Zusammenfassung
Obgleich die Debatten um die Bedeutung der Parteien als Macht- und Ordnungsfaktor im politischen Prozeß seit ihren Ursprüngen andauern und wiewohl die Kontroversen mit der Herausbildung des modernen Parteienstaats noch an Heftigkeit zugenommen haben — auch und vor allem angesichts der Fülle dysfunktionaler Nebenwirkungen, die diese Entwicklung produziert und befördert hat —, gilt ein System konkurrierender Parteien neben allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlen als wesentliche Legitimationsgrundlage der entwickelten westlichen Demokratien der Gegenwart. Tatsächlich haben die Parteien, wenn auch in unterschiedlich interpretierbarer Weise, notwendige politische Mittlerfunktionen zwischen Gesellschaft und Staat übernommen, sie wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit, sie sind zu wesentlichen Trägern des politischen Entscheidungsprozesses geworden. Relevanz und Stellung der Parteien bestimmen sich dabei aus einer Vielzahl von Faktoren wie institutionellen Traditionen, der nationalen politischen Kultur, der verfassungsmäßigen Verankerung, ihrer organisatorischen Entwicklung im gesellschaftlichen und politischen Machtgefüge u.a.m.
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Literatur
In Deutschland wurde schon im Jahre 1919 kurzzeitig eine Steuerbegünstigung für Parteispenden eingefiihrt, die auf Betreiben der damaligen SPD wieder aufgehoben wurde.
So der SPD-Bundestagsabgeordnete Schmidt-Vockenhausen 1964 in einer Rede (zit. nach: v. Arnim 1991: 80).
In Spanien waren seit Mitte der 80er Jahre fast alle Parteien von mehr oder weniger großen Korruptionsskandalen betroffen. Besonders hervor tat sich hierbei die sozialistische Regierungspartei PSOE, die das perfekteste System der illegalen Geldbeschaffung, u.a. durch die Errichtung von Scheinfemen, errichtete (vgl. Walter Hauhrich, 1995: Hinter der spanischen Wand. Der Sündenfall der PSOE, in: Kursbuch, Heft 120, 63–74).
Kick-back-Finanzierung meint, daß öffentliche Aufträge vor allem im Rüstungs- und Baubereich zu überhöhten Preisen abgegeben werden und anschließend die Differenz zwischen den handelsüblichen und den real gezahlten Preisen zumindest teilweise Parteien oder Politikern zugutekommt. In Frankreich hatten sich Ende September 1994 u.a. 29 Parlamentarier wegen illegaler Geldannahme, Ihr persönliche Zwecke und Parteienzwecke, vor allem aus den Reihen der neogaullistischen RPR, vor Gerichten zu verantworten (vgl. FAZ v. 31.5.95; Oliver Fahrni, 199.5: Letzte Schmierung. Die sauberen Geschäfte der Fünften Republik, in: Kursbuch, Heft 120, 47–62). Eine relevante Rolle spielten im Zusammenhang mit illegaler Parteienfmanzierung in Frankreich auch die zahlreichen den Parteien angelehnten politischen Clubs (vgl. Bellers, 1989: 121).
In Italien wurde im Zuge der Aufdeckung des illegalen Besteuerungssystems bei öffentlichen Aufträgen in den Jahren 1992 bis 1994 und der darauf folgenden Anklage gegen hunderte von Politikern aller Ebenen deutlich, daß die Parteien dieses System insbesondere auf kommunaler Ebene kartellmäßig organisiert hatten (vgl. Petersen 1995: 159; Raith 1994: 64).
In der Schweiz gerieten Regierungspolitiker in den Verdacht der Korruption (vgl. u.a. W Schenk. Wenn der Vorort rechtsumkehrt befiehlt, in: Tagesanzeiger v. 7.8.95). In Großbritanien führte eine Überprüfung der Wahlkampfausgaben der Konservativen Partei im Frühjahr 1993 zur Aufdeckung massiver Unterstüzung von seiten der Großindustrie. In Belgien wurde im Frühjahr 1995 bekannt, daß in den 80er Jahren sozialistische Partei- und Regierungspolitiker illegale Gelder in Millionenhöhe im Gegenzug zur Vergabe von Rüstungsaufträgen angenommen hatten.
Die Bestechungsgelder flossen in Japan dabei in der Regel nicht der Parteizentrale, sondern den Führern der verschiedenen innerparteilichen Fraktionen, den Hubatsu, zu. Viele der von den Korruptionsaffären betroffenen Politiker wurden bei der nächsten Parlamentswahl allerdings wiedergewählt.
Zur rechtlichen Stellung der Parteien siehe die verschiedenen Beiträge in Dimitris Th. Tsatsos (Hrsg.), 1990: Parteienrecht im europäischen Vergleich. Die Parteien in den demokratischen Ordnungen der Staaten der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden: Nomos.
Besonders nach der Veröffentlichung von Heards Buch „Costs of Democracy“ und der Bildung der „Presidents Commission on Campaign Costs“ setzte eine intensivere Diskussion um die Neuordnung der Politikfinanzierung in den USA ein (vgl. Weigelt 1988: 46).
Vgl. Matti Wiberg (Hrsg.) 1991: The Public Course and Political Parties. Public Financing of Political Parties in Nordic Countries, Jyvässkylä.
Pelinka (1978: 226) zählt, hiervon abweichend, auch die Spenden zu den Fremdmitteln.
Vgl. dazu etwa die Tabelle 7 in v. Beyme 1993: 141–146.
In Costa Rica werden seit 1960 die Parteien unabhängig von ihrer Größe mit den gleichen staatlichen Finanzsummen unterstützt.
So die Aussage des hessischen Ministerpräsidenten Zinn, zit. nach: Dübber 1970: 97.
Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 57. Sitzung am 19.9.54, 2860 f
Zur Parteienfinanzierung in Österreich liegt seit 1990 von Sickinger/Nick eine zusammenfassende Bearbeitung vor.
Die französische KP entschloß sich 1990 erstmalig zur Annahme staatlicher Gelder (vgl. Fromont 1992: 146).
Vgl. u.a. den Verfassungsrechtler Zwimer, in: Landlied 1990:43.
Vgl. v. Beyme 1991: 142; Eckhard Wiemers: Das große Dilemma der Kleinen. Nach dem Versiegen des Geldstroms droht sogar der Ausverkauf, in: Das Parlament, 45 Jg., Nr. 3–4 v. 13120.1.95.
Kandidaten, die mindestens 5%, nicht aber 25% der Stimmen zur Präsidentschaftswahl erhalten, werden nachträglich im Verhältnis zu ihrem Erfolg tir entstandene Wahlkampfkosten entschädigt.
So kann beim „tax check oll“-Verfahren der Steuerzahler in Form einer Steuergutschrift 1 US $ der Steuerschuld dem „Presidential Election Campaign Fund“ zuweisen, der sie zu gleichen Teilen an die beiden Präsidentschaftskandidaten weiterleitet.
Dieses Problem der erweiterten Einflußnahme der Parteileitungen durch eine zentrale MittelbeschatTung sah auch 1983 schon die vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission zur Parteienfinanzierung (vgl. Kommissionsbericht 1983: 218). Vgl. zum Verhältnis innerparteilicher Demokratie und staatlicher Parteient nanzierung auch Zeuner 1969.
In der Schweiz werden Wahlsendungen von Radio und Fernsehen als das bedeutendste Mittel staatlicher Parteienfbrderung angesehen (vgl. Ulrich Weder 1981: Die innenpolitische Neutralität des Staates. Ihre Bedeutung in der Schweiz, Zürich: 143).
In den sozialistisch regierten Städten Lille und Marseille wurden so etwa in den 70er Jahren 60 Mitarbeiter ihr Arbeiten der sozialistische Partei abgestellt (vgl. Pulch 1987: 91).
In Frankreich gewährte über lange Jahr lediglich die Kommunistische Partei, die sich für eine größere Transparenz der Parteieinnahmen aussprach, Einblick in ihre Jahresbilanzen, während bei den anderen Parteien die Finanzen ein Tabuthema waren und bis heute teilweise noch sind (vgl. Pulch 1987: 64).
In Deutschland wurde der Vorschlag der Einftih ung einer Prüfung der Parteienfinanzierung durch den Bundesrechnungshof nicht befolgt (vgl. Kommissionsbericht 1983: 236).
In Frankreich wurden die Kosten fit die Präsidentenwahl z.B. im Jahre 1987 auf 120 Mio. Francs vor dem ersten Wahlgang und 140 Mio. Franc vor dem zweiten Wahlgang sowie 500.000 Francs für den Wahlkampf eines Abgeordneten zum nationalen Parlament beschränkt (vgl. FAZ v. 4.1.88).
Wewer meint feststellen zu können, daß das Bundesverfassungsgericht seine Korrektivfunktion hier in den 80er Jahren weitgehend eingebüßt habe (vgl. Wewer 1990c).
Ähnlich PoguntgeBoll (1992: 319): „The history of party finance in West Germany is long and intricate — and has mainly been written by the Constitutional Court“.
In der erwähnten Periodeneinteilung staatlicher Parteienfinanzierung von Lösche werden diese Beträge irrtümlicherweise jeder einzelnen Bundestagspartei zugeordnet (Lösche 1994: 175).
Zu nennen sind hier vor allem die Studien von Wellner (1973) und Schleth (1973), die die Entwicklung der Parteienfinanzierung in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik zum Gegenstand hatten; sie können als die gründlichsten Arbeiten über diese Zeit gelten. Wie der Finanzreferent der SPD, Hans Feldmann, den Verfassern bei einer Reihe von Nachfragen in einem Gespräch am 22.6.1993 in Bonn beschied, müßten Informationen zur älteren Finanzierung der Partei wohl im Grab von Alfred Nau gesucht werden, dem langjährigen Schatzmeister der Sozialdemokraten, der wegen der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus sozialdemokratische Finanzen immer als wohlbehütetes Geheimnis behandelt hatte. Ähnlich Wagner: „Alles, was in der SPD mit Geld zu tun hatte, lief über ihn [A. Nau; d. Verf 1. ‘Aber Nau’, bedauert ein Bonner Steuerfahnder, ‘hat sein Wissen mit ins Grab genommen.’ Er starb im Mai 1983, sechs Monate bevor die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Lambsdort1’ Friderichs und von Brauchitsch erhob“ (Wagner 1986: 43). Hinzu kommt, daß die Parteizentralen zum Teil offenbar über diese Zeit weniger Unterlagen besitzen, als man allgemein annimmt (vgl. Mintzel 1975: 79; Kaack 1971: 467). Nennenswert sind gleichwohl die Protokolle und Jahrbücher der Parteien, die im Vergleich zu heute sogar eine ausgeprägte Ausführlichkeit bezüglich der Angaben zu Finanzen und innerer Organisation besaßen. Aber generell gilt die von Mintzel für die CSU gemachte Einschränkung: „Die Rechenschaftsberichte der Geschäftsführer und Generalsekretäre wie überhaupt Organisationsberichte jeglicher Art sind bis in die jüngste Zeit hinein als parteiinternes, zum Teil als ‘vertraulich’ deklariertes Material ‘Ihr den Dienstgebrauch’ behandelt worden“ (Mintzel 1975: 78 f).
Dies gilt auch und vor allem für den Bereich der Ausgaben. Noch 1973 meinte Schleth, daß „über die tatsächliche Ausgabenstruktur der Parteien noch weniger bekannt ist als über die Herkunft der Parteigelder [...]“ (Schleth 1973: 46).
„Das Verfàssungsgebot [der Rechenschaftslegung; d. Verf.] zielt darauf ab, den Prozeß der politischen Willensbildung für den Wähler durchschaubar zu machen und ihm zu offenbaren, welche Gruppen, Verbände oder Privatpersonen im Sinne ihrer Interessen durch Geldzuwendungen auf die Parteien politisch einzuwirken suchen. Es will Zuwendungen, mit deren Hilfe finanzkräftige Geldgeber die Werbemöglichkeiten einer Partei erhöhen und damit ihren eigenen politischen Einfluß verstärken, durch Offenlegung unter die Kontrolle der Öffentlichkeit stellen“ (BVerfGE 20, 56: 106).
Zum selben Urteil gelant Schleth in seiner Analyse der ersten veröffentlichten Rechenschaftsberichte von 1968:,,Aus der Sicht der Parteien ist der Zweck dieser Rechenschaftsberichte klar. Formal sind sie Voraussetzung fit den Empfang weiterer öffentlicher Mittel; im übrigen stellen sie eine gewisse Konzession an die in der Bevölkerung weitverbreitete Skepsis gegenüber der Verwendung von Steuermitteln für Parteizwecke dar“ (Schleth 1970: 129 u. 131).
Kaufixer ist der Auffassung, daß „die Berichte [...] in ihrer neuen Form [nach 1983; d. Verf] für den Bürger noch unübersichtlicher, unverständlicher und undurchsichtiger geworden [sind], als sie schon vor der Novellierung waren.“ „Anders gesagt: Es müßte möglich sein, die wirklich wichtigen Angaben (Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Großspender) auf zwei Druckseiten zu präsentieren [...]“ (Kauteer 1990: 130).
Naßmacher ist wie üblich anderer Meinung: „Eine Gegenüberstellung von Rechtslage und Sachstand in Deutschland und anderen westlichen Demokratien läßt die Behauptung einer zu geringen Transparenz der Parteifmanzen in Deutschland als geradezu absurd erscheinen“ (Naßmacher 1993: 82). Ähnlich Lösche gut zehn Jahre vorher: „In kaum einer anderen westlichen Demokratie haben die Parteien und Wahlkämpfer so umfassend öffentlich Rechenschaft zu geben wie in der Bundesrepublik. Parteienfinanzierung ist durchschaubarer und damit politisch kontrollierbar geworden“ (Lösche 1984: 106 f.). Naßmacher glaubt, Medienschelte üben zu müssen: „Wer wertet die von den Parteien bereitgestellten und von der Bundestagsverwaltung publizierten Daten aus? Hier wurden bisher nur Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, des SPD-Parteivorstandes und einzelne Wissenschaftler tätig. Weitere Anstrengungen der Öffentlichkeit oder ihrer selbsternannten Handlungsgehilfen (Journalisten in Printmedien und Fernsehen) sind nicht zu vermelden“ (Naßmacher 1993: 83).
Eine fehlende Definition von „wahlkamptbezogenen Kosten“ erlaubt die Subsumierung aller beliebigen Ausgaben — z.B. hauptamtliches Personal — unter diese „Kategorie“ (vgl. Landfried 1990: 254 f.). In gewisser Hinsicht sind ja alle Parteiausgaben wahlkamptbezogen.
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Ebbighausen, R. et al. (1996). Die deutsche Entwicklung im internationalen Vergleich: Ausgangsfragen. In: Die Kosten der Parteiendemokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09730-3_1
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