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Schlußüberlegungen

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Gegenbilder
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Zusammenfassung

Aus der Ideologietheorie des PIT gewann ich die These, Ideologie sei Vergesellschaftung von oben, der Staat gewinne seine ideologische Macht durch die antagonistische Reklamation des Gemeinwesens. Betrachtet man die Nation in dieser Perspektive, dann ergibt sich daraus eine Bestimmung, die nicht nach ihrem Inhalt und ihrer Funktion fragt, sondern nach der spezifischen Weise, in der sie die Individuen vergesellschaftet. Es ergibt sich die Frage nach der Nation als Vergesellschaftungsform. Daraus ergab sich die These, daß die moderne Nation einerseits die Handlungsmöglichkeiten der Individuen erweitert, weil sie aus den unmittelbaren persönlichen Abhängigkeiten befreit werden, andererseits diese Handlungsmöglichkeiten beschränkt, weil der Staat, oder besser der Staatsapparat mit seinen voneinander abgegrenzten Institutionen, die Funktionen der Regulierung des Gemeinwesens übernimmt. Die Individuen erlangen Kompetenz in der Inkompetenz. Sie können in einzelnen Bereichen handlungsfähig werden, haben aber keinen Zugriff auf und keine Einsicht in die gesellschaftlichen Wirkungszusammenhänge. Das Verhältnis zwischen Staat und Individuum beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Als Staatsangehörige müssen sich die Individuen dem Staat unterwerfen. Die unterworfenen Individuen imaginieren sich aber zugleich als autonom, als Herren ihres Tuns. In der Ideologietheorie wurde aber zuwenig berücksichtigt, daß die Individuen dem Staat nicht alle in gleicher Weise unterworfen sind. Mit den Bürgern der Nation, den Staatsbürgern konstituiert der Nationalstaat gleichzeitig die Nicht-Bürger oder Quasi-Bürger oder, mit einem bekannten Euphemismus, die „ausländischen Mitbürger“, die dem Staat zwar untergeordnet, aber nicht als ihm zugehörig definiert sind72. Meine These ist, daß es diese Nicht-Bürger sind, über die sich die Staatsbürger definieren und die es ihnen erlauben, ihre Unterwerfung als Autonomie zu leben. Was die Ideologietheorie nur für den Faschismus gezeigt hat, ist, allerdings in jeweils verschiedenen Formen, konstituierendes Element aller Nationalstaaten: Das Volk wird über das Gegenvolk konstituiert und unterworfen — und konstituiert und unterwirft sich selbst in dieser Weise.

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Literatur

  1. Der Nationalstaat konstituiert auch unter seinen Zugehörigen verschiedene Klassen von Bürgerinnen. So haben Frauen, auch wenn sie formal die gleichen Rechte haben, einen anderen faktischen Status. Dies habe ich nicht berücksichtigt. Siehe dazu Nira Yuval-Davis 1997.

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  2. Das gilt nicht absolut, wie Johnston (1990) anhand der politischen Bündnisse zwischen den patriotischen Intellektuellen und den Reformkräften am preußischen Hof zeigt. Aber diese politischen Ziele fanden keinen Eingang in die Konstruktionen des deutschen Volkes. Die Volksnähe wird zwar bei Fichte als besondere deutsche Eigenheit im Gegensatz zur Volksferne der Franzosen hervorgehoben, aber daraus folgt nicht die Forderung, das Volk solle über seine eigenen Angelegenheiten bestimmen.

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  3. Zitelmann (1993b) schreibt: „Die Fronten waren nun wieder richtig abgesteckt: auf der einen Seite die moralisch guten ‚Ausländerfreunde’, die Demokratie und Menschenrechte verteidigen, auf der anderen Seite die ‚Ausländerfeinde’ ... (241) „Daß der Antigermanismus bzw. der deutsche Selbsthag gerade Ende der achtziger Jahre einen Höhepunkt erreicht, liegt auch an dem offenkundigen Versagen linker Gesellschaftstheorien. Der Marxismus, einstmals die Theorie, mit der anscheinend alles zu erklären war, hat an Erklärungs-und Überzeugungskraft verloren. Der nach wie vor vorhandene Bedarf an Ideologien und Feindbildern muß in anderer Weise befriedigt werden. Eine Möglichkeit scheint der Feminismus zu sein, derchrw(133) ein umfassendes politisches, psychologisches, historisches und religiöses Erklärungsmodell anbietet.“ (248)

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Räthzel, N. (1997). Schlußüberlegungen. In: Gegenbilder. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10130-7_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10130-7_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-1895-3

  • Online ISBN: 978-3-663-10130-7

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