Zusammenfassung
Wer heute über neue Konzepte von Bildung und Allgemeinbildung nachdenkt, wird auf der einen Seite zunächst auf den Zustand der Welt, die globale Situation am Ende unseres Jahrtausends (Massenarmut, Hunger, Kriege, Umwelt- und Klimakatastrophen, das Bevölkerungswachstum usw.), hinweisen und auf der anderen Seite den ungeheuren, offensichtlich aber in bezug auf solche Probleme eher irrelevanten Zuwachs an Wissen benennen, den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, dessen Beherrschung anscheinend selbst zu einem Problem geworden ist. Zukunftsszenarien rechnen uns vor, wie lange die Erdölvorräte noch reichen, wieviele Menschen diese Erde noch ernähren kann, verweisen auf irreversible Schädigungen der Umwelt, auf die Gefahren nicht mehr beherrschbarer Hochtechnologien. Seltener wird versucht, das Potential im Innern des Menschen auszuloten und zu fragen, ob verlorengegangene Gewißheit nicht auch dort zu suchen und zu finden ist: In der Fähigkeit des Menschen zu lernen, sich vorausschauend auf künftige Gegebenheiten seiner Existenz einzustellen, in einem adäquaten Begriff von menschlicher Bildung. Die Paradoxie, auf die zerstörerischen Folgen des Wissenschafts- und Technikfortschritts nur noch mit dem Ruf nach noch mehr Wissenschaft und noch mehr Technik antworten zu können, hat uns Ulrich Beck in seinen Büchern (vgl. u.a. 1986, 1988, 1993) wiederholt vor Augen geführt. Längst ist es Gegenstand ganzer Wissenschaftszweige, sich allein mit den Folgen der Umsetzung anderer Wissenschaften auseinanderzusetzen. Wissenschaftliche Potentiale werden entfaltet, um offensichtlich fehlgeleitete Ressourcen derselben Art wieder unter Kontrolle zu bringen. Soll es uns unberührt lassen, wenn wir heute bereits Dinge praktizieren können und es im übrigen tun, für die wir noch gar keine annähernd sicheren Deutungsund Wertungsmuster haben? Der Fortschritt unseres Werte- und Orientierungssystems bleibt hinter dem Fortschritt des Wissenschaftssystem zurück — eine Phasenverschiebung, die Kopfzerbrechen bereitet. Die Frage lautet also: Lernen wir eigentlich adäquat, den Risiken angemessen, auf die wir uns längst eingelassen haben? Verfügen wir Über einen adäquaten Begriff von Bildung, der uns einerseits in die Lage versetzt, die Situation am Ausgang des Jahrtausends richtig zu beurteilen und andererseits sachkundigen (das heißt auch phantasievollen) Prognosen entsprechend zu handeln?
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Olbertz, J.H. (1995). Universalisierung versus Spezialisierung — Akademische Bildung im Konflikt zwischen Berufsvorbereitung und allgemeiner Handlungskompetenz. In: Krüger, HH., Kühnel, M., Thomas, S. (eds) Transformationsprobleme in Ostdeutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11657-8_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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