Zusammenfassung
„Moderne“ und „Demokratie“ scheinen spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend so zusammengedacht worden zu sein, daß die Frage zunächst unsinnig erscheinen muß. Eine längst zum Selbstbewußtsein, mindestens aber zum,abgesunkenen Kulturgut’ der Epoche gewordene Modernisierungstheorie1 rechnet „Demokratie“ ebenso zu den Effekten des ihr angeblich eingeschriebenen Fortschritts wie Elektrizität, abstrakte Malerei und gesunkene Kindersterblichkeit. Nachfolgend soll gerade in der positiven Antwort auf die Frage die alltägliche Selbstsicherheit in Theorie und Praxis moderner Demokratie irritiert werden, daß mit der institutionell und normativ einmal gerade so und nicht anders etablierten repräsentativen Demokratie endgültig ein sicheres Fundament für die Zukunft gelegt sei (2.). Vielmehr steckt die Moderne, wie nicht erst das 20. Jahrhundert lehrte, voller schrecklicher Möglichkeiten, und die repräsentative Demokratie ist vor ihnen nicht gefeit (3.). Problematisch ist vor allem die unterschwellige oder theoretisch rationalisierte Hoffnung, schon die Verfahren der Demokratie gewährleisteten eine positiv zu wertende Rationalität (4.).
Politikwissenschaftliche Demokratietheorie impliziert zumeist eine normativ positiv bewertete Modernisierungstheorie und reflektiert selten deren Rationalitätsproblematik. Der Artikel nimmt in einem ersten Schritt die Erkenntnisse über die „Ambivalenz der Moderne“ auf und demonstriert zweitens, inwiefern auch die moderne Demokratie davon infiziert ist, um schließlich am Beispiel der üblichen Rationalitätsannahmen zu verdeutlichen, daß auch praktizierte Demokratie kein Garant vernünftiger Politik sein kann. Die Begründung der Demokratie liegt deshalb in den Selbstbestimmungs- und Partizipationsansprüchen von Bürgern und Bürgerinnen, während ihr Anspruch auf größere Rationalität nicht zu halten ist.
Jeder Fortschritt ist ein Zuwachs an Macht, der in einem fortschreitenden Zuwachs an Ohnmacht mündet.
Robert Musil.
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Greven, M.T. (2000). Ist die Demokratie modern? Zur Rationalitätskrise der politischen Gesellschaft. In: Kontingenz und Dezision. Studien zur politischen Gesellschaft, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10522-0_12
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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