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Part of the book series: Forschung ((FPOLIT,volume 99))

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Zusammenfassung

„Versteht man unter wissenschaftlichen Denkschulen informelle Gruppen von Autorinnen und Autoren, die von gleichen oder ähnlichen Prämissen über ihren Untersuchungsgegenstand ausgehen und infolgedessen gemeinsame Fragestellungen und Antwortstrategien haben“ (Zürn 1993, 309), so sind bei der Erklärung von Außenpolitik vor allem die sich im normativ-onthologischen Sinne diametral gegenüberstehenden Schulen des Idealismus und des Realismus sowie deren eher empirisch-analytisch geprägten Weiterentwicklungen zu nennen, welche die Theorienbildung innerhalb der Teildisziplin lange Zeit prägten.1O Das Entstehen dieser verschiedenen Schulen war dabei nicht zufällig, sondern hing vielfach mit der auf die Theorienbildung wirkenden Beeinflussung durch den jeweiligen Entwicklungsstand des Internationalen Systems zusammen. Wie Joseph Nye konstatiert, „ist es nicht überraschend, dass die Theorie der Internationalen Beziehungen immer stark von den jeweils aktuellen politischen Überlegungen beeinflusst wurde“ (Nye 1988, 2). Mit der zunehmenden Veränderung des Internationalen Systems wie auch der einzelnen Nationalstaaten sind aber beide Theoriestränge nicht mehr in der Lage, die Ansprüche an eine General Theory für den Forschungsbereich Außenpolitik oder gar für die gesamte Teildisziplin der Internationalen Beziehungen zu erfüllen. Geht man davon aus, dass das herausragende Charakteristikum des Internationalen Systems die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit international handelnder Akteure ist, so hat dies seit einigen Jahrzehnten zu veränderten Handlungslogiken in der Internationalen Politik geführt, die von neorealistischen, neoinstitutionalistischen oder liberalen Argumentationsmustern nur unvollkommen erklärt werden können.

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Literatur

  1. Die realistische Schule, deren herausragendster Vertreter in den Internationalen Beziehungen Hans J. Morgenthau (1948) war, geht dabei von einem pessimistischen Menschenbild aus und überträgt dieses auf die internationale Staatenwelt. Oberlebenskampf und Machtstreben sind die zentralen Motivationskomponenten von Staaten, während die idealistische Schule ausgehend von einem positiven Menschenbild in der Tradition von Immanuel Kant zunehmende Demokratisierung einfordert, was die kooperative Lernfähigkeit von Staaten im internationalen System erhöhen würde (Kant 1795). Die empirisch-analytischen Weiterentwicklungen sind im Falle des Realismus vor allem durch die Überlegungen von Kenneth Waltz bzw. Robert Gilpin gekennzeichnet, die in strukturalistischen bzw. akteurstheoretischen Modellen die internationale Machtverteilung zwischen den Staaten sowie die Maxime der Machtmaximierung von Staaten als zentrale Determinanten des Internationalen Systems betrachten (Waltz 1979; Gilpin 1981). Die Weiterentwicklung idealistischen Gedankengutes lässt sich dagegen grob in neoinstitutionalistische und liberal-strukturelle Argumentationslinien unterscheiden. Der Neoinstitutionalimus geht zwar wie auch der Neorealismus von am Eigeninteresse ausgerichteten Handeln der Nationalstaaten aus, das Entstehen und die Effizienz von internationalen Institutionen wird aber nicht zwangsläufig auf die Machtverteilung im internationalen System zurückgeführt (Axelrod/Keohane 1993; Keohane/Martin 1995). Liberale Ansätze dagegen sehen die Außenpolitik eines Staates hauptsächlich als Derivat politischer und gesellschaftlicher Ordnung und greifen somit stärker die Aspekte des „Ewigen Friedens“ auf als die Neoinstitutionalisten (Czempiel 1996a; Moravcsik 1996 ).

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  2. Interdependenz ist nach Keohane/Nye auf Gegenseitigkeit angelegt und beinhaltet daher reziproke Effekte zwischen den Akteuren der Internationalen Politik, während Dependenz bedeutet, dass das Handeln eines Akteurs von externen Kontextfaktoren des Internationalen Systems nachhaltig determiniert wird (Keohane/Nye 19771, 88 ff). Als typisches Beispiel für kostspielige Interdependenz gilt etwa das Phänomen von Rüstungswettläufen.

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  3. Transnationale Politik soll im folgenden „als das Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure aus mehreren Ländern“ definiert werden (Lauth/Zimmerling 1994, 145). Der Begriff Transnationale Beziehungen ist dagegen weiter gefasst und beinhaltet alle Verbindungen mit politischer Relevanz, an denen zumindest ein grenzüberschreitend tätiger gesellschaftlicher Akteur beteiligt ist (Meyers 1993b, Risse-Kappen 1995a, 3). Wenn z. B. die Finanz-und Währungspolitik mittlerweile im Bereich der High Politics angesiedelt wird, so sind die internationalen Finanzströme aufgrund ihrer politischen Relevanz Teil der Transnationalen Beziehungen, gehörenaber solange nicht in den Bereich der Transnationalen Politik, solange kein staatlicher Akteur involviert ist.

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  4. So stellte Robert Keohane bereits in seinem Werk After Hegemony fest, dass die Errichtung institutionalisierter Steuerungsmechanismen meist nur durch die Existenz von Hegemonialstaaten gewährleistet werden kann, dass Internationale Regime aber Hegemonialstrukturen lange überdauern, sich verfestigen und somit auch als unabhängige Variablen wirken können (Keohane 1984, 50).

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  5. Der Neorealismus — hier verstanden als struktureller Realismus Waltz’scher Prägung — hingegen kann die Existenz Internationaler Regime nur in Parallelität zur Machtverteilung zwischen Staaten erklären. Neorealisten erachten Internationale Institutionen deswegen als nur geringfügig relevant bei der Gestaltung des Internationalen Systems (Mearsheimer 1994, 1995; Waltz 1994 ).

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  6. Die Frage, wie Außenpolitik durchgeführt wird, ist demnach kein Kernbestandteil der zu erarbeitenden allgemeinen Definition von Außenpolitik, wenngleich unterschiedliche Strategiemöglichkeiten im nächsten Kapitel diskutiert werden.

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  7. Die Untersuchung außenpolitisch relevanter kollektiver Akteure muss aber oftmals einer weiteren situationsspezifischen Differenzierung unterworfen werden. Im Falle von Koalitionsregierungen sind etwa die unterschiedlichen Interessen der Koalitionspartner zu berücksichtigen und auf der Verwaltungsebene ist oftmals eine Unterscheidung miteinander konkurrierender bürokratischer Einheiten notwendig (Ripley 1995).

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  8. Jene Sichtweise kann trotz der erwähnten Bedenken gegenüber solchen Aggregats-formen akzeptiert werden, da eine außenpolitische Strategie zumeist von der Regierung formuliert wird. Die Differenzierung nach staatlichen Akteuren sollte dann erfolgen, wenn entweder das Zustandekommen dieser Strategiewahl erklärt oder aber, wenn die Strategieumsetzung analysiert werden soll.

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  9. Diese Typologisierung von Strategien ist eine Übertragung der aus der wirtschaftswissenschaftlichen Organisationslehre stammenden Ansoff-Matrix auf außenpolitische Problemstellungen (Ansoff 1965, 109 ). Generell kann dabei auf die a priori-Festlegung eines spezifischen Politikfeldes verzichtet werden. Diese Offenheit ermöglicht es, die vier Strategieoptionen sowohl auf die unterschiedlichen Zieldimensionen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt anzuwenden wie auch auf konflikt-bzw. kooperationsgeprägte Ausrichtungen der Außenpolitik.

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  10. Zu beachten ist, dass die Wahl einer der vier außenpolitischen Strategieoptionen gegenüber einer Region die Wahl einer der drei verbliebenen Strategien gegenüber einer anderen Region nicht unbedingt ausschließt. Wenn eine Regierung beispielsweise die Außenhandelspolitik grundlegend verändert (etwa die osteuropäischen Staaten nach 1989) und dabei versucht, auch mit „neuen“, vorher nicht wahrgenommenen Regionen den Außenhandel zu intensivieren, so wird sie sich gegenüber den traditionellen Interaktionsregionen für eine Politikfelddifferenzierung und gegenüber den „neuen” Regionen für eine Diversifizierungsstrategie entscheiden.

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  11. Je „mächtiger“ die Staaten hierbei sind, desto größer sind ihre Einflussmöglichkeiten auf die den außenpolitischen Handlungsspielraum konstituierenden externen Rahmenbedingungen. Helio Jaguaribe und Juan Carlos Puig entwickelten verschiedene, auf hauptsächlich externen Strukturvorgaben basierende, situationsspezifische Autonomiekonzepte für die Staaten Lateinamerikas, die in der Tradition realistischer und dependenztheoretischer Theorienbildung stehen. Differenziert wurde zwischen heterodoxer, peripherer und sezessionistischer Autonomie, die jeweils unterschiedliche Machtverhältnisse zur Hegemonialmacht zum Ausdruck bringen (Jaguaribe 1979; Puig 1984, 78ff). Andere Autoren versuchen, in einer neostrukturalistischen Herangehensweise regimegeleitete Außenpolitik zwischen Industrie-und Entwicklungsländern sowie zwischen Entwicklungsländern auf die internationale Machtverteilung zurückzuführen (Krasner 1985).

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  12. Für schwache Staaten gilt wiederum, dass ihr Handlungsspielraum von inneren Rahmenbedingungen stark eingegrenzt ist. Entsprechend den Dependenztheorien handeln in peripher positionierten Staaten die staatlichen Entscheidungsträger als Agenten sozioökonomisch dominanter Klassen, die im Verhältnis Metropole-Peripherie von den weltwirtschaftlichen Strukturen profitieren (vgl. hierzu Boeckh 1982 ).

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  13. Zwar stimmen moderate Neorealisten der These zu, dass sich anhand des politischen Systemtyps Tendenzen über die außenpolitische Konfliktbereitschaft feststellen lassen, doch wird auch hier die internationale Machtverteilung als einflussreichere Variable gewichtet (Krasner 1993, 21).

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  14. Der Terminus „mikropolitisch“ wird auch dann benutzt, wenn Staaten als Akteure betrachtet werden, weil dann von der vereinfachenden Annahme ausgegangen wird, dass Staaten als einheitliche Akteure mit konkretisierbaren Präferenzen auftreten.

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  15. Dabei spielen etwa während einer militärischen Krisensituation andere handlungsleitende Strategien eine Rolle und sind außenpolitische Entscheidungskompetenzen möglicherweise anders verteilt als bei dem außenpolitischen „Alltagsgeschäft“ zu Friedenszeiten. Insofern hat sich eine Einordnung der jeweils zu erklärenden außenpolitischen Entscheidungen nach Grundsatz-, Planungs-, Routine-, und Krisenentscheidungen durchgesetzt, die jeweils andere Akteure in den Mittelpunkt stellen kann (Haftendorn 1990, 403 ff).

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  16. Hierbei bietet sich vor allem die Spieltheorie als methodischer Rahmen für die Erklärung außenpolitischer Entscheidungen an. Unterschieden werden kann zwischen Nullsummenspielen, Nicht-Nullsummenspielen, deren Mischformen sowie ferner zwischen Spielen, die den Konflikt in den Mittelpunkt stellen, und kooperativen Spielen, die Zusammenarbeit belohnen. Beispielsweise wurden außenpolitische Entscheidungen unter atomarer Interdependenz (Chicken-Game) und die Entstehung Internationaler Regime (Prisoner’s Dilemma) relativ griffig anhand spieltheoretischer Modelle nachvollziehbar dargestellt (Steinbrunner 1983, 103; Lipson 1993 ).

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  17. Somit wird wiederum deutlich, dass Vertreter gleicher Schulen außenpolitisches Handeln aus unterschiedlichen methodischen Perspektiven erklären wollen. Neorealistische Strukturalisten wie Kenneth Waltz leiten ihre Ergebnisse von der anarchischen Struktur des internationalen Systems ab, die durch nicht-intentionales Handeln der Staaten entstanden ist, während die ebenfalls der neorealistischen Schule zuzurechnenden Robert Gilpin und Joseph Grieco außenpolitische Phänomene aus staatlichen Präferenzordnungen deduzieren.

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  18. Die Diskussion zwischen materiellem Individualismus und Sozialkonstruktivismus, die seit dem Beginn der letzten Dekade ins Zentrum der theoretischen Debatte in der Teildisziplin gerückt ist, wird vor allem in der Zeitschrift International Organization sowie in Deutschland in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen geführt.

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  19. Gemäß der Definition von Douglas North (1990, 4–6) können soziale Institutionen als Regeln zur Ordnung und Steuerung menschlichen Verhaltens verstanden werden, sind also Einrichtungen, die ziel-und normengeleitete Verhaltensweisen kodifizieren und dementsprechend die Handlungsunsicherheit der Akteure reduzieren (Pritzl 1996, 39). Formale Institutionen (Gesetze, Verfassungen etc.) sind öffentliche und für die Mitglieder einer politischen Gemeinschaft niedergeschriebene Regeln unabhängig von deren bisheriger gesellschaftlicher Einübung. Informale Institutionen ( Tradition, Brauchtum, common law etc.) wirken hingegen nicht Kraft gesetzter Niederschrift handlungsleitend, sondern lediglich über gesellschaftliche Einübung. Insofern können informale und formale Institutionen, was ihre Handlungsanweisungen angeht, sowohl konform als auch konfliktär zueinander stehen. Politische Institutionen sind soziale Institutionen zur „Herstellung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen“, die, um handlungsleitend zu wirken, eines Mindestmaßes an Akzeptanz und rechtlicher Normierung bedürfen (Göhler 1997, 29 ).

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  20. Versuche, außenpolitische Entscheidungen auf die Organisation des außenpolitischen Systems zurückzuführen, sind etwa der Entwurf einer kybernetischen Entscheidungstheorie durch John Steinbrunner. Besonders in modernen, stark ausdifferenzierten Verwaltungseinheiten wird demnach der außenpolitische Entscheidungsprozess durch die spezifische Verregelung von Organisationen beeinflusst. (Steinbrunner 1974, Kap. 1; Dougherty/Pfaltzgraff 479–482).

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  21. Dass z. B. Regierung und Parlamentsmehrheit aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen können, hat im Falle der republikanische Mehrheit im US-Kongress mit seinen weitreichenden Kompetenzen einen starken blockierenden Einfluss auf die Außenpolitik der Clinton-Administration ausgeübt. In parlamentarischen Regierungssystemen wie der Bundesrepublik oder in Großbritannien, wo gemeinhin Regierung und parlamentarische Mehrheit einem politischen Lager zugerechnet werden können, sind solche Situationen aufgrund des institutionellen Aufbaus des Regierungssystems kaum möglich.

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  22. Der Begriff „middle-range-theories“ geht dabei auf Karl Raimund Popper und den Soziologen Robert Merton zurück (Merton 1957). Als aktuelles Beispiel könnte die Beschäftigung mit dem Phänomen der Demokratisierung herangezogen werden. Dabei wird versucht, die Anzahl der Fälle entweder zeitlich (Huntington 1991), räumlich (O’Donnell/Schmitter 1986) oder analytisch (Merkel 1996) zu ordnen.

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  23. Bei genügend großer Anzahl von Fällen könnte dann eine Gewichtung einzelner Faktoren vorgenommen werden, so dass allgemeingültigere Erklärungszusammenhänge dem „Faustian-like trade-off between the very difficult study of the significant and the relatively easy study of the tangential“ folgen (Garfinkle 1986, 35).

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Faust, J. (2001). Eine theoretische Heranführung. In: Diversifizierung als außenpolitische Strategie. Forschung Politikwissenschaft , vol 99. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09812-6_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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