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Über Institutionalisierung, verbleibende Kontingenz und mögliche Freiheit

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Kritische Theorie und historische Politik

Part of the book series: Kieler Beiträge zur Politik und Sozialwissenschaft ((KBZPUS,volume 8))

  • 127 Accesses

Zusammenfassung

Heute endet Leben gleich am ehernen Tor der Institutionen, ehe es richtig begonnen hat; jedenfalls scheint es den meisten so, als wäre ihr Wünschen und Träumen deren ‚ehernen Gehäusen‘ entgegengestellt und könnte sich in ihnen und durch sie nicht authentisch behaupten. Daran ist soviel richtig: Alles soziale oder politische Leben wird dem Individuum in der heutigen Welt institutionell vorgeprägt, das heißt genormt und durch Vorschrift geregelt. Wer mitmachen will, sich einzumischen gedenkt, der findet die Pfade seines Engagements ausgetreten. Noch der Protest, der sich gegen den als verfestigt wahrgenommenen Zustand richtet, verläuft schnell in den Bahnen des konventionellen Rituals einer Gegenöffentlichkeit, die dem, der dort mitmachen will, Anpassungsleistung abverlangt oder ihm als Zwang entgegentritt. Wenn G. Anders (1980, Bd. 2, 204) feststellt: „Denn was uns konform macht, ist kein ‚wer‘ mehr, sondern ein ‚was‘ ...“, so wäre das auch auf dieses Alltagsbewußtsein einer ‚verwalteten Welt‘ anzuwenden, dem nicht mehr gegenwärtig ist, welche menschliche Praxis sie schuf und beständig reproduziert und ‚wer‘ es ist, der folglich über sie verfügt.

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Anmerkungen

  1. „Der destruktive Charakter kennt nur eine Parole: Platz schaffen: nur eine Tätigkeit: räumen ... Zu solchem apollinischen Zerstörerbilde führt erst recht die Einsicht, wie ungeheuer sich die Welt vereinfacht, wenn sie auf ihre Zerstörungswürdigkeit geprüft wird ... Dem destruktiven Charakter schwebt kein Bild vor ... Der destruktive Charakter tut seine Arbeit, er vermeidet nur schöpferische“ (Benjamin 1972b, 396 f.). Dieser 1931 geschriebene Text wäre heute erneut und entgegen seiner ursprünglichen Intention zu prüfen, ob das „apollinische Zerstörerbild” nicht heute in den Machtzentren nistet, wo die Welt ja nicht nur ,ungeheuer vereinfacht` wahrgenommen, sondern auch ganz praktisch vorbereitend „auf ihre Zerstörungswürdigkeit geprüft wird“ — jedenfalls auf jeder Hälfte des schrecklichen Duopols jeweils die „Zerstörungswürdigkeit” der anderen Hälfte. ,Erfolg` hätten sie freilich jeweils ganz.

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  2. Wie unreflektiert die zu Unrecht als ,institutionalistisch’ chrakterisierte Politikwissenschaft mit dieser soziologischen oder anthropologischen Theorie von Institutionen umgeht, habe ich an anderer Stelle besprochen. (Greven 1983b)

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  3. Eine solche Minimaldefinition holt den Institutionenbegriff alltagsweltlich ein, wie das beipielhaft, wenn auch mit einem anderen Theoriekonzept als hier — E.E. Lau in ihrer Definition getan hat: ,,,Institutionalisierung` soll der Prozeß heißen, in dem lebensweltlich Handelnde durch das Ineinanderpassen ihrer Handlungsperspektiven Sinnzusammenhänge schaffen. ,Institutionen` sollen die sozialen Objekte alltagsweltlichen Handelns heißen, die sich in ,Institutionalisierungsprozessen` konstituieren und denen aufgrund historischer Bewährung und Verankerung in persönlichen und gesellschaftlichen Wissensvorräten Geltung verliehen worden ist“ (1978: 50). Es gehört nun aber gerade zur historischen Verdinglichung, daß so wie die Politik den meisten nicht zum Alltag gehört, so auch der Politikwissenschaft die alltagsweltliche Konstitution ihres ,Gegenstandes’ nicht mehr bewußt ist.

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  4. „Nur als unerkannte Natur, als blinde Notwendigkeit wirkt das Gesellschaftliche zerstörend ... Es gilt, die unbeherrschte gesellschaftliche Natur, den sozialen ,Überorganismus`, dem Menschen dienstbar zu machen, nicht bloß die Erde, sondern jetzt auch die Gesellschaft zu durchdringen“ (Horkheimer 1972, 79).

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  5. Gerade die Konstitution des Rechts ist natürlich für den Zusammenhang einer Theorie politischer Institutionen von zentraler Bedeutung — denn das Recht ist eine politische Institution par excellence. Siehe dazu immer noch vortrefflich H. Heller, wo es u.a. heißt: „Alle gesellschaftlichen Normordnungen sind Beschränkungen der Willkür; das Recht ist es als Verbot der Willkür im Sinne von Ungerechtigkeit ... Alle gesellschaftlichen Normordnungen verdanken ihr Entstehen und Bestehen menschlichen Willensakten.“ (1971, 291) Wo das Letztgemeinte nicht mehr gesellschaftlich bewußt ist oder bewußt gemacht wird, tritt der hier gemeinte Zustand einer verdinglichten Institution auf.

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  6. Es muß hier klar sein, kann aber bloß unterstellt werden, daß gerade die vernünftige Gestaltung der menschlichen Gesellschaft’ weder bei einem bloß ,abrufbaren’ Begriff ,objektiver Vernunft` ansetzen könnte, noch die bloße wechselseitige Abklärung ,subjektiver Vernunft` vermittels demokratischer oder demoskopischer Methoden einen Ausweg bietet: zu diesem Dilemma als andauernder Krise der Gegenwart M. Horkheimer 1967, bes. S. 1562 („Mittel und Zwecke“)

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  7. Diese ,Geltungsansprüche’ sind freilich bloß politischer Natur und die transzendentalpragmatische Rückkopplung an den Wahrheitsbegriff, wie sie J. Habermas (1981) zu begründen versucht, ist nur in ihrer demokratietheoretischen Lesart, nicht aber in ihrem Integrationsversuch von Konsens-und Wahrheitstheorie überzeugend, der tendenziell hinter die selbstreflexiv gewordene Aufklärung zurückfallt.

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  8. P.L. Berger/T. Luckmann 1971, deren Kapitel über „Institutionalisierung“ wohl die beste Einführung in eine nicht ontologisierende allgemeine Institutionentheorie darstellt, weisen zu Recht darauf hin, daß die „Legitimation (von Institutionen, M.G.) sowohl eine kognitive als auch eine normative Seite hat”, daß aber die normative Komponente dieser Legitimation aus der pragmatischen resultiere (100). Das heißt, daß keine historisch gebildete politische Institution ,einen Wert an sich` darstellt.

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Greven, M.T. (1994). Über Institutionalisierung, verbleibende Kontingenz und mögliche Freiheit. In: Kritische Theorie und historische Politik. Kieler Beiträge zur Politik und Sozialwissenschaft, vol 8. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10573-2_12

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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