Zusammenfassung
Vergleicht man erzählte Lebensgeschichten von Deutschen, die während des Nationalsozialismus nicht verfolgt wurden (Rosenthal 1990), mit denen von Menschen, die aus Deutschland und Europa fliehen mußten oder die Verfolgung in Verstecken, zusammengepfercht in Ghettos, in Konzentrations- oder Vernichtungslagern überlebt haben (Rosenthal 1995)1, zeigen sich strukturelle Differenzen. Während die Mitläufer und auch die Täter des Nationalsozialismus stundenlang über ihre Erlebnisse während der Kriegsjahre erzählen, haben die Verfolgten Erinnerungs- und Erzählschwierigkeiten. Zeichnen sich die Lebenserzählungen von nicht-verfolgten Biographen2 durch dichte epische und dramatische Erzählketten zu den Kriegserlebnissen aus (Rosenthal 1993), lassen sich bei den Lebenserzählungen von verfolgten Biographen eher Einzelerzählungen bzw. fragmentierte Erzähl-ketten beobachten.
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Literatur
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Rosenthal, G. (1995). Überlebende der Shoah: Zerstörte Lebenszusammenhänge — Fragmentierte Lebenserzählungen. In: Fischer-Rosenthal, W., Alheit, P. (eds) Biographien in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09434-0_24
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