Zusammenfassung
In der soziologischen Diskussion und Theorie über das moderne Leben steht eine Beobachtung im Vordergrund, die auf den Begriff der Risikogesellschaft (Beck 1986) gebracht worden ist. Sie betrifft den Sachverhalt einer immensen Differenzierung von sozialen Lebenslagen und Lebensläufen, so daß der traditionelle Wirkungszusammenhang zwischen sozialem Status und sozialer Sicherheit bzw. sozialen Risiken in Bewegung gerät. Diese gesamtgesellschaftliche Differenzierung wird als eine neue, weitere Runde der insgesamt die Neuzeit bestimmenden Individualisierung bezeichnet. In diesem Prozeß wird das Vermögen des Einzelnen, Chancen und Risiken zu erkennen, gegeneinander abzuwägen und krisenhafte Entwicklungen im Lebenslauf zu verhindern, zum entscheidenden Medium des Biographieverlaufs und der Daseinsbewältigung. Die Individualisierungsbedingungen der modernen Gesellschaft bilden Hoffnung und Verhängnis (Baethge 1985) zugleich, Bedingungen der biographischen Selbstbestimmung sowie des Scheiterns an den materiellen und sozialen Ungewißheiten der Risikogesellschaft. Die Entscheidungen über den Lebensweg sind Entscheidungen ins Ungewisse und nur auf längere Sicht und Zug um Zug, über verschiedene Statuspassagen hinweg kleinzuarbeiten. Mit dem Begriff der Statuspassage wird dem Umstand Rechnung getragen, daß der Lebenslauf der Schauplatz des Ineinanderwirkens institutionellen und individuellen Handelns ist. Durch ihn wird der Blick auf die Akteure gelenkt, die die wechselnden Stationen des Lebenslaufs, die Veränderungsschübe im Status-Rollen-Gefüge bearbeiten: Akteure im Sinne der ihr Leben gestaltenden und über einzelne Schritte entscheidenden Individuen auf der einen Seite wie auf der anderen Seite die gesellschaftlichen Institutionen, die mit ihren Standards und durch ihre Experten die individuellen Lebensvollzüge strukturieren. Für die soziologische Forschung ist es im Horizont von Diagnosen des gesellschaftlichen Wandels wie der der ‚Risikogesellschaft‘ von Interesse, die typischen Prozesse und Phänomene zu erschließen, die die veränderten Verhältnisse, die unübersichtlichen Lebensläufe, die schillernden Konventionen der Lebensführung und die Destandardisierung der Normalbiographie auf der Ebene des empirischen Handelns zeitigen.
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Nagel, U. (1997). Einleitung. In: Engagierte Rollendistanz. Biographie & Gesellschaft, vol 26. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09931-4_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09931-4_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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