Zusammenfassung
Die Finanzierung von Krankenhäusern in Deutschland unterliegt besonderen Regulierungen, deren Ausprägungen sowie Wirkungen in diesem Abschnitt dargestellt werden. Zunächst erfolgt in Abschnitt 1 eine Erörterung der dualen Finanzierung und der Krankenhausplanung. Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme der seit 1972 geltenden Vergütungssysteme in Abschnitt 2 erfolgt in Abschnitt 3 eine Systematisierung der Entwicklung mit Hilfe einer Typologie alternativer Vergütungssysteme. Die Grundgedanken des DRGKonzeptes werden in Abschnitt 4 und die Verhaltensanreize in Abschnitt 5 herausgearbeitet.
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Literatur
In den meisten Industrieländern bestanden bzw. bestehen entsprechende Investitionskontrollen. In den USA bspw. wurden 1974 Bedarfsnachweise für Investitionsmaßnahmen (Certificate of Need) eingeführt, die allerdings in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre von den meisten Bundesstaaten wieder abgeschafft wurden. Die Wirksamkeit der Bedarfsnachweise wird durch zahlreiche empirische Studien in Frage gestellt. Siehe bspw. CONOVER/SLOAN (Certificate-of-Need) 1998, S. 478, und SLOAN/STEINWALD (Regulation) 1980, S. 94 ff.
Die Situation in der Schweiz ist weitgehend vergleichbar mit derjenigen in Deutschland. Die Krankenhausplanung obliegt den Kantonen und die Grundversicherung zahlt nur dann, wenn das Krankenhaus einen entsprechenden Leistungsauftrag des Kantons hat. Des Weiteren werden die Investitionen von den Kantonen gefördert. Siehe HEBERER (Strategic) 1997, S. 18 ff., HEBERER (Schweiz) 1999, S. 82 ff., und SOMMER (Gesundheitssysteme) 1999, S. 162 f. Zur dualen Finanzierung siehe § 4 KHG.
Vgl. § 8 Abs. 1 KHG. Zum Ausschluss nicht förderungsfähiger Einrichtungen siehe § 5 KEG. a Nach den gegenwärtig geltenden Regelungen des § 9 KHG werden Plankrankenhäusern Einzelförde rungs-und Pauschalförderungsmittel für Investitionen durch die Länder gewährt. Einzelförderungen beziehen sich auf die Errichtung eines Krankenhauses einschließlich der Erstausstattung mit den notwendigen Anlagegütem sowie die Wiederbeschaffung von Anlagegütern mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von mehr als drei Jahren. Pauschalbeträge werden für die Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter sowie kleine bauliche Maßnahmen geleistet, deren Höhe sich u. a. nach der Versorgungsstufe und den Planbetten richtet.
Siehe zur Entwicklung der Krankenhausfinanzierung von 1936 bis 1972 TUSCHEN/QUAAS (Bundes pflegesatzverordnung) 2001, S. 3 ff.
So stiegen die Defizite der Krankenhäuser von 280 Mio. DM im Jahr 1957 und 785 Mio. DM im Jahr 1964 auf 840 Mio. DM im Jahr 1966. Vgl. TUSCHEN/QUAAS (Bundespflegesatzverordnung) 2001, S. 4.
Zu einem Überblick siehe bspw. GODDEMEIER (Krankenhaus) 1999, S. 29 f. v Zu weiteren Kritikpunkten m. w. N. vgl. GODDEMEIER (Krankenhaus) 1999, S. 27 ff., OSWALD (Investitionsfinanzierung) 1995, S. 91 ff, und RÜSCHMANN (Krankenhausplanung) 1998, S. 112 f. Zur Ermittlung des Bettenbedarfs siehe ADAM (Krankenhaus) 1973, S. 28 ff., KEISERS (Krankenhausbetriebslehre) 1991, S. 42 ff., und WACHMANN (Krankenhausplanung) 1998, S. 111.
Aufbauend auf der Versorgungsstruktur in den USA hinsichtlich der Bettenzahl auf 1000 Einwohner und der Definition der wohnortnahen Versorgung in Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der räumlichen Nähe der Krankenhäuser kommen LAUTERBACH/LÜNGEN (Abschätzung) 2002, S. 17 ff., zu dem Ergebnis, dass in Deutschland die Überkapazität der Betten im Jahr 2000 bei 194.000 (37 Prozent der gesamten aufgestellten Betten) und die der Krankenhäuser bei bis zu 1410 (63 Prozent der gesamten Krankenhäuser) lag.
Die Förderungshöhe pro Planbett variiert zwischen den einzelnen Bundesländern erheblich. So betrug 1998 die Förderung in Bayern rund 17.000 DM pro Planbett gegenüber 7.000 DM in Nordrhein-Westfalen. Vgl. SCHULTE (Vergütungssysteme) 2001, S. 156.
Vgl. bspw. MÖNCH (Krankenhausmanagement) 1998, S. 152.
Zu weiteren Kritikpunkten siehe GODDEMEIER (Krankenhaus) 1999, S. 31 ff., HENKE/GÖPF FARTH (System) 1998, S. 10 f., und OSWALD (Investitionsfinanzierung) 1995, S. 87 ff.
Siehe grundlegend TUSCHEN/QUAAS (Bundespflegesatzverordnung) 2001, S. 5 ff., und zu einer kurzen Übersicht der einzelnen Gesetze und Rechtsverordnungen sowie deren inhaltlichen Änderungen in den zurückliegenden Jahren EBERLE (GKV) 1998 und SIEBIG (Reformdschungel) 1999.
Siehe KHG und BPflV. Nach dem Selbstkostendeckungsprinzip entsprechend § 17 Abs. 1 KHG galt: „Die Pflegesätze sind für alle Benutzer nach einheitlichen Grundsätzen zu bemessen. Sie müssen auf der Grundlage der Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden, leistungsfähigen Krankenhauses und einer Kosten-und Leistungsrechnung eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglichen und die medizinisch und wirtschaftlich rationelle Versorgung durch die Krankenhäuser sichern.“ Ein Krankenhaus galt als wirtschaftlich, wenn die Regelungen hinsichtlich der Selbstkostenermittlung erfüllt waren.
Siehe KHNG und BPflV. Nach dem modifizierten Selbstkostendeckungsprinzip sollten die öffentlichen Fördermittel und die Erlöse aus den Pflegesätzen zusammen nicht mehr die Selbstkosten, sondem nur noch die „vorauskalkulierten Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden und leistungsfähigen Krankenhauses“ decken, § 4 Satz 2 KHG.
Siehe bspw. KAMPE/KRACHT (Management) 1989, S. 12.
Zur flexiblen Budgetierung siehe TUSCHEN/QUAAS (Bundespflegesatzverordnung) 2001, S. 72 ff.
In Anlehnung an TUSCHEN/QUAAS (Bundespflegesatzverordnung) 2001, S. 74.
Siehe GSG und BPflV. Daneben wurde die Möglichkeit für Krankenhäuser geschaffen, neben stationären auch teilstationäre und ambulante Behandlungen anzubieten, mit dem Ziel, eine stärkere Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Sektor zu ermöglichen.
Die Ausgleichsregelung wurde in der Einführungszeit der differenzierten Abteilungspflegesätze sowie der Fallpauschalen von 1993 bis 1995 außer Kraft gesetzt. Anstelle der flexiblen Budgets traten feste Budgets, die nur um die Einnahmesteigerung der gesetzlichen Krankenkassen erhöht werden konnten. Siehe § 4 Abs. 3 Nr. 1 BPflV.
Siehe zur Übersicht LAUTERBACH/LÜNGEN (DRG-Fallpauschalen) 2000, S. 33 ff., SIEBIG (Re formdschungel) 1999, S. 937 ff., STREHL (Gesundheitsreform) 2000 und TUSCHEN/QUAAS (Bundesptlegesatzverordnung) 2001, S. 26 ff. und S. 84 ff. Siehe GKV 2000. Vgl. § 17b KHG. Siehe FPG.
Siehe grundlegend zum DRG-System in Deutschland LAUTERBACH/LÜNGEN (DRG-Fallpauschalen) 2000 und zu einer kurzen Übersicht ROCHELL/ROEDER (DRGs) 2001. Zum aktuellen gesetzlichen Stand siehe GÜNSTER et al. (DRG-Entgeltsystem) 2004.
Das DRG-System zeichnet sich durch weitere Besonderheiten aus, die sich auf das Kodierverfahren sowie die Berücksichtigung krankenhausindividueller Tatbestände beziehen. Über das Kodierverfahren werden bspw. nicht sämtliche Behandlungsfälle berücksichtigt. Beispiele sind psychiatrische Fälle und Fälle mit überdurchschnittlicher Aufenthaltsdauer. Mit Hilfe von Zu-und Abschlägen werden ferner krankenhausindividuelle Tatbestände bspw. Notfallversorgung und Ausbildungsstätten einbezogen. Vgl. § 17b Abs. 4 und Abs. 6 KHG.
Siehe stellvertretend für viele Veröffentlichungen NEUBAUER (Vergütung) 1999. Eine ähnliche Systematisierung nimmt GRAF V. DER SCHULENBURG (Preisbildung) 1992 vor. u Siehe bspw. BREYER et al. (Gesundheitsökonomie) 2003, S. 353 ff, FRIEDL/OTT (Entgeltsystemen) 2002 und HEEI3 (Krankenhausvergütung) 1988.
Auf die Untersuchung dynamischer Effekte wird hier verzichtet.
Die Darstellung stützt sich auf FRESE et al. (DRG) 2003, S. 7 ff
Diese Feststellung gilt nicht für Privatpatienten, die neben den obigen Vergütungen — reduziert uni einen Abschlag — gesonderteHonorare an die liquidationsberechtigten behandelnden Ärzte entrichten. Die Honorare richten sich nach der Gebührenordnung für Ärzte; sie stellen detaillierte Aktivitätenbudgets dar. Siehe ULEER (PKV ) 1988.
Siehe zum Forschungsprogramm FETTER (Performance) 1991, S. 6 ff., sowie zu alternativen Patien tenklassifikationssystemen GROSS (Measurement) 1992 und LUNGEN/LAUTERBACH (DRG) 2002, S. 48 ff. Die postulierten Managementtechniken für Krankenhäuser orientieren sich in der Krankenhausmanagement-Literatur zunehmend an dem DRG-Konzept, sei es bei der strategischen Positionierung, der Bestimmung der Leistungsangebote oder der internen Budgetierung. Siehe bspw. CRAWFORD/FOTTLER (Management) 1985, REYNOLDS (Positioning) 1986, SMITH (Management) 1986 und SMITH/FOTTLER (Prospective) 1985.
Siehe zu den Grundgedanken des DRG-Konzeptes FETTER (Performance) 1991, S. 9 f., und FET TER/FREEMAN (Product) 1986, S. 41 ff.; zu den Anforderungen an das Patientenklassifikationssystem, vgl. FETTER et al. (Definition) 1980, S. 5 ff.
In Anlehnung an die Abbildungen von FETTER (Performance) 1991, S. 9 f.
Eine Annahme wäre bspw., dass die Ärzte dazu neigen werden, ein Qualitätsniveau über Q* zu realisie ren.
Vgl. FETTER (Performance) 1991, S. 10.
Die Wahl der Aufenthaltsdauer als Bezugsgröße für die Kostenhomogenität erscheint unproblematisch, da die ärztlichen Leistungen nicht in das System einbezogen wurden. Siehe FN. 58 auf S. 47.
Zu unterschiedlichen DRG-Systemen und deren Verbreitung in Europa siehe bpsw. FISCHER (DRGs) 1999
Zweiter Teil. Rahmenbedingungen für Krankenhäuser in Deutschland Abb. 10: Kodierregelungen der Australian-Refined-DRG53
Das australische DRG-System unterscheidet insgesamt 661 Fallgruppen, die sich insbesondere in Hauptdiagnose, Behandlungsprozedur, Nebendiagnose (Komplikationen und Komorbiditäten)56 und weiteren Kriterien (z. B. Alter, Geburtsgewicht bei Neugeborenen, Entlassungsart usw.) unterscheiden.
Die Einordnung der Fälle orientiert sich an der ersten Diagnose, der so genannten Hauptdiagnose, die allerdings auch erst am Ende der Behandlung — z. B. bei einer Erstdiagnose „Schmerzen im Bauch“ und der abschließenden Diagnose „Appendizitis” — feststehen kann. Ausgehend von der Hauptdiagnose wird der Behandlungsfall zunächst einer von 23 Hauptkategorien (Major Diagnostic Categories, kurz: MDC), die sich primär an dem betroffenen Organsystem und der Krankheitsgruppe orientiert, zugeordnet.5ó Anschließend wird unterschieden, ob die Behandlung mit einem operativen Eingriff in einem Operationssaal verbunden war (chirurgische Partitionen), ob diagnostische/therapeutische Eingriffe ohne Nutzung von Operationssälen — z. B. Endoskopien — stattfanden (sonstige Partitionen), oder ob eine konservative Behandlung vorlag (medizinische Partitionen). Die Zuweisung zur jeweiligen Basis-DRG (Adjacent-DRG) innerhalb der operativen Eingriffe erfolgt auf der Grundlage des Haupteingriffes und der Hauptdiagnose, die Zuweisung innerhalb der medizinischen Partition über die Hauptdiagnose. Ausgehend von der Basis-DRG wird der Schweregrad des Falles anhand der Nebendiagnosen (Patient Clinical Complexity Level, kurz: PCCL) sowie der weiteren relevanten Kriterien — z. B. Geburtsgewicht — er 3 Die Abbildung ist angelehnt an ROCHELL/ROEDER (DRGs) 2001, S. 10.
Während Komorbiditäten bereits vor dem Beginn des Krankenhausaufenthaltes vorliegen, treten Kom plikationen während der stationären Behandlung auf.
Siehe zu den weiteren Regelungen des Australian-Refined-DRG-Systems LÜNGEN/LAUTERBACH (DRG) 2002, S. 28 ff., sowie zur deutschen Kodierrichtlinie DEUTSCHE KRANKENHAUSGESELLSCHAFT et al. (Kodierrichtlinien) 2003.
In den Australian-Refined-DRG (Version 4.1) sind bspw. die ersten drei (von den insgesamt 23) Hauptkategorien wie folgt definiert: 1. Erkrankung und Störung des Nervensystems, 2. Erkrankungen und Störungen der Augen und 3. Erkrankungen und Störungen der Ohren, der Nase, der Mundhöhle und des Halses. Siehe zu den Hauptkategorien ROCHELL/ROEDER (DRGs) 2001, S. 11.
mittelt. Die einzelnen Schweregrade werden entsprechend der Kodierregeln den einzelnen DRG zugeordnet. Der umfassende Kodierungsalgorithmus gewährleistet, dass jeder Behandlungsfall genau einer DRG zugeordnet wird. Die einzelnen DRG zeichnen sich durch eine weitgehende ökonomische und medizinische Homogenität aus. Die medizinische Homogenität wird durch die Partitionen und die Basis-DRG gewährleistet, die sich ausschließlich an medizinischen Kriterien orientieren. Die ökonomische Homogenität wird durch die Verbindung der Schweregrade mit den DRG sichergestellt; Abweichungen der Kosten in Bezug auf die angenommenen Standardkosten einer DRG sind innerhalb einer Gruppe geringer als zwischen verschiedenen Gruppen. Der Gesamterlös eines Krankenhauses ergibt sich aus der Summe der einzelnen DRG-Erlöse.
Das DRG-System, bei dessen umfassendem Einsatz für Krankenhäuser keine Liquiditätsgarantie mehr existiert, hat weitreichende Folgen.57 Die Auswirkungen lassen sich an der in den USA im Jahr 1983 erfolgten Einführung des DRG-Konzeptes verdeutlichen.“
Betrachtet werden im Folgenden vier Veränderungen
Siehe bspw. zu einer Einschätzung, dass jedes vierte Krankenhaus in Deutschland überflüssig ist CLA DE (Krankenhaus) 2000.
Ss Im Jahr 1983 wurde das DRG-System erstmalig in den USA für das staatlich finanzierte Gesundheits programm Medicare verbindlich eingeführt. Allerdings bestehen Unterschiede zum deutschen System. Nicht sämtliche Behandlungsfalle werden in den USA über das DRG-System vergütet: Die Medicare Patienten tragen rund 27 Prozent zu den Erlösen bei. Siehe FEINGLASS/HOLLOWAY (Prospective) 1991, S. 94. Auch berücksichtigt das DRG-System in den USA lediglich Leistungen des Krankenhauses (insbesondere Verpflegung, Unterkunft, Pflege und Laborleistungen), nicht solche der behandelnden Ärzte. Die Krankenhäuser in den USA sind größtenteils nach dem Belegarztsystem konzipiert. Die Belegärzte rechnen ihre Leistungen vorwiegend nach den erbrachten Einzelleistungen — bspw. für durchgeführte Operationen — ab. Allerdings sind die Ausgangssituationen hinsichtlich des Vergütungsmechanismus weitgehend vergleichbar. Sowohl in den USA vor 1983 als auch in Deutschland vor 2003/2004 orientierte sich die Vergütung überwiegend an den krankenhausindividuellen Kosten. Siehe zu einer Übersicht über die Einführung der DRG in den USA RUSSELL (Payment) 1989, S. 1 ff.
Die nachfolgenden vier Merkmale stellen lediglich eine selektive Betrachtung der komplexen Sachzusammenhänge dar. So ist zu berücksichtigen, dass die Einführung der DRG zu einer Verlagerung von relativ leichten Fällen in den ambulanten Bereich führte. Mit steigendem Schweregrad der Fälle im stationären Bereich ist tendenziell ein Anstieg der Verweildauer sowie der Fallkosten verbunden. Siehe zu einer zusammenfassenden Betrachtung CHUA/PRESTON (Accounting) 1994, S. 10 ff., COULAM/ GAUMER (Medicare’s) 1991, DONALDSON/MAGNUSSEN (DRGs) 1992, FEINGLASS/HOLLOWAY (Prospective) 1991, LAUTERBACH/LÜNGEN (DRG-Fallpauschalen) 2000, S. 40 ff., und RUSSELL (Payment) 1989, S. 24 ff.
Einzubeziehen in die vergleichende Betrachtung ist femer die Veränderung der Rahmenbedingungen. Neben der technologischen Entwicklung — insbesondere der Verbreitung minimalinvasiver Verfahren — und dem Wachstum der „Managed-Care-Organizations“ sind die 1984 eingeführten „Peer Review Organizations”, früher „Professional Standards Review Organizations“, zu nennen, die der Qualitäts-und Benutzungskontrolle dienen. Kontrolliert wird — bspw. in Zuge von Stichprobenuntersuchungen an den Krankenhäusern —, ob die für die Medicare-Patienten erbrachten Leistungen medizinisch notwendig waren und auch wirtschaftlich erbracht wurden. Insbesondere wird geprüft, ob die stationären Leistungen auch ambulant hätten durchgeführt werden können. Siehe zu einer kritischen Erörterung der „Peer Review Organizations” DANS et al. (Peer) 1985.
Sinkende Verweildauer: Fallpauschalen lassen ein Absinken der Verweildauer erwarten, da zusätzliche Aufenthaltstage zu keiner Erlössteigerung führen. Die Verweildauer der über 65-jährigen sank von 9,7 Tagen im Jahr 1983 auf 8,8 Tage im Jahr 1985. 60
Steigende Fallzahlen: Aufgrund der pauschalen Vergütung je Fall und des hohen Fix kostenanteils in der Leistungserstellung wurde eine medizinisch nicht gerechtfertigte Ausweitung der Fallzahlen befürchtet. Zu Unrecht: Die Fallzahlen der über jährigen gingen von 1983 bis 1985 von 11.812 Mio. auf 10.904 Mio. Fälle zurück.
Sinkende Qualität: Mit der pauschalen Fallvergütung wurde ein Absinken der Qualität in Zusammenhang gebracht, da der Verzicht auf notwendige medizinische Leistungen, die nicht zu einer Steigerung der Erlöse beitragen, zu einer Erhöhung der Marge führt. Bei nachhaltigem Kostendruck, dem nicht durch Rationalisierungen begegnet werden kann, erschienen Tendenzen zur Reduktion der Qualität natürlich. Allerdings liegen zu den Qualitätsaussagen keine eindeutigen empirischen Ergebnisse vor.6’
Sinkende Fallkosten: Verglichen mit der kostenorientierten Vergütung sind bei Fallpauschalen Rationalisierungen zur Senkung der Fallkosten zu erwarten. Zahlreiche empirische Studien stützen diese These. Insbesondere Krankenhäuser mit einem vergleichsweise hohen Fallkostenniveau reduzierten die Kosten in einem höheren Maße als Krankenhäuser mit einem geringen Fallkostenniveau.
Insgesamt bleibt die Feststellung, dass sich die Erfahrungen mit dem DRG-System in den USA nicht unmittelbar auf die deutschen Reformvorhaben übertragen lassen. Im Folgenden soll deshalb mit Blick auf die organisatorische Fragestellung aus den Merkmalen des DRG-Konzeptes auf Verhaltenseffekte geschlossen werden.
Rationalisierungs-und Margeneffekte des DRG-Konzeptes Hinsichtlich der Auswirkungen des DRG-Systems auf die Gestaltung der Organisationsstrukturen im Krankenhaus erscheint es sinnvoll, zwischen Rationalisierungs-und Margeneffekten zu unterscheiden.5 Erstere sind positiv zu beurteilen, letztere haben bei Beurteilung nach dem Maßstab eines angemessenen Behandlungsplans dysfunktionale und damit negativ zu bewertende Konsequenzen (siehe Abb. 11, S. 49).
Daten entnommen aus RUSSELL (Payment) 1989, S. 16.
Daten entnommen aus RUSSELL (Payment) 1989, S. 16.
Vgl. bspw. KAHN et al. (Outcomes) 1990.
Vgl. zu entsprechenden Studien COULAM/GAUMER (Medicare’s) 1991, S. 47 ff.
Vgl. zur Ableitung dieser Effekte und zu den nachfolgenden Ausführungen FRESE et al. (DRG) 2003, S. 11 f.
Siehe auch zum Konstrukt des „ideal physician“ DONABEDIAN et al. (Quality) 1982, S. 979, der die Behandlungsstrategie so bestimmt, dass der Gesundheitszustand der Patienten maximiert wird, ohne dabei Ressourcen zu verschwenden. Vergütungsobjekt
Vergütungsmaßstab Behandlungsaktivität Behandlungsfall Kostenanfall 1: Selbstkostenerstattung Keine Margeneffekte Keine Rationalisierungs ç-ffglçtg 2: Selbstkostenerstattung
Werden Rationalisierungseffekte realisiert, so kann dies für die Behandlungsplanung mit zwei verschiedenen Konsequenzen verbunden sein: Erstens ist es vorstellbar, dass ein unter ökonomischen Gesichtspunkten vorher nicht angemessenes Maßnahmenbündel mit einem so stark verringerten Ressourceneinsatz umgesetzt werden kann, dass es nun die günstigste Kosten-Nutzen-Relation aufweist. In diesem Fall ist ein Wechsel des Behandlungsplans die zwangsläufige Folge. Zweitens können Rationalisierungseffekte das Input-Output-Verhältnis eines schon in der Vergangenheit als angemessen erachteten Behandlungsplans weiter verbessern. Das Ergebnis der Auswahlentscheidung bleibt infolgedessen unberührt. Rationalisierungseffekte sind auf den Abbau von „Slack“ zurückzuführen;6b durch Verzicht auf eine bisher übliche Maßnahme oder durch Abwicklung einer Maßnahme mit geringerem Ressourceneinsatz wird eine kosteneffizientere Lösung verwirklicht.
Margeneffekte höhlen — anders als Rationalisierungseffekte — die Angemessenheit des Behandlungsplans aus. Durch Kürzungen und Zuladungen wird versucht, über verringerte Kosten bzw. zusätzliche Erlöse die Marge zu erhöhen. Kürzungen liegen vor, wenn weniger Aktivitäten durchgeführt oder weniger Ressourcen für Maßnahmen eingesetzt werden als es der angemessene Behandlungsplan vorsieht. Ein Beispiel hierfür ist die Nichtverwendung eines kostspieligen Implantats, welches dem medizinischen Standard entspricht. Im Gegensatz dazu bedeutet Zuladung, dass zur Erzielung zusätzlicher Erlöse mehr Ressourcen für Aktivitäten eingesetzt werden als bei Angemessenheit des Behandlungsplans notwendig wären. Dieser Fall liegt z. B. bei nicht notwendigen Laboruntersuchungen vor, wenn bei ausreichenden Laborkapazitäten das Entgelt für die Laboruntersuchungen über den Laborkosten liegt. Margeneffekte sind damit das Ergebnis einer Fehlsteuerung, ein Vergütungssystem wird vom Krankenhaus opportunistisch zur Erhöhung der Marge genutzt.
Mit Blick auf die Typologie in Abb. 11 auf S. 49 lässt sich feststellen, dass für ein Krankenhaus bei auf dem Selbstkostenerstattungsprinzip basierenden Vergütungssystemen (Feld 1 und 2) kein Anreiz zur Rationalisierung besteht. Anreize zu Kürzungen und Zuladung bestehen ebenfalls nicht. Da lediglich die angefallenen Kosten erstattet werden, bieten Kürzungen und Zuladungen keine Möglichkeit, die Marge zu erhöhen.
Aktivitäten-und Fallbudget (Feld 3 und 4 in Abb. 11) schaffen mit Blick auf die Förderung von Rationalisierungsanstrengungen gleichermaßen günstige Voraussetzungen. Der für eine Anpassung von Verhalten und Struktur ursächliche Kostendruck wird durch die Standardisierung des Entgelts ausgelöst — und in dieser Hinsicht existieren keine Unterschiede zwischen Aktivitäten-und Fallbudgets. Das Krankenhaus wird bei beiden Entgeltformen daher bemüht sein, zur Erhöhung der Marge Rationalisierungsbestrebungen besondere Beachtung zu schenken.
Hinsichtlich des Margeneffekts ist festzustellen, dass bei der Zuweisung von Entgelten über Aktivitätenbudgets (Feld 3 in Abb. 11) in Abhängigkeit der Margenhöhe jeweils unterschiedliche Anreize bestehen. Ist die Marge einer vergütungsfähigen Aktivität negativ, so bestehen Kürzungsanreize, ist sie positiv, Zuladungsanreize. Über die entsprechende Kürzung bzw. Zuladung einer Aktivität kann das finanzielle Ergebnis verbessert werden. Die Margeneffekte lassen sich in Abhängigkeit des Detaillierungsgrades des Aktivitäten-budgets näher bestimmen.
Sofern den Aktivitätenbudgets nur eine grobe Abbildung der entgeltfähigen Maßnahmen zugrunde liegt, bestehen in der so umrissenen Gruppe keine Anreize für Zuladung. Wird bspw. für die Blinddarmoperation ein Pauschalbetrag bezahlt, verringert jede Zuladung in diesem Bereich die Marge. Kürzungen hingegen werden in der umrissenen Gruppe attraktiver. Wird die Vereinfachung des Aktivitätenbudgets über die Einführung von Indikatoren vorgenommen, dann hängen die Margeneffekte in noch höherem Maße davon ab, wie eng die Koppelung zwischen Indikator und Struktur der notwendigen Aktivitäten ist. Wird bspw. als Indikator für den Umfang und die Intensität der Behandlungsaktivitäten die Aufenthaltsdauer gewählt, ergeben sich nachhaltige Anreize zur Zuladung um weitere Aufenthaltstage und zur Kürzung der sonstigen Aktivitäten.ó7
Von Fallbudgets (Feld 4 in Abb. 11) gehen ebenfalls in Abhängigkeit des Detaillierungsgrades Kürzungs-und Zuladungsanreize aus. Grundsätzlich gilt, dass bei Fallbudgets geringe Anreize zu Zuladungen und hohe zu Kürzungen bestehen, da ein Pauschalbetrag für die gesamte Behandlung bezahlt wird. Mit zunehmendem Detaillierungsgrad steigen Zuladungs-und sinken Kürzungsanreize. Bei einem detaillierten Fallbudget werden über die Erfassung des Behandlungsweges Kürzungsanreize verringert und Zuladungsanreize erhöht. Margeneffekte resultieren aus der Möglichkeit, über Zuladungen eine Pauschale mit höherer Marge zu erzielen und über Kürzungen nicht für die Pauschale konstitutiver Akti
Der Zuladungsanreiz resultiert aus dem Kostenverlauf einer typischen, komplikationslosen Behandlung. Während in den ersten Tagen hohe Aufwendungen für Diagnostik, Intervention und Intensivmedizin anfallen, entfallen diese im weiteren Behandlungsverlauf. Die Kosten für medizinische und pflegerische Leistungen nähern sich im Behandlungsverlauf den reinen Hotelkosten.
vitäten die Kosten zu reduzieren. Wird für die Bestimmung des Falles ein grober Indikator verwendet, dann hängen die Margeneffekte davon ab, inwieweit der Indikator den Fall erfasst. Wird z. B. als Indikator eine Kopfpauschale verwendet, so existieren ausschließlich Anreize zu Kürzungen.
Für den Entgeltgeber und Patienten haben die beschriebenen Verhaltensanreize jeweils spezifische Konsequenzen. Während den Interessen der Krankenkassen als Entgeltgeber eher entsprochen wird, wenn ein Krankenhaus ausgabensteigemde Zuladungen vermeidet, haben insbesondere Kürzungen für den Patienten negative Konsequenzen. Letztendlich existiert kein System, das einen hohen Zielerreichungsgrad sämtlicher relevanter Interessengruppen gleichermaßen gewährleistet. Aus sozialpolitischen Überlegungen heraus können Fallbudgets mit hohem Detaillierungsgrad und kann damit das DRG-Konzept als überlegene Vergütungsform zur Vermeidung von Fehlsteuerung angesehen werden. Dies gilt insbesondere, wenn man mit Blick auf das ärztliche Berufsethos die wohl realistische Annahme trifft, dass die Bereitschaft zu Zuladungen höher ist als die unter dem Aspekt der Qualitätssicherung problematische Vornahme von Kürzungen.
Mit der Einführung des DRG-Systems stellen sich für die Organisationsproblematik zwei grundlegende Fragen: (1) Entstehen Rationalisierungseffekte von neuer Qualität, die organisatorische Anpassung erforderlich machen? (2) Erfordern veränderte Margeneffekte neue organisatorische Regelungen?
In Hinblick auf die erste Frage lässt sich feststellen, dass der Anreiz sowie der Druck, Rationalisierungsbemühungen umzusetzen, mit der konsequenten Umsetzung des DRGSystems steigen. Die Elemente der Kostenerstattung im vorherigen Vergütungssystem, die aus dem Verhandlungsprinzip sowie der Gesamtbudgetdeckelung resultierten, führten dazu, dass für die Krankenhäuser im Bereich der differenzierten Pflegesätze wenig Anreize bestanden, Rationalisierungseffekte anzustreben. Fehlende Rationalisierungsbemühungen konnten bis zu einem gewissen Grade über die Verhandlungsstärke des einzelnen Krankenhauses gegenüber den Krankenkassen kompensiert werden, Rationalisierungsgewinne kamen u. U. bei ungünstigem Ausgang der Entgeltverhandlung lediglich den Krankenkassen zugute. Mit der Einführung der DRG steigen der Anreiz und der Druck, Rationalisierungspotenziale zu erschließen.
Hinsichtlich möglicher Zuladungsanreize lässt sich feststellen, dass das neue DRG-System im Vergleich zu den vorherigen Pflegesätzen die Anreize zur Zuladung um zusätzliche Aufenthaltstage reduziert. Zuladungsanreize entstanden bei den Pflegesätzen aus der globalen Abgeltung der geleisteten Aktivitäten über einheitliche Tagessätze. Sofern ausreichende Kapazitäten bestanden, konnten zusätzliche ertragssteigernde Erlöse durch die Verlängerung der Aufenthaltsdauer über das medizinisch angemessene Maß hinaus erzielt werden. Bei einem DRG-System entfällt dieser Zuladungsanreiz. Krankenhäuser, die ihre Marge in der Vergangenheit über Zuladung erhöhen konnten, stehen damit unter verstärktem Rationalisierungsdruck.
Mit Blick auf mögliche Kürzungsanreize ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede. Sowohl bei dem DRG-System als auch bei den Pflegesätzen besteht prinzipiell derselbe Anreiz, einzelne Aktivitäten nicht durchzuführen, um hierdurch die Marge zu erhöhen. Allerdings ergeben sich erhebliche Unterschiede, wenn man von der realistischen Annahme ausgeht, dass der Anreiz für Kürzungen umso höher ist, je weniger die Entgelthöhe den Kosten der angemessenen Behandlungsleistung entspricht. Vor diesem Hintergrund setzte das System der Abteilungspflegesätze ausgesprochen dysfunktionale Verhaltensanreize, da für besonders schwere Fälle der gleiche Pflegesatz vergütet wurde wie für leichte Fälle. Bei schweren Fällen können vergleichsweise höhere Kürzungsanreize angenommen werden. Dieser Kürzungsanreiz entfällt im DRG-System, da der Schweregrad der Behandlungsfälle explizit bei der Festlegung der Fallpauschale Berücksichtigung findet.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Ablösung des vorherigen Mischsystems durch das DRG-System zu stärkerem Rationalisierungs-und damit Kostendruck führt. Dabei sind auch indirekt Margeneffekte in der Weise wirksam, dass die nachhaltige Einschränkung von Zuladungsmöglichkeiten den Kostendruck erhöht. Allerdings ist diese Aussage insofern zu relativieren, als sie unter der Prämisse einer konsequenten Umsetzung des DRG-Konzepts auf der Grundlage externer Kostenstandards gilt. Zwar ermöglicht das DRG-Konzept aufgrund der differenzierten Fallerfassung eine bessere Möglichkeit zur Standardisierung als das bisherige Pflegesatz-System, aber wesentliche krankenhausspezifische Kosteneinflussgrößen (z. B. überdurchschnittliche Vorhalteleistungen im ländlichen Raum, höhere Faktorpreise oder Forschungs-und Lehraufgaben) werden über das DRGSystem nicht erfasst. Der Versuch, unter der Vielzahl möglicher Einflussgrößen, die nur bedingt durch ein Krankenhaus beeinflussbar sind, einen für alle Krankenhäuser einheitlichen Standard zu ermitteln, der die jeweilige Situation umfassend berücksichtigt, stößt schnell an seine Grenzen. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass das DRG-System um Zu-und Abschläge ergänzt wird.b“
Neben dem Kostendruck steigt mit der Einführung der DRG auch die Bedeutung des Krankenhausmarktes. Nur jene Krankenhäuser werden langfristig in der Lage sein zu überleben, die den Wünschen und den Vorstellungen der einzelnen Kundengruppen gerecht werden. Der strategischen Positionierung im Krankenhausmarkt kann ein neuer Stellenwert beigemessen werden. Hiervon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen strategischen Reorganisationen in den USA nach der DRG-Einführung.bv Die Positionierungsmöglichkeiten von Krankenhäusern werden im nächsten Kapitel analysiert.
N Auch das DRG-System in den USA zeichnete sich bei dessen Einführung dadurch aus, dass kranken hausindividuelle Faktoren gesondert vergütet wurden. Vgl. RUSSELL (Payment) 1989, S. 8 f. Zu den zukünftigen Zu-und Abschlägen in Deutschland siehe voranstehende FN. 35, S. 40.
Siehe zu Reorganisationen der Kompetenzsysteme FN. 68 auf S. 69 und zur Einführung von Kosten kontrollsystemen HILL (Costing) 2000.
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Hurlebaus, T. (2004). Finanzierungsdimension: „Duale Finanzierung“ und Vergütungssystem. In: Strategiekonforme Organisationsgestaltung von Krankenhäusern. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11540-3_7
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