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Mikropolitik pp 115–130Cite as

Rationalität, Macht und Mythen

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Zusammenfassung

Privaten Wirtschaftsorganisationen geht, anders als z.B. öffentlichen Verwaltungen, in öffentlicher Meinung und Wissenschaft über weite Strecken der Ruf voraus, wirtschaftlich rational zu handeln. Die Überzeugung, das konkurrenzvermittelte Profitprinzip zwinge private Unternehmen „bei Strafe des Untergangs“ zu wirtschaftlich oder formal rationalen Entscheidungen, eint dabei verschiedene Argumentationsstränge und -muster, die in anderer Hinsicht sehr unterschiedlich sind. Sie unterliegt sowohl vielen Arbeiten aus Betriebswirtschaftslehre oder Organisationsforschung, die sich mit Management, Planung, Entscheidungen oder Organisationsstrukturen befassen und Privatunternehmen neutral bis positiv gegenüberstehen, als auch den Debatten der eher kapitalismuskritischen Industriesoziologie um das Schicksal der Erwerbsarbeit. Während in beiden Kontexten der Unternehmenszwang Profit unter materialen Gesichtspunkten unterschiedlich beurteilt wird — als Garant allokativer Effizienz dort, Ursache entfremdeter Arbeit und gesellschaftlicher Fehlallokation hier —, gelten die Entscheidungen in privaten Unternehmen in beiden Kontexten fraglos als ökonomisch rationale, d.h. optimale Mittel zur Realisierung des umstrittenen Zwecks. Auch der fundamentale Unterschied bei der Behandlung des Zusammenhangs von betrieblichen Entscheidungen und Macht — den einen ist Macht in diesem Zusammenhang kein Thema, den andern dient die „gesellschaftliche Machtasymmetrie“ zwischen Lohnarbeit und Kapital als wesentlicher Bezugspunkt — tangiert diese Übereinstimmung nicht. Obschon das ökonomische Rationalverhalten den einen als Vollzug technischer und ökonomischer Sachzwänge gilt, den anderen dagegen als Ausübung und Reproduktion der im Besitz an Produktionsmitteln wurzelnden Macht, steht doch das ökonomische Rationalverhalten als solches beiden außer Frage. Dieser gemeinsamen Grundannahme entsprechend erscheinen die Entscheider, „das Management“ oder „die Unternehmensleitung“ in beiden Kontexten als einheitlich handelndes, monolithisches Vollzugsorgan des Unternehmenszwecks, oder, in Marxschen Begriffen, als „Personifikationen“ bzw. „Charaktermasken des Kapitals“.

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Anmerkungen

  1. So heißt es z.B. im Zusammenhang mit dem angestrebten Ziel einer integrierten Datenverarbeitung: Das „betriebliche Geschehen wird dann ständig automatisch aufgezeichnet und ausgewertetchrw(133). Ein Unternehmen kann dann mit Hilfe der Datenverarbeitung ständig so überwacht und kontrolliert werden, daß gleichermaßen im Einkauf, in der Produktion, im Vertrieb oder im Transportwesen nachweislich — und ständig überwacht — optimal gearbeitet wirdchrw(133)“ (Köhler 1969, 588f.).

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  2. Die EDV erlaube, so heißt es auch und gerade bei ihren schärfsten Kritikern, „die zunehmend nahtlosere Verplanung und Kontrolle menschlicher Arbeit“ und „die nahtlose Ökonomisierung aller wichtigen Betriebs-und Arbeitsprozesse”. Erst durch den Einsatz von EDV würden „praktisch die umfassenden bürokratischen Planungssysteme so handhabbar, daß die Vermittlung der an der Spitze der Bürokratie als ‘Unternehmensziel’ vorgegebenen Profit-und Wachstumsziele über Budgets usw. auf die einzelnen Arbeitsplätzechrw(133) erfolgen kann“ (Briefs 1979, 252f.).

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  3. Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen in der Literatur diskutierten Entscheidungsmodellen — vom Modell ökonomischer Rationalität bis zum Modell politischer Entscheidungen — kann und braucht nicht zugunsten der Hegemonie eines Modells aufgelöst zu werden. Die Angemessenheit der verschiedenen Modelle variiert vielmehr mit verschiedenen Typen von Entscheidungssituationen (vgl. ebenso Thompson 1967, 10ff., 85ff. und 134; Luhmann 1973, 180f.; Pfeffer 1981a, 29ff.; Müller 1984, 13ff.). Neben dem hier ausschließlich beachteten Unsicherheitskriterium lassen sich andere relevante Kriterien zur Differenzierung von Entscheidungssituationen heranziehen und mit „entsprechenden“ Merkmalen der Entscheidungsprozesse in Beziehung setzen. So wird z.B. der Politisierungsgrad von Entscheidungen nicht nur mit dem jeweiligen Unsicherheitsgrad, sondern auch mit dem Ausmaß variieren, in dem die jeweiligen Entscheidungen positionale oder persönliche Interessen betreffen, Knappheit herrscht etc. (vgl. Pfeffer 198la, 68ff.).

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  4. Im Unterschied zu dem auf Zweckrationalität und Sachgesichtspunkte oder „policy“ abhebenden Politikkonzept meint „Politik” hier „politics“ oder „power in action” (Pfeffer 1981 a, 17), d.h. Aktivitäten des Machterwerbs und -erhalts und der Machtnutzung. Zum Zusammenhang von Unsicherheit und Politik in diesem Sinn vgl. z.B. Pettigrew 1973, 228 und Pfeffer 1981a, 370.

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  5. Auf die Vergleichbarkeit der Entscheidungssituationen bei der Ressourcen-Allokation in öffentlichen Verwaltungen und im indirekten Bereich privater Unternehmen und auf die übereinstimmenden Merkmale der Budget-Entscheidungen in beiden Kontexten weist Müller (1984, 240 und 251ff.) hin.

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  6. Dies gilt selbstverständlich nicht für DV-Leistungen, die als Waren, d.h. für den Verkauf, erstellt werden.

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  7. Starbuck hält „Problemlösungen“, die nach Problemen suchen, oder die „action-generating-mode” für den Normalfall betrieblichen Handelns, Probleme, die nach Lösungen suchen, oder die „problem-solving-mode“ dagegen für die Ausnahme (vgl. Starbuck 1982, 3 und 16ff.).

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  8. Zur zeitlichen Struktur des Aufwandes von EDV-Projekten, die die „erste beste“ Alternative begünstigt, vgl. auch Berger 1984, 116.

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  9. Tendenzen zur Dezentralisierung der EDV — wie auch die entgegengesetzten Tendenzen — können somit nicht nur sachlich, sondern auch durch Machtkämpfe zwischen verschiedenen Akteursgruppen begründet sein.

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  10. Dieser Befund wird von sechs neueren Fallstudien über größere EDV-Projekte und das Verhalten ihrer Betreiber angesichts unvorhersehbarer Folgen bestätigt: „Those who adopt the promoter role may not be able to rely on rational analysis to convince others. The outcomes may be uncertain, particularly in a large organization where several functions and levels may be affected. Pettigrew (1973) argues that individuals actively take steps to gather support, create coalitions with influential people and manage the flow of information to back up their case. These processes were evident in the cases presented here“ (Buchanan/Boddy 1983, 242).

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  11. Zu einer derartigen Kultur der Berechenbarkeit und Rechenhaftigkeit gehören oder „passen“ außer rechenhaften Verfahren der Altemativenwahl — unter Sicherheit wie Unsicherheit — auch die Vermeidung von Entscheidungen unter Unsicherheit etwa durch Beschränkung auf kurzfristige oder quantifizierbare Ziele (vgl. z.B. Simon 1976, 175ff.; Thompson 1967, 152; Müller 1984, 341 und 418f.) sowie die hohe Wertschätzung und bevorzugte Wahl solcher Alternativen, die — zu Recht oder zu Unrecht — Sicherheit und Kontrolle verheißen. Von einem derartigen „bias toward certainty” (Thompson 1967, 152) waren z.B. die unter Funktionsgesichtspunkten fragwürdigen kontrollintensiven Formen der Arbeitsorganisation gekennzeichnet, die Buchanan und Boddy im Zusammenhang mit neuen Computer-Installationen fanden (Buchanan/Boddy 1983, 254f.). Auch die Zentralisierung von Entscheidungen unter Bedingungen hoher Komplexität und Unsicherheit kann im Kontext einer derartigen Organisationskultur primär symbolischen Charakter haben, der den — inneren und äußeren — sozialen Erwartungen nach Ordnung entgegenkommt (vgl. Pfeffer 198la, 88).

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  12. Pfeffer schlägt in diesem Zusammenhang einen Wechsel der Disziplin vor: „In the analysis of decision making in organizations, it is necessary to empirically consider the possibility that rational decision procedures and planning are part of a ritualized ideology, used to legitimate and partially obscure the actual choice processes that are taking place. Considering these activities from such a perspectivechrw(133) suggests reading the sociology of religion literature rather than normative economics and operations research in order to understand decision and planning techniques.“ (Pfeffer 1981 a, 196).

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© 1988 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Berger, U. (1988). Rationalität, Macht und Mythen. In: Küpper, W., Ortmann, G. (eds) Mikropolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10802-3_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10802-3_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12018-8

  • Online ISBN: 978-3-663-10802-3

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