Zusammenfassung
Europa bildete von Anfang an ein zentrales Thema der politischen Bildung. Die Erwartungen an die politische Bildung waren dabei hoch gesteckt. Sie sollte bei Jugendlichen ein europäisches Bewusstsein wecken, ja eine europäische Identität aufbauen und die jungen Menschen darauf vorbereiten, ihre Aufgaben als Bürger in der Europäischen Gemeinschaft wahrzunehmen (Europa im Unterricht 1990: 10). Dieser emphatischgesinnungsetischen Prägung einer europaorientierten politischen Bildung, die sich auch heute noch in offiziellen Dokumenten findet, steht eine schulische Realität gegenüber, in der Lehrerinnen und Lehrer dazu neigen, dem Thema Europa soweit als möglich auszuweichen. Europa als Thema des Politikunterrichts wird häufig verstanden als die schwierige Aufgabe, Jugendlichen vor allem das unüberschaubare Institutionengeflecht in Brüssel und Straßburg nahe zu bringen. Erschwert wird ein solcher Unterricht durch den Tatbestand, dass viele Jugendliche perspektivisch zwar ein Zusammenwachsen Europas zu einem Staat befürworten (Shell Jugendstudie 2002), die Alltagsbedeutung und Relevanz der europäischen Einigung für sich selbst aber eher gering einschätzen. Die europäische Integration lässt die Jugendlichen kalt. „Den Wunschtraum der ‘Väter’ des europäischen Einigungsgedankens und die Beschwörungen der heutigen Europapolitiker, die Jugend möge in Europa ihre Zukunft und ihre Chance sehen, scheint die Jugend heute nicht zu erfüllen“ (Münchmeier 2000: 341). Auch bei den Jugendlichen, die zumindest die europäische Idee positiv einschätzen, findet sich kein Enthusiasmus und erst recht keine Euphorie. Vielen jungen Menschen erscheint „Europa als Fassade”. Sie vermuten im Hintergrund des Einigungsprozesses andere Interessen und Vorgänge als vordergründig diskutiert werden.
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Literatur
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Breit, G., Massing, P. (2004). Europäer fallen nicht vom Himmel — Europäische Politische Bildung am Beispiel des Streits um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“. In: Varwick, J., Knelangen, W. (eds) Neues Europa — alte EU?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10894-8_10
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