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Revisionen der Rationalität

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Mikropolitik

Zusammenfassung

Am Anfang war der one best way. Ob man nun Charles Babbage, Robert Michels, Max Weber oder Frederick Winslow Taylor als Vater der Organisationstheorie anerkennt: keiner von ihnen hat an dieser Idee gezweifelt, jeder von ihnen wissenschaftliches Räsonieren auf die Mittel beschränkt, jeder von den Zwecken abgesehen.

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Anmerkungen

  1. So auch Pondy und Boje ( 1980, 96): „Contingency theory is, of course, just a more sophisticated version of the ‘one-best-way’ philosophy. It is still one best way for each given situation“. ( Hervorh. i. Orig. )

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  2. Scott (1986, 93) zögert nicht, Hannah Arendts Eichmann-Porträt als Beispiel für die Schrecken eines losgelassenen Effizienzdenkens zu nennen.

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  3. Eine andere, ebenfalls anthropologisch argumentierende Version dieser Überlegung fmdet man schon in Günther Anders’Gedanken einer „Antiquiertheit des Menschen“ (1956).

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  4. Diese Aufzählung ist natürlich nicht vollständig; es fehlt zum Beispiel Jon Elsters spieltheoretischer Verweis auf „Anomalies of Rationality“ (1979), die eine rationale Entscheidung selbst auf Basis „vollkommener“ Informationen gar nicht erlauben. Uns interessieren hier vor allem die organisational bedingten Problemkreise. Vgl. auch Elsters (1981, 263) Darstellung der „maximizing vs. Sacrificing“-Debatte in vier Stufen, deren letzte im Aufweis eines unendlichen Regreß bestand: (1.) Standardmodell der Gewinnmaximierung, (2.) Simons Theorie des befriedigenden Gewinns, (3.) „die Entgegnung der ‘Maximierungs-Schule’, daß sich Befriedigung als eine Spielart von Maximierung darstellt, sobald die Kosten des Erwerbs und der Evaluierung von Information in Rechnung gestellt werden. Winter zeigt dann in einem überraschend unbeachtet gebliebenen Artikel, daß dieser Einwand einen unendlichen Regreß hervorruft, denn wie löst man das Problem, das optimale Maß an Information zu finden?“ Elster bezieht sich auf Riker, Ordeshook (1973) als Beispiel für die dritte, auf Winter (1964) für die vierte Stufe dieser Diskussion. Vgl. auch Elster (1987) und Winter (1975).

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  5. Ein Beispiel ist Alfred Kieser, dem solche Einsichten durchaus gegen den Strich (des kontingenztheoretischen Ansatzes) gehen könnten, der aber (z.B. 1985, 9ff.) ohne Umschweife ihre Realitätsnähe anerkennt — und evolutionstheoretische Auswege aus dem der Organisationstheorie damit gestellten Problem sucht; vgl. dazu unten, 6. Abschnitt.

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  6. Natürlich wären hier noch viele andere zu nennen. Die Machtliteratur ist unüberschaubar geworden. Und doch scheint uns noch immer das Diktum der beiden zu gelten: „Die Allgegenwärtigkeit des Wortes verdeckt in Wirklichkeit das Vermeiden jeglicher Analyse des mit ihm verbundenen Phänomens“ ( Crozier, Friedberg 1979, 15 ).

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  7. Darin münden in gewisser Weise alle Aporien, von denen hier die Rede ist. Und es fragt sich, ob damit Rationalität als Dreh-und Angelpunkt der Organisationstheorie nicht ihrerseits aus den Angeln gehoben ist. Denn wenn Vernunft der Unvernunft folgen muß, um Vernunft zu bleiben, kann sich jedwede scheinbare Unvernunft als die wahre Vernunft erweisen, die allen Anlaß hatte, vom Pfad der Tugend — der reinen Effizienz — abzuweichen. Das aber macht die theoretische Unterscheidung formaler Rationalität von Irrationalität hinfällig, — von der empirischen ganz zu schweigen.

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  8. Also zum Beispiel die human-relations-Schule, Selznicks institutionelle Organisationstheorie u.a. Das Argument kann heute wohl als allgemein akzeptiert — nicht: realisiert — gelten: „Eine soziale Organisation nach rein technischen Kriterien von Rationalität zu führen, ist irrational, weil dabei die machtrationalen Momente sozialen Verhaltens außer acht gelassen werden“ (Peter M. Blau 1956, zit. n. Scott 1986, 119 ).

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  9. So jung allerdings auch wieder nicht: Auch dazu lassen sich frühe Formulierungen etwa von Nicklisch (1924) finden; vgl. ferner das vielzitierte Beispiel Barnards (1938) von der Telefonistin, die mit — wie Barnard fand — außerordentlichem Mut und hoher Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Norm ununterbrochener Dienstbereitschaft an ihrem Klappenschrank blieb, als sie durch das Fenster das nahegelegene Haus ihrer krank zu Bett liegenden Mutter abbrennen sah. So etwas nennt der Jargon heute „normative Stabilisierung“. Das schreit nach Instrumentalisierung. Die Mutter soll gerettet worden sein.

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  10. Vgl. im einzelnen Ebers (1985, 78ff.), dessen sorgfältiger Darstellung wir so manchen Hinweis verdanken.

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  11. Wir sind unversehens vom soccer zum baseball geraten.

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  12. Weick selbst (1976, 6ff.) zählt eine ganze Reihe funktionaler Vorteile lose gekoppelter Systeme auf: sie reagieren flexibler und sensibler auf Umweltanforderungen, Bedürfnisse der Akteure und interne Störungen und stellen geradezu eine „kulturelle Versicherung“ für Zeiten radikalen Wandels dar.

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  13. Strenggenommen und bescheidener formuliert handelt es sich um ein Bündel evolutionstheoretischer Ansätze zur historisch-genetischen Erklärung a. der Entwicklung einzelner Organisationen (Kimberly/Miles 1980; Quinn/Cameron 1983), b. der Herausbildung und Verbreitung verschiedener Organisationsformen (Hannan/Freeman 1977; Aldrich 1979; McKelvey/Aldrich 1983; Wholey/Brittain 1986) sowie c. der Erscheinung moderner formaler Organisationen als spezifische Handlungssysteme einer Gesellschaft (Parsons 1966; Giesen 1980; Lau 1981; Luhmann 1984a; Kieser 1986).

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  14. Bei der Ausarbeitung eines erwartungsbezogenen Entscheidungsbegriffs („eine Handlung immer dann als Entscheidung anzusehen, wenn sie auf eine an sie gerichtete Erwartung reagiert”, 1984b, 594) und seiner „Rationalitätsanforderungen“ ergibt sich für Luhmann an dieser Stelle sowohl für die Gesellschaftstheorie als auch für die Organisationstheorie eine Option für einen evolutionstheoretischen Ansatz (vgl. ebd., 602, Fußnote (33)).

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  15. Es geht freilich auch stets um mehr als um Erklärungen: um die legitimierende Kraft von Effizienznachweisen zur Rechtfertigung bestehender oder anzustrebender Ordnungen, um die „richtige“ Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik — laissez-faire contra Regulierung, Konservierung oder Auflösung von Stabilität (vgl. z.B. die Diskussion zwischen J. Hirshleifer und K. Arrow in Zerbe (1982, 86/113) sowie Jacquemin (1986, 139ff.).

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  16. Nach Kieser bieten evolutionstheoretische Ansätze schon hierdurch eine interessante theoretische Alternative: „Die Anpassung von Organisationen hängt nach diesen Ansätzen nicht von der Rationalität der Entscheider ab, sie wird vor allem durch die Umwelt geleistet“ (Kieser 1985, 12).

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  17. Solche Postulate signalisieren eine neue Bündnisfähigkeit zwischen ökonomischer Theorie und Organisationstheorie. Der Ersatz des alten homo oeconomicus bzw. des rational planenden, gewinnmaximierenden Unternehmens durch eine „optimierende“ Umwelt erweist sich indes auch in der Modellwelt der Ökonomen als ein nicht sehr hoffnungsvoller Rettungsversuch für allokative Effizienz und soziale Wohlfahrt. Nach vorsichtiger Würdigung der modelltheoretischen Arbeiten einer „evolutorischen Ökonomik“ kommt Jacquemin unter Bezugnahme auf R. Nelson und S. Winter (1982) zu dem eher „trostlosen“ Ergebnis: „Sie widersetzen sich… jedem Versuch, die Hypothese der Gewinnmaximierung und der Vorhersage einer Dominanz effizienter Industriekonfigurationen auf Selektionsmechanismen zu gründen… Statt dessen zeigen diese Arbeiten vielmehr die Notwendigkeit auf, sich sehr viel mehr einer entwicklungstheoretischen Perspektive zu öffnen, in der der Wettbewerbsprozeß wichtiger ist als das Gleichgewicht und in der die kumulativen Interaktionen zwischen dem weiten Spektrum der Strategien der Wirtschaftssubjekte und den Industriestrukturen nahezu keine Chance haben, ein Optimum zu erreichen“ (Jacquemin 1986, 115 ).

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  18. Eher als Randbemerkung gibt Aldrich allerdings zu bedenken: „A focus on error, chance, and acts of God as sources of variability does not absolve organization members of the responsibility in the consequence of their actions. Administrators often persist in some dangerous behavior while knowing full well its potentially disastrous consequences: The likelihood that thalidomide caused birth defects was recognized long before the drug was withdrawn from the market, and coal miner’s black lung disease was known and recognized for thirty years in the United Kingdom’s coal industry but was denied by United States mine operators. External constraints do not rob self-conscious persons of all their freedom, and those who claim so are guilty of ‘bad faith’… in denying responsibility for their actions…“ (Aldrich, ebd.).

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  19. Comps“ (von engl. „competence“) als organisationale Gene umfassen all das, was Organisationen zur Genese von Problemlösungen verwenden (Kieser, ebd., 19; McKelvey, Aldrich 1983, 112). Kieser bevorzugt neuerdings mit guten Gründen eine offenere Perspektive kultureller Evolution gegenüber dem engen „population-ecology“-Ansatz. Organisationale Evolution ist hiernach untrennbar in gesellschaftliche Evolution eingebunden; organisationale Comps sind Bestandteil des kulturell verschlüsselten Wissens: „technical knowledge, whose predominant function is to secure subsistence; (2) norms, which are the components of institutions like marriage, kinship, law, markets, or organizations and whose main function is the coordination of activities within a society; (3) belief systems, weltanschauungen, or ideologies, which provide general orientation or knowledge from which individuals can derive responses to problems emerging in their environment“ (Kieser 1986, 9). Daß bei diesem Konzept die Mitglieder moderner Organisationen konsequent als Elemente der Umwelt definiert werden, weil sie einen selektiven Faktor für organisationale Verfahren bilden (ebd., 17), ist allerdings mehr als eine Frage definitorischer Zweckmäßigkeit (vgl. weiter unten).

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  20. Der Streit, ob ökonomische Motive oder Machtstreben den Motor der organisationalen Entwicklung darstellen, scheint naiv. Macht über Tauschpartner zu haben, bedeutet auch, die Transaktionskosten zu den eigenen Gunsten beeinflussen zu können (Goldberg 1980)“ (Kieser, ebd., 8).

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  21. Vgl. zu diesen Unterscheidungen und ihren Implikationen für Organisations-UmweltBeziehungen die Analysen von Pfeffer, Salancik (1978), die mit ihrem „Ressourcenabhängigkeits-Ansatz“ dem machttheoretischen Konzept von Crozier, Friedberg (1979) nahekommen.

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  22. Die Abfolge Exit-Exodus-Exitus soll Überlegungen Jacquemins zu den von Hirschman (1974) analysierten Mechanismen „Exit“ und „Voice“ aufgreifen: „Im Falle des Exit-Typus ist die übermittelte Information ausgesprochen dürftig, der Mechanismus überaus brutal und die Wahrscheinlichkeit gering, die konfligierenden sozialen Interessen miteinander zu vereinbaren. Hier besteht vielmehr die Gefahr, daß sich eine duale Gesellschaft entwickelt, bei der ein bedeutender Bevölkerungsanteil an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird und in der die Legitimität des ‘Gewinnerzentrums’ sowohl auf einer Beherrschungsstrategie als auf einer anfänglichen Effizienz basiert. Demgegenüber birgt der Voice-Typus die Gefahr in sich, daß durch das Streben nach allgemeinem Konsens und gerechter Entlohnung der Anreiz zur Kreativität, zur Initiative, zum Experiment und zur Vielfalt untergraben wird. Außerdem kann die Verteidigung der Interessengruppen und der erworbenen Rechte sehr schnell zum Korporatismus und zur Immobilität führen“ (Jacquemin 1986, 149).

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  23. it is itself the dynamic outcome of the actions of many formal organizations seeking their own interests“ (Pfeffer, Salancik 1978, 190).

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  24. Vgl. zu den verschiedenen Rollen des Management (symbolic, responsive, discretionary role) Pfeffer, Salancik (1978, 263ff.).

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  25. Bureaucratization is the key internal characteristic facilitating structural persistence, and professionalized management — another consequence of the rationalization of organizational life — increasingly protects large organizations from radical change, although it may increase the rate of piecemeal modifications“ (Aldrich 1979, 197).

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  26. Kieser bezieht sich hier auf Aldrich: „With industrialization there has been a trend toward the externalization and rationalization of culture, and oral traditions are now less important than the material artifacts of a society: written records, machinery, the physical and material components of communities, and general capital improvements. Technological change, especially in the form of electronic information transmittal and retrieval systems, has vastly simplified the task of preserving valuable information“ (Aldrich 1979, 30).

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  27. Specialized systems or organizations for religious, political or productive functions are confronted with more coherent selection factors and can therefore evolve in a certain direction. In a similar vein, coordination systems such as markets or formalized hierarchies can be interpreted as mechanisms which allow for more recombinations of knowledge elements, more innovation, and at the same time, they increase effectiveness of selection processes“ (Kieser 1986, 14).

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  28. Zuverlässigkeit (reliability) der Leistung und die Fähigkeit, organisationales Handeln durch den glaubhaften Nachweis von Zweckrationalitäten nach außen rechtfertigen zu können (procedural rationality, accountability) sind nach Hannan, Freeman (1984) die wesentlichen Selektionskriterien und damit Merkmale „erfolgreicher“ Organisationen in der modernen Welt. Auch hier also eine „Wiederentdeckung“ der Gedanken Max Webers! Interessante Folgerungen der Autoren — z.B. Widersprüche zum Transaktionskosten-Ansatz und Vereinbarkeit mit dem Ressourcenabhängigkeits-Ansatz von Pfeffer, Salancik (1978) — können hier nicht weiter verfolgt werden.

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  29. Vgl. zu einigen sich hieraus ergebenden methodologischen Problemen sowie Möglichkeiten eines empirischen „Tests“ unterschiedlicher Annahmen über den relativen Einfluß der organisationalen Geschichte, der Umwelten und des strategischen Verhaltens auf beobachtbare zeitabhängige Aktivitätsmuster Romanelli, Tushman 1986.

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  30. Bateson veranschaulicht diese Erkenntnis an „biologischen Systemen“: „die Evolution des Pferdes von Eohippus aus [war] nicht eine einseitige Anpassung an das Leben auf grasbewachsenen Ebenen… Gewiß entwickelten sich die Grasebenen ihrerseits pari passu mit der Evolution der Pferde und anderer Huftiere“ (ebd.). Übertragen auf unser Problem: Es ist der gemeinsame Kontext zwischen Organisation und „Umwelt“, der sich entwickelt! Und: „Es ist wichtig, die besondere Äußerung oder Handlung als Teil des ökologischen Subsystems, das als Kontext bezeichnet wurde, anzusehen, und nicht als Produkt oder Auswirkung dessen, was vom Kontext übrigbleibt, nachdem das Stück, das wir erklären wollen, aus ihm herausgeschnitten wurde“ (ebd., 436). Solche „Schnitte“ werden zwangsläufig vorgenommen, wenn „nach außen“ gerichtetes Handeln, wenn Strategien und Machtbeziehungen aus evolutionistischen Ansätzen entfernt werden.

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  31. Wäre aber der Anpassungsprozeß schon alles, dann könnte es keine Systemkrankheiten geben. Schwierigkeiten treten genau deshalb auf, weil die ‘Logik’ der Anpassung eine andere ist als die des Überlebens und der Evolution des ökologischen Systems… Die Paradoxien (und die Pathologien) des Systemprozesses entstehen genau deshalb, weil die Stabilität und das Überleben eines größeren Systems durch Veränderungen in den konstituierenden Subsystemen erhalten werden“ (ebd., 436f.). Um Beispiele für Organisationen zu gewinnen, braucht man sich nur an den medizinischen Sinn des Wortes „Retention“ zu erinnern: Zurückhaltung auszuscheidender Stoffe oder — veraltet — Vorenthaltung; also etwa die Institutionalisierung von Machtbeziehungen zwischen Organisation und Umwelt, die keine Auswege läßt für die „Schwachen“, für die „Andersdenkenden“, für die „Kreativen“.

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  32. Ein evolutionstheoretischer Ansatz wird innerhalb der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, insbesondere innerhalb der Organisationslehre auch deshalb auf Widerstand stoßen, weil er im Widerspruch zu den Prämissen und dem Gestaltungsanspruch steht, der Teilen dieser Disziplin die Daseinsberechtigung gibt“ (Segler 1985, 291).

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  33. Dieser Kontext konstituiert und entwickelt sich gleichsam aus den stets spannungsgeladenen Verschränkungen technischer, normativer und reflexiver Rationalität: „Eine normativ und reflexiv rationale Organisation, die gleichzeitig technisch rational war, blieb noch nie historische Wirklichkeit, wenn sie sich mit einseitig technisch rationalisierten Organisationsformen messen mußte. Sie erlag dem Selektionsdruck der spezialisierten Überlegenheit. Dies wäre eine deprimierende Bilanz, wenn es die rein technisch rationale Organisation gäbe oder je gegeben hätte. Das ist nicht der Fall. Es wird schon immer ein Dreifrontenkrieg geführt: gegen die technische Vereinseitigung der Weltbeherrschung, gegen die dogmatische Willkür der Menschenbeherrschung und gegen das verinnerlichte Diktat der Selbstbeherrschung. Wie jeder Krieg, so fordert auch dieser seine Opfer und das Kriegsglück ist wechselhaft. Aber auch der Friede wäre nur eine Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln. Rationalen? Irrationalen?“ (Neuberger 1984, 200 ).

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  34. Vgl. dazu den Begriff eines „negotiated environment“ schon bei Cyert und March (1963). Die Organisation versucht, die Umwelt zu kontrollieren, indem sie sie als von ausgehandelten Regeln reguliert auffaßt — eine fast schon autopoietische Setzung der Umwelt.

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  35. Letzteres erläutert Luhmann (1971, 16) u.a. am Beispiel des Teilsystems Wissenschaft, und wie treffend seine Bemerkung dazu ist, leuchtet unmittelbar ein, wenn man die Auslieferung der Gesellschaft an wissenschaftliche Expertenurteile nach Tschernobyl als Beispiel heranzieht: „Die definitive Feststellung der Wahrheit wird der Wissenschaft überlassen, und die Gesellschaft geht das Risiko ein, Feststellungen als wahr akzeptieren zu müssen bloß deshalb, weil sie zwingend gewiß intersubjektiv übertragbar zu sein scheinen.“Und die Tschernobyl-Diskussion wurde nicht besser dadurch, daß die klassischen Reduktionsleistungen zum Teil dem Teilsystem Wirtschaft und Organisationen überlassen war, in denen — alles im Dienste der Bestandserhaltung — womöglich noch höhere Beliebigkeit institutionalisiert ist und durch Geld als generalisiertes Medium der Problemlösung gesteuert wird.

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  36. Nicht zufällig überbietet Luhmann selbst in „Soziale Systeme“ (1984a, 13, 661) diese Metaphorik, wenn er diese „ungewöhnliche Abstraktionslage“ in der Vorrede und ihren letzten Sätzen mit einem Flug über den Wolken vergleicht. Nachtflug, Blindflug, Instrumentenflug, das sind allerdings Metaphern nicht nur des Luhmannschen Unterfangens, sondern unseres Jahrhunderts: losgemachter Beweglichkeit, anthropologischer Grenzen, des Ausgeliefertseins an Technik.

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  37. Zum Beispiel „daß wesentliche Strukturen im nachträglichen Behandeln früherer Entscheidungen bzw. in der Vorsorge für künftige Entscheidungen aufgebaut werden“ (Luhmann, in diesem Band, S. 167), ist zwar mit viel Liebe für Artistik formuliert, aber zweifellos eine realistische und verständnisvolle Charakterisierung mikropolitischer Winkelzüge. „Jeder Entscheider wird Wert darauf legen, später jemand zu sein, der es vorher gewußt hat — sich also Erfolge zurechnen kann und Mißerfolge als das kleinere Übel im Verhältnis zu Alternativen in Kauf genommen hat“ (ebd.). Natürlich läßt sich derlei auch ohne Rekurs auf Autopoiesis sehen und sagen. Es ist, wie vieles bei Luhmann, von Karl Weick (vgl. 1985, 14) vorweggenommen worden.

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  38. Johannes Berger (1986) hat angesichts solcher Probleme für ein „Autopoiesis-Allopoiesis interplay“ (Andrew 1981) plädiert, und Luhmann selbst endet vor der Frage Selbst-vs. Umweltreferenz bei der Feststellung einer Paradoxie. Zu scharf sieht er, daß das System erst in der Differenz zur Umwelt seine Identität gewinnt und muß diese Differenz doch um der Autopoiesis willen in das System hineinverlagem: als dessen intern akzeptierte Unterscheidung von System und Umwelt. Aber ist das so paradox? Haben wir es mit diesem Verhältnis einer wechselseitigen Konstitution nicht überall zu tun: im Verhältnis von Alter und Ego, Handlung und Struktur, Entscheidung und Organisation, individueller und organisationaler Rationalität, — und eben System und Umwelt?

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  39. Ein weiteres Beispiel: Luhmanns Begriff der parasitären Entscheidung und des Parasiten: Ein Schmarotzer entzieht dem Wirt Nahrung, nicht Entscheidungen. Eine Organisation, die nur aus Entscheidungen bestünde, dürfte sich vor Parasiten ziemlich sicher fühlen. Parasiten, die sich auf einem reinen Entscheidungssystem niedergelassen haben, dürften bald vom Fleische fallen. Nein: Auch Parasiten, wie sie Luhmann vorschweben, nähren sich an anderem: an Macht, Geld und sonstigen Ressourcen der Organisation,und geraten ihm so ungewollt zu Zeugen wider seinen gleichsam anämischen Organisationsbegriff. Ein drittes Beispiel: Handeln, das Routine wird, verliert für Luhmann (1984a, 401) den Charakter von Entscheidungen — und fällt damit ins Aus der Organisation?

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  40. Politik ist Machtausübung (vgl. dazu Luhmann 1975, 25, 27f.). Die hat Kommunikation und Entscheidung zur Voraussetzung, geht darin aber nicht auf. Man kann sich für Zukkerbrot oder Peitsche entscheiden. Am Ende aber muß man sie geben. Auch Drohungen und Versprechungen, bargaining und Koalitionsbildung etc. transzendieren Kommunikation und Entscheidung.

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Becker, A., Küpper, W., Ortmann, G. (1988). Revisionen der Rationalität. In: Küpper, W., Ortmann, G. (eds) Mikropolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10802-3_5

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