Zusammenfassung
Nach Rehbinder1 lassen sich in der Literatur drei hauptsächliche Bedeutungsinhalte ausmachen, die dem Begriffspaar „Rechtsbewußtsein“/„Rechtsgefühl“ zugeschrieben werden, nämlich
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einmal das eigentliche Wissen darum, was nach der jeweiligen Rechtsordnung „rechtens“ ist,
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sodann die Vorstellung davon, was gerechterweise Recht sein sollte,
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und schließlich das Gefühl, dem geltenden Recht entsprechend handeln zu müssen, das zuweilen auch als „Rechtsethos“ oder „Rechtstreue“ bezeichnet wird.
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Anmerkungen
Manfred Rehbinder, Rechtssoziologie, Berlin/New York 1977, S. 165 f.
Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 2. Aufl. Neuwied 1970, S. 382.
Von einer Platon-Stelle (Nomoi 11, 933e—934b) abgesehen, in welcher von den Motivationen zum Verbrechen kurz die Rede ist, hat sich anscheinend die antike und später die mittelalterliche Philosophie mit dieser Frage kaum beschäftigt. Der Verbrecher galt schlicht als böse.
Protagoras, 324a, b; De ira I, 19, 7.
Eine knappe Übersicht über diese Forschungsrichtung findet sich bei R. V. G. Clarke & P. Mayhew, Designing Out Crime, London: H. M. Stationary Office 1980.
Zum Gurtentragen motiviert einerseits wohl das Bedürfnis, bei Zusammenstößen schwere Verletzungen zu vermeiden; dagegen spricht möglicherweise aus der Sicht vieler Fahrer, daß das Gurtentragen als Gefahren vermindernde Maßnahme mit „Feigheit“ oder „Weichheit“ assoziiert wird.
Dies wäre etwa der Fall, wenn plötzlich Privatwagen auf den Markt kämen, die — durch eine entsprechende Anordnung des Zündungssystems — so konstruiert sind, daß sie nur bei geschlossenem Gurt betrieben werden können.
Vgl. zum neuesten Stand der Forschungen zur Validität von Self-report-Fragebogen Michael Hindelang, Travis Hirschi & Joseph G. Weis, Measuring Delinquency, London: Sage Publications 1981.
Dies ist deshalb von Bedeutung, weil im Bereiche der Forschungen zur Abschreckungswirkung von Sanktionen Längsschnitt-Untersuchungen (im Sinne von vorher/nachher-Studien) mit erheblich weniger Validitätsproblemen zu kämpfen haben als Querschnittsstudien. “Policy Impact Studies” erfreuen sich daher zunehmender Popularität (vgl. Philipp Cook, “Research in Criminal Deterrence: Laying the Groundwork for the Second Decade”, Crime and Justice, ed. by Norval Morris & Michael Tonry, Chicago/London: The University of Chicago Press, 1980).
BGE 103 IV 192.
Der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (und namentlich Herrn Hans Hehlen, Dipl. Ing. ETH) sei an dieser Stelle für die entgegenkommende Mitteilung der diesbezüglichen Daten bestens gedankt.
In der Diskussion wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß das Verfahren der Regressionsanalyse bei Zeitreihen zu einer Überschätzung der Anteile an erklärter Varianz (und der F-Werte) führt. Indessen setzt eine Zeitreihenanalyse grundsätzlich voraus, daß rund 50 Meßpunkte zur Verfügung stehen. Hier sind es insgesamt jedoch nur 22, die zudem nicht in gleichbleibenden zeitlichen Abständen erhoben worden sind. Unter diesen Voraussetzungen liefert die Regressionsanalyse die verläßlicheren Ergebnisse (vgl. Richard McCleary und Richard A. Hay, Jr., Applied Time Series Analysis for the Social Sciences, London: Sage Publications, 1980, S. 20).
BGE 104 V 40.
Diese „gesamtschweizerische“ Rate beruht auf einer „Hochrechnung“ (anhand des Gewichts der Kantone im Verhältnis untereinander) auf der Grundlage von 13 Kantonen, welche zugleich rund die Hälfte des schweizerischen Motorfahrzeugparks bei sich immatrikuliert haben. Bei den in Grafik Nr. 1 angegebenen Zahlen handelt es sich um Monatsdurchschnitte, bezogen auf 100 000 Pws.
So schwankt etwa die Gurtanlegequote von 16 bis 78 Prozent. Das (gemäß den in Anm. 18 mitgeteilten Verfahren) gewichtete Monatsmittel der Bußenrate beträgt zwischen 16 (Basel-Stadt) und 2400 (Thurgau).
Es sei an dieser Stelle den Verantwortlichen der dreizehn Polizeikorps, welche uns ihre Daten zur Verfügung stellen konnten, aufrichtig gedankt.
Dies umso mehr, als in einzelnen Kantonen mehr als ein Meßpunkt lag, so daß das Gebot der Unabhängigkeit der Beobachtungen teilweise nicht erfüllt ist.
Wodurch sich beispielsweise die in Anm. 15 erwähnten Probleme teilweise wieder entschärfen.
Zu erwähnen ist, daß die sonst üblichen Schwierigkeiten bei der Operationalisierung der “Certainty”-Variablen sich hier nicht stellen, so das Problem der Validität von Statistiken — unsere Daten hier beruhen auf direkter Beobachtung — und der Heterogenität der unter dieselbe strafrechtliche Tatbestandsdefinition fallenden Verbrechen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung. Vgl. Cook, op. cit., S. 241.
Um die entsprechenden Werte zu finden, wurde die Rate an Bußen (pro 100 000 Pkws) durch die Quote der Nicht-Gurtanleger (gemäß Erhebungen der Beratungsstelle für Unfallverhütung) dividiert.
Tatsächlich nahmen verschiedene Polizeikorps die außerordentlich tiefe Anlegequote zum Anlaß, um Verstöße gegen die Gurtanlegepflicht inskünftig systematischer und unnachsichtiger zu ahnden.
Die Quote der Ja-Stimmen übertrifft hinsichtlich der erklärten Varianz geringfügig die Variable „Anteil der Deutschsprachigen im Kanton“; die beiden Variablen sind hochgradig multikolinear.
„Une idéologie inégalement interiorisée: La sécurité, “ in CETEl, Le port obligatoire de la ceinture de sécurité, Genf 1977, S. 63–86.
A Bilbiography on General Deterrence Research, Westmead (Hampshire, GB): Saxon House, 1980, S. 306.
Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem Beccaria (Dei delitti e delle pene, §§19 und 27); unter seinen Vorläufern finden sich Hobbes (Leviathan, Kap. 27), der die Abschreckungswirkung in erster Linie in der Schwere der Strafen sieht, vor allem aber Montesquieu (Esprit des lois, livre VI, ch. 12–13), der als Abschreckungsmittel der Schwere der Strafen die Gewißheit ihrer Verhängung entgegensetzt.
Unter den rund 600 Veröffentlichungen, die in Beylevelds Bibliographie aufgeführt sind, findet sich keine zur Wirkung der Variablen “Celerity”. Im Lichte kognitiver lerntheoretischer Ansätze (Bandura) erscheint ihre Bedeutung für die Wirkung von Sanktionen auch nicht plausibel.
Allgemeine Staatslehre, 3. Auflage, Berlin 1914, S. 338; die hier verwendete Umkehrung von Jellineks Dictum geht zurück auf R. Zippelius, Gesellschaft und Recht, München 1980, S. 92.
In den Vereinigten Staaten soll die Anlegequote 1976/77 nur ca. 18 % betragen haben, in Japan gar nur 7 % (innerorts). Vgl. Organisme National de Sécurité Routière, Dossier sur la Ceinture de Sécurité, Arcueil (France) 1981.
Die Zunahme der Gurtanlegequote beträgt (in Prozentpunkten) für die Länder mit sanktionsbewehrter Gurtanlegepflicht durchschnittlich 49, für die Länder ohne Sanktionsbewehrung der Gurtanlegepflicht 15. Der Unterschied zwischen den beiden Mittelwerten ist signifikant (p ≤.01).
So schon der von empirischen Daten noch kaum belastete Theodor Geiger (opt. cit. in Anm. 2, S. 215).
In Macht, Stuttgart 1975.
Heinrich Popitz, Über die Präventivwirkung des Nichtwissens, Tübingen 1968, schreibt der sog. Dunkelziffer daher große Bedeutung für die Aufrechterhaltung von Normen zu. Zu den bei der kognitiven Verarbeitung von Devianz ablaufenden Prozessen vgl. Killias, „Muß Strafe sein? Überlegungen zur Funktion von Sanktionen aus sozialpsychologischer Sicht“, Schweiz. Zeitschr. f. Strafr. 97 (1980): 31–57.
Da die hier analysierten Daten auf der Ebene von (Glied-)Staaten aggregiert sind, sei noch auf eine kürzlich abgeschlossene Untersuchung von Joan McCord über die langfristigen Auswirkungen verschiedener sozialer Reaktionen auf Jugendkriminalität hingewiesen, die die individuelle Ebene zum Gegenstand hat. Danach war bei den von ihr nachuntersuchten einstigen Probanden der Cambridge-Somerville-Youth-Study spätere Kriminalität dann am seltensten, wenn die Probanden seinerzeit mit einer relativ milden Sanktion (Buße) bestraft worden waren, während die weitere Entwicklung hinsichtlich der Legalbe Währung sowohl bei den hart (d.h. mit Anstaltseinweisung) wie auch bei den gar nicht Bestraften erheblich ungünstiger ausfiel. Während bei den ersteren dieses Ergebnis vom Labeling-Ansatz her leicht zu interpretieren ist, erklärt McCord die ungünstige Entwicklung der letzteren damit, daß sie aus der Erfahrung des Sanktionsverzichts seitens der Kontrollinstanzen (hier der Jugendrichter) den falschen Schluß gezogen hätten, daß Sanktionsdrohungen (und indirekt damit auch Normen) nicht ernst gemeint seien. Sanktionen sind damit auch auf der individuellen Ebene wichtig für die Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit der Normen, wobei sie allerdings bei übertriebener Schwere kontraproduktiv wirken können. Vgl. Joan McCord, “A longitudinal Appraisal of Criminal Sanctions”, vortragen am 9e Congrès International de Criminologie in Wien (25.—30.9.1983). Zur Konzeption der Nachuntersuchungen der ehemaligen Cambridge-Somerville-Probanden vgl. Joan McCord, “A Thirty-Year Follow-Up of Treatment Effects”, American Psychologist 33 (March, 1978): 284–289.
Einige Hinweise dazu finden sich in Killias, “Pourquoi respectons-nous les lois? Quelques réflexions sur les mobiles du comportement et le rôle des sanctions”, Schweiz. Zeitschr. f. Strafr. 100(1983): 353–365.
Mitgeteilt auf S. 99 der in Anm. 21 zit. Untersuchung.
„Über die Entstehung des Rechtsgefühls“, OeJZ 7 (1884): 121 ff.
So zeigten sich in Deutschland (vgl. Richard et al., Auswirkungen des Sicherheitsgurtes auf die Folgen der Unfälle im Straßenverkehr, Bundesanstalt für Straßenwesen, Januar 1976, unveröff.) und in Frankreich (vgl. die in Anm. 26 zit. Veröffentlichung) erhebliche Diskrepanzen zwischen der gesamthaft sehr positiven Einschätzung der Wirkung der Gurte einerseits und der tatsächlichen Gurtanlegequote andererseits.
„Fragen an die Nachbarwissenschaften zum sog. Rechtsgefühl“, Juristenzeitung 37 (1982): 1–5.
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Killias, M. (1985). Zur Bedeutung von Rechtsgefühl und Sanktionen für die Konformität des Verhaltens gegenüber neuen Normen. In: Lampe, EJ. (eds) Das sogenannte Rechtsgefühl. Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14478-6_15
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