Zusammenfassung
Bisherige Theorien der Wissensrepräsentation akzentuieren überwiegend den Aspekt der gedächtnismäßigen Repräsentation deklarativen Wissens. Prozeßannahmen gelten dabei üblicherweise nicht dem gesamten System, sondern nur einzelnen Aspekten der Verarbeitung, Speicherung und Wiedergabe von Informationen (s. z.B. Kintsch, 1974). Allgemein üblich ist die Darstellung deklarativen Wissens in räumlich strukturierten Repräsentationssystemen, sog. semantischen Raum-Modellen. Semantische Raum-Modelle sind Repräsentationssysteme, in denen deklaratives Wissen unter dem Aspekt der semantischen Bedeutung abgebildet wird. Wissensstrukturen werden im Rahmen dieser Systeme durch semantische Bezüge der in ihnen repräsentierten Wissensinhalte konstituiert. In den folgenden Darstellungen wird auf drei Grundansätze näher eingegangen:
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1.
Psychometrischer Ansatz
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2.
Netzwerk-Ansatz
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3.
Schema-Ansatz
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Literatur
Unterschiede zwischen dem Repräsentationsmodell von Collins & Quillian (1969) und semantischen Merkmalsmodellen bestehen allerdings bezüglich der Annahme über die Art der Repräsentation der Oberbegriff-Relation. So wird bei Collins & Quillian die Oberbegriff-Relation direkt gespeichert, in Merkmalsmodellen von Meyer (1970) sowie Smith (1974) wird hingegen die Relation aus den Merkmalen eines Begriffs bestimmt. Die Tatsache, daß ein Kanarienvogel ein Vogel ist, wird daraus abgeleitet, daß die Menge der Eigenschaften eines Vogels in der Menge der Eigenschaften des Kanarienvogels enthalten ist.
Wender, Colonius & Schulze (1980) verweisen in ihrer Obersicht über Modelle des menschlichen Gedächtnisses auf Hollan (1975) und dessen Feststellung, daß sich semantische Merkmalsmodelle jedoch grundsätzlich auch in Form von Netzwerken darstellen lassen. Merkmale wärenin Netzwerkform als relationale Verknüpfungen darstellbar. Nach Strube (1984) ist es jedoch fraglich, ob eine formal äquivalente Netzwerkdarstellung inhaltlich noch viel gemein hat mit den geläufigen, an Propositionsdarstellungen und Kasusgrammatik orientierten Netzwerkmodellen des semantischen Gedächtnisses (vgl. Abschnitt 3.).
Prototypen werden gelegentlich mit Konzeptschemata verglichen (s. Anderson, 1980 ). Prototypen werden dabei als jene Exemplare einer Kategorie verstanden, bei denen alle Variablen (Merkmale) einen bestimmten Wert zugeschrieben erhalten (z.B. Variable: Farbe; Wert: gelb). Ein Prototyp ist dabei als hypothetisches Konstrukt zu verstehen, dem bestimmte natürliche Exemplare einer Kategorie entsprechen können aber nicht notwendigerweise müssen (s. Anderson, 1980, S. 133). Ein Konzept-Schema wird in diesem Zusammenhang ebenfalls als ein hypothetisches Konstrukt verstanden. Im Unterschied zu Prototypen stellen Konzept-Schemata Konstrukte auf eher abstrakterem Niveau dar. Die Variablen eines Konzept-Schemas sind dabei in der Regel nicht spezifiziert und häufig unvollständig in dem Sinne, daß der Konstituierung eines Konzept-Schemas nur bestimmte, besonders relevante Variablen dienen, andere hingegen vernachlässigt werden (vgl. hierzu Abschnitt 3.3.1). Ein modernes Prototypenmodell, das explizit auf dem Ansatz der Schematheorien gründet, wird in Abschnitt 3.3.1.3 vorgestellt.
In den folgenden Ausführungen werden die im Zusammenhang mit Fragen der gedächtnismäßigen Repräsentation von Wissen verwendeten Begriffe “Begriff” und “Konzept” synonym verwendet. Gemeint ist jeweils der i.d.R. mit einem Wort der natürlichen Sprache bezeichnete “dahinterstehende” Bedeutungsgehalt.
Eine mit der Netzwerkform prinzipiell kompatible Repräsentationsweise ist die Darstellung in Listenform. Eine Propositionsliste entspricht einer sequentiellen Darstellung aufeinander bezogener Propositionen. Listendarstellungen verwenden z.B. Kintsch (1974), Frederiksen (1975), Meyer (1975).
Die hier getroffene Unterscheidung wird explizit nur im Rahmen des LNRAnsatzes von Lindsey, Norman & Rumelhart (1972); Rumelhart & Norman (1975) getroffen.
Zu der Annahme hierarchisch organisierter Wissensstrukturen über Konzepte gelangten Collins & Quillian (1969) aufgrund der Ergebnisse gedächtnispsychologischer Untersuchungen, in denen von den Autoren nachgewiesen werden konnte, daß sich die Reaktionszeiten für die Beurteilung des Wahrheitsgehalts von Aussagen über die Kategoriezugehörigkeit bestimmter Konzepte in Abhängigkeit von den zwischen den Konzepten liegenden und bei Verifikationsaufgaben aufzusuchenden Knotenpunkten (Hierarchieebenen) unterschieden. Entsprechend ihren Vorhersagen ergaben sich geringere Verifikationszeiten für Aussagen wie z.B. “Ein Kanarienvogel ist ein Vogel” gegenüber Aussagen wie “Ein Kanarienvogel ist ein Tier”. Nicht vorhergesagt werden konnten allerdings Reaktionszeiten bei der Zurückweisung falscher Aussagen, was Collins & Quillian auf die Auswirkungen unterschiedlicher semantischer Distanzen zwischen den jeweiligen Begriffspaaren zurückführen.
Der Repräsentation deklarativer Wissenskomponenten innerhalb der sog. ACT-Rahmenkonzeption von Anderson (1976, 1983 a) liegt zwar ebenfalls eine Netzwerkstruktur zugrunde. Aufgrund der Akzentuierung prozeduraler Wissenskomponenten und der Verwendung von Produktionen zur Repräsentation prozeduralen Wissens wird dieser Ansatz jedoch üblicherweise der Kategorie sog. Produktionssysteme zugeordnet (u.a. Kluwe & Spada, 1981; vgl. Abschnitt 4).
Ein ausführlicher Vergleich der Grundannahmen der Repräsentationssysteme von Rumelhart (1972) und Dörner (1976) wird von Kluwe (1979) durchgeführt.
Auch bei Zugrundelegung des hier genannten Einteilungsprinzips läßt sich eine eindeutige Unterscheidung der bestehenden methodischen Zugänge nicht erreichen. Kombinationen unterschiedlicher Techniken zur Erfassung von Wissensstrukturen sind grundsätzlich möglich. Eine Kategorisierung wie sie hier vorgenommen wird hat daher pragmatischen Charakter.
Entsprechend unüberschaubar wird die Darstellung der Listeninhalte in Netzwerkstrukturen. Ein Beispiel für eine in Netzwerkform transformierte Propositionsliste findet sich bei Ballstaedt ( 1981, S. 26).
Zur Erfassung dieses Hintergrundwissens verwendet Graesser eine Frage- Antwort-Technik. Da die grundlegenden diagnostischen Daten jedoch mittels Textanalyse erhoben werden, wird das Vorgehen von Graesser im Rahmen dieser Arbeit den Textanalyse-Techniken zugeordnet.
Ein weiterer Ansatz, in dem ebenfalls eine Frage-Antwort-Technik zur Erhebung relevanter Strukturdaten verwendet wird, wurde aufgrund seiner theoretischen Begründung als Textanalyse-System bereits in Abschnitt 3.2.2.1 dargestellt. Es handelt sich hier um den Ansatz von Graesser (1981).
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Tergan, SO. (1986). Erfassung von Wissensstrukturen auf der Grundlage Semantischer Raum-Modelle. In: Modelle der Wissensrepräsentation als Grundlage qualitativer Wissensdiagnostik. Beiträge zur psychologischen Forschung, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14304-8_3
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