Zusammenfassung
Die Förderung von Chancengleichheit ist ein grundsätzliches normatives Gebot von Demokratie. So verlangt der spezifische Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (Art. 3, Abs. 3): „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.” Nicht zuletzt für die Legitimität von Elitenherrschaft, ohne die auch moderne Demokratien nicht auskommen, erscheint es wichtig, daß relative Gleichheit der Chancen besteht, Positionen mit hohem Prestige und weitreichenden Einfluß-möglichkeiten besetzen zu können. Nicht eine familiäre Herkunft „aus gutem Hause”, sondern Leistung und funktionale Erwägungen sollten bestimmen, wer Positionen besetzen kann, von denen aus die Geschicke der Gesellschaft wesentlich bestimmt werden.
Ich danke Holger Meinken, Edeltraud Roller, Bernhard Weßels und Carsten Zelle für anregende Kommentare zu früheren Fassungen dieses Beitrages.
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Literatur
Wenn im vorliegenden Text von Aufstiegsschancen gesprochen wird, dann ist damit immer die durch soziodemographische Merkmale bestimmte Chance, eine Eliteposition erringen zu können, gemeint. Karrierewege innerhalb der Sektoren oder sektoral spezifische Karrierevoraussetzungen (z.B. Herzog 1975; Rebenstorf ‘Karrieren’ in diesem Band) werden hier nicht diskutiert.
Der von Goldthorpe verwendete Klassenbegriff lehnt sich an den Weberschen Klassenbegriff an. Nach Weber gehören Personen zu einer Klasse, die gleiche Kontrollpotentiale über ökonomische Ressourcen, gleiche „Marktchancen” haben. Das Webersche Klassenkonzept ist, im Gegensatz zum Marxschen, nicht eine Theorie der Bildung von Klasseninteressen und der daraus folgenden Entstehung von Klassenkonflikten, sondern ein Instrument zur Systematisierung sozial homogener Bevölkerungsschichten mit unterschiedlichen Chancen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Reichtum (Sorensen 1991).
Im einzelnen setzen sich die Klassen des verkürzten Dienstklasseschemas wie folgt zusammen: Obere Dienstklasse: Professionelle (z.B. niedergelassene Rechtsanwälte oder Ärzte) mit mehr als einem Mitarbeiter, Selbständige mit mehr als 10 Mitarbeitern, Beamte, Richter und Angestellte im höheren Dienst und im Staatsapparat der DDR Tätige mit entsprechenden Positionen, Angestellte mit umfassenden Führungsaufgaben. Untere Dienstklasse: Professionelle allein oder mit einem Mitarbeiter, Beamte etc. mittlerer Dienst, Beamte etc. gehobener Dienst und im Staatsapparat der DDR Tätige mit entsprechenden Positionen, Berufssoldaten, Angestellte mit schwierigen Aufgaben nach allgemeiner Anweisung in selbständiger Erfüllung, Angestellte mit eigenverantwortlicher Tätigkeit oder begrenzten Führungsaufgaben. Nichtdienstklasse: Nicht Erwerbstätige, alle selbständigen Landwirte, Genossenschaftsbauern (DDR), kleine Selbständige, alle Arbeiterkategorien, Beamte etc. im einfachen Dienst, Industrie- und Werkmeister, Angestellte mit einfacher Tätigkeit, sonstige (vgl. Beckmann/Trometer 1991; Herz 1990).
Da die jüngsten Elitenpersonen 24 (Elitestudie 1995) bzw. 29 (Elitestudie 1981) Jahre alt sind, werden zusätzlich zu der Gewichtung alle Personen, die jünger als 24/29 Jahre sind, bei der Analyse der Bevölkerungsdaten nicht berücksichtigt.
Die Auswirkungen der Gewichtung auf die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Herkunftsgruppen ist gering. Für 1995 ist die Differenz zwischen gewichteter und ungewichteter Verteilung nicht signifikant. Für 1981 ist diese Differenz zwar schwach signifikant, die Unterschiede sind dennoch so gering, daß mit beiden Vergleichsmaßstäben qualitativ gleichwertige Aussagen erzielt werden. Die Verwendung der gewichteten Stichprobe ist demnach nicht nur methodisch korrekt, sondern auch im Hinblick auf die Qualität daran getroffener Aussagen unproblematisch.
Die hier und im weiteren analysierten Daten entstammen folgenden Quellen: Elite 1981: ZA 1981a; Bevölkerung 1981: ZA 1981b; Bevölkerung 1995: ZA 1994.
Für die Bevölkerung wurde der Wohnort gewählt, um zu entscheiden, ob es sich im Sinne der vorliegenden Frage um west- oder ostdeutsche Personen handelt. Für die Eliten wurde die Lage des Hauptarbeitsortes gewählt, weil das Ziel war, eine Gruppe zu definieren, die in ihrer Gesamtstruktur der Führungsschicht von 1981 möglichst nahe kommt.
Die aus Tabelle III-2 ersichtlichen Veränderungen in der Verteilung der Herkunftsgruppen zwischen 1981 und 1995 sind nicht signifikant, so daß von einer Stabilität der Bezugsgröße Bevölkerung ausgegangen werden kann. Struktureffekte müssen deshalb beim Zeitvergleich nicht berücksichtigt werden (vgl. Handl 1984 und 1985).
Duncan-Index of Dissimilarity. Erläuterung siehe Fußnote 3 in Schnapp ‘Soziodemo-graphie’ in diesem Band.
Das Prozentsatzverhältnis ist der Quotient aus dem Anteil der jeweiligen Herkunftsklasse an der Elite und dem Anteil der gleichen Herkunftsklasse an der Bevölkerung.
Der lineare Trend wird sichtbar nach logarithmischer Transformation der Prozentsatzverhältnisse.
Diese Modelle wurden bereits von Hoflmann-Lange (1992: 125–132) für die Elitestudie von 1981 untersucht. Hoffmann-Lange entlehnte sie Putnam (1976).
Die mit diesem Verfahren verbundene extreme Überschätzung der Wahrscheinlichkeiten des Aufstiegs in die Elite ist für die folgenden Analysen nicht relevant, weil die Werte nur in Relation zueinander, nicht jedoch absolut interpretiert werden sollen.
Der Effektkoeffizient beschreibt die Veränderung der Chance bei Änderung eines unabhängigen Merkmals um einen angegebenen Faktor. Chance ist im statistischen Sinne definiert als das Verhältnis zweier Wahrscheinlichkeiten: der Wahrscheinlichkeit, daß ein bestimmtes Ereignis eintritt, geteilt durch die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Ereignis nicht eintritt. Ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines bestimmten Ereignisses z.B. 0,25, so ist die Chance, daß dieses Ereignis eintritt 0,25/0,75=0,33. Bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,5 wäre die Chance 1, bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,75 wäre sie 3 usw.
Proportionalität berechnet als Prozentsatzverhältnis. Werte kleiner 1 bedeuten, wie in Abbildung III-l, Unterproportionalität, Werte größer 1 Überproportionalität der Vertretung einer Herkunftsklasse in den Eliten.
Alle Personen, deren höchster Bildungsabschluß mindestens eine Hochschulreife ist, werden zu einer Gruppe zusammengefaßt. Es ergeben sich für den Zeitpunkt 1995 folgende Anteile der Herkunftsklassen an dieser Bildungsgruppe in der Bevölkerung: Nichtdienstklasse: 42 Prozent, untere Dienstklasse 38 Prozent, obere Dienstklasse 23 Prozent. In der Elite sind es 27 Prozent, 33 Prozent und 40 Prozent respektive.
Die hier verwendeten Wahrscheinlichkeiten sind künstliche Wahrscheinlichkeiten, die aus dem direkten Vergleich der Eliten- und Bevölkerungsdaten, wie sie bereits in den Regressionsmodellen verwendet wurden, hervorgegangen sind. Die realen Wahrscheinlichkeiten zum Aufstieg in die Eliten sind um ein vielfaches kleiner als in Tabelle III-9 dargestellt. Da die Zahlen aus der Tabelle nur in Relation zueinander interpretiert werden sollen, ist diese Abweichung jedoch nicht relevant.
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Schnapp, KU. (1997). Soziale Zusammensetzung von Elite und Bevölkerung — Verteilung von Aufstiegschancen in die Elite im Zeitvergleich. In: Eliten in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09920-8_4
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