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Einleitung: Die „verlorene Generation“?

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Zwischen zwei Kulturen

Part of the book series: Forschung ((FS,volume 107))

Zusammenfassung

Sieht man einmal von Fluchtmigration infolge von (Bürger-)Kriegen, Naturkatastrophen oder politischer Verfolgung ab, kann man grundsätzlich zwischen zwei Formen der Migration unterscheiden (vgl. Hansen, 1989: S. 14): Zum einen handelt es sich dabei um Migration zum Zweck der endgültigen Sesshaftwerdung in einem fremden Land und zum anderen um Migration im Rahmen eines zeitlich begrenzten Aufenthalts und zum Zweck der Arbeitssuche und Erfüllung von ökonomischen Zielen. Unter letzterem wird gemeinhin Arbeitsmigration verstanden. Obwohl in beiden Fällen von Migration gesprochen wird, findet man die erste Form vor allem in den USA, die zweite Form, die Arbeitsmigration, dagegen fast ausschliesslich in Europa. Gerade auch die Schweiz ist seit langem ein begehrtes Ziel von Arbeitsmigranten.1 Die Rekrutierung einer Vielzahl von Gast- oder Fremdarbeitern aus den umliegenden Nachbarstaaten und darüber hinaus, für die das Leben in der Fremde bloss ein Provisorium darstellt (vgl. Portera, 1995: S. 17; Molinari, 1995: S. 77), hat hierzulande mittlerweile eine lange Tradition.2

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Literatur

  1. Die Schweiz des 20. Jahrhunderts, das ist die Geschichte eines klassischen, obschon historisch gesehen relativ jungen Einwanderungslandes. Dies lässt sich schwerlich leugnen, auch wenn die Schweiz sich selbst angesichts ihrer restriktiven Einwanderungspolitik (Saisonnierstatut, Rotationsprinzip) sowie der vermeintlich bloss vorübergehend hier verweilenden Arbeitsmigranten lange Zeit weder als eigentliches Einwanderungsland verstand, noch offiziell als solches bekannte (vgl. Hoffmann-Nowotny, 1985: S. 11 l).

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  2. Nach einer ersten Phase der Masseneinwanderung zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte in den 50er Jahren erneut ein erheblicher Gastarbeiterzustrom in die Schweiz ein (vgl. Hoffmann-Nowotny, 1985: S. 110). Dieser erreichte zu Beginn der 60er Jahre und dann bei der Untergruppe der Saisonarbeiter nochmals zu Beginn der 70er Jahre einen vorläufigen Höchststand, um in der Folge der 01- und Weltwirtschaftskrise von 1974 jedoch stark zurückzugehen. Gemäss dem Statistischem Bericht des Bundesamtes für Ausländerfragen von 1996 registrierte man in der Schweiz allein im Jahr 1962 rund 400’000 zugewanderte Arbeitsmigranten (Saisonniers und erwerbstätige Jahresaufenthalter und Niedergelassene). 1972 reiste nur noch eine knappe Viertelmillion Saisonarbeiter in die Schweiz ein. Vier Jahre später waren es gar bloss noch 90’000 Saisonarbeiter und knapp 25’000 erwerbstätige Jahresaufenthalter und Niedergelassene. Danach stieg der Gastarbeiterzustrom zwar wieder kontinuierlich an, erreichte aber das Niveau der frühen 60er und frühen 70er Jahre nicht mehr. Zu Beginn der 90er Jahre ist die Zahl der Saisonniers erneut rückläufig; die Kurve der Arbeitsimmigrantenzahlen fällt bis 1996 ab auf einen Tiefststand von rund 60’000 Saisonarbeitern und 30’000 Jahresaufenthaltern und Niedergelassenen.

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  3. Bei allen Vorbehalten, die man gegen den nicht unumstrittenen und etwas pauschalen Begriff der Zweiten Generation zu Recht anbringen kann (fehlendes Kollektivbewusstsein als Zweite Generation; implizit unterstellte Homogenität der Population, die es zumindest bezüglich Alter, Nationalität usw. nicht gibt), und bei allen unterschiedlichen Auffassungen und Definitionsversuchen, die man in der Literatur dazu antrifft (unterschiedliche Kriterien der Zurechnung zur Zweiten Generation bezüglich Einreisealter), wird der Begriff hier dennoch verwendet. Dies aus drei Gründen: Erstens geht es in der vorliegenden Arbeit ganz generell um Kinder von Einwanderern bzw. Arbeitsmigranten, die zudem nicht im Rahmen eines Familiennachzuges eingereist sind, sondern ausnahmslos im Aufnahmeland resp. in der Schweiz geboren und mehr oder weniger auch hierzulande aufgewachsen sind und sozialisiert wurden, weswegen deren formelle Zugehörigkeit zur Zweiten Generation wohl ausser Zweifel steht. Zweitens wurde die Zweite Generation in der hier zugrundeliegenden Untersuchung bezüglich Alter (junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren) und Nationalität (türkische und italienische Staatsangehörige) eingeschränkt, so dass die Population homogener ist als es zunächst scheinen mag. Ausserdem wird jeweils konsequent nach Nationalität differenziert. Drittens und letztens darf wohl bei allen Differenzierungen, die durchaus angebracht sein mögen, dennoch — wie die vorliegende Arbeit noch zeigen wird — davon ausgegangen werden, dass sich bei der Zweiten Generation generell ganz bestimmte und dabei ähnlich gelagerte Spannungspotentiale, Problemlagen und Konfliktkonstellationen ergeben, und zwar ungeachtet der nationalen Herkunft, d.h. über alle unterschiedlichen Ethnien und Gruppen hinweg.

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  4. Unter Akkulturation wird eine partielle Assimilation verstanden (vgl. HoffmannNowotny, 1990: S. 20/24), d.h. eine funktional notwendige „Mindestanpassung“ an die wichtigsten Werte und Normen sowie minimalen Verhaltensstandards einer Gesellschaft.

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  5. Ähnlich wie in jüngerer Zeit die Asylbewerber von gewissen Bevölkerungskreisen als„Sozialschmarotzer“, „Wirtschaftsflüchtlinge” oder „Kriminaltouristen“ tituliert bzw. etikettiert werden, wurden in der Schweiz früher die Fremdarbeiter problematisiert und stigmatisiert. Es war im Zusammenhang mit der „Gastarbeiterproblematik” häufig von Assimilations-, Segregations-und Integrationsproblemen die Rede (vgl. u.a. Hilpert, 1997: S. 36f./295f.). Die ausländischen Gastarbeiter wurden als „billige Arbeitskräfte“ und zugleich als direkte Konkurrenten auf dem Wohn-und Arbeitsmarkt wahrgenommen. Angesichts eines steigenden Ausländeranteils tauchte das Deutungsmuster der Überfremdung auf. Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre wurden die sog. Überfremdungsinitiativen lanciert. Obwohl die Verweildauer der Gastarbeiter durch das Rotationsprinzip (Saisonnierstatut) begrenzt war, wurden Forderungen nach einer adäquaten Einwanderungsbzw. „Ausländerpolitik” und nach politischen Massnahmen wie Anwerbestop, Massenausweisung, Zuwanderungsverbot erhoben und teilweise auch realisiert. Die Ausländer und mit ihnen auch die Gastarbeiter wurden und werden heute noch zumindest von Teilen der Schweizer Bevölkerung und Politiker als politisch und sozial relevantes „Problem“ wahrgenommen.

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  6. Unter Unterschichtung ist die strukturelle „Unterwanderung“ der aufnehmenden Gesell-schaft durch Immigranten, vornehmlich Arbeitsmigranten, zu verstehen. Unterschichtung beschreibt das Phänomen, dass infolge des Entwicklungsgefälles zwischen der Herkunftsund der Aufnahmegesellschaft die Positionen der Gastarbeiter auf den erwerbbaren Statuslinien durchschnittlich niedriger sind (vgl. Hoffmann-Nowotny, 1973: S. 21), wobei besagte Einwanderer und Gastarbeiter eine Art marginalisiertes Subproletariat (vgl. Wimmer, 1996b: S. 179), eine neue Bevölkerungsschicht unterhalb der bisherigen (vgl. Bielefeld, 1988: S. 27) bilden.

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  7. Mit struktureller Integration ist keine Sozialintegration gemeint, sondern Statusintegration.Strukturelle Integration wird definiert als Partizipation an der Gesellschaft, an der gesellschaftlichen Positionsstruktur (vgl. Hoffmann-Nowotny, 1973: S. 172 ). Gemeint ist damit die Besetzung und der Zugang zu höheren Positionen auf den zentralen Statuslinien oder Statusdimensionen (z.B. Einkommen, Bildung usw.). Strukturell desintegriert sind Individuen oder soziale Gruppen demnach dann, wenn sie sich im Vergleich mit anderen Individuen derselben Gruppe oder mit anderen Gruppen als statusniedriger erweisen, d.h. als relativ unterprivilegiert in bezug auf das Einkommen, die Bildung usw. Betrifft diese strukturelle Desintegration eine ganze Bevölkerungsgruppe, etwa die gesamte Ausländerpopulation oder Gastarbeitergeneration, wird von sog. „Unterschichtung“ gesprochen.

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Hämmig, O. (2000). Einleitung: Die „verlorene Generation“?. In: Zwischen zwei Kulturen. Forschung Soziologie , vol 107. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11932-6_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11932-6_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-2950-8

  • Online ISBN: 978-3-663-11932-6

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