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Evolution der Hilfesemantik II: Theorie, Beruf, Profession

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Soziale Hilfe — Ein Teilsystem der Gesellschaft?

Zusammenfassung

An der Jugendhilfe, die nach dem ersten Weltkrieg prosperiert, lassen sich neue Fachlichkeit und neues Selbstbewußtsein der Reflexion sozialer Hilfe gut veranschaulichen. Die Jugendhilfe als ein zentraler Bereich sozialer Hilfepraxis, die durch gesetzliche Neufixierung bzw. Novellierung (§ 1666 BGB, Jugendgerichtsgesetz usw.) vor dem ersten Weltkrieg strukturell möglich wird, ist ein wichtiger Kristallisationspunkt der Programm- und Methodendiskussion. Diese Diskussion setzt den Anfang des 20. Jahrhunderts sich ausdifferenzierenden und sich selbst als sozialpädagogisch beschreibenden Diskurs über soziale Hilfe fort. Gertrud Bäumer, eine der auch politisch einflußreichsten Protagonistinnen der sozialpädagogischen Bewegung in der Weimarer Republik, stellt 1931 rückblickend zu der mit einer breiten Fachdiskussion einhergehenden Systematisierung der Praxis sozialer Hilfe hinsichtlich der Jugendfürsorge fest:

„Die Jugendfürsorge erscheint zunächst als Unterfrage der Armenfürsorge. Sie wächst aus ihr heraus, und zwar deutlich ... als Vorbeugung gegen künftige Hilfebedürftigkeit. Dieser Begriff der Vorbeugung mußte damals [um 1910, d.V.] der Armenpflege eine Art von Rechtfertigung bieten, um ihren Rahmen durch Jugendfürsorge erweitern zu können.“ (Bäumer 1931: 74)

Diese Feststellung gegen Ende des ersten demokratischen Experiments in Deutschland verdeutlicht, daß sich in der Weimarer Republik eine klare Wandlung der Selbstbeschreibung sozialer Hilfe vollzieht. Soziale Hilfe wird als eigenständiger Bereich konzipiert, der sich aus der Abhängigkeit von der Sozialpolitik befreit hat. Danach wird soziale Hilfe nicht nur nachsorgend tätig, sondern erhebt den Anspruch, soziale Bedarfslagen schon im Vorfeld zu erkennen und dadurch gar nicht erst entstehen zu lassen. Prophylaxe wird ein legitimationsstrategischer Begriff. Die Beobachtung der Semantik sozialer Hilfe muß angesichts des von Bäumer formulierten Sachverhalts danach fragen, welche strukturellen Veränderungen eine derartige Verlagerung und Erweiterung der Diskussion über soziale Hilfe bewirkt hat.

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Literatur

  1. Detlev Peukert bezeichnet die frühneuzeitliche Padagogisierung der Hilfe, die, wie oben (3.2) gezeigt, sozialdisziplinierende Zucht-, Waisen- und Rettungshäuser hervorgebracht hat, treffend als die „historischen Wurzeln der Sozialpädagogik“ (Peukert 1986: 37). Ungenau ist es allerdings, von einer „sozialpädagogischen Reform” bereits im Kaiserreich (vgl. ebd.: 49ff.) zu sprechen, da die beginnende Modernisierung der Armenpflege vor dem ersten Weltkrieg nicht anhand des Begriffs Sozialpädagogik diskutiert wird. Zu dieser Zeit finden unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung sozialer Hilfe Verwendung, die zur Konfusion der Diskussion beitragen und erst nach dem ersten Weltkrieg weitgehend vereinheitlicht werden.

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  2. Genau dies erlebt die Umweltbewegung, wenn sie mit moralischen Argumenten auf die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen aufmerksam machen will. Die Wissenschaft übersetzt diese Kommunikation in adäquate Informationen und macht aus der Angst um die natürlichen Ressourcen einen wissenschaftlichen Diskurs, der in unterschiedlichen Disziplinen um völlig unterschiedliche Themen kreist, obwohl er einer Umweltevidenz entspringt.

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  3. Dies hat nichts mit Fortschritt oder Rückschritt zu tun. Thomas Kuhns Begriff des Paradigmenwechsels legt die Annahme nahe, daß „wissenschaftliche Revolutionen“, wie er den Wandel in wissenschaftlichen Theorien auch bezeichnet, notwendig und deswegen erstrebenswert sind (vgl. Kuhn 1979: passim, v.a. 104ff.). Die hier vertretene Sicht des Wandels wissenschaftlicher Theorien begnügt sich bewußt mit einer wissenssoziologischen Ebene, um derartige Wertungen zu vermeiden.

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  4. Die soziale Frage hebt Natorp als wichtigste Triebfeder zur Entwicklung des Begriffs Sozialpädagogik hervor: „Die Aufmerksamkeit auf die fast jähe Entwicklung, die das soziale Leben in unserer Zeit durchmacht, ist es gewesen, was, wie überhaupt den mächtigen Aufschwung der Sozialwissenschaften, so das Aufkommen einer sozialen Pädagogik hervorgerufen hat.“ (Natorp 1923: 92; vgl. auch oben 3.3.2.3)

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  5. Selbstverständlich ist an Literatur zur Geschichte sozialer Arbeit kein Mangel. Allerdings gibt es bis heute keinen Versuch, sie unter einem fest umrissenen theoretischen Gesichtspunkt zu rekonstruieren. Schon wegen der Fülle an Literatur können zur Rekonstruktion der semantischen Entwicklung des Begriffs Sozialpädagogik nur ausgewählte Schlüsseltexte herangezogen werden. Unter den aktuelleren Texten ist Münchmeier (1981) zu nennen, der der Pädagogisierung der Hilfe eine entscheidende, u.E. allerdings zu dominierende Rolle für die Entwicklung der Sozialarbeit zuschreibt. Besonders hilfreich sind die begriffsgeschichtlichen Ausführungen Franz-Michael Konrads (1993), die den erziehungswissenschaftlichen Hintergrund jedoch zu stark in den Mittelpunkt rücken und dadurch die Funktion des Begriffs Sozialpädagogik für die Hilfesemantik unterbelichtet lassen. Weitere Quellen zur Literaturrrecherche sind Brunkhorst 1988, Niemeyer 1992, Wendt 1990, Landwehr 1983 und, mit besonderem Zuschnitt auf die Jugendhilfe, Peukert 1986.

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  6. Deutlich und nicht ohne Polemik bringt Fischer diesen Gedanken in einem Aufsatz „über Hemmungen und Fehlentwicklungen des sozialen Bewußtseins“ (vgl. Fischer 1924/25) auf den Punkt: „Und es gibt heute… ein Mißverständnis des sozialen Gedankens, daß nur eine Bemäntelung der plebejischen Instinkte ist, die es nicht vertragen, daß andere Menschen da sind und leben (meinetwegen auch schlecht leben) wie sie wollen,die alles daran setzen, diese Menschen zu,bevatern und zu bemuttern’, kurz in irgendeiner Form sie in ein, wenn auch noch so feines Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Der Fanatiker der sozialen Arbeit fragt nicht viel, ob der andere denn nicht am Ende in seiner Lage ganz zufrieden ist; die Lage ist nach seiner Meinung… schlecht und also fühlt er sich berechtigt, einzugreifen, ohne Respekt vor dem persönlichen Willen des anderen.” (Ebd.: 404) In dieser Sichtweise Fischers reflektiert sich Nietzsches Beschreibung der „letzten Menschen“ in der Vorrede des „Zarathustra”. Dort läßt Nietzsche seinen Propheten über den modernen, plebejischen Menschen verächtlich urteilen: „Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.“ (Nietzsche 1930: 14)

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  7. In historischer Distanz und mit soziologisch abgeklärter Skepsis wissen wir heute, daß Aufgaben wie Höherentwicklung der Menschheit unerfüllbar sind und als Idealisierungen z.T. gefährliche Postulate der Hilfepraxis darstellen. „Gemeinsam ist uns allen [den Helfern, d.V.] die soziale Idee; das Gefühl, die Überzeugung, der Glaube, daß gegenseitige Hilfe ein Gesetz des Lebens ist; daß die Aufgaben des Lebens sich nicht nur auf uns selbst beziehen, sondern im Dienst an anderen zu finden sind; daß wir zur Ganzheit und Fülle des Lebens nur gelangen, indem wir es ausweiten, die Brüder mit umfassen; wenn wir es überfließen lassen in Interesse, Freundschaft, Liebe und Tat; wenn wir die Schwelle überschreiten, die das Ich vom Du trennt.“ (Salomon 1922b: 197 )

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  8. Deutlich sind die Einflüsse der Kritik Max Webers an der zunehmenden Bürokratisierung aller Lebensbereiche auf Aloys Fischers theoretische Bemühungen, soziale Hilfe nicht nur als bürokratisiertes Sozialbeamtentum zu begreifen, das in einer „leblosen Maschine“ (Weber 1980: 835) nur darauf bedacht sei, ein größeres Rädchen im Getriebe der Bürokratie zu werden (vgl. Weber 1988: 413f).

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  9. Zu dieser Problematik aus soziologischer Sicht vgl. Peters 1968: 36ff.; Weber 1971: 60ff.

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  10. Gleichzeitig konzentriert sich die Theorie der Sozialpolitik am Ende der Weimarer Republik starker auf die „nachhaltige Hebung des Wohlstandes“ der „nationalen Arbeit” (Weber 1931: 175). Durch das politische System wird, wie die Aussagen des Sozialökonomen Adolf Weber zeigen, in der Weimarer Republik der Ausbau des Sozialstaates gezielt zur Stabilisierung der Verhältnisse eingesetzt (vgl. Sachße/Tennstedt 1988: 77). Die ursprüngliche Funktion des Sozialstaates aus der Sicht des politischen Systems, die Bevölkerung an den Staat zu binden, wird in der Weimarer Republik verstärkt umgesetzt. Zur methodischen Ausgestaltung der sozialen Hilfe trägt die Politik allerdings aus strukturellen Gründen nichts bei, da sie aufgrund kollektiv verbindlicher Entscheidungen nur Rahmenbedingungen setzen kann, die als Gesetze in novellierter Form z.T bis heute Gültigkeit besitzen.

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  11. Die Vertreter der „Fürsorgewissenschaft“ befassen sich bereits vor dem ersten Weltkrieg mit deutlich pädagogisch geprägten Fragen, wenn sie das „Recht des Kindes auf Erziehung” einfordern (Polligkeit 1908: passim) oder Fortschritte im Kinderschutz und in der Jugendfürsorge eingrenzen (Klumker 1913: passim). Sie bereiten dadurch die Diskussion über Möglichkeiten der Kinder-und Jugendfürsorge vor, die mit der Verabschiedung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (RJWG) 1924 zu einem vorläufigen Abschluß kommt. Die praxisorientierten Kommentare dieses Gesetzes richten sich vor allem darauf, wie das allgemeine Recht auf Erziehung operativ umgesetzt werden kann (vgl. Friedeberg/Polligkeit 1923 und Klumker 1923).

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  12. Wir beschränken uns im folgenden vornehmlich auf Diskussionen über schulische Erziehung bzw. Bildung, um den Duktus unserer Argumentation nicht noch stärker zu befrachten. Selbstverständlich ist uns bewußt, daß das Erziehungssystem im systemtheoretischen Verständnis weit mehr umfaßt als erzieherische Kommunikation in der Organisation Schule.

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  13. Die schon erwähnte Sozialpädagogin Gertrud Bäumer grenzt Sozialpädagogik — anders als Natorp, der Sozialpädagogik als Höherentwicklung der allgemeinen Pädagogik ansieht — begrifflich von der erzieherischen Praxis in Familie und Schule ab. Sozialpädagogik „bezeichnet nicht ein Prinzip, dem die gesamte Pädagogik, sowohl ihre Theorie wie ihre Methoden, wie ihre Anstalten und Werke — also vor allem die Schule — unterstellt ist, sondern einen Ausschnitt: alles was Erziehung, aber nicht Schule und nicht Familie ist“ (Bäumer 1929a: 3, Hervorh. im Orig.). Diese Definition bündelt die Hilfediskussion der Weimarer Republik. Obwohl häufig zitiert, ist diese Definition doch oft mißverstanden worden, weil der anschließende Satz, der den Aufgabenkreis weiter eingrenzt, unterschlagen wird: „Sozialpädagogik bedeutet hier den Inbegriff der gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungsfürsorge,sofern sie außerhalb der Schule liegt.” (Ebd., Hervorh. d.V.)17 Es muß also

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  14. Das neue Selbstbewußtsein der Fürsorge nach dem ersten Weltkrieg ist auch darauf zurückzuführen, daß die Sozialpolitik mit ihrem Sozialbeamtentum, als wichtigste Instanz zur Transformation sozialer Notlagen bis zum Ende des ersten Weltkrieges, die massenhafte soziale Not des sogenannten Steckrübenwinters (1917/18) nicht einmal ansatzweise bewältigen konnte (vgl. Landwehr 1983: passim). Ilse Arlt leitet 1921 ihr grundlegendes Werk zur theoretischen und methodischen Untermauerung der Fürsorge mit einer Beschreibung von deren Unzulänglichkeiten in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg ein und kommt zu der These: „Schon vor dem Kriege haben sich Armenpflege und Fürsorge keines Landes ihrer Aufgaben gewachsen gezeigt. […]; wenn Deutschland mit seiner großzügigen Sozialpolitik, seinem lückenlosen Schulwesen und reicher Armenpflege einer steigenden Verwahrlostenzahl gegenüberstand — wie sollen diese Länder nun der Not gewachsen sein, die der Krieg vervielfältigt hat? “ (Arlt 1921: 7 )

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  15. Obwohl das Erziehungssystem sowohl gesamtgesellschaftliche Funktionen aufweist als auch Leistungen für andere Teilsysteme erbringt, fallt es schwer, einen eindeutigen binären Code auszumachen. Es hat sich kein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium ausgebildet wie etwa für das Wirtschaftssystem Geld oder das Wissenschaftssystem Wahrheit. Da das Erziehungssystem für bestimmte Positionen selektiert und qualifiziert, schlägt Luhmann den Code besser/schlechter vor (vgl. Luhmann 1987b: 187). Das Erziehungssystem ist damit jedoch noch nicht eindeutig beschrieben. Deshalb meint Luhmann, pädagogische Kommunikation unterscheide sich von anderen Kommunikationen dadurch, daß mit der Thematisierung bestimmter Inhalte eine „Absicht“ zur Erziehung verbunden werde. An die Stelle eines eigenen Codes setzt das Erziehungssystem die „Absicht zu erziehen… als dasjenige Symbol, das Operation mit Operation verknüpft und dadurch die Einheit des Systems symbolisiert” (Luhmann 1992: 112 )

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  16. Ani deutlichsten bricht Theodor Litt mit der Reformpädagogik. Er stellt die strukturellen Bedingungen ftlr Erziehung in der modernen Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Reflexion der Erziehungspraxis in der Schule (vgl. u.a. Litt 1926 ). Litt verwendet ganz im Gegensatz zu Herman Nohl nur wenig Aufmerksamkeit auf den außerschulischen Bereich der Erziehung, was ihn für Theorien sozialer Hilfe nicht anschlußPdhig macht.

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  17. Ganz im Gegensatz zu Bäumer definiert Natorp Sozialpädagogik als Idee, die die ganze Pädagogik umschließt, wie das folgende Zitat zeigt, das zwar in seiner Formulierung Bäumers Definition der Sozialpädagogik ähnelt, inhaltlich aber etwas völlig anderes aussagt: „Worauf es ankommt, ist, daß die Sozialpädagogik nicht einen Teil der gesamten, den sozialen und individualen Gesichtspunkt vereinigenden Pädagogik, oder eine einseitige Ansicht der Probleme hat bedeuten wollen, sondern einen Charakter der ganzen Pädagogik, welcher Charakter in der Methode besteht: sämtliche Probleme der Pädagogik unter dem obersten Gesichtspunkt der Grundbeziehung der Individuen in der Gemeinschaft zu ordnen und zu behandeln.“ (Natorp 1923: 90; vgl. hierzu auch oben 3.3.2.3)

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  18. Wenn in der Weimarer Republik Lehrstühle entstehen, die sich auf soziale Hilfe beziehen, dann sind sie in unterschiedlichen Fakultäten der Universität angesiedelt. Einige Beispiele: Bereits 1919 wird im Rahmen der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften der neu gegründeten Universität Frankfurt/M. eine Professur fur Armenwesen und Sozialfursorge eingerichtet, der von Christian Jasper Klumker als Extraordinarius besetzt wird. Das 1920 in Münster gegründete Seminar fur Fürsorgewesen ist ebenfalls der wirtschafts-und sozialwissenschaftlichen Fakultät subordiniert. Die Fakultät fur Katholische Theologie in Freiburg gründet 1925 ein Institut ftur Caritas-Wissenschaften. In Berlin richtet man 1927 das Institut für Sozialethik und Wissenschaft der inneren Mission ein. In Leipzig entsteht Mitte der 20er Jahre im Rahmen der philosophischen Fakultät ein Lehrstuhl für Sozialpädagogik. Im Rahmen der Pädagogik lehren Herman Nohl und Erich Weniger in Berlin, sowie Aloys Fischer in München Sozialpädagogik. An der Humboldt-Universität in Berlin wird 1925 eine Professur für Jugendkunde und Jugendwohlfahrt eingerichtet. Über diese universitären Institutionalisierungen hinaus werden vor allem in Preußen diverse pädagogische Akademien gegründet, die sich vorrangig mit Fragen der Sozialpädagogik beschäftigen und als Vorläufer der späteren pädagogischen Hochschulen angesehen werden können. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die außeruniversitären Akademien wie z.B. sich Frauenschulen zur Ausbildung zum sozialen Beruf (vgl. hierzu unten 4.2)

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  19. Hans Thiersch und Thomas Rauschenbach sehen noch 1987 hierin den Mittelpunkt der Theoriebildung über soziale Hilfe: „Erstes Hauptstück einer Theorie der SP/SA ist die Frage nach den Lebensverhältnissen und -defiziten ihrer Adressaten.“ (Thiersch/Rauschenbach 1987: 1001)

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  20. So auch Hans Thiersch und Thomas Rauschenbach, die die Erziehungswissenschaft als Leitwissenschaft sozialer Hilfe verstehen: „Auch wissenschaftshistorisch ist die Theorieentwicklung von SP/SA in den letzten Jahrzehnten parallel zu der der Erziehungswissenschaft verlaufen, und gerade die neuere Diskussion zur Reformulierung des in der Aufklärung begründeten, gesellschaftlichen pädagogischen Handlungskonzepts macht die Fruchtbarkeit dieses Bezugs deutlich.“ (Thiersch/Rauschenbach 1987: 1009)

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  21. Zu untersuchen ware, ob linksrevolutionäre Semantiken ihrerseits Ausdruck gesellschaftlicher Strukturveränderungen sind.

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  22. Die Idee der Ausbildung zur sozialen Hilfetätigkeit existiert nicht erst seit der letzten Jahrhundertwende. Wiehern richtet bereits um 1840 eine Ausbildungsstätte ein, in der „Missionsarbeiter“ für das von ihm gegründete „Rauhe Haus” in Hamburg ausgebildet werden. Weiter sind die Ausbildungsstätten für Diakonissen, die auf Theodor Fliedner zurückgehen, zu nennen. All diese Frühformen der Ausbildung bleiben jedoch einem religiös motivierten Wohltätigkeitsverständnis verpflichtet, weshalb man sie nicht als genuin auf soziale Hilfe bezogene Ausbildungsstätten bezeichnen kann (vgl. SachBe 1986: 329). Alice Salomon geht zur Legitimation einer Schulung für den sozialen Beruf geistesgeschichtlich sogar bis ins späte Mittelalter zurück (vgl. Salomon 1927: 3 ). Als Beispiele führt sie bestimmte Orden an, die sich aber zur Schulung einer christlichen Mildtätigkeit ausdifferenzieren und daher nicht als Vorläufer zur professionellen Hilfe zu verstehen sind. Salomon benötigt diese Beispiele, um die „sittlichen Grundlagen“ der sozialen Arbeit im späteren Verlauf ihrer Argumentation daraus abzuleiten. Wie zu zeigen sein wird, ist die Eingrenzung dieser sittlichen Grundlagen wissenssoziologisch als Selbstbeschreibung des neuen sozialen Berufes zu verstehen, die das Besondere der sozialen Tätigkeit hervorheben soll. Daher beschränkt sich unsere Untersuchung bei der Nennung der Vorläufer der Ausbildung auf die angeführten Beispiele aus der Neuzeit.

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  23. Existieren bis zum Beginn des ersten Weltkriegs nur sieben Schulen, setzt während des Krieges ein erster Gründerfrühling ein, der sich um 1927 noch einmal wiederholt: 15 bzw. 21 neue Wohlfahrtsschulen entstehen. Während der Zeit des Nationalsozialismus werden lediglich eine, nach dem zweiten Weltkrieg bis 1959 aber noch einmal 12 und bis 1965 weitere fünf Schulen gegründet. Hinsichtlich der Trägerschaft sichern sich die beiden großen Konfessionen von Anfang an eine gewisse Monopolstellung. 1935 haben von den zu diesem Zeitpunkt bestehenden 42 Schulen 10 einen katholischen, 17 einen evangelischen und 15 einen konfessionell nicht gebundenen Träger. Da die Sozialschulen als Frauenschulen konzipiert sind, finden Männer in der Anfangsphase nur vereinzelt Aufnahme. Eine gemeinsame Ausbildung von Frauen und Männern ist erst nach 1945 möglich. Im Ausbildungsjahr 1964/65 befanden sich an den 46 Höheren Fachschulen für Sozialarbeit in der BRD unter den 3.511 Studierenden 61% Frauen und 39% Männer. Eine Untersuchung der Studierenden im Blick auf ihre Vorbildung ergab: Abitur haben 8%, mittlere Reife 68%, Volksschulabschluß 24%; 86% haben vor Eintritt in die Höhere Fachschule bereits eine berufliche Qualifikation erworben (Näheres dazu vgl. Weber 1971: 85ff., 212ff.). Zur weiteren Entwicklung der Höheren Fachschulen für Sozialarbeit zu Fachhochschulen und zur Implementierung der Ausbildung zum Diplomsozialpädagogen an Universitäten vgl. Isken 1981.

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  24. Wir verwenden die Begriffe soziale Arbeit, Sozialarbeit, Sozialarbeiter, Sozialarbeiterin, obwohl in dieser Zeit Fürsorge, Wohlfahrtspflege, Fürsorgerin, Wohlfahrtspflegerin dominieren. Sozialarbeit etc. setzt sich erst nach dem zweiten Weltkrieg unter angelsächsischem Einfluß in Anlehnung an den Begriff „social work“ endgültig durch. Das Wort Arbeit bringt dabei zum Ausdruck, daß so ziale Hilfe durchgängig als Berufsarbeit verstanden wird, die nicht mehr nur ehrenamtlich geleistet werden kann und einer Berufsausbildung bedarf. Zum häufigen Begriffswandel vgl. auch oben Kapitel 2.

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  25. Es ist kein Zufall, daß diese Diskussion in der Weimarer Zeit um ähnliche Probleme kreist wie heute, da soziale Hilfe auch in der Gegenwart als soziale Arbeit in festgelegten Berufsrollen geleistet wird und dadurch mit ähnlichen Problemen betraut ist wie die frühen Formen explizit beruflicher Hilfe.

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  26. Die Richtlinien sind im Wortlaut bei Muthesius 1958: 216–227 zu finden.

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  27. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die inhumane Umdeutung der Hilfepraxis durch das NS-Regime ausführlich zu rekonstruieren. Angemerkt sei nur, daß Erziehung im Zentrum der nationalsozialistischen Hilfeideologie steht: „Das Wesentliche ist die Umstellung der Menschen, der Volksgenossen, des Volkes. Und das ist eine politische Aufgabe!… Es ist eine so tiefgreifende und vollkommene Umstellung, daß der Erwachsene ihrer gar nicht mehr fähig ist. Nur die Jugend kann umgestellt werden, neu eingerichtet werden und ausgerichtet auf den sozialistischen Sinn der Verpflichtung der Gemeinschaft gegenüber.“ (Hitler zit. n. Sachße/Tennstedt 1992: 154) Die Strukturen des Hilfesektors, wie sie sich in der Weimarer Republik ausdifferenzieren, werden im Sinne dieser Ideologie über einen politischen Erziehungsbegriff gleichgeschaltet. Es entstehen Parteiorganisationen, die das „Ausrichten” der Jugend auf die Nazi-Ideologie zum Ziel haben.

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  28. So im übrigen schon 1901. Im damals erstmals erschienenen „Handbuch der Frauenbewegung“ beschreibt Alice Salomon die Wirkungsbereiche der „Frau in der sozialen Hilfstätigkeit”. Das Spektrum reicht von der Armen-und Waisenpflege über die Krankenpflege, die Gefangenen-und Jugendfürsorge bis zur „Volksunterhaltung“ (vgl. Salomon 1980: passim).

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  29. Auch wenn Schütze soziale Arbeit als „bescheidene“ Profession gefaßt sehen will, bleibt er der Sichtweise verhaftet, soziale Arbeit müsse sich professionalisieren, um ihre Stellung in der Gesellschaft zu festigen. Soziologisch gesehen, hat er dies nicht als Selbstbeschreibung des Systems sozialer Hilfe erkannt. Ein normativer und teleologischer Begriff der Profession, mit welchem Adjektiv oder Präfix auch immer abgeschwächt, führt eine soziologische Betrachtung sozialer Arbeit logisch in die Aporie.

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  30. Ob sich darin eine Sozialromantik artikuliert, die meint, auf dem Boden einer bereits funktional differenzierten Gesellschaft einfache Sozialbeziehungen restituieren zu können, um strukturelle Fremdheit zu überwinden, kann hier nicht weiter diskutiert werden.

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  31. Ein weiteres Indiz für unsere Feststellungen ist die Übemahme einer spezifischen Nomenklatur der klassischen Professionen wie Klientel, Diagnose, Therapie. „Professionalität… als Zeichen einer geglückten Verbindung von erwerbswirtschaftlichem Streben, wissenschaftlichem Denken und altruistischem Ethos, ist ein Traum, der sich beim anachronistischen Hausarzt in einer glücklichen und einmaligen Weise verwirklicht hat.“ (Gross 1985: 286 )

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  32. Die Relativierung des Professionsstatus kann mit der Durchsetzung funktionaler Differenzierung auch für die „old established professions“ beobachtet werden, auch sie sind in ihrer beruflichen Tätigkeit mehr und mehr durch Organisationen determiniert. Für die Profession des Mediziners vgl. Freidson 1979: v.a. 252ff. Daß sich in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts eine den modernen gesellschaftlichen Strukturen angemessene Sichtweise unterschiedlicher Berufe, die als Professionen bezeichnet werden, noch nicht durchsetzen kann, belegen die berufssoziologischen Ausführungen Max Webers, die sich auf Stände beziehen: „Stände sind, im Gegensatz zu Klassen, normalerweise Gemeinschaften… Im Gegensatz zur rein ökonomisch bedingten,Klassenlage` wollen wir als,ständische Lage’ bezeichnen jede typische Komponente des Lebensschicksals von Menschen, welche durch eine spezifische, positive oder negative, soziale Einschätzung der,Ehre` bedingt ist” (Weber 1980: 534). Bezogen auf bestimmte Berufe formuliert Weber einige Seiten später: „Auch ein,Berufsstand’ ist,Stand`, d.h. prätendiert mit Erfolg soziale,Ehre` normalerweise erst kraft der, eventuell durch den Beruf bedingten, spezifischen,Lebensführung’.“ (Ebd.: 538) Wie Constans Seyfarth (vgl. 1989: passim, v.a. 396) belegt, ist Max Weber kein Professionalisierungstheoretiker. Er benennt aber Aspekte wissenschaftlicher Tätigkeiten, die für die berufs-und professionssoziologische Forschung in der ersten Phase unseres Jahrhunderts exemplarisch sind.

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  33. Die damit einhergehende dramatische Zunahme von Wissen über soziale Arbeit kann wiederum beklagt werden: „Das systematische Wissen [über soziale Arbeit, d.V.] ist zu breit, zu vage, zu ungenau, zu sehr den Moden ausgesetzt, als daß es sich bewähren könnte, als daß es praktikabel wäre.“ (Gross 1985: 281) Die Frage bleibt, wie eine professionelle Fachkompetenz erreicht werden kann, wenn nicht über die Sammlung, Strukturierung und Applikation von Wissen.

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  34. Diese Vermittlungskompetenz wird in der Literatur z.T. mit dem von Ulrich Oevermann geprägten Begriff des „stellvertretenden Deutens“ belegt. Aus systemtheoretischer Perspektive erscheint der dem psychoanalytischen Übertragungsmodell entlehnte Begriff jedoch obsolet. Er verdeckt den Umstand, daß psychische Systeme autopoietisch operieren. In Anlehnung an Stichweh (vgl. 1992: 44) ist daher der Begriff der Vermittlung zu bevorzugen. Mit ihm wird berücksichtigt, daß das Verstehen der Sinnperpektive der Klientel strukturell unmöglich ist. Dies erfordert eine Kommunikation, die sich auf Vermittlung von unterschiedlichen, einander unzugänglichen Sinnperspektiven bezieht. Sozialarbeiterische Fachkompetenz zeichnet sich demnach durch die Fähigkeit zur Vermittlung zwischen der professionellen und der subjektiv individuellen Sinnperspektive aus. Die bei dieser Vermittlung entstehende Kommunikationsebene konstituiert eine dritte Sinnperspektive, die als eigenständige, emergente Ebene der professionellen Interaktion mit der Klientel gelten kann und als solche behandelt werden muß.

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  35. Ein aktuelles Beispiel ftlr dieses Interesse ist das Lehrbuch Burkhard Müllers zum „sozialpädagogischen Können“ (Müller 1993), das sich in zentralen Teilen mit dem Fallverstehen und der hermeneutischen Kompetenz, Biographien zu entschlüsseln, befaßt. Diese Überlegungen erinnern an die frühen Versuche Ruth Bangs, den angloamerikanischen Begriff von „Mental Health”, der sich in seiner deutschen Übersetzung auf die „seelische Gesundheit“ der sozialarbeiterischen Klientel bezieht, für die deutsche Diskussion über soziale Arbeit fruchtbar zu machen (vgl. Bang 1970: passim).

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  36. Klaus Kraimer bezeichnet die Biographieforschung als Möglichkeit zur „Rückgewinnung des Pädagogischen“ in der sozialen Arbeit (vgl. Kraimer 1994: 137ff.), wobei er die qualitative Einzelfallstudie als „Königsweg” der sozialen Arbeit beschreibt (vgl. ebd.: 162ff.). Die pädagogische Ausrichtung der Sozialarbeit müsse über den Begriff Sozialpädagogik neu definiert werden, um die Verkürzungen auf das erzieherische Moment der Hilfe zu überwinden. Im Kontext unserer Rekonstruktion der Funktion des Begriffs Sozialpädagogik fir die Hilfesemantik und -praxis (vgl. 3.3.2.3 und 4.1) kann dieser Diagnose nur zugestimmt werden. Wie eine Reformulierung des „Pädagogischen“ in Theorien sozialer Hilfe erfolgen kann, wird im fünften Kapitel dieser Arbeit genauer zu diskutieren sein. Die pädagogische Kompetenz wird in den Theorien sozialer Arbeit auch mit der Programmformel Alltags-und Lebensweltorientierung (vgl. Thiersch 1986, 1992) versehen. Neben dieser sich selbst als sozialpädagogisch beschreibenden einflußreichen Richtung der Sozialarbeitswissenschaft ist im Zusammenhang mit einer erzieherischen Hilfekompetenz die psychoanalytisch inspirierte Theorie sozialer Arbeit zu nennen. Sie sucht vor allem in den individuellen Lebensgeschichten und Biographiemustern der Klientel nach Lösungsansätzen für individuelle soziale Bedürftigkeit; vgl. exemplarisch Müller 1993; mit weniger deutlich psychoanalytischer Ausrichtung Kraimer 1994: 137ff.

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  37. Karin Böllert (vgl. 1995: 154ff.) bezeichnet diese Option als „aktive Gestaltung von Lebensweisen“ durch soziale Arbeit. Sie geht dabei von einem wachsenden Regelungsbedarf des Sozialen durch professionelle Helfer aus, da soziale Risiken mit fortschreitender Modernisierung stetig ansteigen (vgl. ebd.: 46ff.). Das erzieherische Bemühen um den einzelnen Bedürftigen ist ihrer Ansicht nach die effektivste Regulierungsinstanz. Diese Interventionsform ermögliche eine aktive Gestaltung von Lebensweisen Bedürftiger durch professionelle Hilfe.

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  38. Bernhard Haupert faßt die Ausgangslage der Diskussion über methodische Kompetenz der Soziarbeit wie folgt zusammen: „Die professionelle Praxis Sozialer Arbeit ist interaktiv und kommunikativ organisiert. Dieser Verfaßtheit muß in der methodologischen Debatte Rechnung getragen werden. Professionelles Handeln ist im Kern eine,Kunst`(lehre)…, deren Praxis nur unbestimmten, vorgegebenen Regeln folgt.“ (Haupert 1995: 38) Die kommunikative Verfaßtheit sozialer Hilfe halten auch wir für erkenntnisflydemd, aber anhand der systemtheoretischen Fassung des Kommunikationsbegriffs als dreistelligen Selektionsprozeß: Information, Mitteilung, Verstehen. Demnach muß über neue Methoden nachgedacht werden, die sich nicht der Illusion hingeben, soziale Hilfe könne direkten Einfluß auf ihre Klientel nehmen. Dies aber setzt Haupert im weiteren Verlauf seiner Argumentation stillschweigend voraus, wenn er behauptet, der Ausweg aus der Methodendiskussion sei in einer Höherbewertung der rekonstruktiven Einzelfallstudie zu suchen (vgl. ebd.). Eine Höherbewertung der Systemhaftigkeit helfender Interventionen scheint uns dagegen mehr Möglichkeiten bereitzuhalten, der Methodendiskussion neue Impulse zu geben. Wir kommen im fttnften Kapitel darauf zurück.

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  39. Die Fachliteratur konstatiert dazu, nur eine fachliche Reflexion der Berufsrolle könne die Ambivalenz des Sozialarbeitsberufs und seine Konfliktsituation entschärfen — eine unabdingbare Voraussetzung kompetenter und effektiver Sozialarbeit (vgl. z.B. Ortmann 1994: passim).

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  40. Zu den Folgen der Akademisierung sozialer Hilfe durch Installierung einer wissenschaftlichen Studienrichtung Sozialpädagogik im Rahmen des 1969 beschlossenen Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft fir die Produktion von Theorien sozialer Hilfe vgl. Gängler 1995. Die Theoriedebatte habe durch ihre Verankerung an den Universitäten einen deutlichen „Akademisierungsschub“ erfahren, und die Theorieproduktion habe sich auch quantitativ inflationär ausgeweitet. Gängler belegt, daß die Akademisierung qualitative und quantitative Veränderungen der Ausbildungspraxis zur Folge hat.

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  41. Mit Erwägungen etwa zur „Entprofessionalisierung“ sozialer Arbeit wird im Establishment der Disziplin versucht, dieser Entwicklung entgegenzusteuem. Die theoretischen Bemühungen kranken daran, daß sie das diagnostizierte Übel, die Professionalisierung sozialer Arbeit in organisierten Sozialsystemen, mit Mitteln bekämpfen, die selbst Grundlage der kritischen Diagnose sind: mit Forderungen nach „menschlicheren” Organisationen und alternativem Professionalismus (vgl. Tenorth 1987: 710). Damit soll nicht gesagt werden, es sei nicht notwendig, über „bessere“ Organisationsstrukturen in Hilfeorganisationen nachzudenken. Aber: Ohne Reflexion der gegenwärtigen Strukturen ftthrt das Nachdenken nicht selten zu keinerlei Verbesserung. ”

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  42. Die „Selbstzweifel“ der Branche könnten auch dadurch genährt werden, daß die nicht-lineare Wirkungsform der Hilfe von der Theorie nicht adäquat eingeholt wird. Dadurch treten Legitimationsprobleme auf, die mit Kultur-und Moralkritik verdeckt werden. Diese hört sich dann wie eine trotzige Legitimationsformel an, die davor zurückschreckt, auch die gegenwärtige Theorieproduktion nach ihren blinden Flecken und Bezugsproblemen zu befragen.

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  43. Die Fachliteratur spricht in der Regel von der Differenz zwischen Theorie und Praxis. Diese Unterscheidung trifft den Sachverhalt jedoch nicht genau, denn sie unterstellt, jede Theorie sozialer Hilfe musse gleichzeitig als Programm sozialer Hilfe angesehen werden muß. Das trifft, wie unsere AusfUhrungen gezeigt haben, nicht zu.

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© 1999 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Weber, G., Hillebrandt, F. (1999). Evolution der Hilfesemantik II: Theorie, Beruf, Profession. In: Soziale Hilfe — Ein Teilsystem der Gesellschaft?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11402-4_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11402-4_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13288-4

  • Online ISBN: 978-3-663-11402-4

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