Dynamik der Informationsverarbeitung suggestibler Rezipienten

Zusammenfassung

Das im voranstehenden Kapitel bearbeitete Forschungsproblem: Wie wird Medieninformation zum Bestandteil unserer allgemeinen Vorstellungen von der Welt? Welchen Stellenwert haben dabei einzelne subjektive Faktoren? ist auch das Generalthema des vorliegenden Beitrags. Hier wollen wir anhand der Daten aus demselben Projekt den Einfluß des kognitiven Stils “Suggestibilit” auf den Umfang und die Zusammensetzung thematischer Vorstellungsbilder beim Publikum analysieren und dabei auch die Art des Einflusses im Wirkungsverlauf beschreiben. Bei der Analyse orientieren wir uns auch hier am Wirkungsparadigma des “dynamisch-transaktionalen Ansatzes”. Dieses Wirkungsmodell versucht, die zentralen Variablen im Wirkungsprozeß in ihrem komplexen Wechselverhältnis aufeinander zu beziehen (vgl. Früh 1991a). Es betont besonders folgende, hier relevanten Aspekte:

• a) Die strikte Trennung von abhängiger und unabhängiger Variablen, von Ursache und Wirkung ist aufgehoben; in den Ursachen können die Wirkungen bereits teilweise enthalten sein, und was jetzt Ursache ist, kann im selben Moment auch Wirkung sein;

• b) Die Dimension der Zeit, die Abfolge kommunikativer Prozesse ist integraler Bestandteil des Modells. Dadurch werden nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Veränderungen im Wirkungsprozeß deutlicher sichtbar

Wir wissen, daß Medienwirkungen erstens niemals eindimensional und monokausal zustande kommen, sondern immer das Resultat vieler Einflußgrößen sind; wir wissen zweitens, daß der Wirkungsprozeß in diesem Geflecht nicht nur direkt, sondern oft auch vermittelt über andere Faktoren verläuft, so daß die tatsächliche Relevanz einer Einflußgröße erst über diesen indirekten Weg festgestellt werden kann; drittens schließlich wissen wir, daß solche komplexen Wechselwirkungen sich nicht nur in einer alternierenden Interaktionssequenz vollziehen, sondern auch in simultanen und teilweise imaginären Koorientierungen (McLeod & Chaffee 1972, vgl. auch Merten 1977) und Koeffekten. Es handelt sich dabei um den Wirkungstypus der Transaktion (Früh & Schönbach 1982; Schönbach & Früh 1984; und Kap. II in diesem Band)⁴⁶. Eine besondere Transaktionsvariante, bei der sich individuelle Merkmale etwa von Rezipienten in einem oszillatorischen Wechselspiel verändern, sind Intra-Transaktionen (Schönbach & Früh 1984) zwischen Aktivation und Wissen: Ein aktivierter, aufmerksamer und interessierter Rezipient versteht mehr; mehr Wissen motiviert und befähigt, leichter und schneller noch mehr Information aufzunehmen⁴⁷ (Vgl. auch Früh 1980) Beides geschieht gleichzeitig, d.h. Rezeptionsfähigkeit und Rezeptionsbereitschaft transagieren. Die Wirkung von Verständnisbereitschaft auf Verständnisfähigkeit (bzw. umgekehrt) läßt sich dabei nicht ohne die Gegenwirkung vorstellen. Die Wirkung ist folglich bereits von der Gegenwirkung geprägt. Mit dem Bewußtsein, daß mit vermehrter Aktivation auch die Fähigkeit zur Wissensaufnahme steigt, wächst u.U. die Bereitschaft zur Wissensaufnahme noch vor bzw. simultan mit der tatsächlichen Wissenserweiterung.