Zusammenfassung
Da es bei meiner Untersuchung um die bewußtseinsprägende und gegenstandskonstituierende Leistung von Sprache im öffentlich- politischen Raum geht, kommen als Quellen nur solche in Frage, denen mit einiger Berechtigung aufgrund ihrer Verbreitung eine öffentlich wirksame Funktion zugeschrieben werden kann. Da diese Wirksamkeit von Äußerungen letztgültig kaum bewiesen werden kann, beruht deren Behauptung auf Hypothesen über die Verbreitung der Textsorte, der die Äußerung zugeordnet werden kann, auf historiographischen Studien über die Wirkungsmächtigkeit von Personen und deren Äußerungen sowie auf der Interpretation der Äußerung bezüglich der Repräsentativität der in ihr enthaltenen Sichtweisen. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich m.E. begründete Aussagen über das Bewußtsein politisch konkurrierender Gruppen und ihrer öffentlichen Wirkung anhand ihrer Äußerungen machen.
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Literatur
Diese werden im Text folgendermaßen zitiert: BT Datum:Seite. Mit diesen Angaben sind die Zitate in den Stenographischen Protokollen leicht auffindbar, auch wenn die übliche Zitation der Bundestagsprotokolle genauere Angaben enthält.
So stellt Mutz für den Anfang der 60er Jahre die Existenz dreier verschiedener verteidigungspolitischer Schulen in den Tages-und Wochenzeitungen der BRD fest, konstatiert aber: „Ihnen war gemeinsam, die politischen Grundentscheidungen und den militärischen Organisationsrahmen westdeutscher Sicherheitspolitik nicht mehr in Frage zu stellen, sondern nur noch die verschiedenen Handlungskonzepte unterschiedlich zu beurteilen ... Größere Resonanz hat keine von ihnen erlangt; die Diskussion erreichte bereits die breitere Öffentlichkeit nicht mehr.“ (Mutz 1978:115) Und Brandt/v. Friedeburg hatten bereits 1966 festgestellt: „Das Problem einer deutschen Militärpolitik einer umfassenden öffentlichen Diskussion zugänglich zu machen, eine ‚große Debatte’ auszulösen, hat, seit die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen zur Diskussion stand, kaum eines der hier behandelten Organe unternommen.” (Brandt/v. Friedeburg 1966:106) Auch eine Analyse antimilitärischer Bewegungen in der BRD ergibt für die 60er und 70er Jahre, daß diese im Rahmen eines zyklischen Verlaufsmodells von manifesten und latenten Protestphasen die latente Phase bilden, in der „kaum der ‚Druck der Straße‘ zu spüren war“ (Legrand 1987:33). Zwar trat seit 1960 die Ostermarsch-Bewegung an die Öffentlichkeit. Sie blieb aber zunächst, als sie sich noch hauptsächlich gegen die Aufrüstung wandte, recht unbedeutend und veränderte nach 1965 ihre kritische Stoßrichtung gegen die gesellschaftlichen Hintergründe von Rüstung und ist insoweit i.e.S. in dieser Zeit nicht zum rüstungspolitischen Sachbereich, sondern eher zum gesellschaftspolitischen der Studentenbewegung im Rahmen einer „Sprachgeschichte nach 1945” zu rechnen (vgl. Legrand 1987:26–29, ausführlicher zur Ostermarsch-Bewegung Otto 1977). Auch in den 70er Jahren „setzte sich die Hervorhebung gesellschaftspolitischer Aktivitäten zuungunsten der Rüstungs-und Friedensproblematik fort“ (Legrand 1987:30). Die 70er Jahre können mit der Institutionalisierung von Friedensforschung und Friedenspädagogik und der ständig steigenden Zahl von Kriegsdienstverweigerungen eher als gesellschaftlich-soziale Grundlegung des mit dem NATO-Doppelbeschluß von 1979 wieder öffentlich breit und wirksam gewordenen Interesses für Friedens-und Rüstungspolitik angesehen werden.
In einer Rede in Bonn, zitiert nach v.Schubert 1970:188
Die Ereignisse seit der sog. demokratischen oder friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 mögen in dieser Hinsicht wie eine späte Bestätigung der Adenauer’schen Politik der Stärke wirken, die davon ausging, daß die Sowjetunion aus einer Position der militärischen Stärke heraus zu einer Wiedervereinigung der deutschen Staaten unter den Bedingungen des westdeutschen Gesellschaftssystems bewegt werden könnte. Unter eben diesen Bedingungen hat sich ja nun die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vollzogen. M.E. ist diese jüngste Entwicklung allerdings kein später Beleg für die „Richtigkeit“ der Adenauer’schen Wiedervereinigungspolitik, da sie vor allem mit innen-und wirtschaftspolitischen Entwicklungen in der Sowjetunion und den anderen ehemaligen Ostblockländern zusammenhängt und ohne die von Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik nicht denkbar gewesen wäre. Nicht wegen der militärischen Stärke des Westens, sondern wegen eigener wirtschafts-und gesellschaftspolitischer Schwächen räumt die Sowjetunion ihre „Stellungen” in Osteuropa. Eher ist es die wirtschaftliche Stärke des bundesdeutschen Kapitalismus (Marktwirtschaft), die bei der nun vorhandenen außenpolitischen Bewegungsfreiheit der DDR diese im Sinne der Schumacher’schen „Magnet- Theorie“, nach der die Wiedervereinigung über die Attraktivität der wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der BRD zu erreichen sei, zur schnellen Vereinigung getrieben hat. Lichte dieser jüngsten Entwicklungen konnte in den verwendeten zeitgeschichtlichen Darstellungen natürlich noch nicht stattfinden.
Da es mir in der gesamten Arbeit mehr um die Bezeichnungen von konkreten Vorhaben geht, die diese Vorhaben positiv oder negativ darstellen sollen, werden die in dieser wie in späteren Diskussionen ebenfalls zentralen Legitimationsvokabeln Verteidigung, Sicherheit (lt. Mutz waren in der Diskussion Verteidigung und Sicherheit „die meiststrapazierten Schlagworte“, vgl. Mutz 1978:103) und Bedrohung nur als argumentative Konzepte und dort, wo sie als Konzept und als Ausdruck umstritten werden, berücksichtigt. Der Versuch, ihre semantische Entwicklung in der BRD nach 1945 nachzuvollziehen, würde m.E. eine eigene Untersuchung erfordern.
Brief Konrad Adenauers an Kurt Schumacher vom 31.1.1951. In: Konrad Adenauer: Erinnerungen 1945–1953. Stuttgart 1973, S. 416ff., hier zitiert nach: von Schubert 1978:111
Im Artikel wird berichtet, daß in der „Mittelzone“ „in verstärktem Umfange Aushebungen zur Zwangsarbeit durchgeführt” würden, die zunehmend „der Errichtung militärischer Objekte“ dienten. „Die Arbeitssklaven” würden „für die Aufrüstung herangezogen.“ In jüngster Zeit seien „weit über 10 000 Arbeiter ... versklavt worden.” (RP 25.7.1949:2)
DUD 3.Jg., Nr. 241 A, 1.12.1949, S.1, zitiert nach Lichtenberg 1979:122
Ähnlich Bundeskanzler Adenauer im Bundestag am 8.10.1950: „Die Truppe wird zwar ‚Polizei‘ genannt, sie ist aber nach Ausbildung, Bewaffnung und Zielsetzung keine Polizeitruppe, sondern eine Armee. ... Den Truppen dieser Armee wird von Propagandaoffizieren als Ziel die Befreiung der Bundesrepublik Deutschland von den Westalliierten und die Vereinigung mit der Ostzone zu einem russischen Satellitenstaat genannt.“ (zit. nach AA 1954:26)
In einem Interview mit der New York Times hatte Adenauer schon am 17.8.1950 gesagt: „Die Volkspolizeiarmee in der Sowjetzone bildet offensichtlich die Grundlage für eine echte Angriffsmacht“, gegen die eine „starke deutsche Verteidigungskraft” entstehen müsse, „um jede mögliche, den Vorgängen in Korea ähnelnde Aggression der Sowjetzonenvolkspolizei abzuwehren.“ (in: EA 1950:3515)
Die Hinweise auf die Presse-Reaktionen in diesem Abschnitt sind entnommen aus Mai 1977:99ff.
vgl. dazu Gesprächsbeitrag Jacobsen in MGFA 1975:137
vgl. Mutz 1978:91£., Jacobsen 1975:97f., Wiggershaus 1982:363,Anm.1
Kurt Schumacher hielt „jeden Vergleich mit Korea von vornherein für abwegig“ und bedauerte, „daß ein Teil der Aufrüstungspropaganda diesen Vergleich akzeptiert hat.” (zit. nach v. Schubert 1978:76)
Adenauer am 1.3.1952 auf einer CDU-Kundgebung, in: Bulletin des BPA 26/1952:252, hier zitiert nach Mutz 1978:107
Adenauer im Bundestag am 8.11.1950, zitiert nach v. Schubert 1978:105
Vizekanzler Blücher (FDP) in einer Rede am 23.8.1950, hier zitiert nach Mai 1977:148
Weiteres Adenauer-Beispiel: „Rußland will 3,5 Millionen Asiaten in Ostdeutschland ansiedeln, laut Prawda. Wir stehen vor einer Schicksalsfrage Europas.“ (Adenauer am 5.11.1951 bei einer Zusammenkunft mit führenden Vertretern der Evangelischen Kirche, hier zitiert nach Volkmann 1990:544)
Adenauer in einem Interview am 24.4.1952, abgedruckt in: Bulletin des BPA Nr. 47, 26.4.1952:488f., hier zitiert nach v. Schubert 1970:181
Für Adenauers Gebrauch dieser Wendung lagen mir keine Belege vor. Kiesinger allerdings widerspricht im Bundestag in seiner Antwort nicht Carlo Schmids Zwischenruf, der Ausdruck stamme von Adenauer. (vgl. BT 7.10.1954:2278)
So sind im Sachregister von Adenauers Erinnerungen alle diesbezüglichen Belegstellen unter Politik der Starke aufgeführt (vgl. hierzu v. Schubert 1970:175f.). Auch Kiesinger wehrt sich nur gegen die ausschließliche Bezeichnung der CDU-Politik mit diesem Schlagwort: „Aber zur Kennzeichnung unserer Bemühungen haben Sie (angesprochen ist Carlo Schmid (SPD), M.W.) die Freundlichkeit gehabt, diesen Ausdruck fast ausschließlich zu verwerten. ... Was ist denn die ‚Politik der Stärke`? Ich will die Formulierung gar nicht ablehnen. Ich sage nur: Sie kann irreführend wirken, wenn sie als einzige Etikette unserer Bemühungen benutzt wird.“ (BT 7.10.1954:2278)
Eugen Gerstenmaler in DUD, Nr. 108 A vom 6.6.1952, S.1, hier zitiert nach Lichtenberg 1979:361
In Adenauers Memoiren bezeichnet dieser selbst den Faktor Souveränität noch vor dem der Sicherheit als wesentlich für seine eigene Haltung zur Wiederbewaffnungsfrage. (vgl. Mutz 1978:103f., Anm.74)
vg1. z.B. FR 17.4.1990:4, IIÜ: „Bush für deutsche Souveränität“
Ich verdanke diese Belege der Hauptseminararbeit von Arno Kleine, S. 32ff. 31vg1. Lichtenberg 1979:364–379
aus: Mainpost vom 30.11.1948, zit. nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:136 33Leserzuschrift an das Essener Tageblatt im Dezember 1949, zitiert nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:138, abgedruckt auch bei Jahn 1957:27
vg1. SZ 16.1.1950 in Aufstieg aus dem Nichts 1954:146, Otto 1981:60, Volkmann 1990:465ff.: Auf die Frage „Würden Sie es für richtig halten, wieder Soldat zu werden, oder daß Ihr Sohn oder Ihr Mann wieder Soldat wird“? antworteten zwischen Januar 1959 und Oktober 1952 zu sieben unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils zwischen 71 und 75 Prozent der Befragten mit „Nein”(Ausnahme: Mai 1952: nur 63 Prozent „Nein“).
zitiert nach Otto 1981:98 und Volkmann 1990:495, Quelle: Krause 1971:41
Ein Beispiel: „Natürlich kann Deutschland jederzeit von den anderen zum Schlachtfeld gemacht werden. Aber wir legitimieren unser Deutschland selbst als Schlachtfeld, wenn wir uns in die Aufrüstung einbeziehen.“ (Gustav Heinemann in seinem Memorandum über die deutsche Sicherheit vom 13. Oktober 1950, in: EA 1950:3594ff., hier zitiert nach Jahn 1957:26)
Entwurf vom 30.9.1951, abgedruckt bei Dohse 1974:229
ebd.: 233. Dies nur als argumentative Beispiele. Es ist aber nicht nur der „Deutsche Kongreß“, der dieses Argument betont. Auch der „Vorbereitende Ausschuß gegen die Remilitarisierung Deutschlands”, der die Volksbefragung (s.u.) durchführte, fürchtete einen Dritten Weltkrieg und betonte daher: „Deutsche würden gegen Deutsche kämpfen. Ein dritter Weltkrieg wäre zugleich ein deutscher Bürgerkrieg.“ („Rettet den Frieden! — Manifest der Essener Tagung gegen die Remilitarisierung Deutschlands” am 28.1.1951, abgedruckt in: Dietzfelbinger 1984:439) Nach 1955 wird gegen die Pariser Verträge (NATO-Beitritt der BRD) angeführt: „Es drohen ... verstärktes Wettrüsten der Machtblöcke und schließlich ein dritter Weltkrieg, der für uns ein Bruderkrieg wäre.” (Erklärung eines überparteilichen Kreises vom 26.2.1955 (Wolf Schenke), abgedruckt bei Dohse 1974:234, dort auch Näheres zu dieser Erklärung.)
In einer Pressekonferenz im Dezember 1949, zitiert nach Kopp 1958:49. Bei anderer Gelegenheit führt er gegen die Einbeziehung deutscher Soldaten in „fremde Heere“ an: „Man kann von den Deutschen nicht erwarten, daß sie als Söldner in fremden Heeren dienen.” (am 7.12.1949 auf dem Landesparteitag der CDU des Rheinlandes in Düsseldorf, zitiert nach Lichtenberg 1979:155)
In einer Rede am 18.4.1952, zitiert nach v. Schubert 1970:173
Im Januar 1951 gab US-Präsident Eisenhower auf einer Reise in Westdeutschland die von ihm verlangte Ehrenerklärung für die deutschen Soldaten ab, denen er 1945 als General „moralische Minderwertigkeit“ bescheinigt hatte. (vgl. dazu Lichtenberg 1979:3831.)
Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP im Deutschen Bundestag vom 8.2.1952: BT-Drucksache Nr. 3078 Das schon erwähnte Gleichberechtigungs — Argument spielte im Anschluß an die gerade vorgestellte Argumentation bei den ehemaligen Militärs ebenfalls eine wichtige Rolle, weil sie sich durch die geforderte Ehrenerklärung in einer integrierten Armee gleich — wertig, gleich — bewertet sehen wollten und davon abgeleitet als gleichberechtigte Partner anerkannt sein wollten.47 Diese geforderte Gleichberechtigung bezog sich aber von Seiten der SPD mehr als auf diese militärische Gleichberechtigung immer auf die politische Gleichberechtigung. Daß diese aus ihrer Sicht bei den konkreten Adenauer’schen Plänen jeweils für die Deutschen nicht gegeben war, stellte für die SPD neben dem Wiedervereinigungs — Argument den wichtigsten Ablehnungsgrund dar. Während Adenauer etwa im Pleven-Plan die deutsche Gleichberechtigung für gegeben hielt, meinte Schumacher: „Die Gleichberechtigung ist noch immer ein Ziel, das es zu erringen gilt.“ (Bundestag 8.11.1950:3567)
Richter (Nit) im Bundestag am 16.12.1949:741
Jakob Kaiser in: CDU in der Verantwortung. Hrsg. Bundesgeschäftsstelle. Bonn o.J.: 72, in: Akte im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Signatur RWN 26–871, zitiert nach Lichtenberg 1979:380f.
Die „Ehrenrettung des deutschen Soldaten“ müsse „die Grundlage der Gleichberechtigung etwaiger deutscher Kontingente in einer europäischen Armee sein.” (DUD Nr. 251 A vom 22.12.1950:1, zitiert nach Lichtenberg 1979:384)
vg1. zur Entwicklung des Gleichberechtigungs Argument bei der SPD Löwke 1976:37–48, Kapitel „Gleichberechtigung wird zur Doktrin“
Die Note enthielt den Vorschlag einer bewaffneten Neutralität des wiedervereinigten Gesamtdeutschlands nach Verhandlungen und freien Wahlen.
zitiert nach Jahn 1957:200, abgedruckt auch in: Dietzfelbinger 1984:449. Ähnliche Stimmen lassen sich auch aus der SPD anführen. Schumacher betonte schon in einem 1.Mai-Aufruf von 1952: „Für uns Sozialdemokraten steht darum auch in der zeitlichen Reihenfolge die deutsche Einigung vor der westeuropäischen Integration.“ (zit. nach Löwke 1976:55) Der NATO-Beitritt wurde dann eindeutig so bewertet: „Heute bedeutet die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik im Rahmen der NATO und die ausschließliche Konzentration der Außenpolitik der Bundesrepublik auf ihre Eingliederung in das westliche Verteidigungssystem den Verzicht auf eine aktive Politik für die Wiedervereinigung Deutschlands.” (011enhauer am 7.10.1954 im Bundestag, hier zitiert nach ebd.: 114)
„Wir glauben nicht daran, daß westdeutsche Aufrüstung zur friedlichen Befreiung der Sowjetzone und Wiederherstellung der deutschen Einheit führt. Aufrüstung wird vielmehr den Eisernen Vorhang dichter schließen ...” (Petition der Notgemeinschaft für den Frieden, zitiert nach Volkmann 1990:513, bei diesem zitiert nach Koch 1972:275)
„Westdeutschlands Aufrüstung bannt nicht die Kriegsgefahr, sondern vergrößert sie. Die Aufrüstung verschärft die internationalen Spannungen.” (Aufruf der Notgemeinschaft far den Frieden Europas an das deutsche Volk: „Es geht um Krieg oder Frieden“, April 1952; zitiert nach Rausch/Walther 1978:141f.)
„Durch diese Neutralisierung soll Deutschland, ..., eine auseinanderhaltende und beschwichtigende Kraft zwischen Ost und West zur Sicherung des Friedens bilden.” (Aufruf des Nauheimer Kreises ani 25.5.1948, zitiert nach Dietzfelbinger 1984:231)
„Die Mittelrolle muß also das Werk der Deutschen selbst sein, muß gerade ihre Wiedergutmachung vor der Welt sein!” (Noack am 26.8.1949 in Weimar bei einer Diskussion mit dem Präsidium des Deutschen Volkes, in: EA 1950:3077). „Wir denken nicht mehr in erster Linie national deutsch, sondern europäisch, und das Bewußtsein, daß es keine nationalen Kulturen, sondern nur eine gemeinsame abendländische gibt, die heute vom mechanistischen Materialismus des Westens und des Ostens bedroht ist, läßt uns überall nach dem dritten Weg suchen, der die Gegensätze überwindet.“ (Wolf Schenke in: Realpolitik Nr.46/1950:3, zitiert nach Dohse 1974:87f.)
vgl. zu Noacks Weltbild auch Cornides 1950:3072ff., zum Nauheimer Kreis auch Volkmann 1990:507–512
vg1. Dietzfelbinger 1984:235ff., Dohse 1974:100ff., Volkmann 1990:505f., Otto 1981:80f. 59vg1. Dietzfelbinger 1984:239ff., Volkmann 1990:512–517, Otto 1981:81f., Dohse 1974:142ff. 60vg1. zu den Zielen, der Verbreitung und Resonanz und zu den Organisationsformen der neutralistischen Gruppen Dohse 1974, Otto 1981:80–85, Dietzfelbinger 1984:230–249, Volkmann 1990:505–518, speziell zum Nauheirner Kreis Cornides 1950/51
gl. Kapitel 3.3.3.3., zur Genese des Konzepts bei der SPD und zur Auseinandersetzung im Bundestag neben Böge 1985 auch Löwke 1974:92–110
Gustav Heinemann in einem Brief vom 9.10.1950 an Adenauer, zitiert nach Koch 1972:515f. Eine weitere ähnliche Aussage sei hier angefügt. Die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG), eine pazifistische Organisation, „erblickt in einer Wiederaufrüstung die Wiederbelebung des militaristischen Geistes in Deutschland und damit eine Gefährdung der demokratischen Rechte.“ So lautet Punkt 6 der Erklärung des Bundestages der DFG von 1950 (zitiert nach Dietzfelbinger 1984:245).
welches dazu führen könnte, daß die Armee auch wieder gegen die Arbeiterschaft eingesetzt werden könne (vgl. dazu Pirker 1952:26). In dem Vortrag Pirkers wird auch dieser gesamte innenpolitische Argumentationsstrang aus Sicht eines Gewerkschafters ausführlich unter der Prämisse „Die Armee ... wird stets ein die Demokratie gefährdendes Element darstellen“ (Pirker 1952:25) ausgeführt.
Protokoll des 3.Ordentlichen Bundeskongreß, Frankfurt/M., 4.-9.Okt.1954, hrsg. vom DGB: 806ff., hier zitiert nach Dietzfelbinger 1984:215; vgl. auch die Erklärung des DGB-Bundesvorstandes über die Wiederbewaffnung Deutschlands vom 22.Nov.1950, in: Der deutsche Soldat 1954:181 und Walther Theimer in einem Aufsatz über „Des Teufels General“ in: Gewerkschaftliche Monatshefte Heft 10/ Okt.1951, in: ebd.: 171
Text eines Aufklebers: „Das Grundgesetz sagt: ‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.’ Darum: ‚Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für einen Friedensvertrag mit Deutschland im Jahre 1951“`, abgedruckt bei Jahn 1957:261
Niemöller am 4.10.1950 in einem Offenen Brief an Adenauer, in: Rausch/ Walther 1978:51. Falls diese „auf Grund der Bundesverfassung nicht als Volksabstimmung geschehen“ (ebd.) könne, verlangt Niemöller Neuwahlen. Ab Frühjahr 1951 wurde eine solche Volksbefragung mit der Fragestellung „Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland im Jahre 1951?” durchgeführt. Diese wurde als verfassungswidrig schon am 24.4.1951 verboten, und viele der Aktivisten dieser Volksbefragung wurden strafrechtlich verfolgt. (vgl. Dietzfelbinger 1984:94–107, Volkmann 1990:495–505)
Für Neuwahlen,die die SPD schon seit dem Herbst 1950 forderte (vgl. Zitat vom Parteivorstand am 28./29.11.1950: „Neuwahlen zum Bundestag sind eine unerläßliche Vorbedingung für die Entscheidung in der Frage einer deutschen Remilitarisierung“, zitiert nach Löwke 1976:31), führte die SPD im Bundestag an, „daß die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause nicht mehr mit dem Volkswillen von heute übereinstimmen.” (011enhauer im Bundestag 7.2.1952:8116) Parteivorstand und Parteiausschuß der SPD erklärten am 20.1.1952: „Der 1949 unter völlig anderen Bedingungen gewählte Bundestag ist indessen weder kompetent noch befugt, die Entscheidung über den Deutschland zugedachten und von der Bundesregierung angebotenen militärischen Verteidigungsbeitrag zu fällen. Deshalb verlangt die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sofortige Neuwahl.“ (Jahrbuch 1952/53:282, hier zitiert nach Jahn 1957: 71)
vgl. zu deren Ergebnissen vor allem Otto 1981:60–69, Volkmann 1990:477–481, Jacobsen 1975:63–67. In einem Resümee stellt Mutz fest: „Zwar klang aus den Umfrageergebnissen das Nein zu deutschen Truppen nicht einhellig und unabdingbar, im Gegenteil: daß es nur jeweils rund halb so viele Bürger waren, die ein militärisches Engagement der Bundesrepublik an der Seite der Westmächte grundsätzlich verwarfen, wie jene, die lediglich persönliche Konsequenzen der Wiederbewaffnung für sich oder Nahestehende zurückwiesen, spricht gegen die Annahme einer auschließlich emotionalen und unpolitischen Betrachtungsweise des Problems in der Bevölkerung. Aber stets überwog die Ablehnung gegenüber der Zustimmung, wenn nach den konkreten Vertragsprojekten, dem westdeutschen Kontingent in der Europa-Armee oder der NATO-integrierten Bundesarmee, gefragt war. (Mutz 1978:102)
Aufruf des Hauptausschuß gegen Remilitarisierung aus dem Frühjahr 1952 mit der Bekanntgabe von 94,4 Prozent Ja-Stimmen bei über 9 Millionen Befragten und der Schlußfolgerung: „Die Adenauer-Regierung ist nicht befugt, im Namen der Bevölkerung der Bundesrepublik zu sprechen. Alle Verträge, die die Adenauer-Regierung und der Bundestag zum Zwecke der Remilitarisierung und Wiederaufrüstung unterzeichnet haben oder anzunehmen gedenken, ..., sind null und nichtig. Der Wille des Volkes findet seinen Ausdruck in dem Ergebnis der Volksbefragung.“ (abgedruckt bei Jahn 1957:264)
vg1. zu dieser Auseinandersetzung Dietzfelbinger 1984:143–145, Volkmann 1990:372–385; die umfangreichen Schriftsätze zur Begründung der Klage, die Widersprüche der beklagten Partei und die Entscheidungen und Gutachten des BVG sind in drei Bänden mit dem Titel Der Kampf um den Wehrbeitrag. München 1952/1953/1958 veröffentlicht. Beteiligung an der EVG treffen könne. Für diese Sichtweise wurden der Wortlaut des Grundgesetzes und die Tatsache angeführt, daß für den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz ausarbeitete, das Problem der Bewaffnung nicht existiert habe. So erklärte Kurt Schumacher schon am 8.11.1950 im Bundestag: „Das Grundgesetz kennt keine Wehrverfassung. ... Der Geist des Grundgesetzes hat ... das militärische Problem für die Deutschen nicht als existent betrachtet.“ (Bundestag 8.11.50:3574)71 Die Feststellungsklage beim BVG sollte bewirken, daß die Unvereinbarkeit von Verfassungsinhalt und Verteidigungsbeitrag nach EVG-Vertrag dadurch festgestellt würde, „daß Bundesrecht, welches die Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht regelt oder Deutsche zu einem Wehrdienst verpflichtet, ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist.” (Kampf um den Wehrbeitrag 1952, Bd.I:4)
Anfang 1952 formulierte die SPD: „Das geltende Grundgesetz gestattet die Einführung einer irgendwie gearteten Wehrverfassung in Deutschland nicht.“ (Parteivorstand und Parteiausschuß der SPD am 20.1.1952, in: Jahrbuch 1952/53:282, hier zitiert nach Jahn 1957: 70)
vgl. dazu Volkmann 1990:373f.
Es ließen sich noch weitere anführen. Diese sollen aber aufgrund ihrer geringeren Relevanz in der öffentlichen Diskussion und ihrer nicht so zentralen Bedeutung für die Gegner nicht mehr ausgeführt werden. Zu nennen wären hier z.B. die Position von Europa — Befürwortern, die wirtschaftliche und politische Einigung Europas müsse vor der militärischen Einigung stehen (vgl. Volkmann 1990:549) und die KPD-Argumentation, die Bewaffnung gehöre zur „Politik des Großkapitals“ (vgl. Jacobsen 1975:92)
Mitverantwortung. Untersuchungen zur Frage des Wehrbeitrages, hrsg. vom Vorstand des DGB, Köln 1952. Zur Einführung, zitiert nach Volkmann 1990:567
Bei Albrecht findet sich ein Hinweis auf noch weitaus frühere Überlegungen zur deutschen Wiederbewaffnung: „über eine Besprechung vom 15.April 1945 im US-Außenministerium, an der auch der spätere Außenminister Dulles teilnahm, wurde später berichtet: ‚Die Gruppe (der Besprechungsteilnehmer,U.A.) beschloß ... Deutschland wieder aufzubauen und dann zu remilitarisieren. Deutschland sollte zu einem ‚Bollwerk‘ gegen Rußland gemacht werden.’ (Neuer Vorwärts vom 3.12.1954, zitiert nach Jürgen Kuczynski: Das große Geschäft. Berlin 1967:176)“ (Albrecht 1974:7)
vg1. das Kapitel „Verteidigungsbeitrag und westdeutsche Öffentlichkeit“ bei Volkmann 1990 (vgl. auch Volkmann 1983) und die Wortwahl deutscher Wehrbeitrag, Verteidigungsbeitrag und deutsche Wiederbewaffnung bei Lilge 1978 mit der Diss. „Die Protestaktionen gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschland von 1948–1955” von Dietzfelbinger 1984: Dietzfelbinger weist explizit darauf hin, daß er „die Begriffe Remilitarisierung, Wiederaufrüstung und Wiederbewaffnung ... als gleichbedeutend“ verwendet (282), also auch auf die unterschiedliche Begründung für die eine oder andere Wortverwendung bei den Kontrahenten nicht eingehen will. So kommt auch deutscher Wehrbeitrag bei ihm synonym verwendet vor. (77) Auch Sontheimer (1984:277ff.) und Thränhardt (1986:74ff.,82,110) verwenden die drei Ausdrücke Remilitarisierung, Wiederbewaffnung und Wiederaufrüstung ohne Klärung des historischen Gebrauchs dieser Ausdrücke. (vgl. Kopka 1989:49ff.)
Die gleiche Argumentation liegt auch der Sprachkritik Arnulf Barings zugrunde: „So war die sogenannte Wiederbewaffnung, wie Ernst Nolte richtig gesehen hat, als Neubewaffnung eines zunächst waffenlos geplanten und errichteten Staates die zweite und wichtigste Entstehungsphase der Bundesrepublik.“ (Baring 1979:20, hier zit. nach Albrecht 1980:10)
Die von den Bewaffnungsbefürwortern in der damaligen Diskussion am häufigsten verwendeten Ausdrücke Wehrbeitrag und Verteidigungsbeitrag werden von Albrecht gar nicht beachtet.
vg1.dazu Mai 1977:171; Lichtenberg 1979:80f.; Wiggershaus 1983:93
vg1. zu ausländischen Pressestimmen Der deutsche Soldat 1954:21–25, Lichtenberg 1979:81f.
Kogon legte Wert darauf, daß diese Meldung nicht stimmte: „Die Frage einer deutschen Wiederaufrüstung war in Rom nicht von mir aufgeworfen worden, sondern von ... einer Kommission, die damals nur aus Ausländern bestand.“ (in: Frankfurter Hefte 4.Jg./Heft 1/Januar 1949:24)
Aufrústung wird z.B. neutral vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Theodor Steltzer am 4.12.1948 in Die Neue Zeitung verwendet: „ ., daß eine deutsche Aufrüstung — einerlei, ob wir sie Polizei oder Wehrmacht nennen — nur im Rahmen einer europäischen Union diskutabel ist, ...“ (zitiert nach Der deutsche Soldat 1954:32f.)
vg1. Artikel von Carlo Schmid in Die Welt 14.12.1948, S.2 unter der Überschrift „Kollektive Sicherheit statt Remilitarisierung“, wo er referierend von Plänen einer „nationalen Remilitarisierung”, die er ablehnt, spricht und das ebd. veröffentlichte Dementi aus London über eine deutsche Bewaffnung: „Eine Remilitarisierung ist weder im Gange noch geplant.“
West-Echo 30.11.1948, zitiert nach Der deutsche Soldat 1954:29
wie es z.B. die Ausführungen Albrechts 1974:5 und Dietzfelbingers 1984:49ff. Nahelegen
Eine Bestärkung für diese These vom strategischen Gebrauch des Wortes liefert Lichtenberg: „Aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen geht hervor, daß Adenauer sich mehrfach gegen eine ‚Remilitarisierung‘ Deutschlands ausgesprochen hat. Ähnliche Stellungnahmen von ihm unter Verwendung der Begriffe ‚Wiederbewaffnung‘ oder ‚Wiederaufrüstung‘ konnten in den Quellen für diesen Zeitraum nicht gefunden werden. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß Adenauer, der bekanntermaßen eine volkstümliche, fremdwortarme Ausdrucksweise bevorzugte, das Fremdwort ‚Remilitarisierung‘ in dem Zusammenhang nicht ohne Absicht benutzte.“ (Lichtenberg 1979:93)
vg1. Wiggershaus 1983:96–98; Speidel hatte Adenauer bereits 1948 sechs solche Gutachten vorgelegt. vgl. Dietzfelbinger 1984:53 Lichtenberg 1979:135–142
DUD 22.11.1949:5f., hier zitiert nach Lichtenberg 1979:147f.
zu den Gründen Adenauers, diesen Zeitpunkt zu wählen, vgl. Lichtenberg 1979:156–160 1°3vgl. Kopp 1958:48
gegenüber dem Bonner Korrespondenten der Londoner Times, hier zitiert nach Lichtenberg 1979:152
Junge Generation, 1. Jg., Nr.2 vom 11.1.1950:1, zitiert nach Lichtenberg 1979:162
Der Tagesspiegel 18.12.1949: „Solche Perspektiven sind es, die an der Remilitarisierungsdebatte die Berliner einzig und allein interessieren.“ (zitiert nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:142), RP 21.3.1950: „Churchills Vorschlag einer deutschen Remilitarisierung hinterläßt ... das Gefühl, daß der Gedanke nun in den internationalen Unterhaltungen nicht mehr zu unterdrücken ist.”, SZ 16.1.1950 ZU: „Das Ergebnis einer Befragung der westdeutschen Bevölkerung über Remilitarisierung“ (zitiert nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:146)
Im Europarat wurde dabei erstmals offiziell von der Beteiligung Deutschlands an militärischen Maßnahmen gesprochen (vgl. Der deutsche Soldat 1954:33)
Deren Charakter als nur getarnte Polizei, die tatsächlich eine Armee darstelle, wurde allerdings besonders betont.
zitiert nach Kirchliches Jahrbuch 50:165£.; vgl. auch Koch 1972:207
zitiert nach Koch 1972:209; vgl. zu Niemöller Dietzfelbinger 1984:319
Eine Variante dieser Kollokation mit dem gleichen Effekt stellt die Wendung Remilitarisierung und Rearmierung dar, die von dem Gewerkschafter Theo Pirker verwendet wird. (vgl. Pirker 1952)
z.B. sprach der DUD der CDU am 16.10.1950 von der sogenannten Remilitarisierung 123 zitiert nach v. Schubert 1970:148 „Man macht sich die Sache vielfach sehr einfach, indem man für alle solche verwickelten Vorgänge ein Schlagwort einführt. Das Wort, unter dem in den letzten Wochen und Monaten eine verworrene Diskussion hin und her gegangen ist, war das Wort ‚Remilitarisierung‘ . Es ist ein verhängnisvolles Wort, nicht nur weil es ein Schwammwort ist, weil es zur mangelnden Präzision des Denkens und zu schlechter Unterscheidung der verschiedenen Wege, Möglichkeiten und Erscheinungen in der politischen Wirklichkeit verführt, sondern weil es zugleich ein Wort ist, das die Tatsachen verschiebt. Nirgendwo ist von einer Wiederkehr vergangener Einrichtungen die Rede und besteht eine solche Absicht. Wir denken gar nicht daran, vergangene Zustände zu wiederholen oder wiederherzustellen, weder formationsmäßig noch formenmäßig noch gedanklich. Hier geht es nicht um eine Restauration vergangener Ideologien, vergangener Ziele oder vergangener Methoden, sondern hier handelt es sich um völlig neue Formen und Formationen zur Sicherung dessen, was ich soeben mit den Worten Frieden und Freiheit zusammenzufassen suchte.“ (BT 8.11.1950: 3603)
in einem Brief vom 23.5.1951 an Martin Niemöller, zitiert nach Volkmann 1990:504 126vg1. den Abdruck einigen Materials bei Jahn 1957:249–282. Während 1951 das Wort Remilitarisierung eine zentrale Stellung in den Aufrufen und Flugschriften einnahm, stand 1952 der Gegensatz „Für den Friedensvertrag — gegen Generalvertrag“ im Mittelpunkt. 127vg1. Volkmann 1990:496ff., Dietzfelbinger 1984:99f., Otto 1981:77f.
Beschluß der Bundesregierung vom 24.4.1951, zitiert nach Volkmann 1990:497
z.B. durch die auf der Rechten anzusiedelnden Abgeordneten Doris (SRP, vgl. BT 8.11.1950:3593) und Fröhlich (BHE): „Eine Remilitarisierung Deutschlands im Rahmen einer europäischen Streitmacht erscheint uns nur dann möglich, ...“ (BT 8.11.1950:3601)
Schumacher in einem Brief an Adenauer vom 6.2.1951, hier zitiert nach v. Schubert 1970:64
vgl zu den Gründen dieser Akzeptanz die zusammenfassenden Darstellungen bei Volkmann 1990:601–604 und Dietzfelbinger 1984:156–160, bei letzterem bezogen auf den CDU-Wahlerfolg 1953
vg1. Flugblatt, das dies ausführt, bei Jahn 1957:252
Thesen zum Parteitag der KPD Anfang März 1951, zitiert nach Volkmann 1990:501
Die Hinweise auf die ND-Artikel entnommen aus HS-Arbeit Kleine: 18ff.
Entwurf für einen „Innerdeutschen Vertrag zur Vermeidung des deutschen Bruderkrieges“ vom 30. Sept. 1951, zitiert nach Dohse 1974:229f.
Drei weitere, die Ablehnung begründende Abschnitte in diesem Aufruf beginnen mit Westdeutschlands Aufrüstung, zitiert nach Rausch/Walther 1978:141f.
Innerparteilich gab es an der Basis der SPD viele Kräfte, die diese Bejahung neuen Militärs durch die SPD nicht mittrugen und entsprechend andere Bezeichnungen des Problemverhalts bevorzugten. So wurde bei einem Treffen von über 1000 Funktionären und Mitgliedern der Partei am 22.4.1951 in Frankfurt ein „Zentraler Sozialdemokratischer Ausschuß zur Verhinderung der Remilitarisierung“ gewählt. (vgl. Dietzfelbinger 1984:109f.)
einziges Beispiel: die implizite Thematisierung von Verteidigungsbeiträgen durch Setzung von Anführungsstrichen (s.o.)
Im Deutschen Manifest selber wird nur von der „Aufstellung deutscher Sreitkräfte in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone“ gesprochen. (vgl. Jahn 1957:200)
In indirekter Zitierung z.B. in RP 18.1.1955: Die DGB-Landeskonferenz in Bayern beschloß „einstimmig eine Resolution gegen die Remilitarisierung und für die Wiedervereinigung Deutschlands“ (aus HS-Arbeit Böke: 17)
Auch in heutigen geschichtlichen Nachschlagewerken wird das Wort Remilitarisierung z.T. entsprechend dieser RP-Differenzierung nur für die Vorgänge in der SBZ verwendet, so etwa in der von Conze und Hentschel bei Ploetz und der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft herausgegebenen 4.Auflage der „Deutschen Geschichte.“ (vgl. Stötzel 1990:438)
Auf Churchills Vorschlag hin hatte der Europarat eine Resolution verabschiedet, in der es heißt: „Die Versammlung fordert, ..., die sofortige Schaffung einer vereinigten europäischen Armee.“ (EA 1950:3350)
vgl. Der deutsche Soldat 1954, z.B. Referat v.d.Heydte, S.189
FDP-Politiker Wildermuth im August 1950, zitiert nach Mai 1977:147f.
zitiert nach Volkmann 1990:478. Diese im Februar 1950 gestellte Frage wurde allerdings seit Oktober 1950 ersetzt durch die Frage: „Sind Sie für oder gegen eine Teilnahme deutscher Truppen an einer westeuropäischen Armee?“ (zitiert nach ebd.) Nach Volkmann war an der Formulierung der Allensbacher Fragen das Bundeskanzleramt beteiligt. (vgl. ebd.: 465) Insofern könnte diese Änderung eine Folge der Adenauer’schen Sprachsensibilität sein.
zitiert nach Kirchliches Jahrbuch 50:165f., vgl. auch Koch 1972:207
Die KPD-Abgeordnete Thiele empört sich über „das Geschwätz von einer neuen Ethik in einer neuen Wehrmacht.“ (BT 8.2.1952:8181)
Eine westdeutsche Ausnahme bildet z.B. Walter Dirks, der von einer deutschen Nationalarmee spricht (in: FH Heft 8/Aug.1951:534).
Walter Ulbricht meinte z.B. am 3.5.1952 in der Humboldt-Universität in Berlin, es sei notwendig, daß die „DDR ... durch nationale Streitkräfte geschützt und fest mit dem Weltfriedenslager verbunden ist.“ (zitiert nach Kopp 1958:73)
in: Bayern-Kurier Nr.34 vom 25.8.1951:2, zitiert nach Lichtenberg 1979:397
Belege zur Verwendung von Söldner, Legionäre und Landsknechte finden sich im Kapitel über die zugrundeliegenden Argumentationslinien. Auch der KPD-Abgeordnete Rische redet im Bundestag am 8.11.1950 von der „(west)deutschen Söldnerarmee“, die geplant sei. (BT 8.11.1950:3594ff. )
vg1. z.B. Mende (FDP) im BT 28.6.1955:5274
vg1. Fleckenstein 1979:102 und CDU/CSU-Abgeordneter Richard Jäger im BT 6.3.1956:6830. Im Mai 1955 wurde der Name sogar noch in einem Vortragstitel des Reformers Wolf Graf Baudissin verwendet. Der Vortrag bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 2.-5.5.1955 trägt den Titel: „Disziplin und Freiheit in einer künftigen deutschen Wehrmacht.“ (vgl. Genschel 1952:255) „Wir stehen vor einem Neubeginn und sollten das auch klar zum Ausdruck bringen. ... Wir glauben ..., daß in dem Wort ‚Bundeswehr‘ der defensive Charakter unserer Streitkräfte noch klarer zum Ausdruck kommt als in irgendeinem anderen Wort. ... Zwar mag im Gespräch mit hochgestellten Ministern anderer Staaten der Name ... keine Rolle spielen; aber für den Mann auf der Straße in den einstmals von der Wehrmacht besetzten Ländern liegen nun einmal Schatten auf diesem Namen, ... die ... dadurch gegeben sind, daß es eine Armee unter dem Namen ‚Wehrmacht‘ war, die auf einen Befehl dort eingerückt ist.” (BT 6.3.1956:6830)
Mende sprach übrigens auch nach dieser verlorenen Abstimmung im Bundestag weiter von Wehrmacht. (vgl. BT 6.3.1956:6851). Offiziell erhielt die Bundeswehr ihren Namen erst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Rechtsstellung des Soldaten vom 1.April 1956, das aber an jenem 6.3.1956, dem Tag der zitierten Debatte, im Bundestag beschlossen worden war. Am 2.1.1956 hatten die ersten 1000 freiwilligen Soldaten ihren Dienst in den neuen Streitkräften, die noch ohne Namen waren, angetreten. (vgl. Rautenberg 1986:125) Als offizieller Gründungstag der Bundeswehr gilt allerdings der 12.11.1955. An diesem Tag erhielten die ersten 101 Soldaten ihre Ernennungsurkunden. (vgl. Fleckenstein 1979:103) Nach Aussage des FDP-Abgeordneten Mende hatte der CDU-Abgeordnete Jäger schon im Sommer 1955 bei der Beratung des Freiwilligengesetzes den Narr. Bundeswehr „an Stelle des damaligen Wortungeheuers ‚Gesamtstreitkräfte“‘ (BT 6.3.1956:6829) einsetzen wollen. In einer Bundestagsdebatte zum Freiwilligengesetz am 28.6.1955 verwendete Jäger auch bereits diesen Namen. (vgl. BT 28.6.1955:52231.)
Entschließung des Gewerkschaftstages der IG Metall in Dortmund 1956, zitiert nach ebd.: 144
Feststellung des Parteivorstands in einer Sitzung am 10./11.Dezember 1948 in Bad Godesberg; Quelle: Jahrbuch der SPD 1948/1949:136, hier zitiert nach Löwke 1976:160
Dortmunder Aktions-Programm der SPD, zitiert nach Löwke 1976:167
In der innenpolitischen Diskussion des Jahres 1991 über einen Einsatz bundesdeutscher Soldaten im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wurde diese damals umstrittene Behauptung, die NATO sei schon ein System kollektiver Sicherheit, oft wie selbstverständlich unterstellt, wenn mit dem verfassungsrechtlichen Argument, der Grundgesetz-Artikel 24,Abs.2 erlaube der Bundesregierung den Einsatz von Soldaten in, Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit, mit letzterem die NATO gleichgesetzt wurde.
In dem erwähnten Artikel im Neuen Vorwärts vom 15.10.1954 wiederholt Erler diesen Vorwurf der „Sprachverwilderung“ und erklärt: „Es ist eine Irreführung der Bevölkerung, jedes Militärbündnis als ein System kollektiver Sicherheit anzupreisen. Ein Militärbündnis richtet sich gegen eine außerhalb des Bündnisses stehende Macht: ein System der kollektiven Sicherheit schließt auch den möglichen Angreifer ein. Es funktioniert dadurch, daß sich in diesem System alle Teilnehmer verpflichten, gegen denjenigen unter ihnen zusammenzustehen, der den Frieden bricht.” (Neuer Vorwärts 7.10.1954:4, zitiert nach Löwke 1976:172)
Kiesinger (CDU) drückt den gleichen Gedanken mit der Metapher vom „Hecht im Karpfenteich“ aus: „Ich kann natürlich den Hecht in den Karpfenteich des Systems kollektiver Sicherheit hineinsetzen — die Karpfen werden dann einiges erleben!” (ebd.: 2277)
Nach einer weiteren Erläuterung Erlers insistiert Adenauer auf dieser Ablehnung: ‚,... das klingt nicht nach einem Sicherheitssystem, und jedenfalls würde ich nicht sagen: nach einem europäischen Sicherheitssystem.“ (BT 7.10.1954:2319)
Das Lexikon Geschichtliche Grundbegriffe zeigt daneben eine lange Verwendungstradition von Neutralität in Religionssachen als „interkonfessionelle“ und „überkonfessionelle Neutralität” und eine erst im 19.Jahrhundert vorhandene Tradition als „innergesellschaftliche“ bzw. „innenpolitische Neutralität” auf. (vgl. Steiger/Schweitzer 1978:315ff.)
vgl. Steding 1938:65ff., referiert auch bei Steiger/Schweitzer 1978:333
zitiert von Karl Barth am 14.11.1954 in einer Rede in Wiesbaden, nach KJ 1954:82
vgl. auch die positive Verwendung bei einer weiteren Tagung dieses Kreises im Juni 1947 von Dr. Eckardt: „Die Neutralität ist keine Deklamation mehr, sodern es wird daran an verschiedenen Stellen gearbeitet.“ (Mugdahn 1947 a: 21)
zitiert nach ebd.: 53; vgl. auch Deutschlands Stimme (DDR-Zeitung) vom 3.2.1950
vgl. „Entwurf für einen ‚Innerdeutschen Vertrag zur Vermeidung des deutschen Bruderkriegs“‘ vom 30.9.1951 und „Erklärung der Widerstandspflicht gegen teildeutsche Aufrüstung” vom 30.3.1952, abgedruckt bei Dohse 1974:229ff.
Auf der anderen Seite betrachten diese Kommunisten Neutrahtäts-Vertreter als „objektive“ Unterstutzer US-imperialistischer Machtpolitik.
Den Hintergrund solcher und der Adenauer’schen Behauptung von der SatelittenstaatGefahr bildet zu dieser Zeit vor allem die Interpretation des Korea- Krieges (s.o.)
zitiert nach Löwke 1969:83. Im Buch von Weinstein: „Armee ohne Pathos“ von 1951 wird ähnlich argumentiert, und es werden auch hier die Ausdrücke für politisch werbende Zwecke unbrauchbar gemacht: Neutralität sei in der Realität nicht mehr möglich, „Neutralität ist Selbstaufgabe und bereitet das Versinken in den östlichen Raum vor.” (Generaloberst Frhr. von Vietinghoff, in: Weinstein 1951:56) Sowjet-Rußland habe „mit Geschicklichkeit das Stichwort Neutralität in die Debatte geworfen.“ (ebd.)
vgl. HS-Arbeit Bordel/Tönnessen: 9; „Die Verneiner“ ist auch bei Ingrim ein Kapitel über die Gegner des EVG-Vertrages, besonders die SPD, überschrieben. (vgl. Ingrim 1952:93)
Auch Fritz Erler erklärt ausdrücklich, daß das von der SPD favorisierte System kollektiver Sicherheit Deutschland nicht „neutralisiert“ halte und belegt damit den Stigmacharakter dieses Wortes auch bei der SPD: „Deutschland als Teilnehmer eines Systems der kollektiven Sicherheit wäre weder ‚neutralisiert‘ noch im klassischen Sinne neutral. Es nimmt einfach nicht teil an Militärbündnissen. Das ist ein großer Unterschied. Ein neutralisiertes Land, dessen Neutralität von anderen garantiert und beaufsichtigt würde, müßte sich Einmischungen der Garantiemächte gefallen lassen, die angesichts der Methoden sowjetischer Infiltration nicht annehmbar sind. ... Das wiedervereinigte Deutschland soll also weder neutral noch ‚neutralisiert, sondern ohne Militärbündnisse sein.” (Neuer Vorwärts 15.10.1954:4, zitiert nach Löwke 1976:173)
vg1. z.B. die Aussage eines schwedischen Sozialdemokraten von 1953, in: Bohn 1957:124
vgl. ähnlich Der Neue Brockhaus 1975, Duden Großes Wörterbuch 1978, Duden Bedeutungswörterbuch 1985
Nach seiner Diffamierung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten hat „der Pazifismus ... unmittelbar nach 1945 geradezu seine Rehabilitierung erfahren.“ (Ho11 1978:786) Auch nach dem 1.Weltkrieg hatten pazifistische Haltungen Auftrieb erhalten. Auch die Selbstbezeichnung Pazifisten war in dieser Zeit gesellschaftsfähig geworden. Der Jahreskongreß der Deutschen Friedensgesellschaft hieß 1919 nicht mehr Deutscher Friedenskongrefi, sondern Deutscher Pazifistenkongrefl. Carl von Ossietzky hatte von diesem Kongreß den Eindruck, „daß die Zeit zu Ende sei, in der der Pazifismus die Rolle des Stiefkindes der hohen Politik gespielt hatte, daß er nun eine Macht sei, mit der jeder real denkende Politiker zu rechnen habe.” (ebd.: 781)
Rede in Düsseldorf 21.11.1951, in: Heinemann 1969:18
Die negative Verwendung von Pazifismus im Sinne dieser Attribute stützt sich dabei auf eine Verwendungstradition, die vor allem auch die Nationalsozialisten für ihre Diffamierung (und Verfolgung) politischer Gegner genutzt hatten. Für sie war die „schwächliche“ Haltung des Pazifismus „in der harten Welt der Tatsachen” sogar ohne „Daseinsberechtigung“. Als Beispiel dieser NS-Sichtweise sei Joseph Goebbels aus dem Jahr 1933 zitiert: „In Deutschland hat man damit begonnen, die nationale Gesinnung aufzulösen oder sie öffentlich zu diskutieren, vielleicht sie auch zu einer Parteiangelegenheit herabzuwürdigen, als das deutsche Volk, von internationalen Hetzern und Brunnenvergiftern verführt und verseucht, sich zu pazifistischen Ideologien zu bekennen begann, die in der harten Welt der Tatsachen keine Daseinsberechtigung haben.” (Goebbels 1933: „Nationalsozialismus als staatspolitische Notwendigkeit.“) Die nationalsozialistische Diffamierung von Pazifismus und Verfolgung von Pazifisten ist dabei als Kulmination einer auch schon in der Weimarer Republik gegenüber einer relativ starken pazifistischen Bewegung vorhandenen, „aus traditionellen, konservativen und aus rechtsradikalen Ideologie-Elementen gebündelte(n) Pazifismuskritik” (Holt 1978:785) anzusehen. In Lexikon-Definitionen der Nazi-Zeit findet sich diese Diffamierung dann noch verstärkt durch antisemitische Ressentiments wieder: „Pazifismus ..., grundsätzliche Kriegsgegnerschaft, führt bes. infolge der internationalen Zusammenarbeit leicht zum Vaterlandsverrat; ... Die liberal-demokratische Friedensbewegung mit starkem jüdischen Einfluß versucht, Streitfragen zwischen Staaten und Völkern durch Ausschaltung des Krieges zu lösen ... Der Pazifist ist feige; er scheut den Einsatz des Lebens und appelliert aus Mutlosigkeit an Trugideen.“ (Meyer 8.Aufl.,Bd.8 (1940):959, zitiert nach Holl 1978:785)
in: Stimme der Gemeinde 1951, Nr.10, hier zitiert nach Heinemann 1952:29
Eine solche Orientierung von Verbänden ehemaliger Soldaten ist allerdings die Ausnahme: vgl. Volkmann 1990:589ff. zur politischen Orientierung der „Soldatenbünde“, die mehrheitlich als Pflegestätte wiedererwachenden Militarismus’ gefürchtet wurden.
vgl. Koch 1972:201. Bereits in der Weimarer Republik wurde nach Holl der pejorative Gebrauch der Begriffe Pazifismus und Pazifist bei Antipazifisten in der „definitorischen Wendung vom ‚Frieden um jeden Preis,“ (Holt 1978:781) deutlich.
vg1 zu diesem Begriff Liedtke 1989: „Es handelt sich dabei sozusagen um die Gebrauchsanweisung des Ausdrucks: durch seine Verwendung in spezifischen Kontexten wird den Adressaten umrissen, in welches sprachliche Feld der zur Debatte stehende Ausdruck gehört und wie er korrekt zu gebrauchen ist.“ (36) Dies ist eine wirkungsvolle Form der Etablierung der „Bedeutung” eines Ausdrucks, die durch Gebrauch des Ausdrucks in der gewünschten Verwendungsweise über die explizite Erwähnung der „richtigen“ Bedeutung des Ausdrucks hinausreicht.
Schöllgen reklamiert auch den Max Weber’schen Begriff der Verantwortungsethik für seine Anschauung, während der negativ besetzte Begriff Gesinnungsethik bei ihm für die Pazifisten zutrifft. Diese Argumentation für seine und gegen die Auffassung der Nachrüstungsgegner macht sich Anfang der 80er Jahre in der öffentlichen Debatte auch Helmut Schmidt wieder zu eigen.
Die entgegengesetzte Haltung zum Pazifismus, daß „Frieden durch Waffen“ gesichert werden müsse und Wehrdienst insofern auch als Friedensdienst anzusehen sei, die auch noch in den 80er Jahren im Vordergrund steht, hat sich hier im Kontext der antisowjetischen Feindbilder herausgebildet.
Hol1s Resümee im Jahre 1978, „daß heute der Begriff ‚Pazifismus‘ im Gegensatz zur Weimarer Republik wesentlich positivere Assoziationen auszulösen pflegt“ (Holt 1978:786), ist m.E. erst auf spätere Entwicklungen in der bundesrepublikanischen Geschichte zurückzuführen. Für die Rüstungsdiskussion der 80er Jahre kann diese Feststellung (s. Kap. 3.5.3.3.) bestätigt werden.
vg1. z.B. das o.g. Zitat vom „heute landläufigen Ohne-mich-Pazifismus“, der die Bergpredigt nicht verstehe. (vgl. Weinstein 1951:72)
Baring 1969:220, hier zitiert nach Dietzfelbinger 1984:74, vgl. auch Mutz 1978:96 246vg1 Kuczynski 1968:177f., hier nach Mutz 1978:96
Auch Konrad Adenauer setzt in seinen Erinnerungen diese zeitgenössischen Bemühungen fort: Er spricht von der damaligen „verantwortungslose(n) und letzten Endes aussichtslosen ‚Ohne-mich-Haltung“‘ (vgl. Adenauer 1965:535, hier zitiert nach Nunn 1974:152.
Auch bei Volkmann findet sich eine neutrale bis positive Bewertung, obwohl auch er einem „weitgehend unpolitischen Charakter“ der Bewegung ihre mangelnde politische Wirkung zuschreibt: „Die Ohne-mich-Bewegung kam ganz spontan zustande und kann als eine Volksbewegung bezeichnet werden, in der alle Schichten und Parteien repräsentiert waren.”(Volkmann 1990:495)
Kap. 3.3.2.2.: „Unterstützt die Ohne-mich-Bewegung, schließt Euch zu Gruppen zusammen!“
Beispiel: „Mir reicht’s. Ich habe keine Lust, mich nochmal über die Exerzierplätze scheuchen zu lassen ... Nee, nee, ohne mich!“ (Leser Linus Landau aus Gelsenkirchen im Dezember 1949 im Essener Tageblatt zitiert nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:138)
Die Zeit Nr.33/1950,17.8.1950:4, zitiert nach Nunn 1974:152
Die Zeit Nr.49/1949,8.12.1949:1, zitiert nach Nunn 1974:151. Nunn verzeichnet diesen Beleg auch als Erstbeleg.
Der CDU-Abgeordnete Majonica erklärt im Bundestag, daß „das Bekenntnis zum ‚Ohne mich’ — ... — ein Bekenntnis zur Diktatur, zur Unfreiheit, zur Versklavung unseres Volkes sei.“ (BT 7.2.1952:8142)
Nach Doering-Manteuffel wurde diese Haltung auch im bundesdeutschen Katholizismus, mit wenigen Ausnahmen, diffamiert und „der primäre Impuls der ‚Ohne mich`-Bewegung ... abgelehnt ..., nämlich der Appell an die menschlichen Instinkte, an die Bequemlichkeit, auch an die Neigung, sich zu drücken, denn die Wiederbewaffnung würde den Wehrdienst nach sich ziehen.“ (Doering-Manteuffel 1982:42)
Bulletin des BPA 27/1952:262, zitiert nach Mutz 1978:96; nihilistisch ist übrigens ein in dieser Zeit recht häufig verwendetes Stigmawort zur Bekämpfung des politischen Gegners auf seiten der Konservativen.
General Blumentritt in: Weinstein 1951:59. In dieser Schrift wird auch häufig Neinsager als Stigmawort für Bewaffnungsgegner verwendet und tritt somit zu den oben erwähnten Neutralisten, Verneiner, Illusionisten und zu den Ohnemichels hinzu.
E6 geht um die Freiheit, Hrsg. Neuer Vorwärts- Verlag Hannover o.J. (1951):3f., vorerst zitiert nach Otto 1981:72
vg1. auch Kasseler Post 19.11.1954 Überschrift: „Nicht mehr ‚ohne mich’. Das Ergebnis einer Umfrage“, Text: „Um von der ‚ohne-mich-Stimmung’ auszugehen: diese als Reaktion auf die Schrecken des Krieges verständliche Haltung hat einer wesentlich kühleren Beurteilung der Dinge Platz gemacht.” (zitiert nach Aufstieg aus dem Nichts 1954:156)
vg1. zum mangelnden Einfluß der Reformer in der Dienststelle Blank und zur mangelnden Berücksichtigung der Reform-Konzepte bei der Personal-Auswahl und -Schulung Genschel 1972; auch Simon 1980:88ff. stellt gerade für die Anfangszeit der Bundeswehr die mangelnde Umsetzung der Reformkonzepte und auch für die 60er Jahre noch ihre Ablehnung durch viele Offiziere bis hin zum Verteidigungsminister Kai Uwe von Hassel trotz seines (Simons) grundsätzlich positiven Bildes der Bundeswehr fest.
vgl. die journalistische Darstellung solch krassen Vorgesetzten-Verhaltens und des Bundeswehr-Alltags bei Stuckmann 1964
Baudissin am 3.12.1951, vgl. Baudissin 1969:25
Baudissin bei einer Tagung vom 9.-12.10.1952, vgl. Baudissin 1969:200
Abdruck des Dokuments bei Rautenberg/Wiggershaus 1977, hier S.185
vgl. hierzu und zum organisatorischen Aufbau der Dienststelle im Hinblick auf die Bedeutung des Bereichs Innere Führung auch in der Folgezeit Genschel 1972:72ff.
vgl. die Parole von Wiederbewaffnungsgegnern „Nie wieder Barras“ ‚ Abdruck bei Jahn 1957:227 und 230
Blank-Rede zuerst in Bulletin des BPA vom 22.1.1952:83f., hier zitiert nach Jahn 1957:37 275am 3.12.1951 bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Hermannsburg, vgl. Baudissin 1969:25
vg1. die Schrift „Bürger — Armee — Staat“, inhaltliche Zusammenfassung bei Genschel 1972:1705.
In Bulletin des BPA 13.2.1953:241f.; vgl. auch ein weiteres Zitat Blanks aus Sonntagsblatt vom 22.3.1953, zitiert bei Genschel 1972:28
Politisch-Soziale Koorespondenz Jg.2, 1953, Nr. 23:13
vg1. Genschel 1972:136; Graf Kielmannsegg in v. Ilsemann 1971:VII; Stuckmann 1964:41; It. Der Spiegel 6.7.1955:10 wurde in diesen Kreisen auch 1955 noch diese Diffamierungsvokabel verwendet.
vgl. die wissenschaftlichen Darstellungen der Auseinandersetzungen um dieselbe: Simon 1980, Rössler 1979, Lutz 1980, v. Ilsemann 1971, Genschel 1972 zuvor umschriebene Aufgabe der Abteilung „Innere Führung“. Für den Leser hat offenbar die bloße Nennung dieser Wendung die Funktion, ihn auf einen ihm unter diesem Schlagwort schon bekannten Problemkomplex zu verweisen.
Auch wenn Kielmannsegg die „Wortschöpfung“ „für nicht allzu glücklich” hält, da sie „vielen Mißdeutungen ausgesetzt“ gewesen sei. Andererseits hält er den „Begriff” aber als „Ausdruck eines tragenden Grundsatzes der Inneren Führung nach wie vor für richtig“. (in: von Ilsemann 1971:VIII) Mit den von Kielmannsegg genannten „Mißdeutungen” des Ausdrucks sind wohl eher solche reaktionäre Militärs gemeint, die eine „Verbürgerlichung“ und „Verweichlichung” der Soldaten, die sie nach ihrer alten Tradition lieber als „Kämpfer für Volk, Ehre, Vaterland“ u.ä. gesehen hätten, befürchteten, als Mißdeutungen skeptischer Bürger, die mit dieser Strategie hauptsächlich erreicht werden sollten. Zu solchen Bedenken in Reihen der FDP vgl. Wagner 1978:154.
Auch der sprunghafte Anstieg der Kriegsdienstverweigerer-Zahlen und die Nicht-Begeisterung der betroffenen Soldaten im Frühjahr 1991 während des Golfkrieges und der innenpolitischen Diskussionen um einen möglichen Einsatz bundesdeutscher Soldaten im Kriegsgebiet könnte als Beleg gewertet werden, daß in der BRD der Aufbau einer nicht-militaristischen Armee gelungen ist und die Verwirklichung des soldatischen Leitbilds Staatsbürger in Uniform nicht ganz gescheitert ist.
Mit diesem Argument hatte auch schon der DP-Abgeordnete Schneider 1956 im Bundestag den Ausdruck Staatsbürger in Uniform als „billiges Schlagwort“ abgetan: „Auf der anderen Seite ist es auch übertrieben, vom ‚Staatsbürgere in Uniform’ zu sprechen. Das ist in meinen Augen ein billiges Schlagwort. ... Denn: ... Wo ist die Staatsgesinnung heute, die wirkliche Staatsgesinnung in unserem freiheitlichen Staatsraum?” (BT 6.3.1956:6854) taktisch wird in diesem militärstrategischen Sinn als Gegensatz zu strategisch verwendet; als strategische Atomwaffen gelten die interkontinentalen, die Langstreckenraketen, die vom Boden der USA, von Schiffen oder Flugzeugen aus die Sowjetunion treffen können
vgl. Rupp 1984:33f., Wilker 1977:71, Kurscheid 1981:13
zu den Gründen des Rückzugs der SPD vgl. Wilker 1977:89f. und Pirker 1965:258ff. 4vgl. Pirker 1965:258, Rupp 1984:202
vgl. vor allem die Entschließung des Bundestages vom 25.3.1958: „In Übereinstimmung mit den Erfordernissen dieses Verteidigungssystems und angesichts der Aufrüstung des möglichen Gegners müssen die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen so ausgerüstet werden, daß sie den von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen und den notwendigen Beitrag zur Sicherung des Friedens wirksam leisten können.“ (BT 25.3.1958:1169)
F.J. Strauß in: Bulletin des BPA 27.10.1960, zitiert nach Rupp 1984:41
Adenauer am 2.5.1957 vor der NATO-Konferenz der Außenminister in Bad Godesberg, in: Bulletin des BPA 3.5.1957:709
Adenauer vor der NATO-Konferenz am 2.5.1957, in: Bulletin des BPA 3.5.1957:709 13Adenauer ebd.: 710
Aufruf zum 1.Mai 1958 der Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik vom 20. April 1958, zitiert nach Blaubuch 1958:16
Auch andere Argumentationen, die verwendet werden und zum Teil schon aus der Wiederbewaffnungsdiskussion bekannt sind und hier nicht mehr gesondert erläutert werden, kommen in diesem Aufruf vor, wie das Argument, die „Mehrheit des deutschen Volkes“ lehne die atomare Bewaffnung ab, und die Befürchtung eines Bruderkrieges zwischen Deutschen, hier ausgedrückt als Gefahr des „atomaren Brudermordes”.
„Die Strategie der Abschreckung arbeitet mit Faktoren, die wir nicht sicher kennen, und verrechnet sich darum mit tödlicher Gewißheit.” (Stefan Andres, zitiert nach Heipp 1965:107)
„Solange diese Waffen nur in der Hand von drei Mächten sind, ist ein Abkommen über ihre Kontrolle möglich. Wenn ... diese Waffen auch in den Besitz anderer Staaten gelangen, wird die Gefahr, daß durch die Tat eines unverantwortlichen nationalen Führers ein alles vernichtender nuklearer Krieg begonnen wird, beträchtlich verstärkt.” (Resolution von 9235 Wissenschaftlern an die UNO vom 14.1.1958, zitiert nach Heipp 1965: 104)
vgl. Carlo Schmid im Bundestag 2.7.1958:2243f. „mehrere(n) tausend Luftminen des zweiten Weltkriegs auf einmal, ohne daß man zwischen mehreren Luftangriffen wenigstens noch die Zeit hat, Schäden zu reparieren, Kranke zu behandeln usw. ... Mit einem Schuß wäre eine Stadt wie Bonn zerstört, verschwunden mit allem, was da ist. Die Totalzerstörung würde zwar nur einen Kreis von 1,6 km bedecken. Aber auch darüber hinaus wäre das Leben weitgehend erloschen.” (BT 10.5.1957:12056)
aus dem Schlußsatz des Aufrufs des Aktionsausschuß Kampf dem Atomtod vom 10.3.1958, hier zitiert nach Blaubuch 1958:12
Daß mit Atomwaffen die Bundesrepublik nicht verteidigt, sondern nur zerstört werden könne, ist eher als Stützung des ersten Argumentationsstrangs aufzufassen, vgl. zu diesem Argument den Aufruf zur Bildung einer Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik vom 9.3.1958, in Blaubuch 1958:9; vgl. auch Parteivorstand der SPD im SPD-Pressedienst vom 9.3.1958, in Wilker 1977:88f.
Nicht berücksichtigt werden sollen in meiner Darstellung in der wissenschaftlichen Literatur zu findende Überlegungen und sprachkritische Anmerkungen, ob es sich in der Diskussion bei der Bezeichnung Atombewaffnung um eine angemessene Bezeichnung insofern gehandelt habe, als ernsthaft nur die Ausrüstung der Bundeswehr mit Trägersystemen für atomare Sprengköpfe, nicht aber die Verfügung der Bundeswehr über diese atomaren Sprengköpfe zur Debatte gestanden habe. Insofern habe die Bezeichnung Atombewaffnung eine Simplifizierung der differenzierter zu bezeichnenden Zusammenhänge dargestellt. (vgl. Wilker 1977:95) Da diese Differenzierung in der öffentlichen Debatte aber keine Rolle spielte und die Atomwaffengegner i.d.R. gerade diese Bewaffnung mit atomaren Trägerraketen in der Bundesrepublik und für die Bundeswehr unabhängig von der Verfügungsgewalt über die Sprengköpfe ablehnten, hat sie für die Konstituierung des öffentlichen Bewußtseins keine Rolle gespielt. Zudem haben auch die Befürworter der Atombewaffnung in ihrem Drängen nach den modernsten Waffen diese Differenzierung nicht vorgenommen, weshalb der Vorwurf der Simplifizierung allein an die Adresse der Gegner selber nur als parteipolitische Stellungnahme tauglich ist.
Die Stellungnahmen sind im einzelnen ein offener Brief des Pfarrers Hermann Sauer an die Kirchenleitung Hessen und Nassau vom 29.4.1954 (KJ 1954:67–69), eine Erklärung zur Entwicklung der Atomwaffen des Rats der EKD (KJ 1954:69) und ein Brief hessischer Pfarrer vom 14.7.1954 an die Weltkirchenkonferenz in Evanston (KJ 1954:70f.).
Heinemann am 15.10.1954 in Stimme der Gerneinde zitiert nach Heinemann 1969:81
Fritz Erler zitiert diese Pressemeldungen am 10.5.1957 im Bundestag: „Außerdem ist vorgesehen, die eigene Feuerkraft durch Atomartillerie zu erhöhen. Bis jetzt verfügen nur die amerikanischen Divisionen auf dem Kontinent über Atomkanonen.“ (BT 10.5.1957:12055) 31Adenauer am 22.8.1956, in: Keesing’s AdG 26/1956:5934
Im Juni 1956 verabschiedete etwa die Synode der EKD eine „Theologische Erklärung“, daß das Evangelium den Christen verwehre, „die Wissenschaft zur Herstellung von Massenvernichtungsmitteln zu mißbrauchen, die durch keinen Zweck geheiligt werden können.” (KJ 1957:75)
So entstand als eine erste außerparlamentarische Oppositionsgruppe Mitte 1956 der Kampfbund gegen Atomschäden der die Zeitschrift Das Gewissen. Organ zur Bekämpfung des Atom-Mißbrauchs und der Atom-Gefahren herausgab. (vgl. Rupp 1984:70)
In einem HR-Interview vom 8.4.1957 spricht er vom Problem, „ob zur Verstärkung der abschreckenden Wirkung ... die europäischen ... Streitkräfte der NATO mit leichten Atomwaffen ausgerüstet werden sollen.“ Daneben spricht Strauß in diesem Interview auch von Kernwaffen. (vgl. Rupp 1984:39)
zitiert u.a. bei Kopp 1958:130, Bauer 1964:143, Rupp 1984:37
wiedergegeben in von Weizsäcker 1963:50ff., hier zitiert nach Rupp 1984:74f. zitiert nach Kopp 1958:132 und Bauer 1964:144
BT 25.3.1958:1169; am 10.5.1957, als die atomare Bewaffnung der Bundeswehr auf NATO Ebene noch nicht zur Entscheidung stand, war in einem Entschließungsantrag trotz der gleichzeitig schon zu konstatierenden Verwendung verharmlosender Vokabeln noch von der „Bewaffnung der Bundesrepublik mit atomaren Waffen“ die Rede. (vgl. Bauer 1964:164)
Die Belege aus der RP für 1957 verdanke ich der HS-Arbeit Moews, hier S.14 45Verwendung von sauber in der RP 25.6., 27.6., 28.6., jeweils S.1
vg1 auch die Kritik von Gollwitzer 1957:25f. sowie die von Albert Schweitzer in seiner Rundfunkansprache im norwegischen Rundfunk, zitiert u.a. in FAZ 29.4.1958:4, Original in Brollik/Wündrich 1981:115
vgl. Bundestag 5.12.1957: Drs. 54, fast gleichlautend Bundestag 21.1.1958: Drs. 54 (neu) 49zitiert nach Blaubuch 1958:108
aus der Erklärung der sechs Dekane der sechs theologischen Fakultäten in der DDR vom 27.4.1957 (vgl. Gollwitzer 1957:3)
Theologische Erklärung der außerordentlichen Synode der EKD vom 29.6.1956, vgl. ebd. 52vgl. ebd.: 35
zitiert nach Rupp 1984:219. Das Godesberger Programm der SPD von 1959 enthält die Abkehr von der radikalen Atombewaffnungs — Gegnerschaft. Es wird sowohl die Position gegen die Atombewaffnung verwässert als auch der Ausdruck Massenvernichtungsmittel durch Ausweitung seiner Extension und durch seine Referenz auf Atomwaffen in der ganzen Welt nicht mehr für die konkrete Atomwaffengegnerschaft gebraucht, sondern benutzt, um ein allgemeines, politisch-unkonkretes Bekenntnis zur Abrüstung auszudrücken: „Die SPD fordert die völkerrechtliche Ächtung der Massenvernichtungsmittel auf der ganzen Welt.“ (zitiert nach ebd.:232) und: „Die Bundesrepublik Deutschland darf atomare und andere Massenvernichtungsmittel weder herstellen noch verwenden.” (zitiert nach ebd.: 229) Da die Ausstattung der Bundeswehr mit Atomwaffen im Rahmen der NATO vor sich gehen sollte, umging diese Formulierung zudem überhaupt eine Stellungnahme zu dem konkreten politischen Problem. Zu dieser Bewertung kommt auch Rupp 1984:229, kritisch dazu Wilker 1977:270, der die genannte Interpretation ablehnt.
Auch sein SPD-Kollege Arndt übernimmt am 20.3.1958 diese Sprachkritik: „Die Bundesrepublik wird sich ... nicht an der Herstellung ... der sogenannten ABC-,Waffen‘ — Waffen sind es nicht, Massenvernichtungsmittel — beteiligen.“ (BT 20.3.1958:855)
Diese Behauptung beruht auf dem Rückschluß von einem heute üblichen alltagssprachlichen Gebrauch des Wortes auf den damaligen und läßt sich nicht mit Wörterbucheinträgen belegen. In älteren Wörterbüchern fehlt das Stichwort Umrüstung in neueren ist sowohl seine Bedeutung im technischen wie im militärischen Bereich verzeichnet (vgl. WdG 1964 und 1981, wo für die letztere Bedeutungsvariante „Neuprägung“ angegeben ist, Duden Großes Wörterbuch 1981, Brockhaus Wahrig 1984).
Nachrüstung zumindest in der in den 70er Jahren noch allein in Wörterbüchern verzeichneten Bedeutung
Beleg aus HS-Arbeit Wirth-Ortmann: 24; WEU = Westeuropäische Union: im Mai 1955 in Kraft getretener kollektiver Beistandspakt der europäischen Staaten Großbritannien, Frankreich, Italien, BRD und Benelux-Staaten im Rahmen der NATO, deren militärische Aufgaben dem NATO-Oberbefehlshaber unterstehen.
vgl. z.B. ein Flugblatt „Aktion ‚Umrüstung“ zum 21. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf 5.-9.6.1985, eigenes Archiv
zitiert nach ebd.: 133 und Blaubuch 1958:11f.. Schon vorher hatte auch die DGB- Zeitung Die Quelle einen Artikel von Kurt Brunlop in ihrer März-Ausgabe mit dem Titel „Dem Atomtod entschlossenen Kampf!“ veröffentlicht. (vgl. Rupp 1984:141)
z.B. in der FAZ vom 29.4.1958:3, vgl. Rupp 1984:192f.
Als Belege für diese Ausdrücke seien genannt: ein Spruchband auf einer Kundgebung, das als Titel der Arbeit von Rupp fungiert, enthält den Slogan: „Kampf dem Atommord“; Dozenten der PH Lüneburg warnen vor den Auswirkungen einer Verteidigungspolitik, „die auf dem Atomterror beruht” (Blaubuch 1958:143); das FDP-Wahlprogramm enthält 1957 den Slogan „Bewahrt uns vor Atomgefahr!“ (vgl. Rupp 1984:117); schon Mitte 1956 entstand eine Organisation „Kampfbund gegen Atomschäden” (vgl. Rupp 1084:70): Vom Kampfbund gegen Atomschâden wurde eine Zeitschrift mit dem Titel „Das Gewissen. Organ zur Bekämpfung des Atom-Mißbrauchs und der Atom-Gefahren“ (vgl. ebd.) herausgegeben.
RP 21.3.1958: „SPD-Politik der Atompanik“, RP 14.3.1958: „CDU kämpft gegen Atompsychose”, RP 15.3.1958: „Zweite ‚ohne mich’ — welle. Warnung vor Atomdefaitismus“, RP 14.6.1958: „Atomangst — Import aus Pankow”; diese Belege verdanke ich der HS-Arbeit Montanus: 20ff.
Adenauer lt. RP 1.7.1957:2, zitiert nach HS-Arbeit Schulz: 30 Haus einer Rede Adenauers im Rundfunk am 29.1.1958, zit. nach Dokumente zur Deutschlandpolitik 1958:447
so Eugen Gerstenmaier (CDU) in einer Antwort auf die genannte Bundestagsrede am 1.2.1958, vgl. Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, Bd. 4:484ff.
Einen weiteren Beleg für die verbreitete Negativ-Verwendung der genannten Termini liefert ein zeitgenössisches Buch von Helmut Bohn über die sozialistischen Parteien Westeuropas, in dem sowohl der Autor selbst als auch von ihm zitierte französische und dänische Politiker in bezug auf Deutschland und Westeuropa diese Ausdrücke negativ verwenden, vgl. Bohn 1957:119–134
Erich 011enhauer in einer Rundfunkansprache im Süddeutschen Rundfunk am 12.3.1958, zitiert nach Wilker 1977:48
bei einer Rundfunkansprache am 26.2.1958, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik 1969:592
„Alle Aussagen des Atompazifismus über die Atomwaffen gehören in den Horizont der mythischen Weltansicht, ...” (Gross 1959:33)
„Als trojanisches Pferd im Lager der Feinde ist er (der Atompazifismus, M.W.) von unschätzbarem Wert.” (ebd.: 57)
Dieser Versuch der Zusammenstellung der Argumente ist nicht neu, ist aber hier am Zweck des Verständnisses der später analysierten lexikalischen Entwicklungen orientiert. Während und nach der Diskussion selber hat es verschiedene journalistische, aber auch der Diskussion selbst dienstbar gemachte Zusammenstellungen der Pro-und Contra-Argumente von politischen Institutionen und Einzelpersonen sowie eine wissenschaftliche Ausarbeitung dieser Argumentationen — letztere mit dem Ziel rationaler politischer Auseinandersetzung — gegeben, deren Ergebnisse in meine Ubersicht einfließen. Bei letzterer handelt es sich um einen Aufsatz von K.-P. Klein (Klein 1984), zu ersteren gehören u.a.: Aspekte 1981; Bastian 1981; Ernst Tugendhat in Der Spiegel 47/1983:82–95: „Und wenn die ganze Welt sowjetisch würde? Die Argumente der Befürworter und der Gegner der Nachrüstung — ein fiktives Gespräch“; Saarbrittcker Zeitung 24.4.1981:3: „Argumente gegen Pseudo-Argumente”; FR-Dokumentation 4.7.1983:14: „Der NATO-Doppelbeschluß und seine politischen Hintergründe“ von Ernst Nagel sowie SZ 23./24.5.1981, wo auch auf die Hintergründe und kategorialen Begriffssysteme, innerhalb derer die Argumente Gültigkeit beanspruchen, reflektiert wird, was den Autor zu dem Schluß führt: „Es gibt nun mal keinen Patentkatalog von 25 ‚richtigen’ Gegenargumenten auf ebenso viele ‚falsche‘ Argumente.” (SZ 23./24.5.1981:8)
Nachrüstungsgegner weisen häufig daraufhin, daß die Nachrüstungswaffen lange bevor die Sowjetunion die SS-20 aufgestellt habe, geplant und entwickelt worden seien, was (bei Annahme der „Wahrheit“ dieser Behauptung) die gesamte Argumentation als reine Legitimationsstrategie für die Öffentlichkeit für eine aus anderen Gründen geplante Rüstungsmaßnahme ausweist.
vgl. z.B. Ronald Reagan in seiner Rede am 18.11.1981 (in: Mechtersheimer/Barth 1983:113) oder Manfred Wörner in der Bundestagsdebatte am 22.11.1983, wo es schon jede Woche eineinhalb Raketen sind, die in Stellung gebracht werden (in: Die Nachrüstungsdebatte 1984:142)
z.B. Alfred Dregger in Der Spiegel 33/1983,15.8.1983:24, letzteres auch in einer Oberschrift in Die Welt 8.8.1981:5
vgl. dazu auch FAZ-Artikel „Täglicher Wortschatz“ mit einer Auflistung dieser Wörter, z.B. konventionell, taktisch, strategisch eurostrategisch, interkontinentalstrategisch, Kurzstrecken-, Mittelstrecken-, Interkontinentalraketen (FAZ 31.8.1983:25)
z.B. Helmut Kohl im Bundestag am 21.11.1983: „Und bis heute verfügt die NATO nicht über ... solche Waffen, die nach der Bündnisstrategie notwendig sind, um die Abschreckung auf allen Ebenen sicherzustellen.“ (Die Nachrüstungsdebatte 1984:15)
vgl. dazu auch die Herausarbeitung dieser Argumentation in SZ 23./24.5.1981:8 und SZ 25.11.83:12 sowie Voigt 1981:52ff.
Helmut Schmidt am 21.11.1983 im Bundestag, zitiert nach Die Nachrüstungsdebatte 1984:95
so z.B. Egon Bahr: „Ohne Doppelbeschluß (der NATO) gibt es keine Verhandlungen, ohne Verhandlungen keinen Stopp der sowjetischen Mittelstreckenrüstung und keinen Stopp der amerikanischen mit folgender Stationierung.“ (zit. nach einigkeit 9/September 1981:6)
der attention area der Rede (vgl. Dieckmann 1975:105f.), vgl. zur auch hier zitierten Rede Helmut Kohls ins Bundestag am 21.11.1983 die Analysen von H.-D. Zimmermann 1985 und Burkhardt 1986
Die Folgerung aus einem anderen Kräftevergleich lautet: „Aus unserer bewertenden Gegenüberstellung des eurostrategischen Vernichtungspotentials, das die NATO und die Sowjetunion gegenwärtig verfügbar halten, ergibt sich eindeutig, daß die Behauptung, das westliche Verteidigungsbündnis sei dem Warschauer Pakt hoffiungslos unterlegen, schlichtweg falsch ist. ... Die NATO verfügt im eurostrategischen Bereich über Waffen, die denen der Sowjetunion mindestens ebenbürtig sind. Jede gegenteilige Behauptung kommt einer Desinformation, also Irreführung gleich.“ (Guha 1980:92) Und der SPD-Linksaußen Karl-Heinz Hansen erklärt in einer Diskussion: „Aber selbst, wenn man Waffenparität für notwendig hält, gibt es, auch wenn man die SS-20-Systeme mit einbezieht, im Mittelstreckenbereich kein Untergewicht des Westens.” (in: DVZ 23.7.1981:17)
vg1. u.a. Guha 1980:146, Jürgens 1984:24f., Schaler 1986:265 und Vorwärts 23/2.6.1983:14; zur Kritik an dieser Argumentation vgl. fiert Krell: „Plädoyer für Rüstungskontrolle“ (FR-Dokumentation 25.11.1981:10)
Lafontaine in Positionspapier zum SPD-Bundesparteitag 1982, nach: FR-Dokumentation 23.2.1982:10
Als Argument wird die PD 59 u.a. ebenfalls erwähnt von Perdelwitz/Bremer 1981:123 und in BZ Wochenendmagazin 20./21.6.1981:2
vg1. zur Auseinandersetzung über Erstschlagwaffe oder Ersteinsatzwaffe Mechtersheimer in FR-Dokumentation 16.8.1983:10 und Lutz in FR-Dokumentation 22.8.1983:12
Ein weiteres Beispiel: „Gefahr Nr.2: Weltkrieg durch Computerfehler. Fehlalarme von Warncomputern, die es schon mehrfach gegeben hat, wurden bislang stets durch zeitaufwen dige Tests als Fehlalarme erkannt. Die Flugzeit der Pershing-2-Raketen wird zu kurz sein, um einen Alarm der russischen Warncomputer noch von einem Fehlalarm unterscheiden zu lassen.“ (Wernicke in: taz 12.8.1983) Etwqs ausführlicher entwickelt diese Argumentation O.Lafontaine in: Der Spiegel 35/1983:44–47; Willy Brandt erwähnt in seiner Bundestagsrede am 22.11.1983 auch diese Gefahr und verweist auf Untersuchungen über die Unzuverlässigkeit der Computersysteme. (vgl. Die Nachrüstungsdebatte 1984:175f.)
vg1. auch Guha 1984:175 und Guha in: taz Nr.1112/12.9.1983:7
vg1. auch ausführlicher Lutz 1981:299–314
hier zitiert nach Vorwärts Nr.17/21.4.1983:12. Gegen diese Argumente für eine Seestationierung der neuen Waffen werden von den Nachrüstungsbefürwortern Argumente auf verschiedenen Ebenen vorgebracht. Zunächst wird das Argument, landgestützte Raketen zögen atomare Schläge auf sich und erhöhten somit das Risiko für Westeuropa unverhältnismäßig stark im Vergleich zu dem der USA, damit zurückgewiesen, daß bereits heute in Westeuropa „Hunderte von ortsfesten, bekämpfbaren Zielen“ (A. Mertes in: Die Zeit Nr.26/19.6.1981:7) für die Atomwaffen der Sowjetunion zur Verfügung stünden und daß die neuen Raketen mobil seien und deshalb keine Ziele für die 55–20-Raketen darstellten. Eine Stationierung auf dem Lande sei „sichtbarer Ausdruck der Bereitschaft der Europäer zur gemeinsamen Risikoteilung” (Auswärtiges Amt am 22.5.1981 nach: Mechtersheirner/Barth 1983:152) mit den USA. Im Rahmen der militärstrategischen Kriterien wird angeführt, daß landgestützte Mittelstreckenraketen eine stärkere Abschreckungswirkung haben, „denn sie stehen sichtbar in einem Land, dessen Schutz die Abschreckung dienen soll.“ (A. Mertes in: Die Zeit Nr.26/ 19.6.1981:7) Damit sei auch erst die europäisch-amerikanische Kopplungswirkung gegeben, die ja eine Regionalisierung des Atomkriegs in Europa verhindert. Diese Argumentationslinie beruht natürlich auf dem Grundsatz der NATO-Strategie. Verhandlungspolitisch wird geltend gemacht, daß landgestützte Mittelstreckensysteme besser vergleichbar mit den sowjetischen landgestützten Systemen seien und so ein Verhandlungsergebnis erleichterten.
So heißt es in einem Beschluß des Bundesjugendausschusses der Gewerkschaft ÖTV: „Bundesverteidigungsminister Apel stellte sogar ein Junktim zwischen SALT II und der Nachrüstung her, zuletzt noch Anfang Oktober 1979 in Washington. Wenn der Vertrag vom Senat nicht ratifiziert würde, wäre für die Bundesregierung ein Beschluß zur Einführung von Mittelstreckenwaffen in Europa unmöglich, da das mit dem Beschluß verbundene abrüstungspolitische Angebot an Moskau nach einem Scheitern von SALT II wertlos wäre. ... Dieser SALT-II-Vertrag ist vom amerikanischen Senat jedoch nie ratifiziert worden und wird vom neuen US-Präsidenten Reagan strikt abgelehnt — seine völkerrechtliche Gültigkeit ist damit nicht gegeben. Damit entfällt die wesentliche Grundlage des Doppelbeschlusses.“ (ötvMagazin 6/1981:6)
SPD-Antrag in der Bundestagsdebatte am 22.11.1983, in: Die Nachrüstungsdebatte 1984:268ff.
so z.B. Franz Alt in: Der Spiegel 46/1983:53: „Deutschland Ost und Deutschland West haben schon heute die größte Atornwaffendichte der Welt. ... Auch ohne Krieg wird Deutschland im Interesse der beiden Supermächte durch die ewige Nachrösterei atomar verseucht.“
Ernst Tugendhat denkt in seinem fiktiven Gespräch zwischen Nachrüstungsbefürworter und -gegner die Alternative von Frieden oder Freiheit zu Ende und entscheidet sich für den Verlust der zweiteren, wenn diese Alternative wirklich gegeben sein sollte. (vgl. Der Spiegel 47/1983:94f. )
so z.B. Fischer (DIE GRÜNEN) im Bundestag am 23.6.1983:1049, wobei er von „atomarem Auschwitz“ als der Formulierung des US-Bischofs Hunthausen spricht.
vgl. auch das Motto der lila Tücher auf dem Evangelischen Kirchentag von 1983 in Hannover: „Die Zeit ist da für ein Nein ohne jedes Ja zu Massenvernichtungswaffen“
vg1. zur Inanspruchnahme der Bergpredigt für eine solche politische Argumentation die Analyse eines Streitgesprächs zwischen Heiner Geißler und Franz Alt von Pasierbsky. Während die Nachrüstungsbefürworter versuchen, ebenfalls aus der Bergpredigt die Illegitimität ihrer Inanspruchnahme für solche konkreten Handlungsfolgerungen abzuleiten, will Pasierbsky zeigen, daß beide Auffassungen entgegen ihren Behauptungen sich nicht aus der Bergpredigt begründen lassen und daß beide „trotz des gegenteiligen Scheins dasselbe Feindbild“ (Pasierbsky 1989:287) haben. Darüberhinaus argumentiert er, daß die inhaltlichen Aussagen der Bergpredigt auch nicht geeignet seien, Frieden zu stiften, da die Bergpredigt aus einem egoistischen Prinzip erwachsende „praktische Liebe” predige, die das eigene Erleben zum Maßstab dafür macht, was für den Mitmenschen gut und richtig ist. In diesem Sinne sei die Bergpredigt auch von Christen schon bei der Unterwerfung andersgläubiger Völker gebraucht worden. (vgl. Pasierbsky 1989:297ff.)
vg1. zu dieser Mehrheits-Argumentation auch Liedtke 1989
Das Auftauchen dieses Argumentationsstrangs läßt sich an Schlagzeilen ablesen wie: „Selbst das Grundgesetz soll die Raketen verhindern. Juristen warnen“ (FR 16.3.1983), „Die Juristen und ihre plötzliche Einmischung” (Vorwärts Nr.24/9.6.1983:3) oder an Spiegel- Interviews zum Thema mit Bundesjustizminister Engelhard (Der Spiegel 27/1983,4.7.1983) oder Bundesverfassungsrichter Simon (Der Spiegel 38/1983,19.9.1983).
vg1. Bundesvorstand der GRÜNEN 1981:160–165
vg1. SZ 13.12.1984:10 und Die Zeit Nr.52/21.12.1984:2: Mit der Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen sei keine Übertragung von Hoheitsrechten auf den US-Präsidenten verbunden, da dieser den Einsatz erst nach Konsultationen mit den Bündnispartnern beschließen könne, und für die Zustimmung der Deutschen müsse erst durch den Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats der Verteidigungsfall ausgerufen werden. Da keine Übertragung von Hoheitsrechten stattfinde, sei die Stationierung auch nicht verfassungswidrig. Die Bundesregierung trage auch keine „grundrechtliche Verantwortung“ für die Bedrohung von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bundesbürger, da diese Bedrohung vom Moskauer Atomwaffenpotential ausgehe und nicht von den US-Raketen, insofern bedürfe die Zustimmung zur Stationierung auch keines Gesetzes. Die Karlsruher Richter bestätigen dagegen die Abtretung der Souveränität an die NATO durch die Auftstellung von Pershing-II und Cruise Missiles, machen aber geltend, daß diese Abtretung durch die „Zustiummungsgesetze zum Nato-Beitritt und zum Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik gleichsam rückwirkend abgedeckt” (Die Zeit Nr.52/21.12.1984:2) sei.
vg1. Brauch 1983:17, Koch 1981:69f., Bittorf 1981, Nr.30:120f. 49zitiert nach Brauch 1983:21
TNF = Theater Nuclear Forces = Nuklearwaffen in und für Europa; LRTNF = Long Range Theater Nuclear Forces = TNF mit über 1000 km Reichweite
In Überschriften dann ebenfalls am 24.9.1979 in der SZ: „Kohl fordert ‚Nachrüsten‘ der NATO“ und als Nomen Nachrüstung am 28.9.1979 in der FAZ: „Nachrüstung und neue westliche Verhandlungsangebote”
was z.B. die HAZ am 6.3.1982 zu einem Artikel mit dem Titel „Ein elektrisierendes Wort“ in bezug auf diesen Ausdruck veranlaßt.
vg1. z.B. Der Spiegel 31/1983,1.8.1983:32; bei diesem Vorschlag ging es um eine von den beiden Unterhändlern in Genf bei einem Waldspaziergang, daher der Name, ausgehandelte Variante, die es der Sowjetunion erlaubt hätte, weniger als die bis dato aufgestellte Anzahl von SS-20-Raketen zu behalten und der NATO, eine vergleichbare, aber niedriger als im Doppelbeschluß vorgesehene Anzahl ihrer „Nachrüstungswaffen“ aufzustellen. Im Zuge der weiteren Entwicklung sind weder der Vorschlag noch der Ausdruck, der in der zeitgenössischen politischen Öffentlichkeit bekannt war und relativ häufig verwendet wurde, in Erinnerung geblieben.
vg1. zu den Gründen für das Zustandekommen des ersten Abrüstungsvertrags das sehr differenzierte Resümee von Risse-Kappen 1988:192–200
Nach Watzlawick u.a. beruhen solche Interpunktionskonflikte im zwischenmenschlichen wie im zwischenstaatlichen Bereich auf der „meist unerschütterlichen Überzeugung ..., daß es nur eine Wirklichkeit gibt, nämlich die Welt, wie ich sie sehe, und daß jede Wirklichkeitsauffassung, die von der meinen abweicht, ein Beweis für die Irrationalität des Betreffenden oder seine böswillige Verdrehung der Tatsachen sein muß.“ (Watzlawick u.a. 1974: 93)
Genau diese Überlegungen fehlen dem FAZ-Kommentator, als er, die Kritik an dem Ausdruck Nachrüstung zur Kenntnis nehmend, die westliche Interpunktion der Ereignisse zugrundelegt und feststellt: „Es ist in der Tat ein ‚Nach — Rilsten`, kein Wettrüsten.“ (FAZ 25.6.1981)
Noch 1987, als das Wort Nachrüstung schon längst allgemein als synonym zu Aufrüstung empfunden und auch von ihm selbst so verwendet wird, glaubt der Grüne A.Mechtersheimer noch, es wiederum als „Begriffslüge“ entlarven zu müssen. Weil selbst F.J.Strauß zugegeben habe, daß der Westen auch ohne sowjetische SS-20 hätte nachrüsten müssen, betont Mechtersheimer: „Alle müssen heute akzeptieren, was die Friedensbewegung so lange unter diffamierenden Vorwürfen gesagt hat: Das Wort Nachrüstung war ist und bleibt eine Begriffslüge.” (BT 20.3.1987:287)
So z.B. bleibt Jürgens Behauptung unbelegt: „Vieles spricht dafür, daß das Wort ‚Nachrüstung‘ mit Vorbedacht in einem jener industriellen ‚brain trusts’ ausgebrütet wurde, die den Menschen das unbeherrschte Denken gerne abnehmen möchten.“ (Jürgens 1984:24)
Auch Burkhardt stellt fest, daß „in der Friedensbewegung in der Regel ganz ungeniert über den ‚NATO-Doppelbeschluß‘ und die ‚Nachrüstung“‘ (Burkhardt 1984:67) gesprochen wird.
Vgl. Burkhardt 1989. Im übrigen verkennt m.E. Jürgens auch die Wirkung der Nachrüstungsdiskussion in dem Bemühen, dem Wort Nachrüstung eine „schlimme “ Funktion zuzuweisen: Er meint, mit der in diesem Ausdruck enthaltenen impliziten Legitimierung des Rüstungsvorhabens sei die zuvor entstandene militärstrategische Diskussion, innerhalb derer die „Nachrüstungswaffen” in ihrer tatsächlichen Funktion hätten diskutiert werden können, auf die Frage „Vor“ — und „Nachrüstung” eingeengt worden: Dagegen ist zu sagen, daß durch den breiten öffentlichen Protest der Friedensbewegung gegen diese Nachrüstung erst die militärstrategische Diskussion intensiver und öffentlicher geführt wurde.
vg1. z.B. Die Welt 4.7.1981 Überschrift: „Verhandlungen können von der Dislozierung nicht abgekoppelt werden.“
vgl. SZ 5.6.1981, 11.6.1981, 26.6.1981, 20.11.1981, St.Z. 4.5.1981 Überschrift, 23.5.1981, die tat 25.9.1981, 16.10.1981, DVZ 19.3.1981
Belege dazu: SZ 13.12.1984: „Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nachrüstung“, Die Zeit 21.12.1984: „Der Antrag der Grünen gegen die Raketen-Nachrüstung blieb erfolglos”, FR 22.7.1986 über Gensehers Moskau-Reise, bei der dieser die Gründe, „die Bonn seinerzeit zum Ja zur Nachrüstung als Antwort auf die sowjetischen SS-20-Raketen bewogen hätten“, dargelegt habe.
Ein weiteres Beispiel, hier bezogen auf die mögliche Umwandlung von bisher konventionell geplanten auf nukleare Waffensysteme, von Alfred Mechtersheimer (DIE GRÜNEN): „Dies geschieht ganz offenkundig als weiterer Versuch — ... -, mit neuen Nachrüstungen Potentiale zu retten, die man für die Abschreckung braucht.“ (BT 20.3.1987:288) Mit einer anderen Methode, einer semantischen Umfrage, korai,.. Burkhardt bezogen auf den pejorativen Charakter der Bezeichnung Nachrüstung im Bewußtsein der meisten Sprachteilhaber zu den gleichen Schlüssen. In seiner Befragung aus 1986/87 stellt er fest, „daß ‚Nachrüstung‘ recht oft mit Wettrüsten und Aufrüstungspolitik in Verbindung gebracht wird” (Burkhardt 1989:32) und: „,Nachrüstung ist fast generell negativ konnotiert und angstbesetzt.“ (33)
Da „werden sie sagen: Da müssen wir nachrüsten“, nach: DAS 1.3.1981
Er vermutet, die NATO könne darauf kommen, „auch auf diesem Sektor in Westeuropa nachzurüsten“. (DAS 17.5.1981)
Eine Sammlung derselben kann bei mir eingesehen werden. Überrüstung der Sowjetunion.76 Darüber hinaus gibt es eine Gegenrüstung (Die Weltwoche 12.12.1979), eine Neu-Rüstung (Die Zeit 4.5.1979), Niederrüstung (Frankfurter Hefte 9/1981:13, Aufsatztitel: „Die ökonomische Niederrüstung der Sowjet-Union und ihre Kosten für die europäische Sicherheit“), Nichtrüstung (Die Zeit 15.1.1982), Null-Rüstung (Die Zeit 27.11.1981 Überschrift: „Von der Nachrüstung zur Null- Rüstung”), Raketenrüstung (RP 6.7.1981) und Erstrüstung (Zeit-Magazin 23.3.1986:2), Totrilstung (FAZ 6.6.1981 in Zitierung Honeckers77 ), Umrüstung (SZ 12.11.1982), Vorausrüstung (FR 15.12.1979, FAZ 21.11.1981) und Weiterrüstung (SZ 25.11.1981, auch als Verb weiterrüsten: FR-Dokumentation 23.2.1982: 10, FAZ 12.2. 1982). Daneben treten die Wendungen Ab-und Nachrüstung (Der Spiegel 14/1981, 30.3.1981:25), Auf-und Nachrüstung (weltwochenmagazin 29.7.1981) sowie Nach-und Umrüstung (W. Scheel in: Die Welt 21.8.1981) auf. Ein vom Grundwort Rüstung stammendes, schon gebräuchliches Wort ist Entrüstung das von der Friedensbewegung im Verlauf dieser Diskussion gebraucht wurde, indem die ursprüngliche Bedeutung des Wortes und seine Ähnlichkeit zum Wort Nachrüstung genutzt wurden, um gegen die letztere zu mobilisieren, so im Motto der Demonstration in Bonn im Oktober 1981: „Entrüstet Euch“ (vgl. Burkhardt 1984:80).
Die Welt 8.8.1981 Überschrift: „Europa und die atomare Überrüstung Moskaus“, FAZ 26.2.1982: Unter-Überschrift: „Afghanistan, Polen und ‘die sowjetische Überrüstung”, Helmut Schmidt in FR-Dokumentation 24.11.1983:22 und Alfred Dregger in Der Spiegel 33/1983,15.8.1983:26.
sonst meist als Verb totrüsten: z.B. Die Welt 13.3.1982 in Zitierung Willy Brandts und Titel der Zeitschrift Kürbiskern 3/1982
z.B. FR 12.9.1990: HU: „Bonn wird DDR-Atomkraftwerke wahrscheinlich vom Netz nehmen“, ZU: „Milliarden Kosten für Stillegung oder Nachrüstung erwartet”
vg1. Die Zeit 27.11.1981: Artikel über „die Geschichte des ‚Doppelbeschlusses“`: „Das Wort ‚Doppelbeschluß‘ gibt es in Guadeloupe (Treffen von Carter, Schmidt, Callaghan und Giscard d’Estaing im Januar 1979 in der Karibik, M.W.) noch nicht. Dieser Begriff stellte sich erst in den folgenden Monaten ein ...”
vgl. zu den politischen „Spektren“ der Friedensbewegung u.a. Janning 1987:40ff.
Beispiele: zur UZ s.o., DVZ 29.7.1981 Unterüberschrift: „Gewerkschafter und Soldaten diskutierten in Düsseldorf über den Raketenbeschluß“, the tat 3.12.1982 HU: „Zu den ökonomischen Hintergründen des NATO-Raketenbeschlusses”
sie will den „NATO-Raketenbeschluß ... politisch undurchführbar“ machen (laut FAZ 29.11.1982)
sogenannter Nachrüstungsbeschluß (z.B. FR 2.11.1981, the tat 25.9.1981), sogenannter „Nachrüstungsbeschluß“ (z.B. ötv-Magazin 6/1981:6), „Nach” riistungsbeschluß (z.B. the tat 25.9.1981), „vachrüstungsbeschluß“ (z.B. Stern 19.2.1981, Publik-Forum 20.2.1981) und „Nachrüstungs” — Beschluß (z.B. die tat 12.6.1981)
vg1. auch die Sprach-„Spiele” der Friedensbewegung NachRüstung kommt Krieg und Entrüstet euch
zu den genannten kommen noch die positive Interpretation enthaltende, sich an den Wortlaut des Kommuniques anlehnende Bezeichnung Modernisierungsbeschluß die von der Bundesregierung gerne, z.B. in ihren „Argumentationshinweisen zum Doppelbeschluß der NATO vom 12.12.79 (Stand: 6.12.81)“ benutzt wird, und Nachrüstungs-Doppelbeschluß.
so z.B. in Spiegel-Artikeln am 30.3.1981 über den Streit um den Beschluß in SPD und FDP (vgl. Der Spiegel 14/1981,30.3.1981:22–25) und in einem Vorwärts-Artikel vom SPD Abgeordneten Hermann Scheer (vgl. Vorwärts 19.3.1981:19). Auch die „Aspekte der Friedenspolitik“ der Bundesregierung ent halten beide Termini bei der Ausführung der eigenen Argumente. (vgl. Aspekte 1981:61f.)
So benutzt z.B. Carl Friedrich von Weizsäcker den Ausdruck Nachrüstungsbeschluß (The Zeit Nr.22/22.5.1981)
Der andere sprachkritisch verursachte Grund für den Verlust des Legitimationscharakters besteht in der bzgl. Nachrüstung bereits besprochenen Thematisierung der impliziten Legitimation des Präfixes nach das in diesem Zusammenhang „schon sehr viele Menschen ... zum Nachdenken ... veranlaßt hat“: „Bekanntlich bezeichnet die Bundesregierung den ‚Dopelbeschluß der NATO vom 12.Dezember 1979’ nicht als Rüstungsbeschluß, aber auch nicht als Umrüstungsbeschluß, Aufrüstungsbeschluß oder gar als Wiederaufrüstungsbeschluß, natürlich schon gar nicht als Abrüstungsbeschluß, sondern sinnig als Nachrüstungsbeschluß. Hier treiben die Politiker ein Spiel nur (?) mit der Vorsilbe eines Verbs. Ein heiteres Wortspiel ist dies nun gerade nicht, aber zum Nachdenken hat es schon sehr viele Menschen in unserem Lande veranlaßt. Die oft nur aus einer Silbe bestehenden Verbvorsilben sind meist alles andere als einsilbig.” (Pasierbsky 1983:177)
vg1. u.a. die Schweizer Wochenzeitung Die Weltwoche 27.5.1981, die den Inhalt des Beschlusses ihren Lesern in einem Artikel mit dem Titel „Schlagwörter: Nachrüstungs-Doppelbeschluß der Nato“ erklärt.
vgl. Interview in Der Spiegel 20/1981,11.5.1981:19–21
vgl. z.B. die fast gleichlautenden Überschriften am 26.3.1982 in der RP, FAZ, SZ und Die Welt: „NATO bekräftigt den Doppelbeschluß“
Doppelbeschluß wird als historische Vokabel auch verwendet in den wissenschaftlichen Publikationen von Thränhardt 1986:211 und Herbstrith 1984:230,233 sowie in den Populärlexika „Chronik“ 1984:37,229 (neben Nachrüstungsbeschluß) und „Aktuell — Lexikon der Gegenwart”.
In diesem Aufsatz findet sich eine ausführliche interessante Darstellung von Struktur, Entwicklungsphasen und Programmatik der Friedensbewegung.
Entgegen Pasierbskys Analyse des alltagssprachlichen semantischen Gehalts des Wortes Frieden die dessen negative edeutung/Verwendung nahelegt, kann in der öffentlich-politischen Sprache der Ausdruck eben nicht negativ verwendet werden, sondern gehört zu den Fahnenwörtern, hei denen jede politische Gruppierung Wert darauf legt, sie mit dem eigenen Verständnis öffentlich durchzusetzen. Pasierbsky hatte für das alltagssprachliche Verständnis festgestellt, „daß wir mit ‚Frieden‘ und anderen Wörtern aus dieser Familie Passivität, Schwäche, Tod, Geschlagensein assoziierten“ (Burkhardt 1.984:66 und 1984 a: 85) und „jemand, der um Frieden, Ruhe, Ausgleich, Harmonie bemüht ist, als lebensuntüchtig angesehen” (Pasierbsky 1983:27) wird.
vgl. zu letzterem paradigmatisch die Rede Helmut Kohls in der Nachrüstungsdebatte des Deutschen Bundestags am 21.11.1983, in: Die Nachrüstungsdebatte 1984:11–32; ausführlichere Analysen dieser Rede bei H.-D. Zimmermann 1985 und Burkhardt 1986
Auch in der Bundestagsdebatte vom 23.6.1983 reden Kohl, Schäuble und Geißler noch von „sogenannter Friedensbewegung“ (BT 23.6.1983:1005, 1046 und 1052). Kohl begründet dies auf Zurufe von SPD und GRÜNEN sogar: „... die sogenannte Friedensbewegung — denn das ist ein Begriff, den sie sich selbst verliehen hat — ... ” (BT 23.6.1983:1005).
vgl. auch noch zu Zeiten der „doppelten Null-Lösung“ die Bewertung von Kanzler-Berater Horst Teltschik, die Bundesregierung habe zur Abrüstung beigetragen, da sie „trotz stärkstem innenpolitischen Druck durch sogenannte Friedensdemonstrationen” die Nachrüstung durchgeführt habe. (Die Welt 4.12.1987)
Pejorativ nennt Burkhardt diesen ‚,Friedensbegriff“ den „waffenstarrenden Frieden der ge,,enseitigen Abschreckung durch Atomraketen” (Burkhardt 1984:66).
so Helmut Kohl in seiner ersten Regierungserklärung und in einer Grußadresse an die Kommandeure der Bundeswehr: vgl. NRZ 21.1.0.1982 HU: „Das neue Wort: Ehrendienst“; wiederholt etwa in einer Regierungserklärung an 27.4.1989: „Unsere Soldaten leisten einen Ehrendienst für den Frieden” (BT 27.4.1989:10303)
vgl. dazu Conrad 1989:142, der eine „Wende in der Sicherheitspolitik“ anhand von Begriffsveränderungen und Produktion neuer Inhalte wie u.a. der Neuschöpfung dieser Begriffe konstatiert. „Sehr geehrte Herren, es ist für jeden denkenden Menschen eine Zumutung, wenn ausgerechnet der Teil unserer Bevölkerung, der sich der Pflicht zur Landesverteidigung entzieht — Aussteiger, Berufsdemonstranten und linke Spinner — mit dem Ausdruck ‚Friedensbewegung‘ bezeichnet wird. ... Die echte Friedensbewegung sind die Soldaten der Bundeswehr und all die Leute, die sich angesichts der Bedrohung aus dem Osten zu einer Aufrüstung bekennen.” (zitiert nach Burkhardt 1987:181)
In der Rheinischen Post werden die Anführungszeichen bei dieser Selbstbezeichnung und bei anderen Frieden- Komposita, die Aktivitäten der Friedensbewegung bezeichnen, seit der ersten friedlichen Großdemonstration in Bonn am 10.10.1981 seltener.
In Holls Artikel von 1978 werden diese „positiveren Assoziationen“ des „Begriffs ‚Pazifismus”‘ schon behauptet. (Ho11 1978:786) Demzufolge konnte die Friedensbewegung auf schon zuvor stattgefundene Entwicklungen bzgl. des Ausdrucks Pazifismus aufbauen.
zur gewollten Mißverständlichkeit der Geißler’schen Äußerungen vgl. die brillante sprachkritische Analyse von Keller 1985. Allerdings ist m.E. das von Keller konstatierte „dem Sprecher auf den Leim gehen“ der Zuhörer nicht ein Erfolg des Sprechers, sondern eine notwendige Reaktion, um den Diffamierungsversuch wirksam zurückzuweisen, was ja in der vorhandenen öffentlichen Stimmung auch gelungen ist und Geißler trotz seiner geschickten Redestrategie einen öffentlichen Erfolg im Kampf gegen die Friedensbewegung versagt hat.
Der Herr Kollege Waltemathe ..., der nach seinem Bekenntnis selber Pazifist ist, dessen Großvater als Pazifist in Auschwitz umkam, hat an Heiner Geißler einen nachdenklichen, einen bedenkenswerten Brief geschrieben.“ (BT 23.6.1983:1005)
vgl. zum Zustandekommen dieses Reagan’schen Vorschlags als grundlegende westliche Verhandlungsoption und zu der seltsamen Koalition von „Falken“ und Rüstungskontrollbefürwortern Risse-Kappen 1988:97–106
vgl. dazu auch Carstensen 1982:1, der Null-Lösung zum „Wort des Jahres 1981“ kürt.
vgl. Risse-Kappen 1988:105f.. Insofern wird das diesen Vorschlag bezeichnende Wort Null-Lösung von der FAZ zu Recht als „Schlagwortknüppel“ bezeichnet (FAZ 20.11.1981). 117Das spätere Einlenken Gorbatschows und damit eine Verwirklichung der weitergehenden Null-Lösung konnte zu diesem Zeitpunkt von niemandem vorausgeahnt werden. (vgl. dieser Einschätzung Risse-Kappen 1988:106)
„Aus diesen Gründen soll die Bundesregierung der Stationierung der von den USA in eigener Verantwortung zu entwickelnden Mittelstreckenwaffen in Europa ... nur unter der auflösenden Bedingung zustimmen, daß auf deren Einführung verzichtet wird, wenn Rüstungskontroll-verhandlungen zu befriedigenden Ergebnissen führen. Ziel der Verhandlungen ist es, durch eine Verringerung der sowjetischen und eine für Ost und West in Europa insgesamt vereinbarte gemeinsame Begrenzung der Mittelstreckenwaffen die Einführung zusätzlicher Mittelstreckenwaffen in Westeuropa überflüssig zu machen.“(Parteitag der SPD vom 3.-7.12.1979 Berlin Bd.II:1243: Antrag des Parteivorstands zur „Friedens-und Sicherheitspolitik”)
Schlagzeilen-Beispiele: „Washington: Die Sowjets wollen Null-Option nur im Westen“ (Die Welt 4.7.1981), „Amerika plädiert in Genf für Null-Option” (Die Welt 30.10.1981), „Washington zeigt Interesse an einer Null-Option“ (FAZ 17.11.1981)
die allerdings auch in anderen Kompromissen, wie der Waldspaziergangs-Formel, die die SPD ebenfalls befürwortete, bestanden. (vgl. Risse-Kappen 1988:110ff.)
FAZ-Leitartikel 22.2.1986 (Überschrift: „Die Wahrheit über die Null-Lösung“), zitiert nach Risse-Kappen 1988:151
vg1. vor allem CSU-Erklärung vom 1.9.1987: s. FAZ 2.9.1987: „Die Null-Lösung II ist falsch“, auch FR 2.9.1987: „Irn Wortlaut”
vg1 zu der im Kontext dieser Einwände stehenden sprachlichen Inszenierung von Feindbildern und von Ablehnungen von Abrüstungsvorschlägen in der FAZ im Frühjahr 1986 die Analyse von Kischkel 1989 mit Hilfe der theoretischen Ansätze der konzeptuellen Metaphern (nach Lakoff/Johnson) und der Kollektiv-Symbole.
zu den Zeitungsbelegen und den zugrundegelegten Fakten vgl. Risse-Kappen 1988:132–170
vgl. Burkhardt 1984:70f., ders. 1984 a: 86ff., ders. 1987:191ff. 131vg1. Wulf 1985:360, R. Zimmermann 1985:138, Burkhardt 1987:188 vg1. Townson 1986:276f.
In Analogie zur Nachrüstungsdiskussion, mit den gleichen argumentativen Strukturen
Diese Formel wurde auch in leicht abgewandelter Form verwendet, etwa: „Je kürzer die Reichweiten, desto deutscher die Wirkung.“ (Rühe (CDU) im BT 7.5.1987:551) oder „Je kürzer die Reichweiten, um so deutscher die Zerstörung.” (Dregger (CDU) im BT 7.5.1987:538)
Dieses Negativverständnis von Denuklearisierung beklagt der SPD-Abgeordnete Scheer im Bundestag, indem er Denukleariserung mit atomarer Abrüstung gleichsetzt, obwohl das erstere i.d.R. eine präzisere, nämlich auf eine bestimmte Region bezogene, Extension hat: „Auf einmal überwogen bei den Unionsparteien die Warnungen vor einer Denuklearisierung, als sei Denuklearisierung, also atomare Abrüstung, etwas grundsätzlich Anstößiges.“ (BT 28.4.1989:10454)
so das Schlagwort der Koalitionsvereinbarung vor dem NATO-Gipfel im Mai 1989, die mit dem Formelkompromiß baldige Verhandlungen die Differenzen zwischen den Koalitionspartnern lösen sollte. (vgl.dazu FR 24.4.1989:1–3)
vgl. z.B. Erler (SPD) im BT 10.12.1987:3342
ebenso Genscher: „Unterdessen beharrte Bundesaußenminister Genscher (FDP) darauf, daß die Lance-Kurzstreckenrakete bis 1995 funktionsfähig sei und derzeit kein Entscheidungsbedarf bestehe.“ (FR 15.2.1989:1)
Gesamtkonzept kann für die Zeit 1987–1989 neben Modernisierung als das Schlagwort der rüstungspolitischen Diskussion gelten, vor allem im Zusammenhang mit dieser Argumentation. Da es nicht zu Auseinandersetzungen um dieses Wort kam und es nach der Verabschiedung des Gesamtkonzepts für Rüstungskontrolle und Abrüstung beim NATO-Gipfel am 30.5.1989 aus dem öffentlichen Sprachgebrauch weitgehend verschwunden ist, soll es hier nicht weiter verfolgt werden.
so noch H. Kohl am 18.3.1987 in einer Regierungserklärung im Bundestag (BT 18.3.1987:70)
Wir wissen, daß mit uns die übergroße Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung wei-tere Null-Lösungen will“ (Erler (SPD) im BT 7.12.1988:8345) schauer Pakts tatsächlich bis zu Militärexperten durchgedrungen, die sogar schon mit einer neuen Bezeichnung nach Strategie-Alternativen suchen, nachdem der Sowjetunion nicht mehr die Fähigkeit zu einem schnellen Angriff zugesprochen wird: Die Strategie der Abratung soll die Abschreckung ersetzen. (vgl. FR 8.9.1990:4 und FR 14.11.1990:4)
Brauns (1988) analysiert in seiner Dissertation, daß diese Fortschrittsskepsis etwa in Frankreich nicht vorhanden war und modernisation insofern von den Sozialisten 1984–1986 als werbewirksames politisches Schlüsselwort genutzt werden konnte.
vgl. Gumbrecht 1978:129 und Brauns 1988:14ff.
z.B. : „Die deutsche Industrie hilft auf vielen Gebieten der Modernisierung der Sowjetwirtschaft“ (FR 27.10.1988:3)
z.B.: „Gorbatschows Politik der Öffnung ... hat sich ... als potentieller Magnet der Modernisierung erwiesen“ (Die Zeit 18.12.1987)
Die FR gibt den saarländischen Umweltminister Jo Leinen 1987 wie folgt wieder: „Man dürfe die Besetzung des Begriffs ‚modern‘ nicht den Konservativen überlassen, die damit beispielsweise für militärische oder zivile Ziele in der óffentlichkeit Rückhalt mobilisierten.“ (FR 19.9.1987:4)
Hier wie auch bei den bisher betrachteten lexikalischen Einheiten werden die Haupttendenzen der Verwendung aufgezeigt, was Ausnahmen von diesen Tendenzen nicht ausschließt, denn nicht jedem Journalisten und Politiker ist eine ständig reflektierte Wortwahl zu unterstellen. Im Unterschied zu anderen Kapiteln dieser Arbeit ist in diesem Fall eine nicht-chronologische Vorgehensweise sachlich gerechtfertigt, weil für den kurzen Zeitraum dieser Diskussion sich kaum an bestimmten Zeitpunkten oder Zeiträumen festzumachende Entwicklungen aufzeigen lassen. Daher ist diese zusammenfassende Darstellung nicht nur übersichtlicher, sondern auch dem Gegenstand angemessener.
so z.B. im wichtigen Koalitionspapier vom 23.4.1989, mit dem CDU/CSU und FDP vor dem NATO-Gipfel ihre Differenzen in dieser Frage beilegen wollten (vgl. FR 24.4.1989).
Sein Kollege Hauser verbindet diese positive Verwendung direkt mit der im Frühjahr 1989 häufig statt Modernisierung verwendeten Legitimierung Waffen auf dem neuesten Stand halten was er hier „effektiv halten“ nennt: „Der Beschluß von Montebello sieht nach dem Abzug auch die Modernisierung oder Umstrukturierung vor. Das heißt ..., daß ... die dafür vorgesehenen Waffen im Sinne einer glaubwürdigen Abschreckung weiterhin effektiv gehalten werden.” (BT 7.12.1988:8354)
Die FR spricht von der „offiziellen Bonner Sprachregelung in der Modernisierungsfrage ...: ‚Im Augenblick kein Entscheidungsbedarf.“‘ (FR 22.6.1988:3)
auf einem Naturwissenschaftler- Kongreß „Verantwortung für den Frieden“ in Tübingen (lt. FR 5.12.1988:1).
Überschrift in FR: „Modernisieren heißt Aufrüsten“ (FR 16.2.1989.4)
z.B. noch in zwei FR-Karikaturen, die die US-Wünsche Raketenumrüstung (FR 26.4.1989:1) und Umrüstung (FR 10.5.1989:1) nennen.
vg1. neben der zitierten Bundestagsdebatte die Debatte vom 28.4.1989:10454ff.
vgl. etwa FR 20.2.1989:6, 11.4.1989:2, 5.5.1989:2, 5.6.1989:4
Grobe (SPD) im Bundestag: „Wir sagen der Modernisierungsaufrüstung ... unseren Kampf an.“ (BT 7.12.1988:8349)
z.B. General Altenburg über „die ersten Auswirkungen, die ein Unterlassen der Aufrechterhaltung und Modernisierung unserer Streitkräfte ... haben könnte.“ (lt. FR 21.7.1988:8)
über das SIPRI-Jahrbuch 1988 berichtet die FR: „Die Atommächte drängten weiterhin auf die Modernisierung ihres Arsenals und die Entwicklung neuer Waffensysteme“ (FR 18.5.1989).
FAZ 9.1.1988 Überschrift: „General Galvin fordert die Modernisierung der Waffen der Allianz“, O-Ton Galvin: „Ich werde aussagen, daß die Modernisierung des gesamten Waffenspektrums der Allianz ... stattfinden muß.”
vg1. Aufruf zur Demonstration in Linnich am 15.10.1988, auch in FR 9.5.1988 aus einem Aktionspapier der Friedensbewegung zitiert.
In: „Gesamtkonzept für Rüstungskontrolle und Abrüstung“ der NATO vom 30.5.1989, zitiert nach Partner für Frieden und Freiheit 1989:59
Von deutscher Seite wurde auf einen breiten Konsens im Bündnis hingewiesen, daß die bodengestützten Lance-Raketen und die atomare Artillerie als Ergebnis von Verhandlungen mit der Sowjetunion komplett abgeschafft werden können.“ (FR 8.12.1990:1)
vgl. FR 5.5.1990 Überschrift: „Bonn steht neue Raketendebatte ins Haus“, Text über Egon Bahr: „Die USA verzichteten aber nur darauf, die Nachfolger der Lance-Raketen ‚aufs Land zu stellen und hängen sie unter ein Flugzeug`”, FR 31.5.1990:7 über Ex-General Schmähung: ‚,,An wirkliche Abrüstung wird gar nicht gedacht’. Die NATO betreibe ‚Umrüstung‘ in zwar kleinere, aber dafür technisch umso modernere und flexiblere Streitkräfte.“, FR 8.12.1990, Leitartikel S.3: „Was auf dem Boden verschwindet, soll in der Luft, mit größerer Reichweite versteht sich, wieder auftauchen. Dahinter verbirgt sich jene Seite der zahlenmäßigen Abrüstung, die sich durchaus als qualitative Aufrüstung darstellen läßt.”
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Wengeler, M. (1992). Empirische Analyse. In: Die Sprache der Aufrüstung. DUV Sprachwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14639-1_3
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