Zusammenfassung
Die Wahlkampfführung in den westlichen Demokratien hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten massiv verändert. Diese Entwicklung ist als Modernisierung, Amerikanisierung oder auch als Trend von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven Kampagnen beschrieben worden (Pfetsch & Schmitt-Beck, 1994; Farrell, 1996; Holtz-Bacha, 1996; Jarren & Bode, 1996; Mancini & Swanson, 1996; Schönbach, 1996; Schulz, 1998). Unabhängig davon, für welchen Begriff man sich entscheidet, läßt sich als wesentliches Merkmal dieses Prozesses die Professionalisierung der Wahlkampfführung und dabei insbesondere die Professionalisierung der Planung und Durchführung der Wahlkampfkommunikation nennen. Zwei Aspekte sind hierfür charakteristisch: (1) Die zentrale Planung und Steuerung der gesamten Kommunikation im Rahmen einer integrierten Kommunikationsstrategie nach dem Muster kommerzieller Werbefeldzüge und PR-Kampagnen. Dazu gehören u.a. Situationsanalysen und Maßnahmenevaluation mit den Methoden der Markt- und Meinungsforschung, des Medien-Monitorings und der Media-Planung. (2) Der zunehmende Einsatz professioneller Experten aus Public-Relations, Werbung, Meinungsforschung und Journalismus anstelle von Laien. Nur diese Experten verfügen über das notwendige Wissen, um eine solchermaßen integrierte Kommunikationsstrategie zu planen und durchzuführen. Die Notwendigkeit zur Professionalisierung der Wahlkampfkommunikation ergab sich für die Politik aus der Abschwächung der traditionellen Parteibindungen. Dies hatte zur Folge, daß der Anteil der potentiellen Wechsel- und Nichtwähler in westlichen Demokratien in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist. Dieser Umstand wiederum erhöhte den Stellenwert des Wahlkampfs als Mobilisierungs- und Persuasionsphase so sehr, daß die Parteien und Kandidaten seine Planung und Durchführung kaum mehr Laien überlassen konnten (Schulz, 1998). In vielen Ländern Europas hat sich durch die Einführung kommerzieller Rundfunksender in den letzten zwanzig Jahren zudem die Medienlandschaft fundamental verändert. Die Diversifizierung und Erweiterung der medialen Angebote, die in Deutschland auch den Printsektor betrifft, eröffnete einerseits neue Möglichkeiten zur genauen Ansprache einzelner Zielgruppen, erforderte aber andererseits zunehmend professionelle Kenntnisse der Marktforschung und Mediaplanung (Mancini and Swanson, 1996; Schulz, 1998). Doch das mediale Umfeld der politischen Akteure hat sich im Zuge von Deregulierung und technischem Fortschritt nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verändert. So sehen sie sich heute einer verschärften Konkurrenz auf dem Nachrichtenmarkt und deutlich beschleunigten Nachrichtenzyklen gegenüber. Die sich immer schneller ändernde Nachrichtenlage erfordert von den Wahlkampforganisationen eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit. In den USA spricht man in diesem Zusammenhang bereits vom Phänomen des “real-time campaigning” (Althaus, 1998, S. 82). Auch diese Entwicklung verlangt nach dem Einsatz professioneller Wahlkämpfer.
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Esser, F., Reinemann, C. (2000). Mit Zuckerbrot und Peitsche. In: Holtz-Bacha, C. (eds) Wahlkampf in den Medien — Wahlkampf mit den Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12440-5_3
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