Zusammenfassung
Erving Goffman hat in seinem Werk immer wieder Interaktionen beschrieben, in denen der Mensch, wie Hitzler meint, „ständig Probleme zu bewältigen, Antworten zu suchen, ja Rätsel zu lösen hat“ (1992, S. 451). Auch der pädophile Mann scheint solch ein „Goffinensch“ (1992) zu sein; muß er doch davon ausgehen, daß die Herstellung von Erwartungssicherheit in den Begegnungen mit Kindern nicht einfach ist. Vom Kennenlernen bis zur Trennung steht er ständig vor der Frage, ähnlich wie Goffman (1980, S. 16) sie auch für die Analyse von Interpretationsschemata oder Rahmen gestellt hat: „Was geht hier eigentlich vor?“ Stets müssen sich die Männer vergewissern, wie sie ihre Interaktionen aufbauen wollen; stets müssen sie mit Schwierigkeiten und Problemen rechnen. Vor allem durch die oftmals nicht vorhersehbaren Handlungen der Kinder scheint vieles in den Begegnungen zunächst unklar und ungewiß zu sein. Von den Handelnden ist unter mehr oder weniger fragmentarischer Vorgabe der Situation die Schaffung von Erwartungssicherheit abgefordert. Ferner kann davon ausgegangen werden, daß nahezu alles, was sich in den Zusammenkünften ereignet, nur in den jeweiligen Interaktionen hergestellt werden kann. Neben diesen Aspekten möchte ich Goffman auch deshalb für die Analyse der pädophilen Interaktionen verwenden, weil er ein umfangreiches Begriffsinstrumentarium erarbeitet hat, das die Beschreibung von Interaktionen erlaubt, in denen — wie gesagt — Erwartungsstrukturen allenfalls unvollständig und erklärungsbedürftig erscheinen. Um eine schwer verständliche, ja sozial umstrittene Situation durchleuchten zu können, scheint mir dieses Gefüge von Begriffen
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Literatur
In einer Situation, wo man sein Image wahren muß, übernimmt man die Verantwortung, den Gang der Ereignisse zu überwachen. Man muß sicherstellen, daß eine bestimmte expressive Ordnung eingehalten wird - eine Ordnung, die den Gang der Ereignisse reguliert, ganz gleich, ob viele oder wenige, so daß alles, was augenscheinlich durch sie ausgedrückt wird, mit dem eigenen Image konsistent sein wird (Goffman 1986, S. 14f.).
Bricht man mit oder ohne bewußte Absicht eine Regel der Etikette, so werden meist andere Anwesende sich dazu berufen fühlen, die zeremonielle Ordnung wiederherzustellen, so wie sie ja auch eingreifen würden, wenn andere Formen sozialer Ordnung verletzt würden. Durch die zeremonielle Ordnung, die durch ein System von Regeln der Etikette aufrechterhalten wird, wird die Fähigkeit des Individuums, sich von einem Gespräch in Beschlag nehmen zu lassen, sozialisiert; sie gewinnt den Charakter eines Rituals und eine soziale Funktion (Goffman 1986, S. 125f.).
Gonos unterstreicht: While interactionists attempt to deal with the unfolding of actual everyday events, it is Goffmans intent to see behind this constant activity to what, in modern parlance, would be referred to as the structures that invisibly govern it. These structures Goffman now refers to as frames (Gonos 1977, S. 857).
Siehe hierzu weiterhin Lenz, der die Frage prüft, inwieweit Goffman als Strukturalist bezeichnet werden kann. In seinem Fazit kommt er zu dem Ergebnis, … das Theorieprogramm von Goffman als einen Entwurf zu sehen, dem es darauf ankommt, die Einseitigkeit einer interpretativen oder einer strukturalen Perspektive durch eine Verknüpfung beider Perspektiven zu beseitigen. Goffman überwindet den astrukturellen Bias und das Modell eines schier grenzenlos kreativen Individuums, zugleich verwehrt er sich gegen die Negation des handelnden Subjekts, gegen die weitgehende Ausblendung der Sinnkategorie und auch den Dingcharakter der sozialen Wirklichkeit ( 1991b, S. 294 ).
Eberle sieht den zentralen Unterschied im wesentlichen darin, daß Schütz egologisch von der subjektiven Erfahrung verschiedener Sinnbereiche mit je eigenem Wirklichkeitsakzent ausgeht, Goffman dagegen von der gesellschaftlichen Produktion dieser Wirklichkeiten (1991, S. 189).
Für den Verlauf einer sozialen Veranstaltung gibt es oftmals eine verantwortliche Person; es geht darum, die Veranstaltung in Gang zu setzen, das Hauptanliegen im Auge zu behalten, den Aktionsfaden weiterzuspinnen und die Veranstaltung zu beenden; es ist eine Ordnung zu garantieren (1971, S. 29). Zwischen Anfang und Ende läßt sich eine Engagement-Kurve (1971, S. 29) erkennen: … eine Linie, die Zunahme und Abnahme allgemeiner Hingabe an die Hauptaktivität des Anlasses nach
Religionen werden bei Durkheim in Glaubensvorstellungen und Riten unterteilt. Mit Glaubensvorstellungen sind die Inhalte der Religionen gemeint, mit Riten die Verhaltensregeln, wie Menschen sich gegenüber den heiligen Dingen benehmen sollen (vgl. Durkheim 1984 ). Zum Einfluß Durkheims auf Goffmans Denken vgl. Collins 1980, 1988; ferner Lenz 1991a.
Goffman bezieht sich dabei auf Burke, der versucht hat, Handeln in einer Weise zu analysieren, die der Analyse von Dramen analog ist. Burke geht es vor allem um die Motive des Handelns: The titular word for our own method is dramatism, since it invites one to consider the matter of motives in a perspective that, being developed from the analysis of drama, treats language and thought primarily as modes of action (1955, S. XVI). Als die fünf Schlüsselbegriffe des Dramatismus nennt Burke die folgenden: act, scene, agent, agency, purpose ( 1955, S. X ).
Goffman unterstreicht, daß man nicht nur aus Eigennutz zum zynischen Darsteller werden kann, sondern gerade auch, weil das Publikum nicht gestattet, aufrichtig zu sein (1988, S. 20). Goffman nennt das Beispiel des Tankwarts, … der resigniert immer wieder den Reifendruck am Wagen einer überängstlichen Fahrerin prüft (1988, S. 20).
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Hoffmann, R. (1996). Theoretischer Teil. In: Die Lebenswelt der Pädophilen. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 162. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12045-2_3
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