et corr. 18, 326 a.
Aristot. Metaph. XII 6, 1071 b.
Vgl. z. B. Simplicius, De coelo. 109 b, 41.
Zu dieser Annahme veranlaBte ihn der von Aristoteles aufgestellte Satz, daß sich im leeren Raume alle Körper gleich schnell bewegen müßten.
Galilei, Dialog. Deutsch von E. Strauß. Leipzig 1891. S. 42.
Galilei, Unterredungen. Deutsch von A. v. Oettingen. Leipzig 1890. I S. 37.
Huygens meint in seiner „Abhandlung über das Licht“ (Ostwalds Klassiker 20), man könne sich ja die elastischen Ätherteilchen aus noch kleineren Teilchen zusammengesetzt denken, dürfe aber die uns aus der Erfahrung wohlbekannte Eigenschaft der Elastizität, auch ohne ihre Ursache aufzuklären, bei den unsichtbar kleinen Körperteilchen einfach voraussetzen. Vergleiche über dieses später vielfach erörterte Problem etwa J. B. Stallo, „Die Begriffe und Theorien der modernen Physik”. Deutsch von H. Kleinpeter. Leipzig 1911. S. 26.
Siehe O. Buek, „Die Atomistik und Faradays Begriff der Materie“. Marburg 1905.
M. Faraday, „On Electric Conduction and the Nature of Matter“. 1844. Deutsch zitiert nach Buek.
Zwei Ladungen heißen gleich, wenn sie auf eine Vergleichsladung im gleichen Abstande dieselbe Kraft ausüben. Einheitsladungen sind solche untereinander gleiche Ladungen, die sich im Abstande Eins (1 cm) mit der Krafteinheit abstoßen.
Huygens „Tractatus de lumine“ erschien 1690, Newtons „Optics” 1704.
Der Weltäther ist bei Huygens, der kinetischen Einstellung seiner Atomistik entsprechend und im Gegensatze zur Auffassung der heutigen Korpuskulartheorie, selbst wieder atomistisch strukturiert. Das Licht wird seiner Theorie nach durch äußerst rasch bewegte Teilchen erzeugt, welche gegen die viel kleineren Atherteilchen stoßen, diese übertragen die Bewegung dann auf ihre Nachbarteilchen usf. Neuerdings sah sich P. Lenard im Zusammenhange mit seinen der Einstein schen Relativitätstheorie entgegengesetzten theoretischen Überlegungen veranlaßt, zwischen „Ather und Uräther“ (siehe die gleichnamige Abhandlung 2. Aufl. Leipzig 1922) zu unterscheiden. Für uns ist bemerkenswert, daß er den Äther als nicht kontinuierlich verbreitet, als mit einem inneren Mechanismus begabt ansieht derart, daß die Feldgleichungen eine Folge des Athermechanismus sein sollen. Charakteristischerweise nimmt er aber neben bzw. hinter dem Äther doch wieder den Uräther als ein allen Raum erfüllendes Medium an, „welches die Teile des Äthers zwingt, den Bedingungen zu genügen, welche wir für ihre Bewegung angegeben haben”. (Vgl. „Ober Relativitätsprinzip, Äther, Gravitation“. 3. Aufl. Leipzig 1921.)
Siehe etwa das klar und allgemeinverständlich geschriebene Büchlein: „Das Atom und die Bohrsche Theorie seines Baues“ von H. A. Kramers und Helge Holst. Deutsch von F. Arndt. Berlin 1925, Springer.
Vgl. etwa N. Bohr, „Linienspektren und Atombau“. Ann. d. Phys. 71, 1923. S. 228. Das Problem war damit und ist auch heute noch nicht endgültig erledigt E. C. Stoner, Phil. Mag. 48, 719, 1924; W. Paulijr., ZS. f. Phys. 31, 1925. S. 765 u. a. haben es weiter verfolgt und gewisse Fortschritte erzielt.
Vgl. N. Bohr, H. A. Kramers, J. C. Slater. ZS. f. Phys. 24, 1924. S. 69.
W. Bothe und H. Geiger, „Ober das Wesen des Comptoneffektes; ein experimenteller Beitrag zur Theorie der Strahlung“. ZS. f. Phys. 32, 1925. S. 639. Vgl. aber auch G. Mie, „Bremsstrahlung und Comptonsche Streustrahlung”, ZS. f. Phys. 33, 1925. S. 33; welcher zeigt, daß die Schwierigkeiten überwunden werden können, wenn man „das Vorurteil fahren läßt, ein Elektron sei ein letztes unveränderliches Teilchen, ein Atom im Sinne Demokrits“. Dieser neuen Hypothese Mies gemäß soll das Elektron selbst noch ein verschiedener Zustände fähiges Gebilde, ein „Oszillator” sein, der durch „Stöße erster Art“ in einen angeregten Zustand höherer innerer Energie versetzt werden kann und dann in diesem Zustande nach dem Bohrschen hv-Gesetze Strahlung aussendet. Man empfindet angesichts solcher immer komplizierter werdenden Korpuskular- und Quantenmechanismen deutlich das Treffende eines von G. Jaumann gebrauchten Vergleiches zwischen dem krisenhaften Zustande der modernen Korpuskulaturtheorie und der Degeneration der klassischen Himmelsmechanismen des geozentrischen Systems.
Es sei hier auch auf eine Arbeit H. Tetrodes, „Ober den Wirkungszusammenhang der Welt“. ZS. f. Phys. 10, 1922. S. 317 hingewiesen. Er betrachtet das Feld lediglich als eine mathematische Konstruktion, die im Grenzfalle, wo das Quantenhafte der Erscheinungen vernachlässigt werden darf, zur Darstellung der Wechselwirkungen zwischen den allein primär gegebenen Elektronen und Protonen ausreicht, darüber hinaus uns aber im Stiche läßt. Er nimmt dann weiterhin an, daß auch die zukünftige Lage und Bewegung der Elektronen auf die gegenwärtig beobachteten Erscheinungen von Einfluß sei.
W. Heisenberg, ZS. f. Phys. 33, 1925. S. 879.
ZS. f. Phys. 34, 1925. S. 142 und „Die Naturw.“, 14, 1926. S. 1.
W. Heisenberg, a. a. O. und M. Born und P. Jordan, ZS. f. Phys. 34, 1925. S. 858.
Einen guten Überblick gibt z. B. Max Born, „Der Aufbau der Materie“. Drei Aufsätze über moderne Atomistik und Elektronentheorie,. Berlin 1922.
Siehe z. B. M. Planck, „Physikalische Rundblicke“. „Die Einheit des physikalischen Weltbildes”. Leipzig 1922.
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Lohr, E. (1926). Atomismus und Korpuskulartheorie. In: Atomismus und Kontinuitätstheorie in der Neuzeitlichen Physik. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16229-2_2
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