Zusammenfassung
Kriminalität ist zum zentralen Thema der Stadtpolitik geworden, die meisten lokalen Administration reagieren mit Härte. Nach den Ursachen von Kriminalität wird kaum noch gefragt, Alternativen zu Null-Toleranz haben wenig Konjunktur. Die Beiträge in diesem Band bestätigen den bedrückenden Befund. Bevor man jedoch über diese Entwicklung Klage führt, oder darüber Klage führt, dass vom mainstream abweichende Interpretationen gegenwärtig keine Chance haben, sollte man sich etwas genauer damit auseinander setzen, was eigentlich Gegenstand der Sicherheitsdebatte ist — und warum. Auf den folgenden Seiten werde ich mich deshalb zunächst mit der empirischen Basis für die Diskussion über steigende und fallende Kriminalitätsraten beschäftigen. Dabei geht es mir nicht konkret um die Dokumentation empirischer Verläufe, sondern grundsätzlich um die Aussagefähigkeit der regelmäßig präsentierten Kriminalitätsstatistiken. Man muß nicht unbedingt der These zustimmen: „Es gibt drei Sorten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken“, (Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz 2001: 17), aber beim Blick auf Kriminalitätsstatistiken und damit verbundene Wertungen ist durchaus Skepsis angezeigt.
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Literatur
Zur weiteren Auseinandersetzung mit den Problemen und Erfolgen der Dunkelfeldforschung verweise ich auf die einschlägige Literatur (Sack 1993 mit weiteren Verweisen).
Cremer-Schäfer und Steinert halten zu Recht fest, dass diese Bezeichnung irreführend ist, da es nicht um eine andere Kriminologe, sondern um die Kritik der Kriminologie geht ( Cremer-Schäfer, Steinert 1998: 19 ).
Vgl. die von Body-Gendrot und Foster (in diesem Band) angesprochene Entwicklung im Bereich des Diebstahls von Mobiltelefonen, der überdurchschnittlich häufig von Jugendlichen ausgeübt wird und wegen des direkten Kontaktes mit dem Bestohlenen in der Kategorie der Raubüberfälle gezählt wird.
Ich bin in der Darstellung von dem üblicherweise verwendeten Trichtermodell (vgl.Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz 2001: 8, s. auch Heinz 2002) abgewichen, weil es unzutreffenderweise nahelegt, dass jede Stufe Teilmenge der nächsthöheren Stufe ist. Im Ersten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei den auf den einzelnen Stufen dieses Prozesses statistisch festgehaltenen Zahlen nicht um Untermengen handelt, weil die Daten von verschiedenen Instanzen mit unterschiedlichen Klassifizierungsgrundsätzen ermittelt werden. Vergleiche absoluter Werte können sich daher nur auf die Größenordnungen beziehen ( Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz 2001: 8 ).
In der polizeilichen Praxis kann das Wissen um dieses Paradoxon zu Maßnahmen führen, die zwar nicht die Sicherheit, aber das Sicherheitsgefühl verstärken, „und das ist aus polizeilicher Sicht der letztlich wichtige Indikator.“ (Kreissl 1998: 166)
Vgl. zum „ob“ beispielsweise die Diskussion um die Nützlichkeit von Befragungen der Verbrechensopfer, die sogleich eine Debatte um die Defizite der Viktimologie mit sich brachte (u. a. Hanak, Pilgram 1991; Kaiser, Kury, Albrecht 1991; Jung 1993; Donzinger 1996; Cremer-Schäfer, Steinert 1998), vgl. zum „wie” Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz 2001: 17ff.
Allerdings wird der Arbeitsmarkt durch zunehmende Einsperrraten langfristig eher belastet, wenn schlecht qualifizierte Ex-Häftlinge nach ihrer Entlassung das Arbeitslosenpotential erhöhen (Western, Beckett 1999, Beck, Mumola 1999 ).
Da es sich um Daten aus verschiedenen Quellen handelt und die Angaben sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen, können die Zahlen nicht zu einer Gesamtsumme addiert werden.
Vgl. Bundeskriminalamt 2001: 64 und Tabelle 07 im Anhang sowie www.destatis.de/basis/d/vgr/vgrtab2.htm
Laut Berliner PKS liegt der Anstieg der Schadenssumme an der Zunahme der vollendeten Fälle mit Schadenserfassung. Der durchschnittliche Schaden je Fall ging zurück (Der Polizeipräsident in Berlin 2003: 6).
Zur Selektivität in der Definition von Organisierter Kriminalität vgl. Eick in diesem Band.
Schaden im Sinne der Richtlinien der Polizeilichen Kriminalstatistik ist der rechtswidrig erlangte Geldwert (Verkehrswert) (vgl. Bundeskriminalamt 2002: 16).
Für Delikte, für die nach PKS-Richtlinien keine Schadensangaben zu melden sind (ebd.)
Knapp 1,2 Milliarden Euro werden für die Polizei und gut 530 Millionen Euro für die Justiz ausgegeben (vgl. Senatsverwaltung für Finanzen 2003: 339 und 491). Die Sicherheitsausgaben pro Einwohner sind in Berlin deutlich höher als in anderen deutschen Großstädten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Polizeiausgaben Kosten der Aufrechterhaltung der Hauptstadtfunktionen enthalten sind, die dem Land Berlin zur Zeit nur zu gut einem Drittel vom Bund erstattet werden. „Der Löwenanteil der Mehrausgaben Berlins hat mit der Hauptstadtfunktion aber nichts zu tun,“ so der Berliner Tagesspiegel, sondern liegt an einer überdurchschnittlich hohen Personaldichte sowohl im Innen-als auch im Außendienst (Der Tagesspiegel vom 12. 03. 2003 ).
Nach Angaben des BDWS setzt sich dieser Markt aus folgenden Produkten und Dienstleistungen zusammen: Bewachung, elektronische Gefahrenmelder und sonstige Sicherheitsanlagen, Löschanlagen, Schlösser und Beschläge, Geldschränke, Tresore und mechanische Außenhautsicherung (www.bdws.de/statistiken/stat3.html).
Das betriebswirtschaftliche Interesse der Sicherheitsindustrie ist schon aus den eben angeführten, wenigen Daten über so genannte Kosten und Schäden durch Kriminalität unmittelbar ersichtlich und soll hier nicht weiter diskutiert werden.
Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Mähler (2000) über das Strafverlagen der Bevölkerung und auch Steinert (1980).
Vgl. dazu auch Legge, die zeigt, wie in New York mit steigenden und sinkenden Kri- minalitätsziffern in einzelnen Deliktbereichen jongliert wurde (Legge 2001: 80f.).
Hier sei am Rande allerdings daran erinnert, dass es im Verständnis der kritischen Kriminologie auch „sinnlos (ist), nach den,Ursachen von Kriminalität’ so zu suchen, wie man nach den Ursachen von Erdbeben oder Kollisionen zwischen Automobilen suchen kann“ (Cremer-Schäfer, Steinert 1998: 20), weil Kriminalität eine gesellschaftliche Zuschreibung, eine soziale Konstruktion ist.
Vgl. dazu schon das Ende der 1960er Jahre durchgeführte Zimbardo-Experiment (vgl. Zimbardo 1969, Rada 1997: 179f., Nissen 2002: 66f.), das als empirische Basis für die Überlegungen von Wilson und Kelling gilt (Wilson, Kelling 1982, Kelling, Coles 1996 ).
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Nissen, S. (2003). Vom Nutzen des Kriminalitätsschadens oder: Verbrechen zahlt sich aus. In: Nissen, S. (eds) Kriminalität und Sicherheitspolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10561-9_6
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