Zusammenfassung
Die erste und naheliegendste Folgerung aus dem Befund, daß es sich bei der Mode um ein vor dem Spätmittelalter, frühestens jedoch in einigen Hochkulturen entstandenes Phänomen handelt, ist die Zurückweisung der beiden Hauptthesen der Modeliteratur. Viel wichtiger ist es jedoch, daß durch diese Zurückweisung die hinter diesen Hauptthesen stehenden Theorien des Modewandels keineswegs gleich stark getroffen werden. Denn als eine für jede Theorie des Modewandels zentrale Konsequenz der geschichtlichen Entstehung von Mode läßt sich festhalten, daß diese offensichtlich als eine Begleiterscheinung gesellschaftlicher Veränderungen betrachtet werden muß. Als solche wird sie aber auch von den Vertretern der ‚Spätmittelalter-These‘ untersucht, für die ja auf jeden Fall ebenso feststeht, daß sich Mode geschichtlich entwickelt hat. Jene Ansätze hingegen, die von einer Ubiquität von Mode ausgehen, tendieren dazu, bei der Erklärung von Mode die gesellschaftlichen Faktoren zu vernachlässigen. In den Vordergrund rücken dafür anthropologische Konstanten, die ja unter der Annahme der Ubiquität von Mode zu deren Erklärung auch am meisten beisteuern dürften: wenn die Mode mit dem Menschsein gekoppelt wäre, müßten typisch menschliche Eigenschaften für ihr Vorhandensein verantwortlich sein.
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Literatur
Die Haltung gegenüber Kleidung ist für Flügel daher zwangsläufig ambivalent, und die Verwendung von Kleidung „scheint (...) in ihren psychologischen Aspekten jenem Prozeß ähnlich zu sein, durch den sich ein neurotisches Symptom entwickelt“ (ebd.), da neurotische Symptome „in gewisser Weise ebenfalls einen Kompromiß darstellen, der sich aus dem Zusammenspiel einander widerstrebender und weitgehend unbewußter Impulse ergibt“ (ebd.).
Vgl. zur konsumbezogenen Selbstkonzeptforschung zusammenfassend Sirgy (1982), sowie Lee (1990) und speziell auf den Bekleidungsbereich eingeengt Davis & Lennon (1985), sowie Nerdinger & Rosenstiel (1991); zum Impression-Management zusammenfassend Mummendey & Bolten (1985) und zur Theorie der Symbolischen Selbstergänzung Wicklund & Gollwitzer (1985).
Das hier genannte Zusatzproblem der Kollektivität jeder Mode halte ich in Anbetracht der von Romans (1961) bis Coleman (1990) immer wieder gezeigten Fähigkeit des methodologischen Individualismus, kollektive Phänomene mitzuerfassen, tIIr nicht entscheidend.
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Schnierer, T. (1995). Erste Schlußfolgerungen für eine Theorie des Modewandels: Wie relevant sind anthropologische Konstanten und psychologische Faktoren?. In: Modewandel und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10838-2_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10838-2_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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