Das Ende einer realen Utopie? Brüche und Kontinuitäten einer deutschen Biographie in diesem Jahrhundert

Zusammenfassung

Eine Biographie oder gar eine Autobiographie in diesem Jahrhundert ist oft undenkbar ohne Verbindung, ja vielleicht starke Beeinflussung durch das vorangehende 19. Jahrhundert. Das trifft zunächst auf das Schicksal der eigenen Familie zu, insbesondere auf die meine, die durch acht Generationen links, in fünf linksbürgerlich, in drei häufig kommunistisch war und ist und stets über tüchtige, gelegentlich weltbekannte, niemals aber auch nur viertelgeniale Intelligenz verfügte. »First rate — second class«, nannte mein Vater sie. Seit dem Großvater meines Urgroßvaters bis zu meiner Enkelin, also über acht Generationen haben stets ein oder mehrere Familienmitglieder wissenschaftlich gearbeitet, aber nur in einer Generation, der vor meinem Urgroßvater, vornehmlich naturwissenschaftlich; seit drei Generationen haben auch beide Ehepartner für die Öffentlichkeit geschrieben; seit acht Generationen sind wir, wie schon bemerkt, politisch fortschrittlich interessiert, haben in sieben Generationen politisch aktiv gearbeitet, in sechs Generationen Politisches im Druck erscheinen lassen; bisweilen gab es auch kluge Konservative; ein älterer Vetter meiner Mutter, Assistent und Mitarbeiter Mommsens, erklärte seiner Mutter nach dem Sturz Bismarcks, daß er nun nicht heiraten, keine Familie gründen würde, da das Reich unter Wilhelm II. zusammenbrechen würde; seit meinem Urgroßvater sind Familienmitglieder in fünf Generationen aus politischen Gründen entweder aus Deutschland ins Exil getrieben worden oder dort, im Exil, geboren — ein Schicksal beginnend vor fast 150 Jahren.