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Die Wege zur Soziologie

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Georg Simmel und Max Weber

Zusammenfassung

Für das bessere Verständnis der Entstehung und Entwicklung der modernen deutschen Soziologie um die Jahrhundertwende bietet folgende Frage einen ersten nützlichen Ansatzpunkt: Warum überhaupt die Soziologie angesichts einer Fülle von kultur- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnismitteln?1 So gilt es, zunächst den Versuch zu unternehmen, der Soziologie Simmels und Webers in ihren historisch-gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Konstitutionszusammenhängen nachzugehen. Die Soziologie von Simmel und Weber läßt sich ihrerseits als ein Versuch unter den zahlreichen kultur- und sozialwissenschaftlichen sowie den kultur- und sozialphilosophischen Disziplinen interpretieren, den im Zuge der revolutionären kapitalistischen Entwicklung radikal veränderten gesellschaftlichen und kulturellen Konstellationen um die Jahrhundertwende Ausdruck zu verleihen. Sowohl Simmel als auch Weber geht es um das wissenschaftliche oder philosophische Verständnis der kulturellen und gesellschaftlichen Folgen der kapitalistisch-industriellen Entwicklung, wobei der wissenschaftliche Stoff der Soziologie im Sozialen als wichtigem Teilaspekt der modernen Wirklichkeitserfahrung angesiedelt ist. Insofern ist die Soziologie von Simmel und Weber selbst Ausdruck der Moderne.

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Literatur

  1. Vgl. Göran Therbom, Science, Class and Society. On the Formation of Sociology and Historical Materialism, London 1976.

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  2. Demgegenüber werden die philosophischen Denkrichtungen in anderen Zusammenhängen berücksichtigt - einmal die Philosophie von Kant sowie Nietzsche und zum anderen der Rickertsche Neukantianismus, die Phänomenologie Husserls sowie die Diltheysche Philosophie der Geisteswissenschaften, wobei ebenfalls davon ausgegangen wird, daß auch diese Philosophien ebenso wie die Kultur-und Sozialwissenschaften Versuche darstellen, der spezifischen Wirklichkeitserfahrung der Moderne Ausdruck zu verleihen. Dabei wird die Kantische Philosophie sowie die Nietzschesche Philosophie in ihrer Bedeutung fir die Grundlagen von Simmels und Webers Gedankenwelt erörtert; und als weiterer Aspekt kommt noch die Frage hinzu, ob und was Simmel und Weber von Nietzsches philosophischem Thema aufgenommen haben. Bezüglich des zweiten Themenkomplexes wird von der Annahme ausgegangen, daß die mitkonstitutive Bedeutung dieser philosophischen Traditionen und Diskussionen fir die Kultur-und Sozialwissenschaften in erster Linie darin gesehen werden muß, daß sich die Kultur-und Sozialwissenschaften um die Jahrhundertwende zur Abgrenzung gegen die Naturwissenschaften hauptsächlich an den Neukantianismus um Wilhelm Windelband und Heinrich Ricken oder an die Diltheysche geisteswissenschaftliche Philosophie angeschlossen haben. Im methodologischen Aspekt stehen Simmel und Weber unter dem starken Einfluß des Neukantianismus. Der Phänomenologie Edmund Husserls muß auch eine sehr wichtige mitkonstitutive methodologische Bedeutung fir Weber und Simmel zugestanden werden: Zur Überwindung der psychologischen Erkenntnistheorie der Diltheyschen Richtung beispielsweise verbünden sich Simmel und Weber mit Husserl. Eine weitere wichtige Methodologie ist die positivistischevolutionistische, die den Unterschied von Naturwelt einerseits und Kultur-, Sozial-bzw. Geisteswelt andererseits nicht akzeptiert, eine methodologische Richtung, die auch und gerade die hier im Hinblick auf die Soziologieentwicklung zu behandelnde Kulturgeschichte Karl Lamprechts beeinflußt hat.

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  3. Vgl. über den Staatsbegriff der älteren Generation Manfred Riedel, „Der Staatsbegriff der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zur klassisch-politischen Philosophie“, in: Der Staat 2/1963, S. 41–63.

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  4. Vgl. Georg Iggers, „Heinrich von Treitschke“, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. II, Göttingen 1972, S. 66–80.

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  5. Vgl. hierzu Ernst Grünfeld, Lorenz von Stein und die Gesellschaftslehre, Jena 1910, S. 203.

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  6. Vgl. Manfred Riedel, „Der Staatsbegriff der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zur klassisch-politischen Philosophie“, a.a.O., S. 42.

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  7. Hier ist sicherlich nicht der Ort, auf die Theorien von diesen Wissenschaftlern im einzelnen einzugehen. Die Darlegung wird vielmehr auf die Theorie von Robert von Mohl konzentriert, weil man bei ihm vielleicht den hervorragendsten Vertreter der Gesellschaftswissenschaft finden kann; darüber hinaus gilt die unten darzustellende staatswissenschaftliche Kritik von Heinrich von Treitschke an der Gesellschaftswissenschaft in erster Linie Robert von Mohl und erst in zweiter Linie Lorenz von Stein und Wilhelm Heinrich Riehl. Vgl. über die Steinsche Gesellschaftslehre vor allem Lorenz von Stein, Die Geschichte der socialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 1: Der Begriff der Gesellschaft und die sociale Geschichte der französischen Revolution bis zum Jahre 1830, Leipzig 1850, insbesondere Kapitel I und Il sowie ferner die dafür einschlägige Literatur von Ernst Grünfeld, Lorenz von Stein und die Gesellschaftslehre, a.a.O., Eckart Pankoke, Sociale Bewegung - Sociale Frage - Sociale Politik. Grundfragen der deutschen „Socialwissenschaft“ im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1970, S. 101fí, Dirk Blasius, „Lorenz von Stein”, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. 1, Göttingen 1971, S. 25–38, Roman Schnur (herausgegeben und eingeleitet), Staat und Gesellschaft. Studien über Lorenz von Stein (mit einer Bibliographie von Max Munding), Berlin 1978. Siehe überdies zur Riehlschen Gesellschaftstheorie vor allem Wilhelm Heinrich Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft (herausgegeben und eingeleitet von Peter Steinbach), Frankfurt et al. 1976 (zuerst: 1851) und ferner die dafür einschlägige Literatur von Peter Steinbach, „Wilhelm Heinrich Riehl“, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. IV, Göttingen 1980, S. 37–54, Jasper von Altenbockum, Wilhelm Heinrich Riehl 1823–1897. Sozialwissenschaft zwischen Kulturgeschichte und Ethnographie, Köln/Weimar/Wien 1994, insbesondere S. 147ff. Mit diesen drei Vertretern ist allerdings die Liste der Gesellschaftswissenschaftler nicht erschöpft, denn neben ihnen haben auch die folgenden Theoretiker gesellschaftswissenschaftlichen Gedanken entwickelt: Theod. Mundt, H. W. Bensen, C. Schmidt, Joh. Jos. Roßbach, Ad. Widmann, Karl Dietzel, M. v. LavergnePeguilhen, H. C. Carey, Schulze-Delitzsch, H. Ahrens, Joh. Rimpel, Ethbin Heinrich Costa, H. Roesler, Joh. Carl Glaser, Franz Xay. v. Baader und Hugo Eisenhart. Vgl. hierzu Ernst Grünfeld, Lorenz von Stein und die Gesellschaftslehre, a.a.O., S. 166ff.

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  8. Robert von Mohl, „Gesellschafts-Wissenschaften und Staats-Wissenschaften“, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 7/1851, S. 1–71, hier: S. 13.

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  9. Vgl. Erich Angermann, Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten, Neuwied 1962, S. 353.

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  10. Robert von Mohl, „Gesellschafts-Wissenschaften und Staats-Wissenschaften“, S. 46f.

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  11. Vgl. Thomas Burger, „Deutsche Geschichtstheorie und Webersche Soziologie“, in: Gerhard Wagner & Heinz Zipprian (Hrsg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 29–104, hier: S. 45.

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  12. Robert von Mohl, „Gesellschafts-Wissenschaften und Staats-Wissenschaften“, S. 55ff., insbesondere S. 56f. Vgl. zu Mohls Auffassung über Wesen, Gliederung und Aufgabe der Staatswissenschaften Robert von Mohl, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Erlangen 1855 u. ders., Encyklopädie der Staatswissenschaften, Tübingen 1859, S. 42ff.

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  13. Vgl. Erich Angermann, Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten, a.a.O.; Eckart Pankoke, „Soziologie, Gesellschaftswissenschaften“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 997–1032; Thomas Burger, „Deutsche Geschichtstheorie und Webersche Soziologie”, a.a.O., S. 45. Siehe zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Werner Conze, „Staat und Gesellschaft in der frührevolutionären Epoche Deutschlands“ (1958), in: ders., Gesellschaft - Staat - Nation. Gesammelte Aufsätze (hrsg. v. Ulrich Engelhardt et al.), Stuttgart 1992, S. 157185; ders., (Hrsg.), Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, Stuttgart 1962, insbesondere die Beiträge von: Reinhart Koselleck, „Staat und Gesellschaft in Preußen 18151848”, S. 79–112; Erich Angermann, „Zwei Typen des Ausgleichs gesellschaftlicher Interessen durch die Staatsgewalt“, S. 173–206; Werner Conze, „Das Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft im Vormärz”, S. 207–269.

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  14. Robert von Mohl, „Gesellschafts-Wissenschaften und Staats-Wissenschaften“, S. 39f. u. S. 62.

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  15. In seinem Hauptwerk Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert (1879ff.) werden wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklungen als Folge des Kapitalismus sehr inhaltsreich dargestellt: das religiöse und das literarische Leben, Klasseninteressen und Klassenkämpfe, Demokratisierungstendenzen bis in die Sprache und bis zur Kleidung, die gewandelte gesellschaftliche Stellung der Frau und die beginnende Frauenbewegung sowie die tiefgreifende Veränderung von Raum und Zeit durch die neuen Kommunikationsmittel, insbesondere die Eisenbahnen. Festzuhalten bleibt dennoch der Tatbestand, daß der „strukturierende Kern“ der Darstellung dieser mannigfaltigen gesellschaftlichen Erfahrungen um die Jahrhundertwende der preußische Staat ist; Treitschke hält sich filr „einen der wirkungsmächtigsten Propagandisten des `Borussianismus”`. Vgl. Dieter Langewiesche, „Sozialgeschichte und politische Geschichte“, in: Wolfgang Schieder & Volker Sellin (Hrsg.), Sozialgeschichte in Deutschland. Entwicklungen und Perspektiven im internationalen Zusammenhang, Bd. I: Die Sozialgeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1986, S. 9–32, hier: S. 12. Siehe ferner Gangolf Hübinger, „Kapitalismus und Kulturgeschichte”, in: Rüdiger vom Bruch et al. (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Stuttgart 1989, S. 25–43, hier: S. 28.

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  16. Vgl. Walter Bußmann, Treitschke. Sein Welt-und Geschichtsbild, Göttingen 1952, S. 151f.; Georg Iggers, „Heinrich von Treitschke“, a.a.O.

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  17. Vgl. hierzu Thomas Burger, „Deutsche Geschichtstheorie und Webersche Soziologie“, a.a.O., S. 46f. und ausfiihrlich Walter Bußmann, Treitschke. Sein Welt-und Geschichtsbild, a.a.O., S. 63ff., insbesondere S. 136ff.

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  18. Heinrich von Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft. Ein kritischer Versuch, S. 62.

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  19. Vgl. Erich Angermann, Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten, a.a.O., S. 378 u. S. 381. Die Treitschkesche Argumentation selbst, daß die Gesellschaft nicht von dem staatlichen Herrschaftsbereich zu trennen ist, bezieht sich nicht auf die historische Entwicklungssituation der modernen Gesellschaft, sondern greift vielmehr einfach auf die herkömmliche Identität des Staatlichen mit dem Gesellschaftlichen, des Sozialen mit dem Politischen zurück. Vgl. Manfred Riedel, „Der Staatsbegriff der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zur klassisch-politischen Philosophie“, a.a.O., S. 56.

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  20. Erich Angermann, Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten, a.a.O., S. 372f. Vgl. auch den Aufsatz von Adolf Theis, „Lorenz von Stein und die deutsche Gesellschaftslehre in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, in: Roman Schnur (herausgegeben und eingeleitet), Staat und Gesellschaft. Studien über Lorenz von Stein (mit einer Bibliographie von Max Munding), Berlin 1978, S. 47–63, der die westeuropäische Prägung der Mohlschen Gesellschaftskonzeption mit der stark von Hegel beeinflußten Theorie der Gesellschaft bei Lorenz von Stein vergleicht. Ferner zum deutschen Nationalstaat von 1871 als Thema und Gegenstand der Geschichtsschreibung siehe Werner Conze, „Das Kaiserreich von 1871 als gegenwärtige Vergangenheit im Generationswandel der deutschen Geschichtsschreibung” (1979), in: ders., Gesellschaft - Staat - Nation. Gesammelte Aufsätze (hrsg. v. Ulrich Engelhardt et al.), Stuttgart 1992, S. 44–65.

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  21. Gustav Schmoller, „Eröffnungsrede“ zur Eisenacker Tagung des Vereins fir Sozialpolitik von 1872, in: Franz Boese, Geschichte des Vereins fir Sozialpolitik 1872–1932, Berlin 1939, S. 6–11, hier: S. 108. Darüber hinaus hat Schmoller im „offenen Sendeschreiben” an Treitschke darauf hingewiesen, daß der Staat die ethische Grundlage der modernen Gesellschaft ist, wie im Mittelalter die Kirche der Fall gewesen ist. Vgl. Gustav Schmoller, Über einige Grundfragen der Sozialpolitik und der Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1904, S. 158. Damit schwebt Schmoller konkret der preußische Staat vor, in dem er eine ideale Zusammenarbeit von Königtum und Beamtentum unter Führung von Bismarck sieht, wie seine Eröffnungsrede in der Eisenacher Tagung des Vereins fir Sozialpolitik von 1872 behauptet: „… sie sehen in dem zweihundertjährigen Kampfe den das preußische Beamtentum und das preußische Königtum für Rechtsgleichheit, fir Beseitigung aller Privilegien und Vorrechte der höheren Klassen, fir Emanzipation und Hebung der unteren Klassen siegreich gekämpft, das beste Erbteil unseres deutschen Staatswesens, dem wir niemals untreu werden dürfen.“ (Gustav Schmoller, „Eröffnungsrede” zur Eisenacher Tagung des Vereins fir Sozialpolitik von 1872, S. 8). Peter Wagner, Sozialwissenschaften und der Staat. Frankreich, Italien, Deutschland 1870–1980, Frankfurt am Main/New York 1990, vermittelt einen übersichtlichen intemationalen Vergleich der sozialwissenschaftlichen Diskurse zum Staat vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende unseres Jahrhunderts.

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  22. In seinem 1850 erschienenen Werk Historik versucht Johann Gustav Droysen, aufgrund der Konzeption des Verstehens dem Historismus eine logisch-methodologische Systematik zu geben. Die Historik von Droysen ist ursprünglich eine deutsche Reaktion auf den englischen Historiker H. T. Buckle, der im Anschluß an Comte eine naturwissenschaftlich-positivistisch orientierte Methode auf die Geschichtsschreibung anwendet. Ähnlich wie für Treitschke ist auch für Droysen die Bedeutung und Position des Staates als sittliches Wesen für das organische Volksleben unumstritten. Vgl. dazu Dietrich Fischer, Die deutsche Geschichtswissenschaft von J. G. Droysen bis O. Hintze in ihrem Verhältnis zur Soziologie. Grundzüge eines Methodenproblems, Köln 1966 (Dissertation); Manfred Riedel, Verstehen oder Erklären? Zur Theorie und Geschichte der hermeneutischen Wissenschaften, Stuttgart 1978, S. 113ff.; Thomas Burger, „Deutsche Geschichtstheorie und Webersche Soziologie“, a.a.O., S. 53ff. Siehe über Droysen im historischen Kontext Walter Fenske, Johann Gustav Droysen und das deutsche Nationalstaatsproblem. Ein Beitrag zur Geschichte der Frankfurter Nationalsammlung von 1848/49, Erlangen 1930; Felix Gilbert, Johann Gustav Droysen und die preussisch-deutsche Frage. München/Berlin 1931 sowie im geschichtswissenschaftlichen Zusammenhang, Friedrich Jaeger, Bürgerliche Modernisierungskrise und historische Sinnbildung. Kulturgeschichte bei Droysen, Burckhardt und Max Weber, Göttingen 1994; Robert Southard, Droysen and The Prussian School of History, Lexington 1995.

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  23. Vgl. über den Historismus in der historischen Schule der Nationalökonomie vor allem Gottfried Eisermann, Die Grundlagen des Historismus in der deutschen Nationalökonomie, Stuttgart 1956.

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  24. Rita Aldenhoff, „Nationalökonomie und Kulturwerte um 1900“, in: Rüdiger vom Bruch et al. (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Stuttgart 1989, S. 45–62, hier: S. 46.

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  25. Vgl. Rüdiger vom Bruch, „Historiker und Nationalökonomen im Wilhelminischen Deutschland“, in: Klaus Schwabe (Hrsg.), Deutsche Hochschullehrer als Elite: 1815–1945, Boppard am Rhein 1983, S. 105–150 u. Gangolf Hübinger, „Kapitalismus und Kulturgeschichte”, a.a.O., S. 28. Siehe zum einen über die Geschichtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wolfgang Weber, Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft 1800–1970, Frankfurt am Main et al. 1984; ders., Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Lehrstuhlinhaber fir Geschichte von den Anfängen des Faches bis 1970, Frankfurt am Main et al. 1984 sowie zum anderen über die Nationalökonomie Harald Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977; Dieter Krüger, Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland, Göttingen 1983.

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  26. Arno J. Mayer, Adelsmacht und Bürgertum. Die Krise der europäischen Gesellschaft, München 1984.

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  27. Vgl. über das Wilhelminische Bürgertum etwa Karl Heinrich Höfele, Geist und Gesellschaft der Bismarckzeit (1870–1890), Göttingen et al. 1967; Klaus Vondung (Hrsg.), Das wilhelminische Bildungsbürgertum. Zur Sozialgeschichte seiner Ideen, Göttingen 1976; Arno J. Mayer, Adelsmacht und Bürgertum. Die Krise der europäischen Gesellschaft, a.a.O., S. 83ff.

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  28. Hiermit beziehe ich mich auf das Schema von Ringer, der zwischen logischer und psychologischer bzw. ideologischer Betrachtungsweise der historischen Individuen und Gruppen unterscheidet. Demnach erklärt die erstere eine bestimmte Theorie oder Meinung durch die objektive Situation der Zeit und die logischen Regeln des menschlichen Denkens, während die letztere sie als Ausdruck der bestimmten individuellen oder gruppenmäßigen Haltungen und Emotionen versteht. Vgl. dazu Fritz K. Ringer, Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933, a.a.O., S. 14E

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  29. Vgl. Rüdiger vom Bruch, „Kulturstaat - Sinndeutung von oben?“, in: Rüdiger vom Bruch et al. (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Stuttgart 1989, S. 63–101, insbesondere S. 64.

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  30. Vgl. Rüdiger vom Bruch/Friedrich Wilhelm Graf/Gangolf Hübinger, „Einleitung: Kulturbegriff, Kulturkritik und Kulturwissenschaften um 1900“, in: dies. (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Stuttgart 1989, S. 9–24, hier: S. 10.

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  31. Vgl. Rita Aldenhoff, „Nationalökonomie und Kulturwerte um 1900“, a.a.O., S. 46 u. Rüdiger vom Bruch et al., „Einleitung: Kulturbegriff, Kulturkritik und Kulturwissenschaften um 1900”, a.a.O., S. 16.

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  32. Vgl. über den nationalökonomischen Methodenstreit Louise Sommer, „Das geisteswissenschaftliche Phänomen des `Methodenstreits’. Analogien und Präzedentien“, in: Festschrift fir Carl Grünberg zum 70. Geburtstag, Leipzig 1932, S. 487–537; Gerhard Ritzel, Schmoller versus Menger. Eine Analyse des Methodenstreits im Hinblick auf den Historismus in der Nationalökonomie, Offenbach/Main 1951; Reginald Hansen, „Der Methodenstreit in den Sozialwissenschaften zwischen Gustav Schmoller und Karl Menger - Seine wissenschaftshistorische und wissenschaftstheoretische Bedeutung”, in: Alwin Diemer (Hrsg.), Beiträge zur Entwicklung der Wissenschaftstheorie im 19. Jahrhundert, Meisenheim 1966, S. 137–173. Vgl. überdies zum geschichtswissenschaftlichen Methodenstreit Herbert Schönebaum, „Karl Lamprecht“, in: Archiv fir Kulturgeschichte 37/1955, S. 269–305; Karl H. Metz, „`Der Methodenstreit in der deutschen Geschichtswissenschaft (1891–99)’: Bemerkungen zum sozialen Kontext wissenschaftlicher Auseinandersetzungen”, in: Steria della Storiografia 6/1984, S. 3–20; Georg Iggers, „The ‘Methodenstreit’ in International Perspective. The Reorientation of Historical Studies at the Turn from the Nineteenth to the Twentieth Century“, in: Storia della Storiografia 6/1984, S. 21–30; Hans Schleier, „Der Kulturhistoriker Karl Lamprecht, der `Methodenstreit’ und die Folgen”, in: ders. (Hrsg.), Karl Lamprecht. Alternative zu Ranke. Schriften zur Geschichtstheorie, Leipzig 1988, S. 7–45; Lutz Raphael, „Historikerkontroversen im Spannungsfeld zwischen Berufshabitus, Fächerkonkurrenz und sozialen Deutungsmustern. Lamprecht-Streit und französischer Methodenstreit der Jahrhundertwende in vergleichender Perspektive“, in: Historische Zeitschrift 251/1990, S. 325–363.

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  33. Carl Menger, „Grundzüge einer Klassifikation der Wirtschaftswissenschaften“ (1889): Gesammelte Werke 3, Tübingen 1970 (2. Auflage), S.185–218, hier: S. 207f.

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  34. Carl Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871): Gesammelte Werke 1, Tübingen 1968 (2. Auflage), S. 74f.

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  35. Vgl. dazu etwa Friedrich A. Hayek: „Einleitung“ zu Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (zuerst: 1934), in: Carl Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871): Gesammelte Werke, Bd. 1, Tübingen 1968 (2. Auflage), S. VII-XXXVI; ders., „Die Stellung von Mengers `Grundsätze’ in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre”, in: Zeitschrift für Nationalökonomie 32/1972, S. 3–9; T. W. Hutchison, „Some Themes from Investigations into Method“, in: J. R. Hicks & W. Weber (edited), Carl Menger and the Austrian School of Economics, Oxford 1973, S. 15–37; Margarete Boos, Die Wissenschaftstheorie Carl Mengers. Biographische und ideengeschichtliche Zusammenhänge, Graz/Wien 1986. Zur Problematik des methodologischen Individualismus bei Carl Menger siehe Wolfgang Heine, Methodologischer Individualismus. Zur geschichtsphilosophischen Begründung eines sozialwissenschaftlichen Konzeptes. C. Menger, J. A. Schumpeter, M. Weber, F. A. Hayek, K. R. Popper, Würzburg 1983.

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  36. Karl Lamprecht, Die kulturgeschichtliche Methode, Berlin 1900, S. 36f.; ders., „Was ist Kulturgeschichte? Ein Beitrag zu einer empirischen Historik“, in: ders., Ausgewählte Schriften zur Wirtscharts-und Kulturgeschichte und zur Theorie der Geschichtswissenschaft, Aalen 1974, S. 257–327, hier: S. 268f.

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  37. Karl Lamprecht, Die kulturgeschichtliche Methode, S. 37f.

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  38. Karl Lamprecht, „Was ist Kulturgeschichte? Ein Beitrag zu einer empirischen Historik“, S. 292.

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  39. Die Kontroverse zwischen Rachfahl und Lamprecht bietet einen guten Überblick über die damalige Auseinandersetzung von der „individualistischen“ Geschichtswissenschaft und der „kollektivistischen” Geschichtswissenschaft: Felix Rachfahl, „Lieber die Theorie einer `kollektivistischen’ Geschichtswissenschaft“, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 68/1897, S. 659–689; Karl Lamprecht, „Individualität, Idee und sozialpsychische Kraft in der Geschichte”, in: dems., S. 880–900. Vgl. auch zum Verhältnis von Psychologie und Kulturgeschichte bei Lamprecht den Aufsatz von Jörn Sieglerschmidt & Rainer Wirtz, „Karl Lamprecht. Psychische Gesetze als Basis der Kulturgeschichte?“, in: Gerd Jüttemann (Hrsg.), Wegbereiter der Historischen Psychologie, München/Weinheim 1988, S. 104–114. Zurückgeführt werden kann die sozialpsychologische Fundierung der Lamprechtschen Kulturgeschichte in theoriegeschichtlicher Hinsicht vor allem auf den Einfluß von Gustav Schmoller; wie die anderen deutschen historischen Nationalökonomen hält Schmoller die Psychologie für die Grundwissenschaft der Nationalökonomie, welche die Existenz der Nationalökonomie als eine Wissenschaft vom Menschen und menschlichen Leben möglich macht-im Gegensatz zur rationalistischen Nationalökonomie, die nach seiner Auffassung eine wesentlich auf die dinghafte Naturwelt bezogene naturwissenschaftliche Wissenschaft aufweist. „Die Psychologie”, so Schmoller, „ist uns der Schlüssel zu allen Geisteswissenschaften und also auch zur Nationalökonomie“: Gustav Schmoller, Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Erster Teil (1900), Berlin 1978, S. 108. Vgl. auch ebd., S. 6ff. Siehe überdies zur psychologischen Dimension in der deutschen historischen Schule der Nationalökonomie Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln. Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte der Soziologie bei Max Weber. Werk-und ideengeschichtlich betrachtet, Münster/Hamburg 1994, S. 118ff. Ferner über Lamprechts Verhältnis zu Schmoller vgl. Luise Schom-Schütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Göttingen 1984, S. 90ff.; Harald Homann, „Lamprechts Programm und die `historische Schule der Nationalökonomie”`, in: Wolfgang Geier & Harald Homann (Hrsg.), Karl Lamprecht im Kontext. Ein Kolloquium, Leipzig (Schriften des Instituts für Kulturwissenschaften i. Gr. der Universität Leipzig) 1993, S. 20–32; Roger Chickering, Karl Lamprecht. A German Academic Life (1856–1915), New Jersey 1993, passim.

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  40. Karl Lamprecht, „Neue Kulturgeschichte“, in: ders., Ausgewählte Schriften zur Wirtscharts-und Kulturgeschichte und zur Theorie der Geschichtswissenschaft, Aalen 1974, S. 833–848, hier: S. 838. Dort kritisiert Lamprecht weiterhin die dem neukantianischen Gedanken des historischen Individuums zugrundeliegende Werttheorie: Gegen den badischen Neukantianismus, der darauf zielt, „unter Annahme der Möglichkeit absoluter sittlicher Werte, jedes historische Denken in ein Werten nach einem bestimmten Kodex aufzulösen”, besteht Lamprecht also nachdrücklich darauf, „daß es die gesuchten Werte nicht gibt, ihr Beweis ist auch aus geschichtlichen Quellen her niemals versucht worden und, soweit er in schwachen Anfangen aus der Dialektik der Gegenwart her gewonnen sollte, selbstverständlich für den Historiker nicht schlüssig, da diese Dialektik doch wieder Gegenwartsprodukt und somit Erzeugnis einer sehr kleinen Spanne geschichtlicher Vergangenheit ist“.

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  41. Vgl. Luise Schorn-Schütte, „Karl Lamprecht. Wegbereiter einer historischen Sozialwissenschaft?“, in: Notker Hammerstein (Hrsg.), Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, Stuttgart 1988, S. 153–191, hier: S. 160f.

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  42. Karl Lamprecht, „Was ist Kulturgeschichte? Ein Beitrag zu einer empirischen Historik“, S. 324. Vgl. auch Luise Schom-Schütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, a.a.O., S. 189ff.

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  43. Vgl. Jens Flemming, „Kulturgeschichte als Integrations-und Leitwissenschaft? Anmerkungen zu Verlauf und Ergebnissen einer deutschen Diskussion“, in: Dieter Sturma (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaft, Luneburg 1991, S. 8–23, hier: S. 16.

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  44. Vgl. dazu Dietrich Fischer, Die deutsche Geschichtswissenschaft von J. G. Droysen bis O. Hintze in ihrem Verhältnis zur Soziologie. Grundzüge eines Methodenproblems, a.a.O., S. 72; Hans-Josef Steinberg, „Karl Lamprecht“, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. I, Göttingen 1971, S. 58–68, hier: S. 65; Karl H. Metz, „`Der Methodenstreit in der deutschen Geschichtswissenschaft (1891–99)’: Bemerkungen zum sozialen Kontext wissenschaftlicher Auseinandersetzungen”, a.a.O., S. 17.

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  45. Vgl. hierzu ausführlich Luise Schom-Schütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, a.a.O., S. 93f. u. S. 169ff.

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  46. Vgl. Elfriede Üner, Kultur-und Universalgeschichte an der Schwelle der Zeiten. Exemplarische Entwicklungslinien der Leipziger Schule in den deutschen Sozial-und Geschichtswissenschaften: Karl-Lamprecht-Vortrag, Leipzig 1993, S. 1 lf.

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  47. Zitiert nach Hans-Josef Steinberg, „Karl Lamprecht“, a.a.O., S. 59.

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  48. Karl Lamprecht, „Was ist Kulturgeschichte? Ein Beitrag zu einer empirischen Historik“, S. 262, S. 287f., S. 292, Anm. 1 u. 2, S. 318, Anm. 2 u. S. 325. Vgl. auch Luise SchornSchütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, a.a.O., S. 17, S. 61, S. 94 u. S. 128. Neben Simmel haben auch die Soziologen wie A. Schäffle („Bau und Leben des sozialen Körpers”) und F. Tönnies („Gemeinschaft und Gesellschaft”) auf Lamprecht großen Einfluß ausgeübt, und zwar aufgrund der „organologischen“ Gesellschaftskonzeption. Vgl. dazu Luise Schorn-Schütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, a.a.O., S. 61f. u. S. 90ff.

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  49. Vgl. Elfriede Oner, Kultur-und Universalgeschichte an der Schwelle der Zeiten. Exemplarische Entwicklungslinien der Leipziger Schule in den deutschen Sozial-und Geschichtswissenschaften, a.a.O., S. 10. Ausgehend von der Annahme, daß das jeweilige Kulturzeitalter den Ausdruck des sozialpsychologischen Gesamthabitus darstellt, stellt Lamprecht die folgenden fünf Kulturzeitalter fest: das symbolische (bis 10. Jh.), das typische (bis 13. Jh.), das konventionelle (bis 15. Jh.), das individualistische (bis 18. Jh.) und das subjektivistische (19. Jh.). Vgl. hierzu etwa Karl Lamprecht, „Was ist Kulturgeschichte? Ein Beitrag zu einer empirischen Historik“, S. 307ff. Femer die spezifische Zeiterfahrung des zunehmenden Spannungsverhältnisses von Individuum und Gesellschaft als Folge der Rationalisierung bildet ein wissenschaftliches Thema, das Lamprecht mit der zeitgenössischen Sozialwissenschaft wie neben von Simmel auch von Max Weber, Alfred Weber, Emile Durkheim und Gustav Schmoller verbindet. Siehe dazu Luise SchornSchütte, „Nachwirkungen der Lamprechtschen Geschichtsschreibung. Rezeptionen im Ausland und in der deutschen Geschichtswissenschaft und Soziologie”, in: Gerald Diesener (Hrsg.), Karl Lamprecht weiterdenken. Universal-und Kulturgeschichte heute, Leipzig 1993, S. 272–294, hier: S. 282ff.

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  50. Georg Simmel, Soziologie, S. 626 u. S. 630. 60 Um die Nähe von Willy Hellpach - in dessen erfahrungswissenschaftlich orientierten Psycho-und Sozialpathologie sieht Weber die Möglichkeit einer entwicklungsgeschichtlich fundierten Kulturpsychologie - zu Karl Lamprecht abzuschneiden, schrieb Weber in einem Brief an Helipach von 1905 über Lamprecht allzu unbarmherzig: „Könnten Sie sich entschließen, Lamprecht aus dem Spiel zu lassen. […] Mir scheint es für uns nicht gut möglich, einen Aufsatz, der ihn wissenschaftlich ernst nimmt, zu bringen, da es nötig sein wird - voraussichtlich muß ich selbst der Henker sein - auch unsererseits auszusprechen, daß wir ihn für einen Schwindler und Scharlatan schlimmster Sorte halten, soweit er als Culturkritiker und Culturhistoriker auftritt.“ (zitiert nach Luise Schom-Schütte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, a.a.O., S. 93). In seinen Lebenserinnerungen äußert Hellpach in der Tat seine große Nähe zu Lamprecht etwa wie folgt: „Ich stand schon stark unter dem Eindruck Lamprechts und hatte für die rechte Würdigung der `Kollektiven’ und der `ökonomischen Faktoren’ im geschichtlichen Leben viel übrig.” (Willy Hellpach, Wirken in Wirren. Lebenserinnerungen. Eine Rechenschaft über Wert und Glück, Schuld und Sturz meiner Generation, Erster Band: 18771924, Hamburg 1948, S. 199). Später kritisiert Hellpach die Vernachlässigung der Individualpsychologie durch Lamprecht. Siehe über Webers Verhältnis zu Helipach ausführlich das Kapitel VII. 1. 2 der vorliegenden Arbeit. Nicht nur gegen Lamprecht, sondern vielmehr auch gegen die allgemeine Leipziger Tradition der positivistisch-evolutionistischen Weltanschauung hat sich Weber gewandt. In seiner Wissenschaftslehre unterzieht Weber neben Lamprecht zugleich auch Wilhelm Wundt und Wilhelm Oswald einer grundlegenden Kritik, daß sie aufgrund ihres positivistisch-evolutionistischen Grundgedankens einer gesetzeswissenschaftlich-schematischen Auffassung der Kulturentwicklung verfallen sind. Insofern hat die Leipziger Schule von zwei Fronten vernichtende Attacken erfahren, einmal von den Berliner Historikern (anläßlich des Methodenstreites) und zum anderen von den Heidelberger Neukantianern (anläßlich des Werturteilsstreites). Vgl. dazu Elfriede finer, Kultur-und Universalgeschichte an der Schwelle der Zeiten. Exemplarische Entwicklungslinien der Leipziger Schule in den deutschen Sozial-und Geschichtswissenschaften, a.a.O., S. 12f. Aber im Laufe der Zeit hat sich dennoch die Webersche Stellungnahme zu Karl Lamprecht und zur Leipziger Schule relativiert, wie Hellpach in seinen Lebenserinnerungen bezeugt: „Er [Max Weber] hat offenbar später etwas milder gedacht; denn sonst hätte er ja wohl den so Gehaßten nicht in Leipzig aufsuchen und sich von ihm das Universalgeschichtliche Institut in ausgiebiger Besichtigung zeigen lassen können. Er hat mir das selber erzählt, und es war offensichtlich nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben; von `Schwindel’ war bestimmt keine Rede mehr. Er gab mir sogar unumwunden recht, als ich bemerkte, es zehrten viel mehr Leute von Lamprecht, als sich zu ihm bekennten - ja, er nickte nachdenklich mit seinem schönen, gebieterischen Kopf, als ich hinzufügte, nach einer Geschichtsschreibung wie Sybels ledemem Staatsaktenexzerpt über die `Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.’ und nach dem fast gleichzeitigen vorfrühen Tode Treitschkes sei es fir uns Jüngere ein Trost gewesen, als Lamprecht mit seinem unbändigen Feuer in die Arena stürmte.“ (Willy Hellpach, Wirken in Wirren. Lebenserinnerungen. Eine Rechenschaft über Wert und Glück, Schuld und Sturz meiner Generation, Erster Band: 1877–1924, S. 495f.). Heutzutage wird die wissenschaftliche Bedeutung von Lamprechts Konzeption von Kultur-und Universalgeschichte immer mehr entdeckt, wie die bereits erwähnten Monographien und Sammelbände andeuten. Hingewiesen sie darüber hinaus auf die Arbeit von Peter Griss, Das Gedankenbild Karl Lamprechts. Historisches Verhalten im Modernisierungsprozeß der `Belle Epoque’, Bern et al. 1987. Siehe ferner das Buch von Karl Heinz Metz, Grundformen historiographischen Denkens. Wissenschaftsgeschichte als Methodologie. Dargelegt an Ranke, Treitschke und Lamprecht, München 1979, in dem die historischen Methodenlehren von Ranke, Treitschke und Lamprecht vergleichend dargelegt werden. Trotz des soeben beschriebenen spannungsvollen Verhältnisses von Lamprecht und Weber gibt es bislang kaum systematische Erforschung dieses wissenschaftsgeschichtlich hoch interessanten Phänomens; hingewiesen sei etwa auf den Aufsatz von Sam Whimster, „Die begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten der Historischen Soziologie im `Methodenstreit’: Karl Lamprecht und Max Weber”, in: Wolfgang J. Mommsen & Wolfgang Schwentker (Hrsg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen/Zürich 1988, S. 380–402.

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  51. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 56. Gegen die Lamprechtsche Intention, die Sozialpsychologie als Grundlage der Kulturwissenschaften zu machen, besteht Weber konsequenterweise nachdrücklich auf dem Standpunkt einer empirischen Kulturwissenschaft, deren Wesen und Aufgabe sich darin findet, die Kulturbedingtheit und Kulturbedeutung der konkreten historisch-gesellschaftlichen Erscheinungen „in steigendem Maße geistig [zu] verstehen“, aber sie nicht „aus psychologischen Gesetzen [zu] deduzieren oder aus psychologischen Elementarerscheinungen [zu] erklären”. Denn die Bedeutung der Psychologie fir die kulturwissenschaftliche Erkenntnis liegt Weber zufolge darin, daß die psychologische Analyse der kulturellen Erscheinungen, solange sie streng erfahrungswissenschaftlich vorgeht, „eine im konkreten Fall höchst wertvolle Vertiefung der Erkenntnis ihrer historischen Kulturbedingtheit und Kulturbedeutung“ liefern kann. Vgl. ebd., S. 189. Ferner zu Webers Kritik an Lamprecht im Hinblick auf dessen Aussagen etwa über die Kunst und Nation siehe ebd., S. 7f., Anm. 2 u. S. 24f., Anm. 5.

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  52. Vgl. Sam Whimster, „Die begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten der Historischen Soziologie im `Methodenstreit’: Karl Lamprecht und Max Weber“, a.a.O., S. 399f. Vgl. dazu auch Wolfgang Mommsen, „Max Weber und die historiographische Methode seiner Zeit”, in: Storia della Storiografia 3/1983, S 28–43, hier: S. 38ff.; dieser Aufsatz vermittelt einen sehr guten Überblick über Webers Verhältnis zur historischen Wissenschaft seiner Zeit.

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  53. Georg Simmel, Philosophie des Geldes (1907: 2., vermehrte Auflage): Georg Simmel Gesamtausgabe 6, Frankfurt am Main 1989, S. 11.

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  54. Georg Simmel, Über sociale Differenzierung. Sociologische und psychologische Untersuchungen (1890), in: Georg Simmel Gesamtausgabe 2, Frankfurt am Main 1989, S. 109295, hier: S. 168.

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  55. Max Weber, Briefe 1906–1908: Max Weber Gesamtausgabe I1/5, Tübingen 1990, S. 689. Im Kapitel I. 2. 3 der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, daß Weber tatsächlich die Formulierung seines handlungstheoretisch fundierten kulturwissenschaftlichen und soziologischen Forschungsprogramms zum großen Teil der theoretischen Nationalökonomie der österreichischen Grenznutzenschule um Menger zu verdanken hatte.

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  56. Vgl. Gangolf Hübinger, „Max Weber und die historischen Kulturwissenschaften“, in: Notker Hammerstein (Hrsg.), Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, Stuttgart 1989, S. 269–282. Über Eberhard Gothein siehe etwa Peter Alter, „Eberhard Gothein”, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. VIII, Göttingen 1982, S. 40–55.

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  57. Eine sehr detaillierte Untersuchung zu diesem Thema findet man bei Eckart Pankoke, Sociale Bewegung - Sociale Frage - Sociale Politik. Grundfragen der deutschen „Socialwissenschaft“ im 19. Jahrhundert, a.a.O.

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  58. Heinrich von Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft. Ein kritischer Versuch, S. 17.

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  59. Rudolf Stammler, Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, Leipzig 1906 (2. Auflage, zuerst: 1896), S. 10f. Vgl. auch ebd., S. 115.

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  60. Ebd., S. 3, S. 82f. u. S. 107. Stammler betrachtet die Theorie von Rümelin als Übergangsphänomen insofern, als dieser die Staatswissenschaften und die Gesellschaftswissenschaften gleichmäßig in die soziale Wissenschaft einbezogen hat, aber auf der anderen Seite beide Größen jedoch nicht zu einer neuen Begrifflichkeit synthetisiert hat. Vgl. ebd., S. 81f. In der Tat unterscheidet Rümelin derart die Gesellschaft und den Staat, daß die Gesellschaft Stoff und Inhalt des menschlichen Zusammenlebens bedeutet, während der Staat - mit Hilfe der rechtlichen Norm - die Ordnung des gesellschaftlichen Lebens garantiert. Vgl. dazu Gustav Rümelin, „Veber den Begriff der Gesellschaft und einer Gesellschaftslehre“, in: Halbmonatshefte der Deutschen Rundschau 1/1889–90, S. 20–33. Gothein bewertet mit Recht die Stammlersche Idee sehr positiv, die wissenschaftliche Betrachtung der gesellschaftlichen Erscheinungen auf dem begrifflich konstruierten Gegenstand fußen zu lassen: „Jedenfalls ist aber die Forderung berechtigt, wenn nicht gar notwendig, daß, ehe man eine anspruchsvolle Gesellschaftswissenschaft ausbaut, die fast alle anderen Geisteswissenschaften teils ersetzen, teils in sich aufnehmen will, Klarheit in dem Grundbegriffe geschaffen werde, durch den der Gegenstand dieser Wissenschaft selber erst bestimmt wird. Es ist das Verdienst Stammlers, diese Notwendigkeit und die Unzulänglichkeit aller bisherigen Versuche fast zuerst dargelegt zu haben.” (Eberhard Gothein, „Gesellschaft und Gesellschaftswissenschaft“, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage, Vierter Band: Fabrik - Gewerkvereine, Jena 1909, S. 680–706, hier: S. 681).

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  61. Rudolf Stammler, „Die materialistische Geschichtsauffassung“, in: ders., Rechtsphilosophische Abhandlungen und Vorträge, Charlottenburg 1925, S. 276–318, hier: S. 308. „The true units of society are individuals. Society exists for them, not they for society.” (Don Martindale, The Nature and Types of Sociological Theory, Boston 1960, S. 235).

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  62. Stammler über die Soziologie: “In der neueren Zeit hat sich die Lehre von der menschlichen Gesellschaft mehrfach Soziologie genannt. Im besonderen bezeichnete sich so die Richtung, die es untemahm, das soziale Dasein nach naturwissenschaftlicher Methode zu erforschen. Sie wollte dann in einer ähnlichen Weise sogenannte Gesetze des Zusammenlebens aufstellen, wie sie der Naturforscher fir das Verhältnis der räumlichen Erscheinungen sucht. Und dann unterlag man dem sicheren methodischen Fehler, in zweierlei Richtung Erkenntnisse der gleichen Art zu suchen, deren notwendige Bedingungen doch verschieden waren. Denn das eine sind Wahrnehmungen körperlicher Gegenstände, das andere aber Bestrebungen im Zusammenwirken der Menschen.” (Rudolf Stammler, „Die materialistische Geschichtsauffassung“, S. 290). Vgl. sowie ferner Rudolf Stammler, Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, S. 77ff. u. S. 215ff.

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  63. Rudolf Stammler, „Die materialistische Geschichtsauffassung“, S. 302.

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  64. Rudolf Stammler, Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, S. 200.

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  65. Ebd., S. 7. Zu gewinnen ist die Form nach Stammler durch die logische Trennung der allgemeingültigen und notwendig bleibenden Elemente von denjenigen, die empirisch vielfältig und wandelbar sind; dies ist ein gedankliches Verfahren, das fortgesetzt werden muß, „bis man zu den Gedanken gelangt, welche in ihrer begrifflichen Fassung sich nicht weiter zerlegen lassen, und die darum nur noch die Bedeutung des einheitlichen methodischen Bestimmens von bestimmbarem Inhalte des Bewußtseins haben. Ein derartiger Grundbegriff ist in sich nichts weiter, als ein grundlegendes Verfahren, mannigfachen Stoff gleichmäßig zu bestimmen. Er erschöpft sich darin, eine allgemeingültige formale Art und Weise des Ordnens und Richtens zu sein. Gegenüber solchen formalen Bedingungen, die selbst wieder empirisch bedingt sind und darum unter noch höheren bestimmenden Formen stehen, kann jener eine reine Form heißen. Die Besinnung auf sie, die Einsicht in ihre Art und Bedeutung, ihr Festhalten und ihr Durchführen sind es, welche das Fundament einer wissenschaftlichen Einsicht herstellen und die Eigenart des gesetzmäßigen Bewußtseins liefern“: ebd., S. 119f.

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  66. Vgl. über die Bedeutung von Kant fair Stammler etwa Benjamin Kotowitz, Die Sozialphilosophie Rudolf Stammlers. Einflüsse und Auswirkungen, München 1973 (Dissertation), S. lff. Charakteristisch bleibt fiür die geistige Atmosphäre um die Jahrhundertwende, daß sich die materialistisch orientierte Sozialwissenschaft stark der Kantischen Philosophie zugewandt hat, neben Stammler auch bei Hermann Cohen, Franz Staudinger, Max Adler, Karl Vorländer sowie Paul Natorp. Dies liegt zum wesentlichen Teil darin begründet, daß der Hegel-Marxsche dialektisch-geschichtsphilosophische Begründungsmodus der Sozialwissenschaft die Überzeugungskraft verloren hat, daß dadurch in zunehmendem Maße der Gedanke aufgekommen ist, der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis nunmehr eine exakte und positive Wissenschaftlichkeit wie die Naturwissenschaft zu verleihen, wobei zunächst vorausgesetzt wird, die in der marxistischen Gesellschaftstheorie durchaus geltende Verbindung von erfahrungswissenschaftlicher Tatsachenfeststellung und ethisch-politischem Werturteil zu trennen, eine Voraussetzung, die man vorzüglich in der Kantischen Grenzziehung von theoretischer und praktischer Vernunft eingesehen hat. Vgl. hierzu Johannes Weiß, „Ist eine `Kantische’ Begründung der Soziologie möglich?“, in: Dieter Henrich (Hrsg.), Kant oder Flegel? Über Formen der Begründung in der Philosophie, Stuttgart 1983, S. 531–546, hier: S. 531f. Ferner zur Kantrezeption im deutschen sozialen und historischen Denken um die Jahrhundertwende siehe die Arbeit von Thomas E. Willey, Back to Kant. The Revival of Kantianism in German Social and Historical Thought 1860–1914, Detroit 1978 sowie Kurt Röttgers, „Kant, Simmel und die Entstehung der Sozialphilosophie”, in: Simmel Newsletter 5/1995, S. 1–12.

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  67. Rudolf Stammler, Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, S. 83.

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  68. Vgl. Bernd Wirkus, Deutsche Sozialphilosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, a.a.O., S. 94ff., insbesondere S. 96f. Über die Sozialphilosophie Stammlers vgl. Horst Krahmer, Rudolf Stammlers Sozial-Philosophie. Zur zweiten Auflage von „Wirtschaft und Recht“, Leipzig 1906; Benjamin Kotowitz, Die Sozialphilosophie Rudolf Stammlers. Einflüsse und Auswirkungen, a.a.O. Siehe ferner zur Stammlerschen Rechtsphilosophie im Rahmen des Marburger Neukantianismus Claudius Müller, Die Rechtsphilosophie des Marburger Neukantianismus. Naturrecht und Rechtspositivismus in der Auseinandersetzung zwischen Hermann Cohen, Rudolf Stammler und Paul Natorp, Tübingen 1994.

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  69. Über die sozialwissenschaftlichen Diskussionen um die Jahrhundertwende gibt es eine zusammenfassende Analyse bei: Gisela Wallgärtner, Der soziologische Diskurs im Kaiserreich. Auswertung sozialwissenschaftlicher Zeitschriften, Münster/Hamburg 1991, S. 166ff.

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  70. Die Arbeit von Benjamin Kotowitz (Die Sozialphilosophie Rudolf Stammlers, a.a.O. S. 138ff.) bietet eine übersichtliche Zusammenfassung der zeitgenössischen Kritik an Stammler dar. Hiergegen bewerteten die folgenden Zeitgenossen die Arbeit von Stammler sehr positiv: Franz Staudinger, „Rezension: Stammler, Rudolf: Wirtschaft und Recht“, in: Kant-Studien 1/1897, S. 132–137; Karl Vorländer, „Eine Sozialphilosophie auf Kantischer Grundlage”, in: Kant-Studien 1/1897, S. 197–216; Otto Gerlach, „Kants Einfluß auf die Sozialwissenschaft in ihrer neuesten Entwicklung“, in: Zeitschrift fir die gesamte Staatswissenschaft 55/1899, S. 644–663.

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  71. Georg Simmel, „Zur Methodik der Socialwissenschaft“, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 20/1896, S. 575–585, hier: S. 579.

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  72. Georg Simmel, Über sociale Differenzierung, S. 118 u. S. 125; ders., „Zur Methodik der Socialwissenschaft“, S. 580. Diese Definition der Gesellschaft bei Simmel kritisiert Stammler im Lichte seiner Bestimmung des Sozialen wie folgt: „Es bleibt jener angefiihrte Versuch auf halbem Wege stehen und gelangt gar nicht zur Lösung der vorhin scharf bestimmten Frage.” Denn: die Simmelsche Gesellschaftskonzeption als Summe der Wechselwirkungen mehrerer Individuen weist nach Stammlers Überzeugung lediglich „eine spezifisch naturwissenschaftliche Betrachtung von einzelnen Menschen“ auf; dagegen findet Stammler die vollständige Lösung der sozialwissenschaftlichen Aufgabe in der weiteren Zurückfiihrung der gesellschaftlichen Wechselwirkungen auf die ihnen äußeren normativen Regeln. Vgl. Rudolf Stammler, Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, S. 108f.

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  73. Georg Simmel, „Zur Methodik der Socialwissenschaft“, S. 579 u. S. 581.

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  74. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 309f „Nichts“, so wendet sich Weber gegen die Stammlersche Logik von Form und Inhalt, „ist nun bekanntlich vieldeutiger als das Wort `formal’ und der Sinn des Gegensatzes: Inhalt-Form. Was darunter verstanden sein soll, bedarf in jedem einzelnen Fall einer ganz präzisen Feststellung”: ebd., S. 308. Bei Kant ist die Unterscheidung von Form und Inhalt derart im Prinzip erkenntnistheoretischen Charakters, daß das erkennende Subjekt aufgrund seiner apriorischen Verstandesform die als solche chaotische Objektwelt gedanklich-begrifflich ordnet, strukturiert und somit zu einer neuen einheitlichen Welt synthetisiert. In Stammler findet Weber ferner auch „die lächerliche Rolle des juristischen Scholastikers“: ebd., S. 380.

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  75. Vgl. über den Marxismus im deutschen Kaiserreich Gisela Wallgärtner, Der soziologische Diskurs im Kaiserreich. Auswertung sozialwissenschaftlicher Zeitschriften, a.a.O., S. 243ff.

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  76. Albert Salomon, German Sociology, in: G. Gurvitch & W. E. Moore, Twentieth Century Sociology, New York 1945, S. 596, hier zitiert nach: Avraham Zloczower, „Marx, Weber und die Klassenstruktur: konkurrierende oder komplementäre Perspektiven“, in: Stefan Böckler & Johannes Weiß (Hrsg.), Marx oder Weber? Zur Aktualisierung einer Kontroverse, Opladen 1987, S. 60–66, hier: S. 60. In diesem Zusammenhang bezeichnet man Weber als den „bürgerlichen Marx”. Vgl. dazu Albert Salomon, „Max Weber“, in: Gesellschaft. Internationale Revue fir Sozialismus und Politik 3/1926, S. 131–153, hier: S. 144. Vgl. auch Ernst Topitsch, „Max Webers Gesellschaftsauffassung”, in: Wissenschaft und Weltbild. Monatsschrift fir alle Gebiete der Forschung 3/1950, S. 262–270, hier: S. 262 sowie Wolfgang Mommsen, Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt am Main 1974, S. 145. Die Forschung über das Verhältnis von Marx und Simmel und über dasjenige von Marx und Weber fällt sehr asymmetrisch aus, derart, daß das MarxSimmel-Verhältnis bislang nur wenig untersucht worden ist. Zu erwähnen sind also die Arbeiten: August Koppel, Für und wider Karl Marx. Prolegomena zu einer Biographie, Karlsruhe 1905; Jonathan H. Turner, „Marx and Simmel Revisited: Reassesing the Foundations of Conflict Theory“, in: Social Forces 53/1975, S. 618–627; Hermann Schwengel, „Simmel und Marx. Zwei Philosophen des Geldes. Ein Schatten des Heiligen?”, in: Dietmar Kamper & Christoph Wulf (Hrsg.), Das Heilige. Seine Spur in der Moderne, Frankfurt am Main 1981, S. 464–490; Horst Jürgen Helle, „Simmel über Marx. Eine Kontroverse um die Methode der Makrosoziologie“, in: Soziologisches Jahrbuch 1/1985, S. 193210. Im großen Gegensatz dazu ist das Verhältnis von Marx und Weber sehr ausfihrlich diskutiert worden, wie der Hinweis auf die folgenden Arbeiten - freilich ohne Anspruch auf eine vollständige Zusammenstellung der einschlägigen Literatur - deutlich macht: Norman Birnbaum, „Conflicting Interpretations of the Rise of Capitalism: Marx and Weber”, in: British Journal of Sociology 4/1953, S. 125–141; Helmut G. R. Leiche, Die anthropologisch-soziologische Methodik bei Karl Marx, Werner Sombart und Max Weber, Köln 1957 (Dissertation); Karl Löwith, „Max Weber und Karl Marx“, in: ders., Gesammelte Abhandlungen. Zur Kritik der geschichtlichen Existenz, Stuttgart 1960, S. 167; Jürgen Kocka, „Karl Marx und Max Weber”, in: Zeitschrift fir die gesamte Staatswissenschaft 122/1966, S. 328–357; Guenther Roth, „Das historische Verhältnis der Weberschen Soziologie zum Marxismus“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 20/1968, S. 429–447; Wolfgang Lefèvre, Zum historischen Charakter und zur historischen Funktion der Methode bürgerlicher Soziologie. Untersuchung am Werk Max Webers, Frankfurt am Main 1971; Anthony Giddens, Capitalism and Modern Social Theory. An Analysis of the Writings of Marx, Durkheim and Weber, Cambridge 1971; Richard Ashcraft, „Marx and Weber on Liberalism as Bourgeois Ideology”, in: Comparative Studies in Society and History 4/1972, S. 130–168; ders., „Marx, Weber und die Entwicklung des Kapitalismus“, in: Constans Seyfarth & Walter M. Sprondel (Hrsg.), Seminar: Religion und gesellschaftliche Entwicklung. Studien zur Protestantismus-Kapitalismus-These Max Webers, Frankfurt am Main 1973, S. 65–96; Jürgen Kocka, „Karl Marx und Max Weber im Vergleich. Sozialwissenschaften zwischen Dogmatismus und Dezisionismus”, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Geschichte und Ökonomie, Köln 1973, S. 54–84; Wolfgang Mommsen, „Kapitalismus und Sozialismus. Die Auseinandersetzung mit Karl Marx“, in: ders., Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt am Main 1974, S. 144–181; Carl Mayer, „Die Marx-Interpretation von Max Weber”, in: Soziale Welt 25/1974, S. 265–277; Jürgen Kocka, „Kontroversen über Max Weber“, in: Neue Politische Literatur 21/1976, S. 281–301; Jürgen Zander, Das Problem der Beziehungen Max Webers zu Karl Marx, Frankfurt am Main 1978; Ulrich Steinvorth, „Wertfreiheit der Wissenschaften bei Marx, Weber und Adorno”, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 9/1978, S. 293–306; Veit Michael Bader et al., Einfiihrung in die Gesellschaftstheorie. Gesellschaft, Wirtschaft und Staat bei Marx und Weber, Frankfurt am Main/New York 1980 (2. Auflage, zuerst: 1976); Gregor Schöllgen, „Max Weber und Karl Marx. Überlegungen am Beispiel der Arbeitstheorie des späten Weber“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 31/1980, S. 721–738; Johannes Weiß, Das Werk Max Webers in der marxistischen Rezeption und Kritik, Opladen 1981; ders., „Marx, Weber und das Problem der Entfremdung”, in: H. Steiner (Hrsg.), Materialien des 1. Internationalen Symposiums zur Theorie und Geschichte der Soziologie. Akademie der Wissenschaft der DDR, Linowsee bei Rheinsberg 1985, S. 252–266; Kurt Beiersdörfer, Max Weber und Georg Lukäcs. Über die Beziehung von Verstehender Soziologie und Westlichem Marxismus, Frankfurt am Main/New York 1986; Stefan Böckler & Johannes Weiß (Hrsg.), Marx oder Weber? Zur Aktualisierung einer Kontroverse, Opladen 1987; Wolfgang Schluchter, Religion und Lebensführung, Bd. 1, a.a.O., S. 23ff., insbesondere S. 93ff.; Sven Papcke, Jerzy Topolski & Hans-Ulrich Wehler, „Karl Marx und Max Weber“, in: Christian Gneuss & Jürgen Kocka (Hrsg.), Max Weber. Ein Symposion, München 1988, S. 102–125; Johannes Weiß, „Max Weber in den sozialistischen Ländern”, in: deins., S. 126–141; Irene Zodel, Gesellschaftsanalyse, Erkenntnis-und Wissenschaftstheorie bei Karl Marx und Max Weber. Überlegungen zu einer theoretischen Neuorientierung, Frankfurt am Main 1990. Ferner versucht F. Pohlmann, Simmel zwischen Marx und Weber zu stellen. Vgl. hierzu Friedrich Pohlmann, Individualität, Geld und Rationalität. Georg Simmel zwischen Karl Marx und Max Weber, a.a.O.

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  77. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 205. Gegenüberzustellen sind die „zumindest potentiell aufklärerische Bedeutung“ des idealtypischen Verfahrens im Weberschen Sinne einerseits und die „antiaufklärerische” Implikation einer metaphysischen Stellungnahme im Marxschen Sinne andererseits, wobei das erstere auf die „Möglichkeiten des Handelns“ verweisen, während von der letzteren nur Aussagen mit „unbedingten Notwendigkeiten” zu erwarten sind. Vgl. Johannes Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 78. Zum Verhältnis von Marx und Weber in methodologischer Hinsicht siehe vor allem: Judith Janoska-Bendl, Methodologische Aspekte des Idealtypus. Max Weber und die Soziologie der Geschichte, Berlin 1965, S. 89ff.; Siegfried Landshut, Kritik der Soziologie und anderen Schriften zur Politik, Neuwied/Berlin 1969, S. 34ff.; Jürgen Kocka, „Karl Marx und Max Weber im Vergleich“, a.a.O.; Nowak Leszek, „Webers Idealtype and Marx’s Abstraction”, in: Rüdiger Bubner (Hrsg.), Marx’s Methodologie, Göttingen 1978, S. 81–91; Gregor Schöllgen, Handlungsfreiheit und Zweckrationalität. Max Weber und die Tradition praktischer Philosophie, Tübingen 1984, S. 81 ff.;.; William Outhwaite, „Max Webers Theorie der Begriffsbildung im Licht einer marxistischen Wissenschaftstheorie“, in: Stefan Böckler & Johannes Weiß (Hrsg.), Marx oder Weber? Zur Aktualisierung einer Kontroverse, Opladen 1987, S. 16–28; Wolfgang Schluchter, Religion und Lebensführung, Bd. 1, a.a.O., 93ff. Vgl. ferner über den Idealtypus aus der marxistischen Sicht Johannes Weiß, Das Werk Max Webers in der marxistischen Rezeption und Kritik, a.a.O., S. 63ff.

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  78. Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie: Karl Marx-Friedrich Engels-Werke 13, Berlin 1961, S. 613ff.

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  79. Vgl. dazu Erich Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie. Studien zu methodologischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen der soziologischen Forschung, Berlin 1968, S. 193.

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  80. Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 632.

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  81. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Geschichte als Historische Sozialwissenschaft, Frankfurt am Main 1980 (3. Auflage: zuerst 1973), S. 56 sowie Horst Jürgen Helle, „Simmel über Marx. Eine Kontroverse um die Methode der Makrosoziologie“, a.a.O. Im 3. Band seines Hauptwerkes Das Kapital schreibt Marx folgendes: „Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen.” (Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 3: Karl Marx-Friedrich Engels-Werke 25, Berlin 1964. S. 825).

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  82. Michael Neumann, Zur Methode der Klassenanalyse. Insbesondere bei Friedrich Engels. Untersuchungen zu einem Problem der marxistischen Soziologie, Göttingen 1975 (Dissertation), S. 62f. Vgl. auch ebd., S. 24 u. S. 101f.

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  83. Ebd., S. 50f. Diese allgemeinen marxistischen Gesetze oder Theorien kommen unter anderem in den folgenden Formeln zum Ausdruck: „gesellschaftliche Produktion“, „notwendige Verhältnisse”, „materielle Produktivkräfte“, „Gesamtheit der Produktionsverhältnisse”, „ökonomische Struktur“, „Basis”, „Überbad`, „Widerspruch“, „Entwicklungsform”, „Umwälzung“. Vgl. ebd., S. 51.

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  84. Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 1, Berlin 1962, S. 16; ders., Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 9. R. Prewo ist zwar zuzustimmen, wenn er bei Marx bestimmte handlungslogische Begriffe herausarbeitet: Arbeit, Arbeitsprodukt, Tausch, Tauschwert, Wert, Produktion, Zirkulation, Konsumtion, Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Kapital, Profit, Äquivalent. Doch ist Prewo auf der anderen Seite insofern nicht zuzustimmen, als er aufgrund dessen bei Marx ein handlungstheoretisches Forschungsprogramm vom Weberschen Typ festzustellen gedenkt. Vgl. dazu Rainer Prewo, „Max Webers handlungsbegriffliche Soziologie. Kann sie Marx’ Methodologie verständlicher machen?“, in: Stefan Böckler & Johannes Weiß (Hrsg.), Marx oder Weber? Zur Aktualisierung einer Kontroverse, Opladen 1987, S. 29–47, insbesondere S. 34f. Denn: Entscheidend für das Kriterium, welchen Wissenschaftstypus bzw. welche Erkenntnisform Marx entwickelt hat, ist nicht die Frage, ob im Marxschen Werk handlungstheoretische Dimensionen und Momente enthalten sind oder nicht; entscheidend ist dabei vielmehr die Frage der „theoretischen Grundanschauung”, von welchem Standpunkt aus diese gesellschaftlichen und geschichtlichen Tatsachen zu beobachten und zu begründen sind. Prewo übersieht also den Umstand, daß Marx diese durchaus handlungsbegrifflichen Elemente auf die materiell-ökonomischen Verhältnisse der Klassen und schließlich auf die allgemeinen und notwendigen Entwicklungsgesetze zurückführt. Für Weber ist dagegen der Einzelne „die Grenze und der einzige Träger sinnhaften Sichverhaltens“, eine theoretische Grundanschauung, die die Aufgabe der Soziologie dahingehend bestimmt, alle sozialen Gebilde „auf `verständliches’ Handeln, und das heißt ausnahmslos: auf Handeln der beteiligten Einzelmenschen, zu reduzieren” (Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 439). Und für Simmel bedeutet die Gesellschaft „eine objektive Form subjektiver Seelen“ (Georg Simmel, Soziologie, S. 41). Vgl. über soziales Handeln und materielle Verhältnisse als theoretische Grundanschauung jeweils bei Weber und bei den Marxisten Johannes Weiß, Das Werk Max Webers in der marxistischen Rezeption und Kritik, a.a.O., S. 99ff. Indem er die Manische Methode als ein handlungslogisches Abstraktionsverfahren betrachtet, glaubt Prewo des weiteren, daß die Dialektik und die idealtypische Methode „womöglich weniger zwei unterschiedliche metatheoretische `Sprachspiele’ (mit verschiedenen Regeln) als vielmehr nur unterschiedliche Redespiele sind”. Vgl. Rainer Prewo, „Max Webers handlungsbegriffliche Soziologie. Kann sie Marx’ Methodologie verständlicher machen?“, a.a.O., S. 41. Man erinnere dagegen daran, daß die Marxsche Methode substantialistisch fundiert ist, während die Webersche Methode perspektivistisch orientiert ist, was auch für die Methode Simmels weitgehend der Fall ist.

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  85. E. Hahn stellt das Handlungsmoment bei dem Marxismus einerseits und bei Weber und bei den ihm folgenden sogenannten bürgerlichen Soziologen wie etwa bei Talcott Parsons andererseits jeweils als „verschwindendes Moment“ und als „konstituierendes Moment” sehr anschaulich gegenüber. Vgl. dazu Erich Hahn, Theoretische Probleme der marxistischen Soziologie, a.a.O., S. 63.

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  86. In seinem Aufsatz Die beiden Formen des Individualismus aus dem Jahre 1901, wobei es sich primär um den quantitativen Individualismus und den qualitativen Individualismus handelt, erläutert Simmel Max Stirner als den Vertreter eines keiner der beiden Formen angehörigen Individualismus; unter dem Individuum versteht Stirner „das von jedem Inhalt entleerte, radikale gesetz-und gegensatzlose Ich des Egoismus“: Georg Simmel, „Die beiden Formen des Individualismus” (1901), in: Georg Simmel Gesamtausgabe 7. Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, Bd. 1, Frankfurt am Main 1995, S. 49–56, hier: S. 54ff., insbesondere S. 56. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Wolfgang Eßbach, Gegenzüge. Der Materialismus des Selbst und seine Ausgrenzung aus dem Marxismus - eine Studie über die Kontroverse zwischen Max Stimer und Karl Marx, Frankfurt am Main 1982, die sich mit der Bedeutung von Stirners „Meterialismus des Selbst“ fir die Genese von Marx’ und Engels „Meterialismus der Verhältnisse” befaßt. Ferner zum sozialen Moment bei Marx siehe Martin Albrow, „Der Begriff des Sozialen im Werk von Marx und Weber“, in: Stefan Böckler & Johannes Weiß (Hrsg.), Max oder Weber? Zur Aktualisierung einer Kontroverse, Opladen 1987, S. 48–59.

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  87. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 163. Vgl. auch die Formulierungen von Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 8f.

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  88. Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988 (2. Auflage, zuerst: 1924), S. 456.

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  89. Georg Simmel, „Das Geld in der modernen Cultur“, S. 195f. Sein philosophisches Hauptwerk Philosophie des Geldes aus dem Jahre 1900, dessen Erkenntnisinteresse den Wirkungen der kapitalistischen Geldwirtschaft „auf die innere Welt: auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur” gilt, betrachtet Simmel in methodischer Hinsicht als ein wissenschaftliches Unternehmen, „dem historischen Materialismus ein Stockwerk unterzubauen, derart, daß der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen selbst als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden. Für die Praxis des Erkennens muß sich dies in endloser Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes durch ein ökonomisches muß sich die Forderung schließen, dieses seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wiederum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort ins unbegrenzte“: Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 12f. Vgl. auch ebd., S. 719.

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  90. Vgl. zu Webers Freiburger Antrittsvorlesung Arnold Bergstraesser, „Max Webers Antrittsvorlesung in zeitgeschichtlicher Perspektive“, in: Vierteljahrshefte fir Zeitgeschichte 5/1957, S. 209–219, ders., „Max Weber, der Nationalstaat und die Politik”, in: ders., Politik in Wissenschaft und Bildung. Schriften und Reden, Freiburg 1961, S. 63–75, Wilhelm Hennis, „Max Weber in Freiburg. Zur Freiburger Antrittsvorlesung in wissenschaftsgeschichtlicher Sicht“, in: Freiburger Unversitätsblätter 86/1984, S. 33–45 sowie Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 68ff.

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  91. Max Weber, Gesammelte Politische Schriften, Tübingen 1971 (3. Auflage, zuerst: 1921), S. 13. Vgl. auch Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 73. In diesem Zusammenhang sei hier weiterhin auf Webers Kritik am ethischen Ideal der staatlichen Sozialpolitik bei der deutschen historischen Schule der Nationalökonomie verwiesen. Der Sozialpolitik legt Weber das nationalstaatliche Ideal zugrunde. Diese soll - so behauptet Weber nachdrücklich - nichts anderem als „den ökonomischen und politischen Machtinteressen der [unserer] Nation und ihres Trägers, des deutschen Nationalstaates“ dienen. (Max Weber, Politische Schriften, S. 15). Entscheidend ist aber dabei, daß Weber nicht die Aristokratie, sondern das Bürgertum und auch die Arbeiterklasse fir den Träger des deutschen Nationalstaates hält. Im städtischen und bürgerlich-kapitalistischen Zeitalter muß die auf dem Beamtentum und den ostpreußischen Gutshöfen basierende politische und ökonomische Funktion der Aristokratie nun dem Bürgertum und der Arbeiterklasse übergeben werden. Das allergrößte Problem des deutschen Nationalstaates - ja: „das Drohende der [unserer] Situation”, was das Ende „der deutschen Geschichte“ wäre (ebd., S. 23 u. S. 21) - besteht nach seiner Ansicht in der politischen Unreife insbesondere des Bürgertums, was seinerseits wiederum aus seiner politischen Entmündigung unter dem monarchisch-aristokratischen Beamtenstaat resultiert. Folglich setzt Weber das Ziel der Sozialpolitik weniger auf die Verbesserung der proletarischen Existenzbedingungen als auf das politische Bewußtsein, die politische Qualifikation und das politische Handeln des Bürgertums und auch der Arbeiterklasse.

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  92. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie 1985 (5. Auflage, zuerst: 1922), S. 6. Anders gesprochen: Weber ist mit aller Entschiedenheit gegen „jede Ontologisierung und Hypostasierung von `Kollektivbegriffen“` eingestellt. Vgl. Johannes Weiß, „Zur Einleitung”, in: ders. (Hrsg.), Max Weber heute. Erträge und Probleme der Forschung, Frankfurt am Main 1989, S. 7–28, hier: S. 16. In einem Brief an Robert Liefmann, einen Nationalökonomen der deutschen historischen Schule, vom 9. März 1920 schreibt Weber: „Wenn ich jetzt nun einmal Soziologe bin (laut meiner Anstellungsurkunde), dann wesentlich deshalb, um dem immer noch spukenden Betrieb, der mit Kellektivbegriffen arbeitet, ein Ende zu machen. Mit anderen Worten: Auch Soziologie kann nur durch Ausgehen vom Handeln des oder der, weniger, oder vieler, Einzelnen, strikt ‘individualistisch’ in der Methode also, betrieben werden. Über den `Staat’ sprechen Sie z. B. noch ganz altväterliche Ansichten aus. Der Staat ist im Sinn der Soziologie nichts als die Chance, daß bestimmte Arten spezifischen Handelns stattfinden, Handelns bestimmter einzelner Menschen. Sonst gar nichts… Das `Subjektive’ daran ist: daß das Handeln an bestimmten Vorstellungen orientiert ist. Das `Objektive’: daß wir - die Beobachter urteilen: Die Chance, daß dies, an diesen Vorstellungen orientierte Handeln erfolgt werde, besteht. Besteht sie nicht mehr, so besteht der `Staat’ nicht mehr.“ (zitiert nach: Wolfgang Mommsen, „Diskussion über `Max Weber und die Machtpolitik’ von Raymond Aron” auf dem 15. deutschen Soziologentag, in: Otto Stammer [hrsg.], Max Weber und die Soziologie heute [Verhandlungen des 15. deutschen Soziologentages], Tübingen 1965, S. 130138, hier: S. 137, Anm. 12). In den Soziologischen Grundbegriffen hat Weber den Chancenbegriff als soziologische Verknüpfungsinstanz von Handeln und sozialem Gebilden entwickelt. Vgl. hierzu Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 11ff. und ferner Thomas Schwinn, „Max Webers Konzeption des Mikro-Makro-Problems“, in: Kölner Zeitschrift fir Soziologie und Sozialpsychologie 45/1993, S. 220–237. Von werkgeschichtlicher Bedeutung ist aber die Tatsache, daß Weber bereits auf dem I. Deutschen Soziologentag von 1910 explizit und bewußt die „Chance” als soziologischen Grundbegriff gebraucht hatte, wie er in seiner Diskussionsrede zu dem Vortrag von H. Kantorowicz über „Rechtswissenschaft und Soziologie“ behauptet, daß der Rechtssatz im soziologischen Sinne eine faktische Handlungschance der bestimmten Individuen bedeutet, die sich von der normativen Geltung des Rechtssatzes im rechtsdogamtischen Sinne wesentlich unterscheidet. Vgl. dazu Max Weber, „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dem ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt” von 1910, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988 (2. Auflage, zuerst: 1924), S. 431–483, hier: S. 476ff. Nach Marianne Webers Interpretation - und ihr ist weitgehend zuzustimmen - bekommt der Begriff des Staates - daneben allerdings die in engem Zusammenhang mit dem Staatsbegriff stehenden Begriffe der Nation, des Rechts, der Kirche u. dgl. m. - durch die Neudefinition als Chance fir bestimmte individuelle Handlungen „einen ganz neuen, rein logischen und deshalb natürlich seltsam kühlen und unpathetischen Sinn“. Denn diese neue soziologische Begrifflichkeit läßt soziale Gebilde von den herkömmlichen metaphysischen Ansprüchen auf transzendent-objektive Geltung befreien. Diese gewisse „logische `Entzauberung’ historischer Gebilde” hat - so weiterhin Marianne Weber - „den Charakter einer logischen Revolution“ mit sich gebracht. Vgl. Marianne Weber, Max Weber. Ein Lebensbild, Tübingen 1984 (3. Auflage, zuerst: 1926), S. 692f. Siehe ferner zur Weberschen Staatstheorie unter anderem Michael angle, Max Webers Staatstheorie im Kontext seines Werkes, Berlin 1988; Stefan Breuer, „Max Webers Staatssoziologie”, in: Kölner Zeitschrift fir Soziologie und Sozialpsychologie 45/1993, S. 199–219.

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  93. Die Gesellschaftswissenschaft oder die Kontroverse von Mohl und Treitschke wird häufig als Anfang der Soziologie in Deutschland angesehen. Vgl. dazu vor allem: Eckart Pankoke, Sociale Bewegung - Sociale Frage - Sociale Politik. Grundfragen der deutschen „Socialwissenschaft“ im 19. Jahrhundert, a.a.O., S. 120; Thomas Burger, „Deutsche Geschichtstheorie und Webersche Soziologie”, a.a.O., S. 51. Angermann besteht hiergegen auf der These, daß dieser Wissenschaftstypus keinen direkten Weg in die moderne Soziologie als einer Spezialwissenschaft der zwischenmenschlichen Beziehungen im speziellen und in die das menschliche Gemeinschaftsleben erforschende Sozialwissenschaft im allgemeinen gefunden hat. Vgl. Erich Angermann, Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten, a.a.O., S. 366f.

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  94. Vgl. Karin Schrader-Klebert, „Der Begriff der Gesellschaft als regulative Idee. Zur transzendentalen Begründung der Soziologie bei Georg Simmel“, in: Soziale Welt 19/1968, S. 97–118; David Frisby, „Die Ambiguität der Moderne: Max Weber und Georg Simmel”, a.a.O., S. 588 sowie Hartmann Tyrell, „Max Webers Soziologie - eine Soziologie ohne `Gesellschaft“`, in: Gerhard Wagner & Heinz Zipprian (Hrsg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 390–414.

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  95. Georg Simmel, Grundfragen der Soziologie, S. 14. Die Gesellschaft - so definiert Simmel die Gesellschaft im Werk Philosophie des Geldes in einer prägnanten Formulierung - ist „das übersinguläre Gebilde, das doch nicht abstrakt ist. Durch sie wird das geschichtliche Leben der Alternative enthoben, entweder an bloßen Individuen oder in abstrakten Allgemeinheiten zu verlaufen; sie ist das Allgemeine, das zugleich konkrete Lebendigkeit hat“: Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 91.

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  96. In Betracht kommen: A. Comte, Cours de la philosophie positive, 1842; R. v. Mohl, Geschichte der Staatswissenschaft; H. W. Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft, 1851; H. v. Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft, 1859; Herbert Spencer, Einleitung in das Studium der Soziologie, 1875; Gumplowicz, Grundriss der Soziologie, 1888; F. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 1887; Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers, 2. Aufl., 1896; Giddings, The principles of sociology, 1896; Simmel, Die Aufgaben der Soziologie, Schmollers Jahrbuch, 1894; Loria, Die wirtschaftliche Grundlage der neuesten Gesellschaftsordnung, 1895; K. Roberty, la Sociologie, 1881; G. Simmel, Über soziale Differenzierung, 1890; P. Barth, Die Philosophie der Geschichte als Soziologie, 1897. Vgl. Max Weber, Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie (1898), Tübingen 1990, S. 10f. Siehe ferner Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 78ff., wo die theoretischen Grundzüge der hier von Weber erwähnten Soziologen kurz erörtert sind.

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  97. Alle Zitate aus: Georg Simmel, Soziologie, S. 32f. Gleiche Argumentation gibt es auch in: ders., „Soziologie der Sinne“ (1907), in: Georg Simmel Gesamtausgabe B. Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, Frankfurt am Main 1993, S. 276–292, hier: 276f., ein Aufsatz, in dem Simmel argumentiert, daß selbst der Sinn, der normalerweise als physiologisch-psychologische Erscheinung zu kategorisieren ist, „von fundamentaler soziologischer Bedeutung” sein kann, denn: „jeder Sinn liefert nach seiner Eigenart charakteristische Beiträge für den Aufbau der vergesellschafteten Existenz, den Nuancierungen seiner Eindrücke entsprechenden Besonderheiten der sozialen Beziehung“ (ebd., S. 278). Vgl: zur Entstehung der Psychologie als Mikroskopie des menschlichen Seelenlebens im 18. Jahrhundert Lothar Müller, „Mikroskopie der Seele - Zur Entstehung der Psychologie aus dem Geist der Beobachtungskunst im 18. Jahrhundert”, in: Gerd Jüttemann (Hrsg.), Die Geschichtlichkeit des Seelischen. Der historische Zugang zum Gegenstand der Psychologie, Weinheim 1986, S. 185–208. Im Kapitel VII. 1 der vorliegenden Arbeit wird ausführlich auf die Psychologie bei Simmel einzugehen sein. B. Wirkus ist zuzustimmen, wenn er die sozialwissenschaftliche bzw. -philosophische Position Simmels wie folgt zusammenfaßt: „Als erster entwickelt […] Georg Simmel eine sozialphilosophisch-soziologische Theorie der Moderne. Das Problem der Selbsterkenntnis der Moderne über eine Theorie der Gesellschaft bzw. Vergesellschaftung ist für ihn das gravierende Thema schlechthin. Simmel entlarvt die falsche Substantialität eines organizistisch-verabsolutierten Gesellschaftsdenkens und bringt das Ganze radikal historisiert und relativiert mit `spezifizierteren und plastischeren Kategorien’ auf eine höhere Reflexionsebene. Die Komplexität und Veränderbarkeit geschichtlicher Phänomene wird von ihm jetzt im Begriff der ‘Wechselwirkung’ festgehalten. Simmels ausdrückliche Bindung sozialer Tatsachen an bestimmte `Zeitstellen’ weist ihn als historisch-dialektischen Denker aus. Sein spezieller Blick ist weder auf bloß Individuelles oder Universelles, Gemeinschaft oder Gesellschaft in ihrer abstrakten Abgeschlossenheit gerichtet noch auf einen Dualismus von Inhalt oder Form. Simmel sucht historisch-sozialphilosophische Differenzierung, nicht identifizierendes Bekenntnis und Parteilichkeit: Das mag man für Schwäche halten, es macht aber in Wirklichkeit seinen Rang als sozialphilosophischer Denker aus. Simmels Sozialphilosophie löst sich von allen substantial-ontologischen Vorstellungen, die das Wesen von Gesellschaft in Ganzheiten, Totalitäten usw., kurz in sich selbst gleichen Einheiten begreifen wollen, anstatt seine realen Unterschiedlichkeiten zu beachten. Besonders seine Kategorie ‘Wechselwirkung’ will dem Rechnung tragen. Sie ist nicht kausaler, sondern dialektischer Natur. Simmel ist ein Denker der Differenz, nicht der homogenisierenden Identitäten. Daraus resultiert seine Schlüsselstellung für die sozialphilosophische Denkform, die die ersten dreißig Jahre unseres Jahrhunderts in außerordentlich hohem Maße bestimmt. Er gibt den Einsatz für den Wirbel von Problemen, Gedanken und Ideen, die um das `Rätsel der Gesellschaft’ kreisen. In der Intensität wie Originalität der sozialphilosophischen Reflexion ist er eine singuläre Größe geblieben.“ (Bernd Wirkus, Deutsche Sozialphilosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, a.a.O., S. 13f.).

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  98. Georg Simmel, Über sociale Differenzierung, S. 129ff. u. ders., Philosophie des Geldes, S. 262f. Den Werkzeugcharakter des Staates fir die wechselwirkenden Individuen - um ein Beispiel zu nennen - schreibt Simmel wie folgt: „Indem sein [des Einzelnen] Wille den Umweg über die Rechtsform des Vertrags, des Testaments, der Adoption usw. einschlägt, benutzt er ein von der Allgemeinheit hergestelltes Werkzeug, das seine eigene Kraft vervielfältigt, ihre Wirkungslinien verlängert, ihre Resultate sichert.“ (ebd., S. 262). Diese soziologische Betrachtungsweise hat - um das Wort von Marianne Weber anzuwenden (vgl. Anm. 115) - „den Charakter einer logischen Revolution” mit sich gebracht. Nicht von ungefähr hatte sie im damaligen geistig-wissenschaftlichen Milieu eine gravierende institutionelle Folge. Simmels Bemühung um den Ordinarius fir Philosophie in Heidelberg ist - neben seiner jüdischen Abstammung und seinem unkonventionellen Wissenschaftsstil - eben an seiner soziologischen Auffassung von Gesellschaft, Staat und Kirche gescheitert. Deutlich abzulesen ist dies am Gutachten von Berliner Historiker Dieter Schäfer für das badische Kultusministerium. Dort heißt es: „Simmel verdankt seinen Ruf wesentlich seiner ‘soziologischen’ Betätigung. […] Nach meiner Auffassung soll sich aber die Soziologie ihre Stellung als Wissenschaft noch erst erstreiten. Die ’Gesellschaft’ als maßgebendes Organ fir menschliches Zusammenleben an die Stelle von Staat und Kirche setzen zu wollen, ist nach meiner Meinung ein verhängnisvoller Irrtum. Diese Richtung schon jetzt offiziell einzubürgern, zumal an einer Universität, die eine Bedeutung hat fir Staat und Reich wie Heidelberg fir Baden und Deutschland, würde mir nicht richtig erscheinen.“ (zitiert nach: Michael Landmann, „Bausteine zur Biographie”, in: Kurt Gassen & Michael Landmann [Hrsg.], Buch des Dankes an Georg Simmel. Briefe, Erinnerungen, Bibliographie. Zu seinem 100. Geburtstag am 1. März 1958, Berlin 1958, S. 11–33, hier: S. 27).

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  99. Bernd Wirkus, Deutsche Sozialphilosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, a.a.O., S. 68 u. Georg Simmel, Soziologie, S. 18.

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  100. Georg Simmel, „Die historische Formung“, in: Logos 7/1917–18, S. 113–152, hier: S. 137. Vgl. auch Klaus Lichtblau, „Das Verstehen des Verstehens. Georg Simmel und die Tradition einer hermeneutischen Kultur-und Sozialwissenschaft”, in: Thomas Jung & Stefan Müller-Doohm (Hrsg.), „Wirklichkeit“ im Deutungsprozeß. Verstehen und Methoden in den Kultur-und Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main 1993, S. 27–56, hier: S. 35f., Anm. 3.

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  101. Georg Simmel, Soziologie, S. 22;. ders., Grundfragen der Soziologie, S. 18, Anm. u. S. 24. Vgl. über die Problematik der historischen Dimension in der Simmelschen Soziologie auch Wolfgang K. Schulz, „Wissenssoziologische Aspekte der Kulturtheorie Georg Simmels“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 37/1985, S. 277287, hier: S. 281f., Heinz-Jürgen Dahme, „Soziologische Elemente in Georg Simmels Philosophie des Geldes”, in: Jeff Kintzelé & Peter Schneider (Hrsg.), Georg Simmels Philosophie des Geldes Frankfurt am Main 1993, S. 47–87, hier: S. 65 und ferner ausführlich Antonius M. Bevers, Dynamik der Formen bei Georg Simmel. Eine Studie über die methodische und theoretische Einheit eines Gesamtwerkes, Berlin/München 1985.

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  102. Vgl. Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 185. Dazu muß noch der anthropologische Aspekt der Kulturwissenschaft diskutiert werden. Siehe dazu das Kapitel II der vorliegenden Arbeit.

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  103. Max Weber et al., „Geleitwort“ der Herausgeber zu: Archiv fir Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19/1904, S. I-VII, hier: S. II.

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  104. Vgl. Martin Albrow, „Der Begriff des Sozialen im Werk von Marx und Weber“, a.a.O., S. 53ff.; Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 174ff.

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  105. Der § 7 des groß angelegten Vorlesungsmanuskriptes in Freiburg Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine 6, theoretische’, Nationalökonomie beispielsweise ist dem Thema gewidmet: „Verhältnis der Wirtschaft zu den übrigen Kulturerscheinungen, insbesondere zu Recht und Staat“. Vgl. Max Weber, Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische”) Nationalökonomie, S. 10. Siehe hierzu auch Wolfgang Schluchter, Religion und Lebensführung, Bd. 1, a.a.O., S. 1, Anm. 1.

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  106. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 9. G. Roth ist nicht zuzustimmen, wenn er die Webersche Soziologie einfach als späteren Namen fir die Sozialökonomik betrachtet. Vgl. hierzu Guenther Roth, „History and Sociology in the Work Max Webers“, in: British Journal of Sociology 27/1976, S. 306–318, hier: S. 307f. Hingegen: Simon Clarke, Marx, Marginalism and Modem Sociology. From Adam Smith to Max Weber, London/Basingstoke 1982, S. 191f. Siehe ferner zum Unterschied von Soziologie und Sozialökonomik Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 181.

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  107. Die Wirtschaft und Gesellschaft soll nach Webers Intention ursprünglich Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte heißen und bildet zusammen mit der Schrift von Eugen von Philippovich über den Entwicklungsgang der wirtschafts-und sozialpolitischen Systeme und Ideale die dritte Abteilung des Sammelwerkes Grundriss der Sozialökonomik dessen Schriftleitung Weber übernahm. Im Vorwort von Schriftleitung und Verlag zum ersten Band des Grundrisses der Sozialökonomik aus dem Jahre 1914 lautet der sozialökonomische Charakterzug dieses Sammelwerkes folgendermaßen: „Ausgiebiger, als dies gewöhnlich geschieht, sind […] die Beziehungen der Wirtschaft zur Technik und zu den gesellschaftlichen Ordnungen behandelt worden. Und zwar absichtlich so, daß dadurch auch die Autonomie dieser Sphären gegenüber der Wirtschaft deutlich hervortritt: Es wurde von der Anschauung ausgegangen, daß die Entfaltung der Wirtschaft vor allem als eine besondere Teilerscheinung der allgemeinen Rationalisierung des Lebens begriffen werden müsse.“ (Max Weber et al., „Vorwort” von Schriftleitung und Verlag zum Erscheinen der I. Abteilung des „Grundriss der Sozialökonomik“, in: Grundriss der Sozialökonomik, I. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. VII-IX, hier: S. VII). Dies ist eine Logik, die besagt, daß das Ökonomische ein Erkenntnisgrund ist, aber nicht ein Realgrund wie bei dem sozialökonomischen Ansatz von Marx. Der Erste Teil von Webers Wirtschaft und Gesellschaft - folgt man der Textteilung von Johannes Winckelmann - ist begriffssystematisch der „Soziologischen Kategorienlehre” gewidmet, deren Bildung vom sozialen Handeln ausgeht; demgegenüber wird es im Zweiten Teil gerade aufgrund dieser soziologischen Begrifflichkeiten sachlich-historisch das sozialökonomische Thema nachgegangen: „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte“. Eben in diesem Sinne betrachtet Weber seinen sozialökonomischen Beitrag zugleich auch als „eine ziemlich umfassende soziologische Erörterung”. Vgl. Marianne Weber, Max Weber. Ein Lebensbild, S. 424. Neben der gerade zitierten Biographie von Marianne Weber (S. 423ff.) gibt es ferner folgende ausführliche Diskussionen über dieses Hauptwerk Webers: Friedrich H. Tenbruck, „Abschied von Wirtschaft und Gesellschaft“, in: Zeitschrift fir die gesamte Staatswissenschaft 133/1977, S. 703–736, Johannes Winckelmann, Max Webers hinterlassenes Hauptwerk: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Entstehung und gedanklicher Aufbau, Tübingen 1986 sowie Wolfgang Schluchter, „`Wirtschaft und Gesellschaft’ - Das Ende eines Mythos”, in: Johannes Weiß (Hrsg.), Max Weber heute. Erträge und Probleme, Frankfurt am Main 1989, S. 55–89.

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  108. Weber formuliert: “Nicht nur die Nationalökonomie, sondern jede soziologische empirische Betrachtung bedarf solcher rationaler Konstruktionen [der Idealtypen], um der Mannigfaltigkeit des Empirischen überhaupt Herr zu werden. Ich verweise auf das früher (Ges[ammelte] Aufs[ätze] z[urJ Wissenschaftslehre, S. 189 ff.) Gesagte und füge nur hinzu: diejenige besondere Art des Betriebes der Soziologie (`verstehende Soziologie’), als deren `Spezialfall’ (mit einigen Vorbehalten) die systematische Nationalökonomie betrachtet werden darf, ist eine Wissenschaft vom menschlichen Handeln. Menschliches Handeln ist dabei ein (subjektiv) `sinnhaftes’ auf ‘Objekte’, ausschließlich innere (wie z. B. bei der Kontemplation) oder, beim `aktiven’ Handeln, äußere Objekte (Dinge oder Menschen) bezogenes Sichverhalten. `Gemeinschaftshandeln’ ist (fiir diese besondere Art von Soziologie) ein auf das Handeln Anderer seinem (subjektiv gemeinten) `Sinn’ nach bezogenes Handeln”: Max Weber, „Gutachten zur Werturteilsdiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik“ (1913), in: Eduard Baumgarten, Max Weber. Werk und Person, Tübingen 1964, S. 102–139, hier: S. 138. Dies impliziert überdies, daß Weber die Entwicklung seiner handlungstheoretischen Kulturwissenschaft und Soziologie zum großen Teil der theoretischen Nationalökonomie der österreichischen Grenznutzenschule zu verdanken hatte.

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  109. Max Weber, „Georg Simmel als Soziologe und Theoretiker der Geldwirtschaft“, in: Simmel Newsletter 1/1991, S. 9–13.

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  110. Vgl. Klaus Lichtblau, „Ästhetische Konzeptionen im Werk Georg Simmels“, in: Simmel Newsletter 1/1991, S. 22–35, hier: S. 27.

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  111. Karin Schrader-Klebert, „Der Begriff der Gesellschaft als regulative Idee. Zur transzendentalen Begründung der Soziologie bei Georg Simmel“, a.a.O., S. 97. Adorno charakterisiert Simmel doch zutreffend, wenngleich er diesen vom Standpunkt seiner totalitären Sichtweise der Gesellschaft negativ bewertet, daß dieser „mißtrauisch gegen die systematische Totale, in soziale Spezifikationen wie den Fremden oder den Schauspieler sich versenkte”: Theodor W. Adorno, „Zur Logik der Sozialwissenschaften“, in: Theodor W. Adorno et al., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Frankfurt am Main 1989 (13. Auflage, zuerst: 1969), S. 125–143, hier: S. 130.

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  112. Vgl. Emerich Francis, „Kultur und Gesellschaft in der Soziologie Max Webers“, in: Karl Engisch/Bemhard Pfister/Johannes Winckelmann (Hrsg.), Max Weber. Gedächtnisschrift der Ludwig-Maximilians-Universität München zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages 1964, Berlin 1966, S. 89–114.

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  113. Hartmann Tyrell, „Max Webers Soziologie - eine Soziologie ohne `Gesellschaft“`, a.a.O., S. 392.

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  114. Heinz Bude, „Auflösung des Sozialen? Die Verflüssigung des soziologischen ‘Gegenstandes’ im Fortgang der soziologischen Theorie“, in: Soziale Welt 39/1988, S. 4–17, hier: S. 5.

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  115. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 11.

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  116. Vgl. dazu etwa: Friedrich Jonas, Geschichte der Soziologie 2. Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart, Opladen 1981 (2. Auflage, zuerst: 1976), S. 185; Seyla Benhabib, „Rationality and Social Action. Critical Reflections an Weber’s Methodological Writings“, in: The Philosophical Forum 12/1981, S. 356–374, hier: S. 369. Im Lichte seiner Konzeption der „Figuratíonssoziologie” macht N. Elias Weber den Vorwurf, daß er eine „egozentrische“ bzw. „atomistische” Auffassung der Gesellschaft vertrete, wobei nicht nur eine „liberale“ politische Ideologie, sondern auch „die Primärerfahrung des Kindes” zum Ausdruck komme, das sich selbst als „das Zentrum der Welt“, als „eine für sich existierende Monade” erlebe. Vgl. Norbert Elias, „Notizen zum Lebenslauf“, in: Peter Gleichmann et al. (Hrsg.), Macht und Zivilisation. Materialien zu Norbert Elias’ Zivilisationstheorie 2, Frankfurt am Main 1984, S. 9–82, hier: S. 70ff. Zum Soziologieverständnis von Elias siehe unter anderem Norbert Elias, Was ist Soziologie?, München 1970. Ähnlich behauptet D. Böhler, daß die Webersche Handlungsbegrifflichkeit gar nicht geeignet ist, Soziales oder Sozialität zu konstituieren: „Eine Soziologie, die auf einen solchen solipsistisch-intentionalistischen Sinn-und Handlungsbegriff gestützt wäre, könnte strenggenommen keine Sozialwissenschaft, sondern allenfalls eine immanente Beschreibung des subjektiven Sinns einzelner Akteure leisten” (Dietrich Böhler, Rekonstruktive Pragmatik. Von der Bewußtseinsphilosophie zur Kommunikationsreflexion: Neubegründung der praktischen Wissenschaften und Philosophie, Frankfurt am Main 1985, S. 179). K.-H. Nusser vertritt die Meinung, daß Weber die Intersubjektivität deshalb „unterbestimmt“ habe, weil sich bei ihm das Soziale allein auf der subjektiven Intentionalität des Handelnden gründe, und ferner, daß die soziale Beziehung dem sozialen Handeln vorausliegen müsse. Vgl. Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, Freiburg/München 1986, S. 222ff. Dies ist sicherlich eine Argumentation, die der Simmelschen Sozialitätskonzeption sehr nahe steht. Eine ähnliche Meinung vertritt Klaus Aller-beck, „Zur formalen Struktur einiger Kategorien der verstehenden Soziologie”, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 34/1982, S. 665–676. K.-O. Apel zufolge liegt „die transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften“ gerade in der „Kommunikationsgemeinschaft”. Vgl. hierzu Karl-Otto Apel, Transformation der Philosophie, Bd. 2, Frankfurt am Main 1973, S. 220ff. Der Umstand, daß bei Weber der subjektiven Sinnhaftigkeit des einzelnen Individuums die zugrundeliegende Bedeutung und Position zugesprochen wird, gab bekanntlich Alfred Schütz Anlaß, Weber zu kritisieren und die verstehende Soziologie nunmehr auf der Grundlage des objektiven Sinnes neu zu formulieren. Vgl. hierzu Alfred Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie (1932), Frankfurt am Main 1977. Dieser wesentliche Unterschied von Weber und Schütz hängt in gewisser Hinsicht mit dem Realitätsbezug der jeweiligen soziologischen Theorie zusammen, daß sich die Webersche Handlungskonzeption auf die stark aufkommende Subjektivität des frühen okzidentalen Bürgertums in der kapitalistischen Marktordnung bezieht, während es Schütz primär daran liegt, die Interaktionen der anonymen Akteure im als Folge der weiteren bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung hoch befestigten Handlungsfeld der „Lebenswelt“ zum wissenschaftlichen Ausdruck zu bringen. Vgl. dazu Karl-Siegbert Rehberg, „Rationales Handeln als großbürgerliches Aktionsmodell”, in: Kölner Zeitschrift fair Soziologie und Sozialpsychologie 31/1979, S. 199–236, hier: S. 223f Siehe überdies zur Weber-Rezeption durch Schütz Ilja Sruba, „Die Konstitution von Bedeutsamkeit im Alltagshandeln. Zur Schützschen Lösung eines Weberschen Problems“, in: Walter M. Sprondel & Constans Seyfarth (Hrsg.), Max Weber und die Rationalisierung sozialen Handelns, Stuttgart 1981, S. 93–107 u. ders., „Wertbeziehung und Relevanz. Zu Alfred Schütz’ Weber-Rezeption”, in: Gerhard Wagner & Heinz Zipprian (Hrsg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 259–277. Aus diesem Grunde ist in der Schützschen Soziologie das historische Moment, das die wissenschaftliche Erkenntnis bei Weber entscheidend charakterisiert, verschwunden, was zugleich auch für Talcott Parsons weitgehend der Fall sein sollte, der wie Schütz seine Soziologieentwicklung auch einerseits zum großen Teil der Auseinandersetzung mit Weber zu verdanken hat und zum anderen sein Erkenntnisinteresse auf die Handlungen der anonymen Akteure in der hoch entwickelten modernen Gesellschaftsordnung und die darauf basierende Funktion des sozialen Systems richtet. Vgl. David Zaret, „From Weber to Parsons and Schutz. The Eclipse of History in Modern Social Theory“, in: American Journal of Sociology 85/1980, S. 1180–1201. Siehe überdies zum Weber-Parsons-Verhältnis Bruno Schill, Die Rezeption von Max Webers Lehre vom sozialen Handeln durch Talcolt Parsons, München 1965 (Dissertation); Talcott Parsons, „On the Relation of the Theory of Action to Max Weber’s `Verstehende Soziologie”`, in: Wolfgang Schluchter (Hrsg.), Verhalten, Handeln und System. Talcott Parsons’ Beitrag zur Entwicklung der Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main 1980, S. 150–163; Richard Mönch, „Über Parsons zu Weber: Von der Theorie der Rationalisierung zur Theorie der Interpenetration“, in: Walter M. Sprondel & Constans Seyfarth (Hrsg.), Max Weber und die Rationalisierung sozialen Handelns, Stuttgart 1981, S. 108–156; ders., Theorie des Handelns. Zur Rekonstruktion der Beiträge von Talcott Parsons, Emile Durkheim und Max Weber, Frankfurt am Main 1988; Michael Schmid, „Analytische Theorie und kulturwissenschaftliche Methode. Zur Rezeption der Wissenschaftslehre Max Webers durch Talcott Parsons”, in: Gerhard Wagner & Heinz Zipprian (Hrsg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 278–309; Bryan S. Turner, „Lebensphilosophie und Handlungstheorie. Die Beziehungen zwischen Talcott Parsons und Max Weber innerhalb der Entwicklung der Soziologie“, in: dems., S. 310331; David Zaret, „Max Weber und die Entwicklung der theoretischen Soziologie in den USA”, in: dems., S. 332–366. Ferner findet man einen guten Überblick über die soziologische Handlungstheorie bei Hans Haferkamp, Soziologie als Handlungstheorie. P. L. Berger/T. Luckmann, G. C. Homans, N. Luhmann, G. H. Mead, T. Parsons, A. Schütz, M. Weber in vergleichender Analyse und Kritik, Opladen 1976 (3. Auflage, zuerst: 1972). Als eine weitere wichtige Rezeptionsgeschichte von Webers Handlungskonzeption ist hier ferner Jürgen Habermas zu erwähnen, der aufgrund seiner Auffassung, daß das - zweckrationale - soziale Handeln bei Weber wesentlich „strategisches Handeln“ repräsentiere, das Fehlen am kommunikativen Moment bemängelt und gleichsam einen Paradigmenwechsel in der Sozialwissenschaft von Weber zu Mead und Durkheim fordert. Vgl. dazu Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt am Main 1985 (dritte, durchgesehene Auflage, zuerst: 1981), insbesondere: Bd. 2, S. 7ff. Zuvor hat Habermas - was mit dem gerade Gesagten in engem Zusammenhang steht - die Rationalität bei Weber allzu eng als instrumental-technisch interpretiert, so im Werk: Jürgen Habermas, Technik und Wissenschaft als `Ideologie’, Frankfurt am Main 1968, S. 48ff. u. S. 120ff.

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  117. Vgl. Johannes Weiß, „Rationalität als Kommunikabilität. Überlegungen zur Rolle von Rationalitätsunterstellungen in der Soziologie“, in: Walter M. Sprondel & Constans Seyfarth (Hrsg.), Max Weber und die Rationalisierung sozialen Handelns, Stuttgart 1981, S. 39–58, insbesondere S. 47ff. Siehe auch ders., Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 83.

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  118. Max Weber, „Georg Simmel als Soziologe und Theoretiker der Geldwirtschaft“, S. 12. Vgl. dazu auch Max Weber, „Georg Simmel as Sociologist”, in: Sociological Research 39/1972, S. 155–163, Birgitta Nedelmann, „`Psychologismus’ oder Soziologie der Emotionen? Max Webers Kritik an der Soziologie Georg Simmels“, a.a.O., S. 16f. sowie den Aufsatz von Donald N. Levine, „Ambivalente Begegnungen: `Negationen’ Simmels durch Durkheim, Weber, Lukács, Park und Parsons”, in: Heinz-Jürgen Dahme & Otthein Rammstedt (Hrsg.), Georg Simmel und die Moderne. Neue Interpretationen und Materialien, Frankfurt am Main 1984, S. 318–387, hier: S. 325ff., in dem der Autor schreibt: „Es ist jedoch fraglich, ob es wirklich die Unbestimmtheit und Dehnbarkeit der Simmelschen Formulierung ist, an der Weber sich stört“. Die Webersche Definition der verstehenden Soziologie ist ihrerseits nach Levines Meinung „überaus unbestimmt und allgemein”, denn es ist ihm schwer zu sehen, „inwiefern `soziales Handeln’ ein präziserer und spezifischerer Begriff […] als `Wechselwirkung“` ist (ebd., S. 330). Offensichtlich glaubt Weber - aber zugleich auch irrtümlicherweise -, daß die Sinndimensionalität des sozialen Handelns seine Soziologiedefinition von derjenigen Simmels entscheidend unterscheidet. Die folgende Textstelle über die Begriffsbestimmung des sozialen Handelns in den Soziologischen Grundbegriffen ist gewissermaßen als Resultat von Webers kritischer Auseinandersetzung mit der Simmelschen Konzeption des Sozialen mit Bezug auf die Sinndimensionalität des menschlichen Handelns zu lesen: „3. Nicht jede Art von Berührung von Menschen ist sozialen Charakters, sondern nur ein sinnhaft am Verhalten des andern orientiertes eignes Verhalten. Ein Zusammenprall zweier Radfahrer z. B. ist ein bloßes Ereignis wie ein Naturgeschehen. Wohl aber wäre ihr Versuch, dem andern auszuweichen, und die auf den Zusammenprall folgende Schimpferei, Prügelei oder friedliche Erörterung `soziales Handeln’. 4. Soziales Handeln ist weder identisch a) mit einem gleichmäßigen Handeln mehrerer, noch b) mit jedem durch das Verhalten anderer beeinflußten Handeln. […].” (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 11).

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  119. Hier läßt sich freilich die Frage stellen, warum nicht der Tausch bei Simmel als Musterbeispiel oder Idealtypus für die soziologische Betrachtung der gesellschaftlichen Wechselwirkungen dient, denn: der Tausch ist ihm zufolge „die zugleich reinste und gesteigertste Wechselwirkung, die ihrerseits das menschliche Leben ausmacht“: Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 59. Trotz all dieser Charakteristik - und nicht zuletzt der großen Kulturbedeutung fir den modernen Menschen - läßt sich der Tausch im grundlegenden Gegensatz zur Geselligkeit jedoch dadurch kennzeichnen, daß die Individuen grundsätzlich aus praktischen Zwecken und Interessen in die Tauschbeziehung treten, so daß der Tausch eine typische Wechselwirkungsform ist, die getrennt von Stoff und Inhalt kaum zu denken ist. Die durch das Geld ermöglichte Tauschbeziehung in der modernen Gesellschaftsordnung wird nach Simmel daher „unter absoluter Reserve alles Persönlichen und Spezifischen” ganz gemäß der sachlichen Logik durchgeführt. Vgl. ebd., S. 721. Dieser Tatbestand impliziert, daß Simmel den Tausch nicht als Musterbeispiel bzw. Idealtypus der Reinen oder Formalen Soziologie gebraucht.

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  120. Simmel weist z.B. nachdrücklich darauf, daß er in seinem Werk Soziologie von 1908 die Formen der Vergesellschaftung in der ihm zur Zeit erreichbaren, wenngleich in keiner Weise abschließenden Vollständigkeit darzustellen gesucht hat. Vgl. Georg Simmel, Grundfragen der Soziologie, S. 29, Anm.

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  121. Georg Simmel, „Soziologie der Geselligkeit“, vorgetragen auf dem 1. deutschen Soziologentag von 1910 in Frankfurt, in: Verhandlungen des 1. deutschen Soziologentages, Tübingen 1911, S. 1–16, hier: S. 5.

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  122. Georg Simmel, „Soziologie der Geselligkeit“, S. 13f. u. ders., Grundfragen der Soziologie, S. 64f. N. Elias liefert eine klassische Analyse über die Verhaltens-und Umgangsformen in der höfischen Gesellschaft, wobei die These vertreten wird, daß das Etikettenwesen in der höfischen Gesellschaft - im Widerspruch zur Meinung Simmels - im Grunde genommen die Machtgrundlage für die aristokratische Schicht unter der absolutistischen Herrschaftsfiguration bildete. Vgl. hierzu Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. 1, Frankfurt am Main 1976. Vgl. auch den Aufsatz von Carlo Mongardini, „Wie ist Gesellschaft möglich in der Soziologie von Norbert Elias”, in: Jahrbuch fir Soziologiegeschichte 1992, S. 161–169, der Elias als den geistigen Nachfolger Simmels behandelt. Ferner: Nicola Ebers, „Individualisierung“. Georg Simmel - Norbert Elias - Ulrich Beck, Würzburg 1995. Bei Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Stuttgart 1960, S. 388ff., gibt es eine klassische Studie zur Geselligkeit in der Renaissancezeit. Nach Tönnies’ Auffassung geht es bei der Geselligkeit um den gnadenlosen Kampf der bürgerlichen Individuen um Einfluß und Geld unter der Maske kultivierter Höflichkeit. Vgl. Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, S. 62f. Nietzsche betrachtet die Geselligkeit als Ausdruck des Schwächegefiihls der einzelnen Individuen: „Wir firchten uns, wenn wir allein und stille sind, dass uns etwas in das Ohr geraunt werde, und so hassen wir die Stille und betäuben uns durch Geselligkeit.” (Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen III, in: Nietzsche. Kritische Studienausgabe I, S. 335–427, hier: S. 379). Diese Betrachtungsweise Nietzsches fügt sich nahtlos in seine Kritik des Sozialen ein, daß dieses einfach auf die dekadent-nihilistische Lebensfihrung der Moderne verweist. Dem entspricht, daß Nietzsche die sich mit dem Sozialen beschäftigende Wissenschaft der Soziologie für eine typische dekandet-nihilistische Wissenschaftsform hält. Siehe in Zusammenhang mit dem Kapitel IV. 2 der vorliegenden Arbeit, in dem gezeigt wird, daß hinter dieser Sichtweise der Moderne sein aristokratischer Individualismus steht.

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  123. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, „Versuch einer Theorie des geselligen Betragens“ (1799), in: ders., Kritische Gesamtausgabe. Erste Abteilung: Schriften und Entwürfe, Bd. 2: Schriften aus Berliner Zeit 1796–1799 (herausgegeben von Günter Meckenstock), Berlin/New York 1984, S. 165–184. Vgl. über die gesellige Kultur im 18. Jahrhundert Ulrich Im Hof, Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982. Man fühlt sich an Simmel erinnert, wenn Schleiermacher dort das Wesen der Geselligkeit wie folgt schildert: „Der Zweck der Gesellschaft wird gar nicht als außer ihr liegend gedacht; die Wirkung eines Jeden soll gehen auf die Thätigkeit der übrigen, und die Thätigkeit eines Jeden soll seyn seine Einwirkung auf die andern. Nun aber kann auf ein freies Wesen nicht anders eingewirkt werden, als dadurch, daß es zur eignen Thätigkeit aufgeregt, und ihr ein Objekt dargeboten wird; und dieses Objekt kann wiederum zufolge des obigen nichts seyn, als die Thätigkeit des Auffordernden; es kann also auf nichts anders abgesehen seyn, als auf ein freies Spiel der Gedanken und Empfindungen, wodurch alle Mitglieder einander gegenseitig aufregen und beleben. Die Wechselwirkung ist sonach in sich selbst zurückgehend und vollendet; in dem Begriff derselben ist sowohl die Form als der Zweck der geselligen Thätigkeit enthalten, und sie macht das ganze Wesen der Gesellschaft aus. […]; sie wird zuerst als Form betrachtet, und liefert so das formelle Gesetz der geselligen Thätigkeit: Alles soll Wechselwirkung seyn; denn als Stoff, und so giebt sie das materielle. Alle sollen zu einem freien Gedankenspiel angeregt werden durch die Mittheilung des meinigen.” (ebd., S. 169f.). Hier ist selbstredend kein Ort, ausführlich auf die Geselligkeitstheorie bei Schleiermacher einzugehen. Hingewiesen sei unter anderem auf die folgenden Arbeiten: Heinrich Töllner, Die Bedeutung der Geselligkeit in Schleiermachers Leben und Schriften, Erlangen 1927 (Dissertation); Wolfgang Hinrichs, Schleiermachers Theorie der Geselligkeit und ihre Bedeutung für die Pädagogik, Weinheim 1965. Simmel betrachtet Schleiermacher zusammen mit der Romantik, Goethe und Nietzsche als wichtigen Theoretiker des qualitativen Individualismus oder des Individualismus der Einzigkeit, das im Gegensatz zu dem vor allem durch Kant vertretenen quantitativen Individualismus oder Individualismus der Einzelheit steht. Siehe in Zusammenhang mit dem Kapitel II. 1 und dem Kapitel IV. 1 dieser Untersuchung.

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  124. Vgl. dazu Klaus Lichtblau, Kulturkrise und Soziologie um die Jahrhundertwende. Zur Genealogie der Kultursoziologie in Deutschland, Frankfurt am Main 1996, S. 380ff. Siehe ferner zur kulturtheoretischen Diskussion über das teleologische Verhältnis von Zweck und Mittel Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 254ff.

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  125. Georg Simmel, Grundfragen der Soziologie, S. 53. Vgl. dazu auch Arnold Zingerle, „Bürgerliche Geselligkeit als Antinaturalismus. Ein Paradigma der Soziologie Georg Simmels“, in: Jahrbuch für Volkskunde, 13/1990 (neue Folge), S. 22–36. Die folgende Erinnerung von Susman an Simmel ist eben in diesem Zusammenhang zu verstehen: „Nie werde ich den eigentümlichen Duft vergessen, der einen beim Eintritt in Simmels Haus empfing: ein Gemisch vom Geruch auserlesener Äpfel und sehr feiner Zigaretten. Die Empfänge des Hauses Simmel, die wöchentlichen `Jours’, waren ganz im Geist ihrer gemeinsamen Kultur gestaltet. Sie waren eine soziologische Schöpfung im Kleinen: die einer Geselligkeit, deren Sinn die Pflege des höchst Individuellen war. Das Gespräch hatte dort eine Form, in die kein Mensch sich selbst mit seinen Eigenarten, Problemen und Nöten mitbringen durfte, die losgelöst von der letzten Schwere des Persönlichen in einer Atmosphäre von Geistigkeit, Liebenswürdigkeit, und Takt schwebte. Sicher hat Simmel das meisterhafte Kapitel seiner `Kleinen Soziologie’ über das Gespräch der Erfahrung dieser erlesenen Gesellschaft abgewonnen. Nur seltene, durch Geist oder auch durch Schönheit ausgezeichnete Menschen hatten an diesen Gesellschaften teil.” (Margarete Susman, „Erinnerungen an Georg Simmel [Unveröffentlichtes Manuskript 1957], in: Kurt Gassen & Michael Landmann [hrsg.], Buch des Dankes an Georg Simmel. Briefe, Erinnerungen, Bibliographie. Zu seinem 100. Geburtstag am 1. März 1958, Berlin 1958, S. 278–291, hier: S. 281). Wenn diese Schilderung Susmans über die Geselligkeit bei Simmel als stellvertretend für die bürgerliche Lebenskultur in Berlin zu betrachten ist, so gab es zu dieser Zeit auch in Heidelberg bekanntlich viele Geselligkeiten von Wissenschaftlern und Künstlern - auch und insbesondere bei Max Weber und Stefan George -, wie etwa die folgenden Arbeiten zeigen: Gesa von Essen, „Max Weber und die Kunst der Geselligkeit“, in: Hubert Treiber & Karol Sauerland (Hrsg.), Heidelberg im Schnittpunkt intellektueller Kreise, Opladen 1995, S. 462–484; Rainer Kolk, „Das schöne Leben. Stefan George und sein Kreis in Heidelberg”, in: dems., S. 310–327; Stefan Breuer, „Das Syndikat der Seelen. Stefan George und sein Kreis“, in: dems., S. 328–375. Zur Geselligkeit in Berlin vgl. etwa Ernst Heilborn, Die gute Stube. Berliner Geselligkeit im 19. Jahrhundert, Berlin 1988 (zuerst: 1922).

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  126. Für die mittelalterliche Zunft beispielsweise hat diese Unterscheidung keinerlei Sinn und Bedeutung, denn sie bildete „eine Lebensgemeinschaft“, die fachliche, gesellige, religiöse und sonstige Sachen umfaßte. Vgl. Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 464f. u. S. 721.

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  127. Vgl. dazu Johann August Schülein, „Funktion und Strukturwandel subjekttheoretischer Konzepte in der Mikrosoziologie: Von Simmel zu Goffman“, in: Österreichische Zeitschrift fir Soziologie 14/1989, S. 64–79.

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  128. Vgl. Petra Christian, Einheit und Zwiespalt. Zum hegelianisierenden Denken in der Philosophie und Soziologie Georg Simmels, Berlin 1978, S. 147, Anm. 27.

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  129. Karl-Siegbert Rehberg, „Rationales Handeln als großbürgerliches Aktionsmodell. Thesen zu einigen handlungstheoretischen Implikationen der `Soziologischen’ Grundbegriffe’ Max Webers“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 31/1979, S. 199–236, hier: S. 206.

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  130. Ebd., S. 21f. Die folgende Aussage Baumgartens - des Vertreters des Liberalismus im 19. Jahrhundert - veranschaulicht diese These Webers über das Bürgertum seiner Zeit: „Zur eigentlichen politischen Aktion ist der Mittelstand wenig geschaffen. […] Der Bürger ist geschaffen zur Arbeit, aber nicht zur Herrschaft.“ (zitiert nach: Ludwig Beutin, „Das Bürgertum als Gesellschaftsstand im 19. Jahrhundert [Ein Entwurf]” [1953], in: ders., Gesammelte Schriften zur Wirtschafts-und Sozialgeschichte [herausgegeben von H. Kollenbenz], Köln 1963, S. 284–319, hier: S. 297f.).

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  131. Max Weber, Die protestantische Ethik Il. Kritiken und Antikritiken (herausgegeben von Johannes Winckelmann), Gütersloh 1987 (5. Auflage), S. 298. Vgl. zum okzidentalen Wirtschaftsbürgertum Max Weber, Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial-und Wirtschaftsgeschichte, Berlin 1981 (4. Auflage, zuerst: 1923), S. 270ff.

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  132. Max Weber et al., „Geleitwort“ der Herausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, S. II.

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  133. Max Weber, „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dem ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt“ von 1910, S. 483; ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie 1, Tübingen 1988 (9. Auflage, zuerst: 1920), S. 4.

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  134. Ebd., S. 42 u. S. 37. Dazu E. Baumgarten: „In der Tat: Nicht sowohl Einzelmenschen als Menschen-Gruppen: Kaufleute, Soldaten, Honoratioren, Parteimitglieder, Kabinettskollegen und dgl. sind soziologische Gegenstände auch fir Max Weber. Nicht Calvin […], sondern Calvinisten interessieren ihn: sonst triebe er historische Monographie statt Soziologie.“ (Eduard Baumgarten, Max Weber. Werk und Person, a.a.O., S. 601).

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  135. Max Weber, Politische Schriften, S. 513 u. S. 546. Vgl. dazu auch ausfiihrlich Wolfgang Schluchter, Wertfreiheit und Verantwortungsethik. Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik bei Max Weber, Tübingen 1971.

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  136. Die Lebensführung der Mitglieder der Religionsgemeinschaft des asketischen Protestantismus läßt sich durch eine Kombination der fünf Merkmale kennzeichnen, die keine andere Erlösungsreligion in Asien oder im Okzident vollzogen hat: „Theozentrismus, Asketismus, Innerweltlichkeit, subjektive Werkheiligkeit und Virtuosentum“. Vgl. Wolfgang Schluchter, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte, a.a.O., S. 249.

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  137. Vgl. Arnold Bergstraesser, „Max Webers Antrittsvorlesung in zeitgeschichtlicher Perspektive“, a.a.O., S. 210. K.-S. Rehberg vertritt eine wissenssoziologische Interpretation von der Weberschen Wissenschaft, daß die rationale Handlungskonzeption bei Weber eine „wissenschaftliche Übersetzung” der Klassenprobleme der deutschen Gesellschaft seiner Zeit gewesen ist. Vgl. hierzu Karl-Siegbert Rehberg, „Rationales Handeln als großbürgerliches Aktionsmodell. Thesen zu einigen handlungstheoretischen Implikationen der ‘Soziologischen Grundbegriffe’ Max Webers“, a.a.O. Ähnliche Meinung bei Brigitte Hommerich, Der Wille zur Herrschaft und der Hunger nach Glück. Max Webers Werk aus der Sicht der Kritischen Theorie, Opladen 1986, S. 142ff.

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  138. Im Teil über Subjekt und Wert wird aufgezeigt, daß sich Simmel zur Entwicklung seiner Werttheorie zum großen Teil auf die Grenznutzentheorie bezieht.

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  139. Hingewiesen sei auf die ideengeschichtliche Bedeutung der Sozialökonomik für die Wissenschaftsentwicklung Webers bei Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 168ff.

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  140. Hans Simmel, „Auszüge aus den Lebenserinnerungen“, in: Hannes Böhringer & Karlfried Gründer (Hrsg.), Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende: Georg Simmel, Frankfurt am Main 1976, S. 247–268, hier: S. 249.

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  141. Als wichtige Forschungen zu diesem Thema sind zu erwähnen: Klaus Christian Köhnke, „Von der Völkerpsychologie zur Soziologie. Unbekannte Texte des jungen Georg Simmel“, in: Heinz-Jürgen Dahme & Otthein Rammstedt (Hrsg.), Georg Simmel und die Moderne. Neue Interpretationen und Materialien, Frankfurt am Main 1984, S. 388–429; ders., „Soziologie als Kulturwissenschaft. Georg Simmel und die Völkerpsychologie”, in: Archiv für Kulturgeschichte 72/1990, S. 223–232; ders., Der junge Simmel - in Theoriebeziehungen und sozialen Bewegungen, Frankfurt am Main 1996, S. 334ff.

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  142. Zitiert nach: Klaus Christian Köhnke, Der junge Simmel - in Theoriebeziehungen und sozialen Bewegungen, a.a.O., S. 342.

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  143. Moritz Lazarus & Heymann Steinthal, „Einleitende Gedanken über Völkerpsychologie als Einladung zu einer Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft“, in: Zeitschrift fiír Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 1/1860, S. 1–73, hier: S. 31. Diesbezüglich vgl. auch ausführlich Moritz Lazarus, „Lieber das Verhältniß des Einzelnen zur Gesammtheit”, in: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 2/1862, S. 393–453 u. ders., Das Leben der Seele in Monographien über seine Erscheinungen und Gesetze, Bd. 1, Berlin 1883 (3. Auflage), S. 321ff. Über Moritz Lazarus und Heymann Steinthal siehe etwa Ingrid Belke, Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologie in ihren Briefen, Tübingen 1971, S. XIIIff.

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  144. Moritz Lazarus & Heymann Steinthal, „Einleitende Gedanken über Völkerpsychologie als Einladung zu einer Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft“, S. 1 u. S. 7. In dieser psychologischen Betrachtungsweise der gesellschaftlichen Erscheinungen und Geschehnisse stimmen die Völkerpsychologen weitgehend mit Simmel überein, wie der Untertitel des ersten soziologischen Werkes von Simmel Über sociale Differenzierung aus dem Jahre 1890 deutlich zeigt, der heißt: Sociologische und psychologische Untersuchungen. Umgekehrt schätzt Steinthal seinerseits das psychologische Moment in der Simmelschen Soziologie sehr hoch, indem er auf das gerade erwähnte Werk Simmels verweist: „Verflasser] bezeichnet in der Einleitung den psychologischen Charakter der Soziologie sehr scharf (wenn er auch den Terminus `objektiver Geist’ meidet), und betrachtet von diesem Standpunkt aus die Kollektiv-Verantwortlichkeit nach ihrer verschiedenen Bedeutung in den verschiedenen Zeiten, dann weiter, hieran anschliessend, das wandelbare Verhältnis der Individualität zur Gruppe, innerhalb deren sie steht: endlich das Prinzip der Kraftspamis als ebenso wichtig für das psychische und speziell das sociale Leben, wie für die Entwicklung der Natur-Organismen. In diesen Darlegungen wird überall nicht mit Analogien getändelt, sondern man fühlt sich wirklich auf dem festen Boden einer exakten Betrachtung psychischer Verhältnisse und Erscheinungen.” (Heymann Steinthal, An den Leser“, in: Zeitschrift des Vereins fir Volkskunde 1/1891, S. 10–17, hier: S. 16). Vgl. zum Verhältnis von Psychologie und Soziologie bei Simmel das Kapitel VII. 1. der vorliegenden Arbeit.

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  145. Moritz Lazarus & Heymann Steinthal, „Einleitende Gedanken über Völkerpsychologie als Einladung zu einer Zeitschrift far Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft“, S. 28.

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  146. Vgl. Christina Maria Schneider, Wilhelm Wundts Völkerpsychologie. Entstehung und Entwicklung eines in Vergessenheit geratenen, wissenschaftshistorisch relevanten Fachgebietes, Bonn 1990, S. 26f.

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  147. Vgl. hierzu Ingrid Belke, Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologe in ihren Briefen, a.a.O., S. XLVff. u. Christina Maria Schneider, Wilhelm Wundts Völkerpsychologie. Entstehung und Entwicklung eines in Vergessenheit geratenen, wissenschaftshistorisch relevanten Fachgebietes, a.a.O., S. 18ff. Zum Verhältnis von Hegel und der Völkerpsychologie im Hinblick auf den objektiven Geist siehe ausführlich Julius Frankenberger, „Objektiver Geist und Völkerpsychologie. Eine Studie zum Verständnis der alten Völkerpsychologen“, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik 154/1914, S. 68–83 u. S. 151–168; Hans-Ulrich Lessing, „Bemerkungen zum Begriff des `objektiven Geistes’ bei Hegel, Lazarus und Dilthey”, in: Reports an Philosophy 9/1985, S. 49–62. Auf die psychologiegeschichtliche Bedeutung von Herbart wird nochmals im Kapitel VII. 1 dieser Untersuchung kurz einzugehen sein.

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  148. Vgl. Erich Rothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Tübingen 1930 (2. Auflage), S. 62ff.

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  149. Moritz Lazarus, Die sittliche Berechtigung Preußens in Deutschland, Berlin 1850. Vgl. auch ders., Was heißt national? Ein Vortrag, Berlin 1880. Zum preußisch-nationalen Gedanken von Lazarus siehe ausführlich Alfred Leicht, Lazarus der Begründer der Völkerpsychologie, Leipzig 1904 sowie Ingrid Belke, Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologie in ihren Briefen, a.a.O., S. XIIIff.

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  150. Georg Simmel, Über sociale Differenzierung, S. 131. Damit in engem Zusammenhang steht, daß Simmel unter Psychologie die Individualpsychologie versteht und die Sozialpsychologie als eine „Unterabteilung“ der Individualpsychologie betrachtet. Vgl. dazu ausführlich das Kapitel VII. 1 der vorliegenden Arbeit. Auch Dilthey lehnt aufgrund seiner individualpsychologischen Grundlegung der Geisteswissenschaften die völkerpsychologische Grundannahme der Existenz vom Volksgeist und dessen wissenschaftlicher Beobachtungs-und Erklärungsmöglichkeit strikt ab. Vgl. hierzu ausführlich Ingrid Belke, Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologie in ihren Briefen, a.a.O., S. Lllff.

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  151. H. Böhringer kommt das Verdienst zu, diese wichtige wissenschaftsgeschichtliche Konstellation hervorragend analysiert zu haben. Vgl. Hannes Böhringer, „Spuren von spekulativem Atomismus in Simmels formaler Soziologie“, in: Hannes Böhringer & Karlfried Gründer (Hrsg.), Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende: Georg Simmel, Frankfurt am Main 1976, S. 105–117. Vgl. auch ders., „Die `Philosophie des Geldes’ als ästhetische Theorie. Stichworte zur Aktualität Georg Simmels für die moderne bildende Kunst”, in: Heinz-Jürgen Dahme & Otthein Rammstedt (Hrsg.), Georg Simmel und die Moderne. Neue Interpretationen und Materialien, Frankfurt am Main 1984, S. 178–182. Daneben hat auch Sibylle Hübner-Funk auf die Bedeutung von Fechner für Simmel aufmerksam gemacht: Georg Simmels Konzeption der Gesellschaft. Ein Beitrag zum Verhältnis von Soziologie, Ästhetik und Politik, Köln 1982.

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  152. Vgl. dazu Klaus Christian Köhnke, „Der junge Georg Simmel zwischen Positivismus und Neukantianismus? Ein Vortrag“, in: Simmel Newsletter 1/1991, S. 123–137.

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  153. Georg Simmel, „Anfang einer unvollendeten Selbstdarstellung“, in: Kurt Gassen & Michael Landmann (Hrsg.), Buch des Dankes an Georg Simmel. Briefe, Erinnerungen, Bibliographie. Zu seinem 100. Geburtstag am 1. März 1958, Berlin 1958, S. 9–10, hier: S. 9.

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  154. Ebd., S. 130. Sagt Simmel öfters im gleichen Sinne: „man kann kein Haus aus Häusern bauen“, so ist dies direkte Übertragung von Fechners Satz auf die gesellschaftliche Erscheinung: „Die Welt in letzter Instanz aus kleinen Kugeln bauen wollen, was manche als den Schluß atomistischer Weisheit betrachtet haben, heißt ein Haus statt aus Steinen aus kleinen Häusern bauen wollen”. Vgl. Georg Simmel, Über sociale Differenzierung, S. 284; Gustav Theodor Fechner, Über die physikalische und philosophische Atomenlehre (1855), Wien/New York 1995: Kleine Bibliothek für das 21. Jahrhundert, Bd. 1 (herausgegeben von Ecke Bonk), S. 168. Vgl. auch Hannes Böhringer, „Spuren von spekulativem Atomismus in Simmels formaler Soziologie“, a.a.O., S. 111.

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  155. Vgl. über die Diskussion der Atomistik im 19. Jahrhundert Charlotte Schönbeck (Hrsg.), Atomvorstellungen im 19. Jahrhundert, Paderborn et al. 1982. Spezifisch zur Fechnerschen Atomenlehre etwa Michael Heidelberger, „Fechner und Mach zum Atomismus in der Physik“, in: Hans Poser & Clemens Burrichter (Hrsg.), Die geschichtliche Perspektive in den Disziplinen der Wissenschaftsforschung, Berlin 1988, S. 75–112; ders., Die innere Seite der Natur. Gustav Theodor Fechners wissenschaftlich-philosophische Weltauffassung, Frankfurt am Main 1993, S. 180ff. Ein guter Überblick über Fechners Werke sowie die Sekundärliteratur gibt es bei Irene Altmann, Bibliographie. Gustav Theodor Fechner, Leipzig 1995.

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  156. Vgl. Michael Heidelberger, Die innere Seite der Natur. Gustav Theodor Fechners wissenschaftlich-philosophische Weltauffassung, a.a.O., S. 180ff., insbesondere S. 194f. Fechner liegt es nämlich daran, die Metaphysik „wirklich zu etwas nach der Physik, statt zu einem a priori oder hinter der Physik zu machen“: Gustav Theodor Fechner, Über die physikalische und philosophische Atomenlehre, S. 138.

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  157. Gustav Theodor Fechner, Über die physikalische und philosophische Atomenlehre, S. 42.=

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  158. Vgl. über Webers Verhältnis zur theoretischen Nationalökonomie der Grenznutzenschule die folgenden Arbeiten: Göran Therborn, Science, Class and Society. On the Formation of Sociology and Historical Materialism, a.a.O., S. 270ff.; Simon Clarke, Marx, Marginalism and Modem Sociology. From Adam Smith to Max Weber, a.a.O., S. 197ff; Pietro Rossi, Vom Historismus zur historischen Sozialwissenschaft. Heidelberger Max Weber-Vorlesungen 1985, Frankfurt am Main 1987, S. 9ff.; Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 78ff.; ders., „Max Weber und die Grenznutzenschule um Carl Menger. Zur Bedeutung der theoretischen Nationalökonomie fir die Soziologieentwicklung“, in: Sociologia Internationalis 34/1996, S. 41–66. In der wissenschaftsgeschichtlichen Analyse der Grenznutzenschule in ihrer Bedeutung fir Weber behauptet man häufig, daß sich Weber von dieser Schule grundsätzlich distanziert habe. Diese Behauptung resultiert zunächst aus der Vorstellung, daß die Handlungstheorie der Grenznutzenschule einseitig ökonomistisch erfaßt sei: Webers Übergang zur soziologischen Handlungstheorie sei also der Ausdruck seines Motivs, diese Enge zu sprengen; sodann bezieht sie sich auf den wissenschaftslogischen Aspekt der Grenznutzenschule: Die abstrakte Theoriebildung der Grenznutzenlehre auf der Grundlage der Psychologie und ihre analytisch-deduktive Verfahrensweise schienen Weber zu naturalistisch zu sein. Vgl. Wolfgang Schluchter, Religion und Lebensfihrung, Bd. 1, a.a.O., 23ff. Ferner hält man die Persönlichkeitstheorie dieser Schule fir utilitaristisch: Thematisiert sei dabei das ökonomische Verhalten des Menschentypus, der Luxus zu maximieren und Unlust zu vermeiden bestrebt sei; schließlich wird gesagt, daß Weber die Grenznutzenlehre lediglich als „Methode” oder als „Begriffslehre“ betrachte, die fir ihn „letzthin nur von instrumenteller Bedeutung” sei. Vgl. Wilhelm Hennis, „`Die volle Nüchternheit des Urteils’. Max Weber zwischen Carl Menger und Gustav von Schmoller. Zum hochschulpolitischen Hintergrund des Wertfreiheitspostulats“, in: Gerhard Wagner & Heinz Zipprian (Hrsg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 105–145, hier: S. 113.

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  159. Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften, und der politischen Ökonomie insbesondere (1883): Gesammelte Werke 2, Tübingen 1969 (2. Auflage), S. 176.

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  160. Vgl. Carl Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, S. VII. Anderswo heißt es: In den exakten Sozialwissenschaften sind „die menschlichen Individuen und ihre Bestrebungen die letzten Elemente unserer Analyse, empirischer Natur“ (Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften, und der politischen Ökonomie insbesondere, S. 157, Anm. 51); so spricht Menger von den komplizierten Wirtschaftserscheinungen, die „auf ihre letzten unserer sichern Wahrnehmung noch zugänglichen konstitutiven Faktoren” zuruckzufiihren sind (Carl Menger, „Grundzüge einer Klassifikation der Wirtschaftswissenschaften“, S. 188); der Wert oder Unwert der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen läßt sich nach Menger stets dadurch unterscheiden, ob und in welchem Maß es ihnen gelungen ist, „die wahren, (die dem realen Leben entsprechenden) constitutiven Factoren der volkswirtschaftlichen Erscheinungen” festzustellen. Dies ergibt wiederum, daß sich der Wirtschaftswissenschaftler auf die Elemente beziehen muß, welche der Wirklichkeit entsprechen. Vgl. Carl Menger, „Brief an Léon Walras (Februar 1884)“, in: William Jaffé (edited), Correspondence of Léon Walras and Related Papers, Amsterdam 1965, (3. Vols.), Vol. Il (1884–1897), S. 2–6, hier: S. 5. Die Begründung des Wissenschaftssystems auf dem empirischen menschlichen Handeln scheint Weber eine völlig neue Betrachtungsweise der sozialen Welt zu sein. Das Handeln, oder allgemein: die menschliche Tätigkeit ist in der Philosophie und in den Sozialwissenschaften zwar immer wieder thematisiert worden, doch versucht man dabei, das Handeln immerhin auf der letzten Instanz zu begründen, indem man es auf Ethik, Psychologie, Bewußtsein (Geist) sowie Naturrecht zurückfiihrt: Kant baut die Maximen des subjektiven Handelns auf dem überindividuellen, „kategorischen Imperativ” auf, so daß sein Handlungsbegriff unvermeidbar der Normativität unterliegt; Fichte ist zwar bemüht, die durch Kants kategorischen Imperativ geschrumpfte Subjektivität mit dem Begriff der „Tathandlung“ zu retten, demnach setzt sich das Ich als das oberste Prinzip seiner Handlung und begrenzt sich durch das Nicht-Ich. Die Fichtesche Handlungstheorie ist jedoch insofern eher eine reine bewußtseinstheoretische Variante, als das Ich als ein durch das Selbstbewußtsein in sich genügsames Wesen begriffen wird; Hegel betrachtet das zweckrationale Handeln als eine wichtige Realität der bürgerlichen Gesellschaft, aber seine Handlungstheorie ist grundsätzlich idealistisch orientiert, indem er unter Handlung die Identifikation von Subjekt und Objekt bzw. die Wechselwirkung von Subjekt und Objekt versteht. Vgl. zu Kant, Fichte sowie Hegel etwa Gregor Schöllgen, Handlungsfreiheit und Zweckrationalität. Max Weber und die Tradition praktischer Philosophie, Tübingen 1984, S. 17ff. Die deutsche historische Schule der Nationalökonomie versteht das menschliche Handeln aus dem psychologischen Zusammenhang des Menschen. Darüber hinaus nimmt sie auch die Existenz der handelnden Kollektivpersönlichkeit wie der Staat an. Vgl. hierzu etwa Gustav Schmoller, Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, S. 6ff. Thomas Aquin, der die ökonomische Tätigkeit der Menschheit rechtfertigt, bezieht sich letztlich auf die Selbsterhaltung der Gattung; Adam Smith, der sich weniger für die Individuen als die Gesellschaft der Individuen das Erkenntnisinteresse interessiert, betrachtet die ökonomische Arbeit naturrechtlich, und zwar vom Standpunkt des allgemeinen Wohls aus. Vgl. über Thomas Aquin und Adam Smith etwa Max Weber, Religionssoziologie I, S. 171 ff.

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  161. Max Weber, Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie, S. 29.

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  162. K.-S. Rehberg bestätigt, daß den „Soziologischen Grundbegriffen“ Webers das großbürgerliche Aktionsmodell zugrunde liegt. Vgl. dazu Karl-Siegbert Rehberg, „Rationales Handeln als großbürgerliches Aktionsmodell. Thesen zu einigen handlungstheoretischen Implikationen der `Soziologischen’ Grundbegriffe’ Max Webers”, a.a.O.

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Kim, DY. (2002). Die Wege zur Soziologie. In: Georg Simmel und Max Weber. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10146-8_2

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