Zusammenfassung
Unter Form wollen wir den räumlich-strukturellen Aspekt des Zusammenspielens von Distinktionen, also den ‚zeitlosen Aspekt‘ ihres Zusammenspiels, verstehen.
„Jede Form ist immer veraltet. Denn wenn man sie zeigen kann, ist sie schon geschaffen worden, ist sie vergangen.“
Ludwig Hohll
„Alle Formen »bestehen aus« Kombinationen von »letzten« einfachen Alternativen.“
Carl Friedrich von Weizsäcker2
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Literatur
C.F. von Weizsäcker formuliert dazu: “Ein Faktum ist ein gegenwärtiger Sachverhalt, der als Folge oder als Ausdruck eines vergangenen Vorgangs verstanden wird. »Faktum« ist ja seiner sprachlichen Herkunft selbst ein participium perfecti, es bezeichnet das Gemachte, Getane, Geschehene; »per-fectum« ist nur das vollendete.factum«.” (Weizsäcker, C.F.v. ‘82a:220).
Die TsS (Luhmann ‘84e:55) wendet in diesem Kontext die Distinktion von Form/Kontext an, eine Distinktion, die uns nicht allgemein genug ist, und die außerdem die Nähe an das Sinnsystem Kunst mitanzeigt. Hinzu kommmt, daß uns daran liegt, Form nicht mit Selbstreferenz zu verwechseln, was zumindest die TsS nahelegt.
“Das Begreifen von Verschiedenem als Zugleichsein konstituiert den Raum”,formuliert Josef Simon (Simon ‘89:98). Siehe auch vom gleichen Autor “Sprache und Raum. Philosophische Untersuchungen zum Verhältnis zwischen Wahrheit und Bestimmtheit von Sätzen” (Simon ’69). Um Mißverständnissen vorzubeugen: bei dem von uns verwendeten Raumkonzept handelt es sich nicht um so etwas wie um ein quasi naturalistisches Raumkonzept, sondern um eine Distinktion, die Etwasse als ’Etwasse’ in dem Sinne ermöglicht, daß diese ’Etwasse’ im Modus des unterschiedlichen Zugleichseins beobachtet werden können. DaB man beispielsweise von unterschiedlichen nicht-euklidischen Geometrien sprechen kann, impliziert bereits die Raumdistinktion als eine Distinktion, die Unterschiedliches eben im Zugleichsein ’vorstellt’.
Wir können im Rahmen der Zeitdimension formulieren: ‘Form’ bringt den perfektischen,’Selbstreferenz’ den futurischen Aspekt der Einheit der Distinktion von Differenz und Unterscheidung zum Ausdruck.
DaB Form - als bereits gebildete, vergangene Form - mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht kollidiert, macht Carl Friedrich von Weizsäcker einsichtig: es läßt sich demonstneren, “…daß unter geeigneten Voraussetzungen gestaltenreichere Zustände zugleich die wahrscheinlicheren sind. Unter diesen Voraussetzungen ist das Wachstum der Gestaltenfille der thermodynamischen Irreversibilität nicht entgegengesetzt, sondern ein Spezialfall von ihr.” (Weizsäcker C.F.v. ‘85:174). Das Problem ist ja, daß man Entropiewachstum in Verbindung mit Unordnung und so mit Formlosigkeit setzt: “Der Eindruck eines Konflikts zwischen Gestaltentwicklung und zweitem Hauptsatz ist… nur die Folge einer im allgemeinen unzutreffenden, aus einigen Beispielen verallgemeinerten Gleichsetzung der Entropie mit einem Maß gestaltenarmer Gleichförmigkeit. Der Wärmetot wäre, hinreichend niedrige Temperatur vorausgesetzt, nicht ein Brei, sondern eine Versammlung von komplizierten Skeletten.” (ebd., 178).
Nicht ohne Grund bemerkt C.F. v. Weizsäcker: “Ich gebrauche das Wort »Gegenwart« im Sinne zugleich räumlicher und zeitlicher Präsenz (RJ).” (Weizsäcker, C.F.v. ‘82a:208, Anm.). Es sei hervorgehoben, daß das, was Hegel ’sinnliche Gewißheit’ oder ’Wissen des Unmittelbaren’ nennt, in enger Verwandtschaft mit der erwähnten Verschränkung der Sinndimensionen von Raum und Zeit steht: “Der konkrete Inhalt der sinnlichen Gewißheit läßt sie unmittelbar als die reichste Erkenntnis, ja als eine Erkenntnis von unendlichem Reichtum erscheinen, fir welchen ebensowohl, wenn wir im Raume und in der Zeit (RJ), als worin er sich ausbreitet, hinaus-, als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle nehmen und durch Teilung in dasselbe hineingehen, keine Grenze zu finden ist.” (Hegel ’70,3:82). Heidegger, Bezug nehmend auf Hegels Begriff von ’sinnlicher Gewißheit’ meint, daß der Begriff ’das Vorhandene’ aussagt: “…sagt die Vorhandenheit des Vorhandenen aus…” (Heidegger ’80:78/79), was in Hegels Terminologie ’das Aussagen des Seins’ bedeuten würde. Man könnte mit Georg Picht formulieren: Die Wahrheit des Seins ist die Epiphanie der Ewigen Gegenwart (Picht ’69a,2).
Klassisch hierzu Gregory Bateson, der die Distinktion des Unterscheidens beschreibt: “Was aber ist ein Unterschied? Ein Unterschied ist ein sehr spezieller und dunkler Begriff. Ganz sicher ist er kein Ding oder Ereignis. Dieses Stück Papier unterscheidet sich von dem Holz dieses Lesepults. Es bestehen viele Unterschiede zwischen ihnen - in der Farbe, Struktur, Gestalt usw. Wenn wir aber anfangen, nach der Lokalisierung (RJ) dieser Unterschiede zu fragen, geraten wir in Schwierigkeiten. Offensichtlich ist der Unterschied zwischen dem Papier und dem Holz nicht im Papier; er ist eindeutig nicht in dem Holz; er ist sicher nicht in dem Raum zwischen ihnen, und er ist gewiß nicht in der Zeit zwischen ihnen (…). Ein Unterschied ist also etwas Abstraktes.” (Bateson ‘83:580/581). Und wenn Unterschiede im Bateson’schen Sinne die Grundlage für die Generierung von Information bilden, dann muß Information ebenfalls etwas sehr Abstraktes sein. Unterschied als eine bestimmte Form von Distinktion, nämlich als asymmetrische Distinktion, ist nur im Bereich der sachlichen Sinndimension auffindbar. Insofern als jegliche kognitive Form Sachlichkeit in Form von Distinktion beinhaltet, kann behauptet werden, daß bereits ’einfaches Leben’ eine sachliche Sinndimension hat.
Die TsS bemerkt daher in diesem Kontext mit Recht: “Mit George Spencer Brown kann man…zeigen, daß die Operation des Negierens durch den Gebrauch einer Unterscheidung ermöglicht wird (und nicht, wie ein Logiker meinen müßte, umgekehrt!). Wenn man negieren will, muß man das, was man negieren will, zuerst unterscheiden können.” (Luhmann ‘80a:39)
Die Frage nach einer »Nichtdistinktion« kann nur durch Erschließung der Überlegung, daß es etwas als ‘etwas’ nur auf der Grundlage von mindestens vier Elementen/Ereignissen geben kann, beantwortet werden. Was dann eine tatsächliche Nichtdistinktion ist und ob sie realiter aus zwei oder drei Elementen besteht, können wir letztendlich nicht wissen, weil wir die Form einer »Nichtdistinktion« nur auf der Grundlage von Distinktionen bestimmen können.
Etwas, was die TsS gänzlich übersieht, wenn sie den ‘ersten Anfang’ mit Hilfe nur einer Distinktion macht, einer Unterscheidung nämlich, die nur strikt asymmetrisch prozessieren kann. Daher meinen wir, daB die TsS entgegen ihrer eigenen Absicht monologisch ansetzt: ein in der Tat unrealistischer Konstitutionsbeginn von GESELLSCHAFT als Kommunikation.
Es ist im übrigen ein wesentliches Problem der schriftlichen und verbalen KOMMUNIKATION, daß sie die `Leitdimension nur evozieren, nicht aber tatsächlich darstellen kann. In diesem Kontext stellt Konrad Lorenz fest: “Es ist mehr als wahrscheinlich, daß das gesamte Denken des Menschen aus diesen von der Motorik gelösten Operationen im »vorgestellten« Raum seinen Ursprung genommen hat, ja, daß diese ursprüngliche Funktion auch für unsere höchsten und komplexesten Denktakte die unentbehrliche Grundlage bildet. Es gelingt mir nicht, irgendeine Form des Denkens zu finden, die vom zentralen Raum-Modell unabhängig wäre. In der Anschauung, daß alles Denken seiner Herkunft nach räumlich ist, bestärkt uns die Sprache.” (Lorenz ‘74b:230). Siehe auch (Bollnow’84). Dies würde bedeuten, daß das Reden bzw. Schreiben über Zeitphänomene nur über Verräumlichungsmetaphern gelingen kann. Es ist allerdings zu beachten, daß gerade das Denken eine nichträumliche Dimension besitzt und somit relativ unabhängig von verbaler oder schriftlicher Sprache ist: das Denken ist, außer im »Denken selber«, nirgends lokalisierbar. Hannah Arendt merkt an: das ’Wesenhafte’ des Denkens “…ist das überall Anwendbare, und dieses »überall«, das dem Denken sein besonderes Gewicht verleiht, ist, räumlich gesprochen, ein »Nirgends«. Das denkende Ich, das sich unter Universalien, unter unsichtbaren Essentien bewegt, ist, streng genommen, nirgends; es ist heimatlos in einem ganz nachdrücklichen Sinne…” (Arendt ‘79:195). Zu beachten ist, daß wir mit Denken nicht Vorstellen meinen, sondern den Prozeß der Konstituierung von Gedanken. Die Vorstellung steht in enger Relation zur leiblichen Wahrnehmung: sie ist die reflexive Form der Wahrnehmung, während die ’Idee’ als die reflexive Form der Gedanken aufgefaßt werden kann. Daß hier überhaupt eine Distinktion vorliegt, muß man erst sehen lernen. Man könnte im Anschlug an Immanuel Kant von einer immateriellen und einer materiellen Anschauung sprechen, obwohl wir diese begriffliche Fassung nicht fir besonders gelungen halten: “…die Vorstellung, die die Seele des Menschen von sich selbst als einem Geiste durch ein immaterielles Anschauen hat, indem sie sich in Verhältnis gegen Wesen von ähnlicher Natur betrachtet, ist von derjenigen ganz verschieden, da ihr Bewußtsein sich selbst als einen Menschen vorstellt, durch ein Bild, das seinen Ursprung aus dem Eindrucke körperlicher Organe hat, und welches in Verhältnis gegen keine andere als materielle Dinge vorgestellt wird.” (Kant ‘77a4:9461947 [A48/A49]).
Merkwürdig genug ist es ja, daß wir Zeitkonzepte wie ‘später’ oder ’früher’ semantisch in zeitloser Form verwenden: wir »sagen« ja nur ’gestern’ oder ’morgen’. Andererseits bietet uns die verbale/schriftliche KOMMUNIKATION durch ihre sequenzielle Struktur die Möglichkeit, zwischen dem, was wir vor einer Stunde gesagt haben und dem, was wir womöglich nach einer Stunde sagen werden, zu distingieren. Dabei ist die Richtung der KOMMUNIKATIVEN Sequenz (von verbaler und schriftlicher KOMMUNIKATION wohlbemerkt!) unumkehrbar: was wir gesagt haben, haben wir eben gesagt. Wir können es zwar revidieren, aber gesagt haben wir es so, wie wir es gesagt haben.
“Das für diese Fragen (gemeint sind die logischen Grundlagen von Selbstreferenz, die wir [ TgS] als Verschränkung der Distinktionen ‘Differenz’ und ’Unterscheidung’ mit Hilfe der Zeitdimension deuten RJ) entscheidende Werk von George Spencer Brown (…) ist nahezu unbekannt geblieben… Ein renomierter deutscher Verlag hat sich mangels Empfehlung durch Philosophen nicht zur Ubersetzung seines Buches entschließen können. In den Universitätsbibliotheken sucht man den grundlegenden Text, obwohl vorhanden, vergeblich, weil Spencer Brown es vermeidet, seinen Namen durch einen Bindestrich zu verbinden und damit erreicht, daß seine Publikation unzutreffend unter dem Allerweltsnamen Brown geführt wird. Die wichtigste Rezension ist in einem Großhandelskatalog fir möglicherweise unverkäufliche Waren erschienen” (Luhmann ’88a:47). Besagte Rezension schrieb im übrigen Heinz von Foerster.
Es sei hier an das Programm von Carl Friedrich von Weizsäcker erinnert, der das Ziel verfolgt, so etwas wie eine ‘Einheit der Natur’ aufzeigen zu können. Siehe sein programmatisches Werk “Die Einheit der Natur. Studien.” (Weizsäcker, C.F.v. ’84), aber auch die bereits 1965 erschienenen Arbeit ’Die Einheit der Physik als konstruktive Aufgabe’ (Weizsäcker, C.F.v. ’70:372–388). Wir glauben, daß sich Ahnliches im Bereich der Gesellschaft zeigen läßt, wobei ein wesentliches Ziel dieser Arbeit darin besteht, eine solche Möglichkeit aufzuzeigen. Insofern ist die Aufgabe unserer Arbeit eine im wesentlichen konstruktive Aufgabe, wenn nicht sogar eine re-konstruktive, da wir auf bereits Geleistetes aufbauen in der Absicht, es zu einer möglichen Einheit zu verbinden.
Einige dieser Paarbegriffsbildungen sind aus (Habermas ‘69a:60/61) entnommen. Dort relativiert Habermas Parsons’ Katalog von Wertorientierungen mit dem Argument, daß sie nicht alle möglichen fundamentalen Gesellschaftsentscheidungen erschöpfen, sondern nur auf die Analyse eines historischen Vorganges zugeschnitten sind, nämlich auf den Ubergang von der traditionellen zur modernen GESELLSCHAFT.
»System« ist zwar nicht ohne »Umwelt« zu denken, aber »Lebenswelt« ist nicht gleich »Umwelt«. Zur problematischen Verwendung des Lebensweltkonzeptes der TkH siehe u.a. (Matthiesen ‘85:32ff.) und (Kiss ‘87:63ff.).
Es sei hier auf den Umstand hingewiesen, daB es die TsS auf Grund des allzu bestimmten Charakters ihrer Leitdistinktion System/Umwelt zumindest schwer hat, KOMMUNIKATION in ihrer Vielfalt zu berücksichtigen, während die TkFI auf Grund der Inkonsistenz ihrer Leitdistinktion Lebenswelt/System in der Lage ist, die Vielfalt von KOMMUNIKATION zu präsentieren. Mit dem Vorschlag der Leitdistinktion Differenz/Unterscheidung im Rahmen einer TgS wollen wir zeigen, daß logische Konsistenz, ein angemessenes Maß an Bestimmtheit und die Erfassung von KOMMUNIKATION theoriebautechnische Ansprüche sind, die durchaus gemeinsam eingelöst werden können.
Zur Funktion von Funktion einerseits und Äquivalenzsetzung von Funktion und Beziehung andererseits siehe (Watzlawick/Beavin/Jackson ‘85:24–29).
Siehe hierzu (Claessens ‘70:144/145), aber auch Luhmann: “DaB von Generalisierung und Spezifikation gesprochen wird… besagt: daB es nicht einfach auf breite, flächendeckende und zunehmend unbestimmte Symbole ankomme, sondern daB Generalisierungen wegen ihres Respezifikationspotentials benötigt und im Hinblick darauf ausgesucht würden.” (I,uhmann ‘78:74/75). Dies ist natürlich auch ein Grundgedanke von Talcott Parsons.
Zentral für unsere Arbeit sind vor allem die Beiträge von Herbst (Herbst ‘76), Glanville (Glanville ’88), Varela (Varela ‘75), (Varela ‘79) und Luhmann (Luhmann ’84), (Luhmann ’90), (Luhmann ’90a).
“We take as given (RJ) the idea of distinction (RJ) and the idea of indication (RJ)” (Spencer Brown ’ 69:1).
“…we cannot make an indication without drawing a distinction. We take, therefore, the form of distinction for the form.” (Spencer Brown ‘69:1).
C.F. v. Weizsäcker formuliert diesbezüglich: “Daß wir Objekte aus dem Weltganzen sinnvoll gedanklich herauslösen können, versteht sich nicht von selbst. Diese Herauslösung enthält ja immer einen Fehler, da in Wahrheit alles mit allem zusammenhängt.” (Weizsäcker, C.F. v. ‘70:383).
Wir machen darauf aufmerksam, daß wir hier den operativen Zugang diskutieren. Ein distinktionstheoretischer Zugang würde bedeuten, daß wir die Distinktionen ‘Unterscheidung’ und ’Differenz’ über den Zuschreibungsmodus definieren. Dabei gilt, daB eine Unterscheidungszuschreibung den in Frage kommenden Sachverhalt als asymmetrisch, eine Differenzzuschreibung aber als symmetrisch bestimmt. Ahnliches ließe sich auf der Ebene von Gesellschaftstheorie mit den Distinktionen HANDLUNG und KOMMUNIKATION formulieren.
Wir übernehmen in etwa die Formulierung der TsS. Siehe vor allem (Luhmann ‘88a:48) und (Luhmann ’90d).
“Aus einer Einheit entsteht eine Differenz, in der das, was die Einheit war, als Gegenteil seines Gegenteils wieder vorkommt.” Als Beispiele nennt die TsS: Aus der Einheit Familie entwickelt sich die Differenz Familie/Korporation (Durkheim), aus dem Heiligen gehen das Heilige und das Irdische hervor, aus dem Fichteschen Ich geht die Differenz von Ich und Nicht-Ich hervor, aus Adam entstehen via Rippenstück Adam und Eva. Dabei hat dasjenige Moment Vorrang, welches die Kontinuität zum Ursprung wahrt. Mit Dumont (Dumont ‘83) hält die TsS dieses Emanationskonzept für das Ergebnis einer genuin hierarchischen Denkhaltung (Luhmann ‘88a:51/52). Wir sehen im Konzept einer »unterscheidenden Bezeichnung« ebenfalls ein Emanationskonzept vorliegen.
“Niklas Luhmann war so großzügig, sich für meine Arbeiten zu interessieren, sie sorgfältig zu lesen und vorzuschlagen, sie einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Dirk Baecker unternahm es, mich davon zu überzeugen, daB meine anglo-irische Art zu denken ins Deutsche übersetzt werden könne und daB er diese Arbeit übernehmen wolle.” (Glanville ‘88:15).
“Doch setzen Unterscheidungen einen Agenten voraus, der sie trifft. Was unterscheidet dann den Agenten (den Unterscheider)? Das ist die erste Schwäche.” (Glanville ‘88:150).
“Unterscheidungen setzen einen Raum voraus, in dem sie getroffen werden. Was unterscheidet dann den Raum? Das ist die zweite Schwäche.” (Glanville ‘88:150).
Die Unterscheidung ist eine Markierung, “…die einen Wert bezeichnet. Was unterscheidet dann zwischen Markierung und Wert, zwischen der Unterscheidung und dem, was in ihr enthalten ist (ihrer Innenseite)? Das ist die dritte Schwäche.” (Glanville ‘88:150).
“Das Problem des Agenten (= Beobachters RI) verschwindet, wenn er als seine eigene Unterscheidung entsteht; danach mag er andere Unterscheidungen treffen.” (Glanville ‘88:152).
(Glanville ‘88:170/171). Enthalten in einer Arbeit, die Ranulph Glanville zusammen mit Francisco J. Varela verfaßt hat.
“Täte sie dies, gäbe es kein Problem des Inhalts, denn der Inhalt läge in der getroffenen Unterscheidung selbst.” (Glanville ‘88:153).
“…von all den Arbeiten über Autopoiesis hat sich keine mit ihrem Ursprung als einer Erklärung beschäftigt… In diesem Artikel wird das Konzept der Autopoiesis mit dem allgemeineren und formaleren eines O¢jekts verbunden…” (Glanville ‘88:61).
Für die Aquivalenz dieser unterschiedlichen Probleme siehe: (Teubner ‘87b). Dort geht Gunther Teubner auf die unterschiedlichen Ansätze zur Erklärung von autopoietischer bzw. selbstreferentieller Emergenz ein.
Siehe in diesem Kontext die klassische Arbeit von (Maturana/Varela/Uribe ‘85:157–169) enthalten in: (Maturana ‘85).
“Objekte sind gedankliche Konstrukte und sollten nicht mit irgendeiner Art materieller Substanz verwechselt oder in der Natur gesucht werden” (Glanville ‘88:11).
“It is in this context that a discovery by Spencer-Brown (1969) turns out to be a remarkable step forward in the history of Western thought. He finds that the making of a primary distinction (RJ), which is the unexamined given in each of these theories (Idealismus, Empirismus and Kant’scher Ansatz RJ), is by itself sufficient to generate the structure of logic. If then the primary distinction, say into an internal and external world is made, and this by itself is sufficient to generate the structure of logic, then the structure in terms of which phenomena are apprehended can be located neither in an internal or subjectiv world nor in an external or objectiv world, and in this case both idealist and materialist type theories can be rejected. The work of Spencer-Brown has clearly ramifications in almost all branches of human thought, and is likely in time to lead to basic reformulations of Western philosophies.” (Herbst ‘76:85/86).
»Distinktion« ist unsere (TgS) Terminologie. Herbst verwendet durchgehend die Unterscheidungssemenatik.
Man müßte hier mit der Distinktion ‘Leere/Fülle’ arbeiten, womit ersichtlich wird, daß es nur hinsichtlich von ’Fülle’ auch ‘Leere’ geben kann und umgekehrt.
“The point of departure is a world in which nothing definable exists, and which is thus void of any distinguishable characteristics. The characteristics of the primary distinction which as we have seen leads to the simultaneous genesis (RJ) of three (RJ) distinguishable components can be stated in the following axiom: Therimary conceptual unit is given as a triad of distinguishable undefined components, which are definiable in terms of one another.” (Herbst ‘76:90).
Siehe hierzu die Sätze vom Widerspruch und vom ausgeschlossenen Dritten für HANDLUNGEN bei Carl Friedrich von Weizsäcker (Weizsäcker, C.F.v.’77:302), die wir weiter unten eingehender besprechen und in das Konzept der Distinktionspragmatik (bezieht sich auf die Distinktion von Distinktion und Operation) integrieren.
Herbst nimmt, bezogen auf das Phänomen der Emergenz von Distinktionen, eine ähnliche Position ein, wenn er, auf die Relationierung der Anfangselemente Bezug nehmend, formuliert: “The characteristics of the primary distinction which as we have seen leads to the simultaneous genesis (RJ) of three (RJ) distinguishable components…” (Herbst ‘76:90).
Wir verwenden dieses Konzept der multiplen Konstitution oder doppelten Kontingenz in einer etwas anderen Fassung als die TsS. Siehe aber (LuhN’84:65ff.). Zur Begriffsfassung im Rahmen einer Distinktionstheorie siehe das Kap. III über Selbstreferenz.
Einheit definieren wir - wie stets - als Einheit der Distinktion von symmetrischer Differenz und asymmetrischer Unterscheidung.
Die Verbindung zwischen den Ansätzen Günthers und denen der TsS scheint über die Person von Helmut Schelsky stattgefunden zu haben. Siehe z.B.: “Die noch weitgehend verdeckte Geschichte der deutschen Soziologie zwischen 1933 und 1945 muß Schelsky die ersten Anregungen gegeben haben. Seine Bekanntschaften mit Hans Freyer und mit Arnold Gehlen, aber auch mit Gotthard Günther gehen auf diese Zeit zurück. ” (Luhmann 84g:1).
(Beauvoir ‘83:229). Auf der Grundlage einer operativen Distinktionstheorie argumentieren wir, dab durch das Ausbleiben von Operation innerhalb einer Sinnwelt eine ’Leerstelle’ entsteht, die zur Emergenz von Beobachtung Anlaß gibt. Insofern besteht diesbezüglich eine gewisse Ahnlichkeit mit der BewuBtseinstheorie von Jean-Paul Sartre. Siehe vor allem Kap. I.B.1. über Operation und Form.
Siehe aber (Günther ‘79,2:288/289)
Rupert Riedel formuliert: “Zwar würfelt Gott, wie wir wissen, aber er folgt nicht minder seinen Gesetzen. Aus dem quantitativen Wachsen hierarchisch determinierter Schichten entstehen neue Qualitäten.” (Riedel ‘84a:123).
“…we have defined a contexture, by reference to the TND (Tertium Non Datur RJ), as a domain the boundaries of which cannot be crossed by processes taking place within the range of the domain…” (Günther ‘79,2:290).
“If we consider such a point of intersection as belonging to two contextures…the point will still only be able to be occupied by two values but they may now belong to two different contextures…one value may belong to one and the other value to the other contexture…” (Günther ‘79,2:291).
Zu einem ähnlichen Konzept von Medium und Form siehe (Luhmann ‘87c:202/203), (Luhmann ‘87a:81ff.), (Heider ’26). Das gedankliche Experimentieren mit dieser Distinktion ist deswegen besonders interessant, da Formen ebenfalls zu Medien werden können. So werden über das Medium der visuellen Wahrnehmung wahrnehmbare Formen konstituiert, die ihrerseits - und spezifisch ausgerichtet - als Medien für die Formung von Kunstwerken im Kunstsystem dienen können. Letztere wiederum können ihrerseits als Medien für geldliche Spekulationen im Wirtschaftssystem eine Rolle spielen usw.
Zum Konzept des ‘Passens’ oder ’pattern-matching’ siehe die klassische Arl eit von Donald Campbell (Campbell ’66), aber auch Konrad Lorenz, der auf das Problem einer Ubertragung des pattern-matching-Konzeptes ins Deutsche aufmerksam macht: “»Pattern« heißt, neben der Bedeutung von Muster, auch Anordnung, Konfiguration, niemals aber Muster im Sinne von Beispiel, wie etwa im Worte Musterkollektion. Muster in diesem Sinne heiBt auf englisch »sample«. Ahnlich schwer ist das Verbum »matching« zu übersetzen. Es bedeutet ein vergleichendes, ja abmessendes Gegenüberstellen mit der deutlichen Nebenbedeutung, daß dieser Vergleich dem Feststellen und Herausheben von Unterschieden dient, wie dies bei jedem Wettbewerb, beim »Match« zweier Fußballmannschaften oder zweier Boxer der Fall ist. Der Ausdruck »pattern matching« ist eine völlig ungekünstelte, der Umgangssprache entnommene und vollkommen zutreffende Bezeichnung für den in Rede stehenden Erkenntnisvorgang, wenn auch leider unübersetzbar.” (Lorenz ’73:38–40, hier 39).
So z.B. durch Alwin Gouldner oder Ralf Dahrendorf, siehe das Kap. V über Theoriearchitektoniken.
Auch als Kontradiktions-Prinzip bekannt. Aristoteles formuliert: “…wir…haben angenommen, es sei unmöglich, daß etwas zugleich sei und nicht sei” (Aristoteles ‘66:74, 1006a). Oder als Kurzform: A ist nicht nicht-A.
Die aristotelische Formulierung lautet: “Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-seiende sei nicht, ist wahr. Wer also ein Sein oder ein Nicht-sein prädiziert, muß Wahres oder Falsches aussprechen. Man sagt aber von dem Seienden nicht, es sei nicht oder sei, und ebensowenig von dem Nicht-seienden.” (ebd., 88, 1011b). Oder: A oder nicht-A, ein Drittes gibt es nicht.
Man darf, bedingt durch die scheinbar triviale Aussage, daß jegliches ‘System’, wenn es operiert, in der Gegenwart operiert, nicht versessen, wie zentral diese Annahme letztendlich ist: operiert das ‘System’ nicht, so hört es auf zu existieren.
Wir benötigen das Konzept der ENTSCHEIDUNG, um zu verdeutlichen und außerdem nicht vergessen zu lassen, daß ENTSCHEIDUNGEN Distinktionen implizieren, da nur unter einer solchen Voraussetzung eben »entschieden« werden kann. Alternativ dazu bieten wir das Konzept einer Wahlreaktion an, welches im Bereich der kognitiven Neurobiologie Anwendung findet, so bei Ernst Pöppel (Pöppel ‘85:36ff.). Man sollte sich deutlich vor Augen führen, daß Wahlreaktionen bzw. ENTSCHEIDUNGEN bereits auf der ’untersten’ physiologischen Ebene wirksam sind: “Zwar entzieht sich die Diskontinuität (RJ) des Identifizierens und des Entscheidens unserem Bewußtsein, aber die experimentellen Hinweise sind eindeutig, daB wir - bei einer Periode der Gehirn-Oszillation von 0,03 bis 0,04 Sekunden - in einer Sekunde nur etwa 30 Identifikationsmöglichkeiten und Entscheidungspunkte haben. Daß uns dies nicht bewußt ist, braucht nicht zu stören” (ebd., 42).
’sich selbst’ meint, daB sich auf Grund der Prozessierung beider Distinktionen Sinn in Form von Erwartungsstruktur ablagern kann, mit der Folge von dauerhafterer Sinnsystembildung.
Gregory Bateson formuliert etwas mißverständlich (weil scheinbar auf Bewußtsein einschränkend): “In der Welt des Geistes kann Nichts - das, was nicht ist - eine Ursache sein… Der Brief, den man nicht schreibt, kann seine wütende Erwiderung auslösen…” (Bateson ‘83:581).
Genaugenommen handelt es sich zunächst um eine Distinktion. Die Form der Beobachtung kommt erst dann zustande, wenn bereits eine Erstoperation stattgefunden hat. Einfachheitshalber lassen wir die wichtige, aber in diesem Kontext subtile, Distinktion von Distinktion und Beobachtung außer acht.
“Die Frage nach dem Verhältnis von Einzelnem und Begriff ist…eine Teilfrage der Frage nach dem Sinn der Logik.”(Weizsäcker, C.F.v. ‘77:295).
Ernst Tugendhats hier besprochene Arbeit ist selbst ein Beleg für diese Annahme.
C.F. von Weizsäcker spricht in diesem Kontext von dem Phänomen der »Mit-wahmehmung«: ’…daß wir im Einzelfall das Allgemeine wahrnehmen.“(Weizsäcker, C.F.v. ‘77:312).
Zur Erinnerung: Jede Distinktion besteht aus zwei Seiten. In diesem Sinne ist zu sagen: der Aussagesatz besteht aus zwei Seiten (Subjekt/Prädikat), die ihrerseits jeweils aus zwei Seiten bestehen: ‘blinder Fleck’/Bestimmtes und Aktualität/Möglichkeit.
Man kann hier, wo es um das logische Problem der Gewißheit a priori geht, an Immanuel Kant erinnern, der die Distinktion von analytischen und synthetischen Urteilen einführt. Dabei versucht Kant, diese Unterscheidung an der prädikativen Satzform deutlich zu machen. Ein analytisches Urteil ist ein Urteil, dessen Prädikat nur das ausspricht, was im Begriff des Satzsubjekts bereits enthalten ist. Ein synthetisches Urteil wiederum fiigt prädikativ dem Subjektbegriff etwas hinzu. Daher sind analytische Urteile gewiß, Urteile a postenori aber synthetisch. Das eigentliche Problem nun, welches sich für Kant in der Folge stellt, lautet: Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? Dies sei hier kurz ins Gedächtnis gerufen, um die Prominenz des abzuhandelnden Problems zu verdeutlichen. Siehe (Weizsäcker, C.F.v ‘77:295/296).
Siehe die ausführliche Behandlung von Strawson durch Tugendhat in: (Tugendhat ‘79:380407).
Folgendes Beispiel fuhrt C.F. von Weizsäcker an: “’Es regnet’. Wo denn? ‘Hier’. Also im Umkreis des Sprechers.” (Weizsäcker, C.F.v. ’77:299).
Hierzu sagt von Weizsäcker: “In jedem Begriff ist eine Mit-wahmehmung von Einheit, aber die Einheit selbst kann nicht direkt durch Begriffe beschrieben werden, denn dies liege sie von der Vielheit abhängen; Vielheit jedoch, wie sie in Begriffen beschrieben wird, beruht auf der begleitenden Einheit. ”(Weizsäcker, C. F.v. ‘77:185).
Siehe neuerdings Georg Lohmann, der Indifferenz als »gleiche Gültigkeit« und als »Unbestimmtheit« verwendet (Lohmann ‘81:21). Da wir die Funktion von Differenz als einer symmetrischen Distinktion in der Emulierung von Unentschiedenheit und somit von Wahlmöglichkeit sehen, geraten wir mit diesem semantischen Manöver in die Nähe dessen, was Lohmann als »gleiche Gültigkeit« meint.
(Luhmann ‘80d:11). Man könnte hier bereits fragen, wie eine solche Operation überhaupt dazu kommt, eine Unterscheidung zu prozessieren. Wenn man Beobachtung in dieser Weise definiert, verschwindet gerade dadurch die Grundlage des Unterscheidens, nämlich ’distinction’ als ’perfect continence’ im Sinne von Spencer Brown oder Differenz im hier vertretenen Sinne einer seitenneutralen Distinktion.
Bei einer Unterscheidung (’dies, nicht das’) wird alltagsmäßig nur eine Seite bezeichnet, die andere kann nur beobachtet werden, wenn auf die Unterscheidung reflektiert wird. Wenn ich ‘Ich’ sage, so meine ich mich als Unterscheidung im Sinne von: ’nicht die Anderen, sondern Ich’. Will man eine Unterscheidung ausdrücklich vollziehen, so muß man die ausgeblendete Seite der Distinktion mitbeobachten. Allerdings eine mühsame Angelegenheit, die bald jegliches HANDELN zum Erlahmen bringen würde, da ja gerade die Besonderheit des HANDELNS darin besteht, Unterscheidungen und somit ein-seitige Distinktionen zu prozessieren, die eine solche Dauerbeobachtung der vollständigen Distinktion ’Unterscheidung’ ausblenden.
Hier ist Zweifel im Sinne von Zweifel als Sehen zweier Möglichkeiten gemeint, also Zwiefalt. Siehe hierzu (Weizsäcker, C.F.v. ‘77:303).
Es sei noch einmal daran erinnert, daß in einer Sinnwelt Sinnlosigkeit ja ebenfalls Sinn trägt, indem nämlich die Abwesenheit von Sinn selbst wiederum auch einen bestimmten Sinn darstellt.
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Jokisch, R. (1996). Form. In: Logik der Distinktionen. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 171. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10681-4_2
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