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Sicherheit als Wohlfahrt — Zur Schutzfunktion des modernen Staates

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Sicherheit in Freiheit
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Zusammenfassung

Sicherheit und Sicherheitsgewährleistung können in modernen Gesellschaften nicht auf den Schutz von Leib und Leben vor physischer Gewalt reduziert werden. Die im liberalen Gesellschafts- und Staatsverständnis zentrale Kategorie des Eigentums als schützenswertem Gut ist eine notwendige aber nicht hinreichende Ergänzung des elementaren Sicherheitsbegriffs. Im Zeitalter der Industrialisierung kam die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Menschen als Aufgabe des Staates hinzu.

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Literatur

  1. Nicht immer ist dieser Zusammenhang so deutlich wie bei der Bismarck’schen Sozialpolitik, die zeitgleich mit den Maßnahmen des „Sozialistengesetzes“ soziale Befriedung mit politischer Repression verband. In dem Versuch, soziale gegen individuelle Grundrechte auszuspielen fanden solche politischen Strategien später, unter anderen Vorzeichen, in der kommunistischen Bewegung eine ideologische Begründung.

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  2. Die mit dem Erscheinen von Adam Smith’s “An Inquiry into the nature and causes of the Wealth of Nations“ im Jahre 1776 eingeleitete Revolution der politischen und Staatstheorie bedeutete die Ablösung der alten Kameralwissenschaft, die Ökonomik, “Polizey-“ und Finanzwissenschaft vereinte und, neben den praktischen Fragen der Verwaltung eines Territorialstaates, eine starke ethisch-politische Aufgabe hatte: die Suche nach einer „guten Polizey“, nach einer guten Ordnung (Maier 1966; Bleek 2001: 80ff.; Bohlender 2001: 255ff.).

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  3. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass in Deutschland der herkömmliche Polizeibegriff nicht überlebte. Die so genannte „Wohlfahrtspolizei“ wurde aus dem allgemeinen Polizeibegriff heraus genommen und, wie im viel zitierten Kreuzberg-Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juni 1882 geschehen, auf seine eng geführte, noch heute geltende Form reduziert (Nitz 2000: 353; Bleek 2001: 87).

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  4. In diesem Kontext entstand im 18. Jh. die Haftpflicht. Im 19. Jh. wurde sie zu einem verbreiteten Institut. Sie bezieht nicht nur auf die intendierten, sondern auch die nicht intendierten Folgen individuellen Handelns ein. Bergwerksbesitzer waren z.B. für Unfälle voll verantwortlich (Gefährdungshaftung). Im Gegensatz zur Unrechtshaftung befreite bei der Gefährdungshaftung ein rechtlich und normativ-moralisch einwandfreies Verhalten keineswegs von potenziellen Regress und Kompensationsansprüchen (Radkau 1989: 200ff.) Erst später konnte man sich dagegen individuell absichern (Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871; Bonß 1995: 196).

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  5. Art. 22: “Everyone, as a member of society, has the right to social security and is entitled to realization, through national effort and international co-operation and in accordance with the organization and resources of each State, of the economic, social and cultural rights indispensable for his dignity and the free development of his personality.“ Vgl. ferner: Art. 23: Recht auf Arbeit; Art. 24: Recht auf Erholung und Freizeit; Art. 25: Recht auf angemessene Lebenshaltung, Mütter- und Kinderschutz; Art. 26: Recht auf Bildung; Art. 27: Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben.

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  6. Art. 34 Charta der Grundrechte der Europäischen Union: „Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung“: (1) Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.

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  7. Während diese in Deutschland primär als Arbeiterfrage und damit als politisches Problem reflektiert wurde, stand in England die Armut, in Skandinavien das Problem sozialer Ungleichheit im Zentrum der Aufmerksamkeit (vgl.: Kaufmann 1989).

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  8. Laut Kaufmann taucht seit etwa 1950 der Begriff Sicherheit in der BRD auch außerhalb des sozialpolitischen Schrifttums auf und zwar im Kontext von „Sicherheit und Geborgenheit“, (in etwa i.S. von „emotional security“ aber ohne „restaurativen Beigeschmack“). Er hatte in der Bundesrepublik allerdings nicht den Bedeutungsgehalt, wie in den USA im Zeichen des New Deal, wo er als Versprechen einer auf Zukunft und Beseitigung der Notsituation der Weltwirtschaftskrise gerichtete Bedeutung, ja darüber hinaus auch eine säkular-religiöse Dimension als „new covenant“ hatte.

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  9. Franz Xaver Kaufmann hat auf den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der Begriffe Sicherheit und Sicherung im Zusammenhang mit Sozialpolitik und die Fehlübersetzung des englischen Begriffs Social Security hingewiesen. Im Postulat sozialer Sicherheit liege eine Vorstellung von der Möglichkeit gesetzlicher Sicherungsmaßnahmen und ihrer Handhabung im Geiste technischer und juristischer Systemsicherheit zugrunde, die problematisch sei (Kaufmann 1970: 107ff.; 127).

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  10. Es ist auch in Landesverfassungen verankert, als Beispiele seien die baden-württembergische Verfassung, Art. 23 Abs. 1, die Bayerische Verfassung, Art. 3, oder die Saarländische Verfassung, Art 60 genannt.

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  11. Umgang und Zielrichtung dieser Staatsintervention waren stets strittig und stehen heute als unvereinbar mit EU-Recht generell in Frage.

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  12. Die Bedeutung des Sozialstaatsgrundsatzes ist vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen bestimmt worden. „Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“ (BVerfGE 22, 180). Es enthält nach Auffassung des Gerichts einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, angesichts „seiner Weite und Unbestimmtheit lässt sich daraus jedoch kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren.“ Zwingend sei lediglich, dass der Staat „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft“ (BVerfGE 82, 60: 80).

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  13. Die Sozialausgaben, die in Großbritannien neben den Gesundheitskosten und der Sozialhilfe, inklusive Wohngeld, auch die Ausgaben für das Bildungswesen umfassen, verdoppelten sich von 1946 bis 1966 und erreichten Mitte der 1980er-Jahre über 20% des Bruttoinlandsprodukts, lag damit weit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten.

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  14. Durch die „Inkorporation“ der Europäischen Menschenrechtscharta in britisches Recht im Jahre 1998 hat sich zudem insofern eine neue Situation ergeben, als sich der bis dahin mangelhafte Schutz des Einzelnen gegen wirtschaftliche und soziale Benachteiligung verbessert hat. Da, wegen des Fehlens eines Verfassungsgerichtshofes, vor nationalen Gerichten oft keine letztentscheidende Klärung zu erreichen ist, kommt dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine wichtige Bedeutung bei der Regelung sozialer Konflikte zu (Dignam/Allen 2000: 36ff.). Als Beispiel sei das Urteil Young, James and Webster v United Kingdom (1981 4 EHRR 38) angeführt, in dem der Gerichtshof den britischen Staat für eine Entlassung eines Arbeitnehmers verantwortlich macht, die auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgt war, das im Gegensatz zu den Garantien des Art. 11 der Menschenrechtscharta stand.

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  15. Hier sieht Kaufmann Parallelen zur Entstehung und Rezeption des Begriffs „soziale Marktwirtschaft“ (ihr „Erfinder“, Alfred Müller-Armack hatte ebenfalls kein ausgefeiltes theoretisch fundiertes Konzept) oder später der „formierten Gesellschaft“ Ludwig Erhards (Kaufmann 1970:110).

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  16. Dies waren u.a. der National Industrial Recovery Act, der die Kartellbildung in der Industrie zuließ, der Agricultural Adjustment Act, der Landwirte subventionierte, die Lebensmittel des täglichen Bedarf produzierten, das Tennesee Valley Authority Law (im Mai 1933 hatte der Kongress ein erstes Gesetz zur Einrichtung der Tennessee Valley Authority, TVA, verabschiedet), mit dem ein ambitioniertes Programm öffentlicher Energieversorgung und regionaler Planung auf den Weg gebracht wurde und eine Reihe anderer Maßnahmen, die eine Verantwortlichkeit der nationalen Regierung für die Verbesserung der Lage der Arbeitslosen beinhalteten. Später, 1935, folgten der National Labor Relations Act (Wagner Act) und der Social Security Act, der eine Altersrente, Arbeitslosenversicherung und andere Unterstützungsleistungen einführte und für die Vereinigten Staaten eine wohlfahrtsstaatliche Option eröffnete. 92 Der Begriff social security wird, darauf hat Franz Xaver Kaufmann (1970: 106ff.) hingewiesen, im Deutschen meist fälschlicherweise mit sozialer Sicherheit statt Sicherung übersetzt.

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Glaeßner, GJ. (2003). Sicherheit als Wohlfahrt — Zur Schutzfunktion des modernen Staates. In: Sicherheit in Freiheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11360-7_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11360-7_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3889-0

  • Online ISBN: 978-3-663-11360-7

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