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Zusammenfassung

Noch ist es nicht möglich, den Zeitraum von der Mitte der achtziger Jahre bie zum Weltkrieg hinsichtlich seiner geistig-künstlerischen Bedeutung auf eine Formel zu bringen, so wie ihn in politischer Beziehung als das Zeitalter des Imperialismus bezeichnen können. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn die politische Entwicklung dieses Zeitraums, der in Deutschland etwa mit der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. zusammen-fällt, ist durch den Weltkrieg und seine Folgen schroff abgebrochen worden; mit einem Schlage ist hier die Gegenwart zur historischen Vergangenheit geworden, in der wohl noch diese und jene Dunkelheit der Aufklärung harrt, die aber im großen und ganzen klar erkennbar hinter uns liegt. Anders verhält es sich mit der künstlerischen Entwicklung. Zwar unterliegt es keinem Zweifel, daß auch sie durch das Weltgeschehen der letzten Jahre in so erhebliches Schwanken geraten ist, daß wir immer in ihrer Betrachtung den Weltkrieg als einen Einschnitt erkennen müssen; aber es ist doch nur ein Schwanken, kein Abbruch der Entwicklung. Vor allem aber können wir wohl in der Geschichte der Politik, aber noch nicht in der Geschichte der Kunst außer den Quellen bereits die Wirkungen des imperialistischen Zeitraums erkennen. Das aber macht das Wesen entwicklungsgeschichtlicher Betrachtung aus, daß sie nicht nur die Quellen und Bedingungen feststellen will, aus denen ein Ereignis erwachsen ist, nicht nur sagen will, was gewesen, und Vermutungen aufftellen, warum es so gekommen ist, sondern auch die Wirkung des Ereignisses verzeichnen will; denn in der Stärke einer dauernden Nachwirkung liegt die wahre Bedeutung des Geschehenen verborgen. So liegt denn auch die Dichtung dieser letzten Jahrzehnte als eine fertige Entwicklungsstufe hinter uns; aber noch vermögen wir nicht, da der Raum zum abschätzenden Zurücktreten mangelt, vergleichend die Höhe dieser Stufe anzugeben, noch wagen wir nicht zu sagen, ob sie hinauf oder in die Tiefe führt. Nur das eine scheint schon jetzt deutlich: auf einem Gipfel der deutschen Dichtung wie in den Zeiten des Rittertums oder der Humanität haben wir im Zeitalter des Imperialismus nicht gestanden. Die großen Namen im diesen Jahrzehnten sucht man vergebens, und so wird als Kennwort für die deutsche Dichtung dieser imperialistischen Jahrzehnte mit der Massenhaftigkeit ihres Schaffens und der Unruhe ihres Suchens und Tastens nach neuen Zielen das biblische Urteil bestehen bleiben müssen, daß viele berufen, wenige auserwählt waren.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Röhl, H. (1926). Die Gegenwart. In: Geschichte der deutschen Dichtung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15980-3_16

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