Zusammenfassung
Während ‚Professionalisierung‘ im engeren Sinne entweder den Wandel eines Berufs zur Profession oder aber die berufsbiographische Herausbildung eines bestimmten, nämlich ‚professionellen‘ Habitus bezeichnet, will Helmut Schelsky (1972, S. 29) unter ‚Professionalisierung‘ in einem weiten Sinne die „soziale Tatsache“ verstanden wissen, „dass heute jegliche Form von Leistung in Form eines ‚Berufes‘ geschieht oder dass offensichtlich für jede Leistung und Tätigkeit von Lebenswichtigkeit und Lebensernst in unserer Gesellschaft nur noch das Modell des ‚Berufes‘ als Sinndeutung zur Verfügung steht.“ Dieser — beim Begriff und bei der Bedeutung des Berufs ansetzenden — Bestimmung des Professionellen liegt ein spezifisch neuzeitliches Verständnis von Arbeit zugrunde, das im folgenden kurz skizziert werden soll.
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Literatur
Dieser Doppelbedeutung von Arbeit entspricht im Lateinischen das Begriffspaar ‚laborare‘ vs.,facere’ bzw.,fabricari`, im Englischen ‚labour‘ vs. ‚work‘ ‚im Französischen,travailler‘ vs. ‚ouvrer‘ und im Deutschen eben ‚arbeiten‘ vs. ‚werken‘ bzw. ‚schaffen‘ (vgl. Hohm 1987, S. 13).
Vgl. zu den folgenden Ausführungen den ebenso informierten wie ausführlichen Überblick von Conze 1976.
Diese ‚Arbeitseinstellung‘ wurde insbesondere von griechischen Lehrern übermittelt, die auf einem der zahlreichen vom Römischen Reich ausgehenden Feldzüge in Gefangenschaft geraten waren und in herrschaftlichen römischen Haushalten zum Sklavendienst gezwungen wurden.
Vgl. zu dieser philosophisch-anthropologischen Bestimmung der menschlichen Gattung Plessner (1981), Gehlen (1993), vor allem aber auch die Frühschriften von Marx, insbesondere Marx (1968), sowie Lukács (1968).
Die phänomenologische Bestimmung von Arbeit reicht also über das hinaus, was umgangssprachlich damit gemeint ist, da sie „auch all jene Formen des sozialen Handelns einschließt, durch die eine Veränderung der Sozialwelt erzielt wird: Liebeserklärungen, Eheschließungen, Taufen, Gerichtsverhandlungen, Verkauf oder auch nur das Sammeln von Briefmarken, Revolutionen und Konterrevolutionen“ (Schütz/ Luckmann 1984, S. 25 ).
Goethe etwa bezeichnet (in ‚Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre‘) solche Menschen als glücklich, „deren äußerer Beruf mit dem inneren vollkommen übereinstimmt“ (vgl. Hohm 1987, S. 52).
Den Auswirkungen von ‚Organisation‘ und,Bürokratie auf berufsförmig erbrachte Arbeit ist vor diesem Hintergrund verstärkt Rechnung zu tragen. Innerhalb professionstheoretischer Ansätze wird diesem Aspekt vor allem in der interaktionistisch orientierten Professionssoziologie (vgl. Hughes 1971) und dabei vor allem am Beispiel der Sozialarbeit (vgl. Schütze 1992 sowie Nagel 1997) Aufmerksamkeit zuteil. Die Zusammenhänge von „Professionalisierung, Organisation, Geschlecht“ sind Gegenstand eines aktuell laufenden Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Vgl. dazu grundlegend Beck/Brater (1978) und Beck/Brater/Daheim (1980) sowie im Überblick Galuske ( 1993, S. 21–28), und Voß (1994, S. 133f ).
Das Prinzip der ‚Berufsschneidung‘ und die auf ihm basierende berufshierarchische Gliederung bedingen nicht nur eine mehr oder minder explizite Trennung von Berufsgruppen in einem Feld; durch die Konstruktion von Berufen werden auch systematisch Inkompetenzen festgeschrieben. Fähigkeiten, für die sich keine kaufkräftige Nachfrage findet, werden infolge des Marktprinzips gar nicht erst beruflich organisiert.
Schelsky ( 1965, S. 32) spricht in diesem Zusammenhang von der „,Innenstabilisierung der Person“.
Erst im Zuge fortschreitender Arbeitsteilung wird Arbeit allerdings als etwas ‚Besonderes‘ zur realen Erfahrung und zu einer ‚sozialen Tatsache‘ (vgl. Luckmann/Sprondel 1972, S. 12).
Für den Differenzierungsprozeß Ist es im übrigen nicht bedeutsam, ob die Aneignung von Sonderwissen einzelnen Gesellschaftsmitliedern ‚auferlegt‘, d.h. also sozial bestimmt ist, oder ob es subjektiver Motivation entspringt. Strukturell wichtig ist nur, daß Wissen sozial verteilt wird.
Der Spezialist ist Spezialist im Verhältnis zum Dilettanten hie und zum Generalisten da, (wobei der Generalist in bezug auf das vom Spezialisten verwaltete Problem typischerweise ein relativer Dilettant ist)“ (Hitzler, 1994b, S. 25).
Nur bei einer fortgeschrittenen Differenzierung des sozialen Wissensvorrats, d.h. mit mpirisch vermutlich am ehesten bei Schamanen, kann von ‚Experten‘ die Rede sein (vgl. dazu z.B. Eliade 1975; vgl. dazu auch Hitzler 1982b sowie Kapitel 5).
Insofern sich das Erkennen und Lösen von Problemen zu weiten Teilen schematisieren, standardisieren und damit auch delegieren läßt, scheint uns die Bestimmung von Expertenwissen als ‚Problemlösungswissen‘ nicht hinreichend zu sein.
Sein Wissen über die Sachlogik befähigt den Experten zur Klärung der logischen Konsistenz von Sachverhalten. Auf die für Expertenhandeln symptomatische Dominanz der logischen Konsistenz einer Darstellung über das Einzeldatum verweist Hans-Georg Soeffner ( 1989, S. 222) am Beispiel von Vernehmungsbeamten, denen „die Frage, wie etwas logisch-konsistent hätte sein müssen, wichtiger ist als die, was denn ‚tatsächlich‘ geschehen sei.“
Vom,objektiven Sinn der Verantwortlichkeit (im Sinne von „verantwortlich sein gegenüber“) grenzt Schütz (1972b, S. 2560 den subjektiven Aspekt (im Verstande von „verantwortlich sein für“) ab: „Wenn ich mich nur subjektiv für das verantwortlich fühle, was ich tat oder unterließ, ohne von einem anderen verantwortlich gemacht zu werden, wird die Folgerung meiner Missetat nicht tadel, Kritik, Zensur oder eine andere Form der Bestrafung sein, die mir jemand anders auferlegt, sondern Bedauern, Gewissensbisse oder Reue.“
In diesem Sinne sind Professionelle nicht mit Experten identisch: Professionelle sind vielmehr eine spezifisch moderne, an der Durchsetzung von kollektiven Eigeninteressen orientierte Erscheinungsform des Experten (vgl. Hitzler 1994b, S. 25 sowie Kapitel 3 und Kapitel 5).
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Pfadenhauer, M. (2003). Die Genese des Professionalismus aus berufsförmiger Arbeit und Expertenschaft. In: Professionalität. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11163-4_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11163-4_2
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