Zusammenfassung
Die Ausgangspunkte meiner methodologischen und methodischen Überlegungen79 sind mein Forschungsgegenstand, mein theoretisches Vorwissen, welches sich auch im Modell des subjektiven Vaterschaftskonzeptes widerspiegelt sowie die daraus entwickelten Forschungsfragen. Dieses Modell hat für mich die Funktion eines „sensibilisierenden Konzepts“ (vgl. Blumer 1954, 1981, Kelle/Kluge 1999: 25). Ich nutze die Erkenntnisse meiner theoretischen Vorüberlegungen für die Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung sowie für die Interpretation der Daten und versuche somit zu einer Integration von Theorie und Empirie zu gelangen. Diese theoretische Sensibilität bedeutet aber nicht ein klassisches hypothetiko-deduktives Vorgehen im Sinne eines Hypothesenprüfens. Vielmehr geht die Studie theoriegeleitet vor, ohne auf ein wesentliches Merkmal qualitativer Forschung, nämlich das Kriterium der Offenheit, verzichten zu wollen. Dies geschieht, indem das entwickelte Modell des subjektiven Vaterschaftskonzeptes zunächst als offenes und nicht als definitives Konzept verstanden wird (vgl. Kelle/Kluge 1999: 26). Insofern ist mein Vorgehen ein Weg zwischen Induktion und Deduktion und kann als Abduktion charakterisiert werden (vgl. Helsper u.a. 2001: 254ff., Friebertshäuser 2001: 578)80. Eine theoretische Orientierung schließt einen heuristischen Charakter des Forschungsprozesses nicht aus. Vielmehr kann eine vertiefte theoretische Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand die Einordnung gerade auch ungewöhnlicher, unerwarteter Informationen erleichtern, vorausgesetzt der Forscher bleibt bei seinem Vorgehen offen, wenn es um die Erhebung und Interpretation der Daten geht.
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Literatur
Ich schreibe der Darstellung des methodischen Vorgehens eine große Bedeutung zu. Umfassende Transparenz über Forschungsgegenstand, theoretische Voraussetzungen sowie die Indikation des Vorgehens sollen die Geltungsbegründung abstützen (vgl. Steinke 1999: 252 ).
Helsper u.a. (2001: 255f.) zufolge hat sich qualitative Forschung „balancierend zwischen zwei Vorwürfen zu verorten (…): einerseits zwischen der Scylla,alles was erhoben und offen exploriert werden soll, schon theoretisch vorentschieden und auf diese Weise die qualitative Forschungslogik verfehlt und ihr theoriegenerierendes Potenzial verspielt zu haben, und andererseits der Charybdis,ihre Vorgehensweise und Forschungsziele mangelhaft theoretisch zu explizieren und in großer Vagheit zu belassen“.
Brandes (vgl. 2000: 86ff.) kritisiert in diesem Sinne die Studie von Zulehner und Volz (1999) Männer im Aufbruch. Wie Deutschlands Männer sich selbst und wie Frauen sie sehen. Das hypothetiko-quantitativ-deduktive Vorgehen mit den simplen Polen des „traditionellen“ und des „neuen Mannes” habe zu einem Forschungsergebnis geführt, welches etwas über Einstellungen, aber wenig über das Handeln sowie Handlungsmotive und -bedingungen von Männern aussage und der Vielzahl von männlichen Lebenskontexten nicht gerecht werden könne. Die „akademisch-mittelschichtorientierte“ Perspektive der beiden Forscher müsse dem Realitätserleben und der Selbstsicht von Männern aus anderen sozialen Kontexten keinesfalls entsprechen. Aufgrund der fragwürdigen Methodik erwecke die Studie „so den Eindruck, als sei die Veränderung der Geschlechterrollen eine Frage des Engagements oder der Einsicht der Betroffenen”.
Für Krüger (vgl. 2000: 323) ist der Begriff Qualitative Forschung eher ein Sammelbegriff diverser Forschungsprogramme in den Sozial-und Verhaltenswissenschaften. Flick u.a. (2000: 13) sprechen von dem „unübersichtlichen Feld“ der qualitativen Forschung.
Dies können sowohl erwartete, aber gerade auch unerwartete Informationen sein.
Mein Vorgehen ist nicht völlig identisch mit den Vorschlägen von Witzel. So nutze ich einen präzise ausgearbeiteten Interviewleitfaden, während Witzel in seinem Gesprächsleitfaden die Fragen nicht genau formuliert. Außerdem hat in meinem Design das Leitfadeninterview einen zentraleren Stellenwert. Witzel integriert in seine Designs häufig weitere Teilelemente der Datenerhebung wie zum Beispiel eine Gruppendiskussion.
Witzel betürwortet den Einsatz des Kurzfragebogens vor Beginn des Interviews vor, um die dort enthaltenen Informationen eventuell zu einer geeigneten Einstiegsfrage zu nutzen. Ich benutzte (wie auch Kaufmann, vgl. 1999: 74) den Fragebogen erst nach dem Abschluß des Interviews, um bei den Befragten nicht vor Beginn des Interviews unabsichtlich irgendwelche Vermutungen hinsichtlich der Interviewschwerpunkte oder Relevanzen aufgrund des Fragebogens zu evozieren.
Kaufmann (1999: 72f.) meint hierzu, dass die beste Frage nicht im Leitfaden stehe, son- dem sich oft aus dem Gesagten ableite. Er spricht von der „Befragung in der Befragung“.
Diese lautet: „Bitte erinnern Sie sich an den Augenblick zurück, als Sie das erste Mal davon erfahren haben, dass Sie Vater werden. Erzählen Sie einfach, was Ihnen alles dazu einfällt! Lassen Sie sich Zeit. Ich höre Ihnen einfach zu.“
Merkmalsausprägungen, die im Feld besonders häufig vorkommen
Der für den Informanten ideale Interviewer ist eine erstaunliche Persönlichkeit. Er muß ein Fremder sein, ein Unbekannter, dem man alles sagen kann, weil man ihn nie wiedersehen wird und er nicht zum eigenen Beziehungsnetz gehört. Gleichzeitig muß er einem während des Interviews so nahe kommen wie eine Vertrauensperson, jemand, den man sehr gut kennt oder zu kennen glaubt, dem man alles sagen kann, weil er zu einem engen Freund geworden ist. Zu den tiefsten Eingeständnissen kommt es bei einer erfolgreichen Kombination dieser beiden gegensätzlichen Erwartungen.“ (Kaufmann 1999: 78f )
Im Internet gibt es diverse Seiten von Vätern im Erziehungsurlaub.
So äußerte sich beispielsweise der Befragte Theo Gasteier folgendermaßen: T.G.: (…) Die Zeit, selbst abends, wenn man weggeht. Das sind im Grunde keine Gespräche. Das sind Gespräche in den Gesprächen. Aber das ist nicht so ein Gespräch, wo ich mich intensiv mal wieder unterhalten kann oder so. War vielleicht übrigens ein Punkt oder ein Argument, wieso ich letzten Endes ja gesagt hab’. I.: Für sich selber auch ne Gelegenheit. T.G.: Ja. Nicht nur. Natürlich wußt` ich schon um was es geht, ne. Dass es um die Vaterschaft geht. Aber um die Vaterschaft, um das zu definieren in der Form der langen Jahre muss es ja ein Gespräch geben, wo man sich selbst, beziehungsweise, die Familie, in Klammer, d;e Vaterschaft richtig näher bringen. Und dabei komm’ ich selber mal mir wieder näher. (lacht)
Kaufmann zufolge tendiere man in der Regel zu einer möglichst geringen Präsenz des Interviewers, „also zu seiner Abwesenheit als Person mit Gefühlen und Meinungen“. So folge „auf die Nicht-Personalisierung der Fragen… das Echo der Nicht-Personalisierung der Antworten”. Im verstehenden Interview lasse sich der Interviewer jedoch „aktiv auf die Fragen ein, um umgekehrt auch das Sich-Einlassen des Befragten zu bewirken“ (Kaufmann 1999: 24f.). „Der Austausch zwischen Interviewer und Interviewtem soll so intensiv wie möglich werden, so daß man an die wesentlichen Aussagen herankommt” (ebda.: 70). „Das Ziel des verstehenden Interviews aber ist, diese Hierarchie zu durchbrechen. Der Tonfall, der getroffen werden muß, ist dem eines Gesprächs zwischen gleichberechtigten Individuen viel näher als dem eines von oben vorgegebenen Fragebogens“ (ebda.: 70f., vgl. hierzu auch Bourdieu 1997: 781 ff, 794).
Im Interview erzählt der Befragte aus seinem Leben, „das er auf eine Weise betrachtet, wie er es nie zuvor betrachtet hat“. Das Interview stellt den Informanten in eine „außergewöhnliche Position”, die ihn aus seinem gewöhnlichen Sein und Denken herausholt und dazu zwingt, eine „wahrhaft theoretische“ Arbeit zu vollbringen (Bourdieu 1988). Eine theoretische Arbeit an seinem eigenen Leben” (Kaufmann 1999: 80f.)
Die sozialwissenschaftliche Hermeneutik zielt darauf ab, „methodisch kontrolliert durch den oberflächlichen Informationsgehalt des Textes hindurchzustoßen zu „tieferliegenden“ Sinn-und Bedeutungsschichten und dabei diesen Rekonstruktionsvorgang intersubjektiv nachvollziehbar zu machen bzw. zu halten” (Hitzler 2000: 471f.).
Allert (1998: 20) charakterisiert diese Problematik folgendermaßen: „Die Beweisführung bei Fallanalysen bewegt sich systematisch zwischen der Skylla empirischer Illustration vorgegebener Theorie und der Charybdis akribisch theorielosen Nachschreibens, das den Informationsreichtum mit dem Verzicht auf Erklärung bezahlt.“
Beispiele theoriegenerierender Fragen: „Was? Worum geht es hier? Welches Phänomen wird angesprochen? Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rollen spielen sie dabei? Wie interagieren sie? Wie? Welche Aspekte des Phänomens werden angesprochen (oder nicht angesprochen)? Wann? Wie lange? Wo? Wieviel? Wie stark? Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht, zu welchem Zweck? Womit? Welche Mittel, Taktiken und Strategien werden zum Erreichen des Ziels verwendet?“ (Böhm 2000: 477 )
Ein systematischer Vergleich bzw. eine systematische Kontrastierung von Fällen ist also nicht nur bei der deskriptiven Gliederung eines Untersuchungsfeldes hilfreich, ein solches Vorgehen ist dann geradezu unverzichtbar, wenn das Ziel der Forschungsbemühungen in der Beschreibung, Analyse und Erklärung sozialer Strukturen besteht.“ (Kelle/Kluge 1999: 10)
Der Idealtypus „ist keine,Hypothese, aber er will der Hypothesenbildung die Richtung weisen. Er ist nicht eine Darstellung des Wirklichen, aber er will der Darstellung eindeutige Ausdrucksmittel verleihen… Hier wie überall führt eben nicht jeder rein klassifikatorische Begriff von der Wirklichkeit ab.“ (Weber 1904: 42)
Beendet ist die Fallkontrastierung, wenn „durch Hinzunahme neuer Fälle keine wesentliche Veränderung der entwickelten Begriffe oder Hypothesen erreicht wird.“ (Gerhardt 1991: 38)
Möglicherweise hat ihn dieses Thema schon immer bewegt, ohne dass er es bisher mit irgend jemandem offen besprochen hat. Vielleicht erkannte Matthias Hertel in dem Anliegen des Forschers eine gute Gelegenheit, sich erstmals eingehend mit dieser Thematik zu beschäftigen. Obwohl er eigentlich „nie“ Zeit hat, reagierte er auf meinen schriftlichen Interviewwunsch umgehend.
Jedes Kind kann schlafen lernen ist der Titel eines bekannten Erziehungsratgebers.
Das fehlende Wort konnte nicht verstanden werden.
Unter der Tender Years Doctrine versteht man die Überzeugung, dass aufgrund ihrer biologischen Prädisposition Mütter Kleinkinder besser als Väter versorgen und betreuen können.
Hermann Kleist spricht hier und in anderen Passagen nicht etwa von einer interessanten „Arbeit“, sondern er benutzt immer den Begriff der „Position”. Während der Begriff der Arbeit die inhaltliche Dimension, die eigentlichen Tätigkeiten betont, geht es beim Begriff der Position um eine bestimmte Verortung innerhalb der betrieblichen Organisation.
Der Befragte ist der Bekannte eines Bekannten und bot mir das Du zu Beginn des Interviews an.
Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass es den Paaren nicht darum geht, die Verantwortung für die Betreuung ihrer Kinder einfach zu delegieren. Im Gegenteil, nichttraditionelle Aufgabenteilungen und damit die Beteiligung beider Eltern an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder sind nur möglich, wenn ein auf die Bedürfnisse von Kindern und Eltern abgestimmtes institutionelles und/oder privates Betreuungsangebot zur Verfügung steht.“ (Oberndorfer/Rost 2002: 84)
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Matzner, M. (2004). Empirische Untersuchung Vaterschaft aus der Sicht von Vätern. In: Vaterschaft aus der Sicht von Vätern. Forschung Soziologie, vol 201. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11713-1_4
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