Zusammenfassung
Typisch „weibliche“ Berufe wurden nicht schon immer von Frauen ausgeübt. Während die Sozialberufe überwiegend Folge einer Verberuflichung und Professionalisierung früher ehrenamtlich und in der Familie ausgeübter Tätigkeiten sind, zeigt sich am Beispiel anderer Berufe, dass sie aufgrund wirtschaftlicher und konjunktureller Bedingungen im Laufe der Jahre einen „Geschlechtswechsel“ durchlebten: „Männerberufe“ oder „gemischte Berufe“ wurden zu „Frauenberufen“ oder umgekehrt. Beispiele für eine stärkere „Feminisierung“ sind beispielsweise die Berufe im Büro und im Handel, die in den 20er Jahren noch gemischte Berufe waren und in der Folgezeit expandierten und modernisiert wurden. Sie gelten heute als „moderne Frauenberufe“ (Willms-Herget 1985). Ein „Geschlechtswechsel“ von Berufen ist historisch betrachtet keine Ausnahme (Wetterer 1995; Reskin/Roos 1990). Willms-Herget (1985) stellt in ihrer historischen Analyse von rund fünfzig ausgewählten Berufen fest, dass die Möglichkeiten für Frauen im Laufe der Zeit nicht größer wurden, sondern im Gegenteil eine immer stärkere Verfestigung der Berufe nach Geschlecht zu erkennen ist. Unabhängig davon, ob ein Berufsbereich sich ausdehnt oder schrumpft, die vorhandene Typisierung als „Männer-“ oder „Frauenberuf“ bleibt erhalten.
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Referenzen
Es gibt nur wenige jüngere empirische Untersuchungen, die sich mit „typischen Frauenberufen“ beschäftigen. Diese stellen dann vor allem als Fallstudien auf einzelne Berufe und deren Entwicklung ab. Ein weiteres Manko ist, dass die vorliegenden Studien auf die Situation in den 80er Jahren rekurrieren, jüngere Untersuchungen fehlen. Untersuchungen, die sich auf Mädchen in typisch „weiblichen“ Berufsausbildungen beziehen, fehlen fast vollständig. Im Folgenden wird deshalb auf die Besonderheiten und Problematik typischer Frauenberufe abgestellt.
Nach Heintz wird von geschlechtsspezifisch „segregierten“ Berufen üblicherweise dann gesprochen, wenn der Anteil des anderen Geschlechts unter 30 Prozent liegt (Heintz 1997: 16). Kanter (1977) dagegen definiert einen Beruf als segregiert, wenn der Anteil des anderen Geschlechts unter 40 Prozent liegt. Auch die Aussagen zum Ausmaß der Segregation variieren. Sie sind abhängig von der gewählten Analyseebene.
Nach Stiegler (1994) arbeiten nur rund 28 Prozent der erwerbstätigen Frauen in solchen Berufen, in denen Frauen überwiegen, dagegen sind 40 Prozent der Männer in homogen besetzten Berufen tätig. Das Berufsspektrum von Männern ist breiter als das von Frauen: Rund 50 Prozent der Berufe gelten als „Männer-“, 25 Prozent als „Frauen-“ und weitere 25 Prozent als gemischte Berufe (Kraft 1985, zitiert nach Lemmermöhle u.a. 1994:32).
Die berufliche Segregation umfasst immer eine horizontale (Männer und Frauen arbeiten in unterschiedlichen Berufen) und eine vertikale Dimension (sie besetzen hierarchisch unterschiedliche Positionen). Allerdings ist diese Trennung analytischer Natur, faktisch sind auch horizontal segregierte Berufe hierarchisch geordnet (Heintz 1997: 16).
Wir möchten an dieser Stelle auf die Berliner Expertise zur Entwicklung personenorientierter Dienstleistungen von Karsten u.a. (1999) verweisen. Gegenstand dieser Expertise sind personenbezogene Dienstleistungen im Bereich Altenpflege, Pflege, Erziehung, Soziales und Gesundheit, Beratungsberufe, insbesondere Informationsberatung und haushaltsnahe Berufe/Ernährungsberufe. Die zentralen Ergebnisse dieser Expertise fasst Karsten (2000: 84ff.) zusammen, einige davon sollen an dieser Stelle rekapituliert werden: Gemeinsam ist den personenbezogenen Dienstleistungen, dass sie weiterhin als prinzipiell auch, 4m Haushalt“ zu erbringende bezeichnet werden und dadurch bis heute als Berufe erscheinen, die durch private Leistungen substituierbar sind. Die Bereiche Erziehung, Gesundheit und Pflege sind vom Niveau der Berufsausbildungen gekennzeichnet durch einen Anstieg der Fachkräfte und Rückgang ungelernter Arbeitskräfte, der Zunahme von Studiengängen an Fachhochschulen (Pflegemanagement und Sozialmanagement) sowie einer Differenzierung von Studiengängen an Universitäten (z.B. Lehramt für Berufsbildende Schulen, Fachrichtung Pflege oder Sozialpädagogik). Insgesamt ist das fachliche und formale Qualifikationsniveau für Frauen durch die Berufsbildung allein nicht gesichert. Vollständig ungesichert sind die Bereiche Beratung und Informationsarbeit, z.B. im Bereich der Call-Center. Das Berufsausbildungssystem für personenbezogene Dienstleistungen ist weiterhin in besonderer Weise geordnet, dass Bundesländer- und Anstellungsträgerzuständigkeiten jeweils bereichsspezifisch differenziert werden müssen. Die Gleichwertigkeit im Hinblick auf erwartbare Regelungen, Transparenz und Bewertung im Vergleich zum dualen System ist nicht gegeben. Die Besonderheiten jeden Bereichs behindern tendenziell jede gemeinsame Strategie. Das Niveau der Berufsausbildung reicht von der Berufsfachschule bis zur Universität für potenziell gleiche Arbeitsaufgaben. Jede Ausbildungsstufe steht jedoch für sich, sodass auch im vertikalen Aufbau Passungsschwierigkeiten bestehen. Die Aus- und Weiterbildung der Ausbilderinnen ist ebenfalls uneinheitlich geregelt.
Friese (2000) stellt fest, dass der Begriff der Sozialkompetenz in der berufspädagogischen Debatte fast ausschließlich im Rahmen von Schlüsselqualifikationen diskutiert wird. Zunehmend aber werden Sozialkompetenzen auch als Zieldimension der beruflichen Bildung gefordert, was sich durch die Implementierung in Ordnungsgrundlagen der Berufsausbildung niederschlägt, wobei sich gerade in den traditionell weiblich besetzten Berufen nur eine zögerliche Bereitschaft findet. Allerdings, so Friese, zeichnet sich der Begriff der sozialen Kompetenz „schillernd und durch Unschärfe“ aus (2000: 98).
Damm-Rüger (1992) betont, dass diese Fähigkeiten analog zur „schweren körperlichen Arbeit“ in Form von Muskelbelastungen, Lärm und Hitze bei männlichen Tätigkeiten anerkannt werden müssen (1992: 42).
Rabe-Kleberg (1993) resümiert: „Aussagen über die besondere Eignung eines Geschlechts für einen Beruf bzw. die Ablehnung des anderen Geschlechts in einem geschlechtsspezifisch typisierten Beruf können so als Versuche erkannt werden, Tätigkeitsbereiche von der Konkurrenz durch das jeweils andere Geschlecht freizuhalten“ (1993: 70).
Dass dem so nicht ist, zeigen die Ergebnisse von Keddi u.a. 1999.
Der Verzicht auf Familie zeigt sich auch am Beispiel von schichtdienstarbeitenden Operatorinnen (Jurczyk 1993).
Heintz u.a. (1997) ziehen aus ihrer Untersuchung den Schluss, dass im Gegensatz zu anderen Berufsfeldern die Arbeitszeitreduzierung im „Frauenberuf“ Krankenpflege nicht mit einer Dequalifizierung einher geht. Allerdings lassen sich berufliche Aufstiege in Teilzeit kaum verwirklichen.
In der Pflege arbeiten Frauen und Männer mit einer dreijährigen Ausbildung zur Krankenschwester zusammen mit Krankenpflegehelferinnen, die eine einjährige Ausbildung absolviert haben und Schwesternhelferinnen, die einen vierwöchigen Kurs besucht haben. Daneben finden sich auch Personen ohne jegliche Ausbildung. Alle werden — zumindest von außen, aus der Sicht der Patientinnen — als „Schwester“ oder „Pfleger“ wahrgenommen.
Die Arbeit von Schmidbauer rekurriert auf eine österreichische Studie, bei der Absolventinnenjahrgänge verschiedener Sozialberufe befragt wurden.
Rabe-Kleberg (1993) hält fest, dass Frauen immer dort eingesetzt werden, wo die Arbeitsplätze schwieriger oder schlechter sind als in vergleichbaren Männerberufen. Die überwiegend von Frauen ausgeübten Berufe sind in der Regel schlecht bezahlt, vergleicht man sie mit Berufen und Tätigkeiten, die mehrheitlich von Männern ausgeübt werden.
Die Bezeichnung ApothekenhelferIn wurde umbenannt in Pharmazeutisch-kaufmännische/r Angestellte/r.
In der DDR erfolgte eine Modernisierung des traditionellen Frauenberufs nach dem Muster technischer Berufe. Nach der Wende fand eine Westangleichung vor allem durch die Entwertung und den Verlust des beruflichen Wissens statt (Rabe-Kleberg 1999: 95ff.).
Ende 1995 wurden 65 Prozent der jungen Frauen und 77 Prozent der jungen Männer in Berufen ausgebildet, in denen der Anteil ihres eigenen Geschlechts überwiegt, d.h. mehr als 60 Prozent ausmacht. Weibliche Auszubildende sind mit 24 Prozent gegenüber 14 Prozent männlichen Auszubildenden verstärkt in gemischt geschlechtlich besetzten Berufen vertreten (Tischer/Doering 1998).
Hier ist einschränkend zu bemerken, dass dies nicht für diejenigen „Frauenberufe“ gilt, die innerhalb des dualen Ausbildungssystems erlernt werden können, d.h. die Berufe im kaufmännischen Bereich, im Handel oder einer Reihe freier Berufe (wie die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin).
Kupka (2000) beschreibt am Beispiel der Ausbildung in der Altenpflege, die als duale Ausbildung, in der Berufsfachschule oder auch als vollzeitschulische Ausbildung an einer Fachschule erlernt werden kann, dass ein Wechsel in ein anderes Bundesland zu einem unüberwindbaren Hindernis werden kann. Dieses Problem wird sich nach Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes zum 1. August 2003 erledigen. Die Ausbildung dauert künftig bundeseinheitlich 3 Jahre, alle Schülerinnen haben einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung und erstmals wird in allen Bundesländern die Möglichkeit bestehen, die Ausbildung unmittelbar im Anschluss an die Schule zu beginnen. Durch Vorgaben zum Prüfungsverfahren wird eine Vergleichbarkeit (und damit auch Anerkennung) der Abschlüsse in ganz Deutschland möglich.
Für das Lehramt an beruflichen Schulen ist ein Fachstudium in einer entsprechend festgelegten Leitdisziplin und einem zweiten Fach zu absolvieren. Parallel dazu ist ein erziehungswissenschaftliches Studium zu absolvieren und im Anschluss daran ein Referendariat abzuleisten.
Meifort (1999) beschreibt, dass z.B. Lehrkräfte an Altenpflegeschulen in Berlin lediglich ein beliebiges Universitätsstudium „in einer der Altenpflege zuträglichen Fachrichtung“ absolviert haben müssen.
Ein spezifischer Fall ist die Ausbildung im Bereich der Altenpflege. Erst jüngst (September 2000, Süddeutsche Zeitung) erwog die Bundesregierung ein einheitliches Rahmengesetz für diese Ausbildung zu verabschieden. Bislang wird die Ausbildung in unterschiedlichster Qualität in unterschiedlich lang dauernden Ausbildungsgängen durchgeführt.
Wobei der Anteil der im dualen System ausgebildeten Personen geringer ist als die vollzeitschulischen Ausgebildeten (Degenkolb 2000).
Die Ergebnisse einer Untersuchung von Arzthelferinnen durch das BiBB zeigen, dass die Arzthelferinnen selbst ihre Berufschancen als begrenzt sehen; eine Entwicklung, die vor dem Hintergrund der Gesundheitsreform und Kostenreduzierung noch größeren Einfluss bekommen wird (Hecker 1999).
Eine Ausnahme lässt sich nennen: Die Steuerfachgehilfin kann nach zehnjähriger Berufstätigkeit die Prüfung zur Steuerberaterin ablegen.
„Sachbearbeitung“ ist kein spezifischer Ausbildungsberuf und zeigt kein klares Tätigkeitsprofil. Sie kann als Oberbegriff für unterschiedlichste Tätigkeiten auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen gelten. Heintz u.a., die die Sachbearbeitung als Beispiel eines „integrierten“ oder „geschlechtsneutralen“ Berufsfeldes untersuchen, fassen Sachbearbeitung als „ausdifferenziertes Tätigkeitsfeld innerhalb des kaufmännischen Berufs“ (Heintz u.a. 1997: 166).
Die Abgrenzung erfolgt laut Heinz u.a. geschlechtsspezifisch, Männer grenzen sich gegenüber handwerklichen und technischen Berufen, Frauen eher gegenüber sozialen Berufen ab (1997: 176).
Diese Aussage bestätigt die Untersuchung des Bundesinstituts für Berufliche Bildung zur Evaluation der Büroberufe (Stiller 1999).
An dieser Stelle sei auf die Untersuchung von Heintz u.a. verwiesen, die betonen, dass wichtige Weichen erst nach dem Abschluss der Ausbildung gestellt werden, wenn eine Entscheidung zwischen Sachbearbeitung und Sekretariat zu treffen ist. Sekretariatsarbeit gilt im Hinblick auf einen Aufstieg oder fachliche Spezialisierung nicht als Qualifikation, sondern entwertet Qualifikationen (Heintz u.a. 1997: 179).
Hier zeigt sich ein weiteres Problem vertikaler Segregation. Der Beruf der Verkäuferin gilt oftmals als Ausbildung für leistungsschwache Jugendliche. Im Gegensatz zum Beruf des/der Einzelhandelskaufmanns/-frau ist der Beruf der Verkäuferin überwiegend mit Frauen besetzt.
In einer neuerlichen Analyse kommt Paulini (1999) zu dem Schluss, dass die Unterschiede hinsichtlich der Aufgabengebiete bei Kaufleuten und Verkäuferinnen größer sind als zwischen männlichen und weiblichen Kaufleuten. Sie schließt daraus, dass der Beruf Kaufmann/-frau im Einzelhandel im Vergleich zum/zur Verkäuferin vielfältigere Einsatzfelder bietet (1999: 76). Von Relevanz ist diese Aussage vor allem, weil die Geschlechtersegregation aufrechterhalten wird. Im Gegensatz zu dem mehr oder weniger geschlechtsintegrierten Ausbildungsberuf der Kaufleute im Einzelhandel ist die Berufsausbildung zur Verkäuferin nach wie vor weiblich dominiert.
Die neuen dualen Ausbildungsberufe werden von Dostal (2000) angesichts dessen als problematisch eingeschätzt, da das traditionelle Niveau der dualen Ausbildung mit der dominanten Praxisorientierung nur für einen Teil der IT-Tätigkeiten ausreichend sei.
„Insbesondere in handwerklichen Berufen (Anmerkung: vor allem Kraftfahrzeugmechaniker/ -in, Tischler/-in, Maler/-in und Lackierer/-in) fiel der Frauenanteil an den Auszubildenden generell in den Jahren 1990 bis 1996 von dem ‚Höchststand‘ von 27 Prozent auf 20,3 Prozent“ (Schemme 1999: 28). Eine Abnahme der weiblichen Auszubildenden ist aber auch in vielen industriellen Berufen festzustellen wie bei den Industriemechaniker/innen von 9 Prozent im Jahr 1991 auf 5,8 Prozent 1998 (BMBF 2000: 72f.).
Bundesweit lag die Arbeitslosenquote der Frauen mit Universitätsabschluss bei 5,5 Prozent im Vergleich zu 4 Prozent bei den Männern; in den geisteswissenschaftlichen Fächern betrug sie 1995 6,2 bei den Frauen gegenüber 4,3 Prozent bei den Männern (Schreyer 2000: 14).
Während in diesem Kapitel auf Ergebnisse von Studien zur Berufswahl von Mädchen und jungen Frauen in techniknahen Berufen eingegangen wird, werden im Kapitel 6 theoretische Ansätze zur Erklärung geschlechtstypischen Berufswahlsverhaltens zusammengefasst.
Vergleiche auch Keddi/Wittmann 1997.
Einen fundierten Überblick über alte und neue Debatten über den Wandel und die Zukunft in Arbeit, Ökonomie und Geschlechterverhältnis gibt der Aufsatz von Hornung (2000).
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Nissen, U., Keddi, B., Pfeil, P. (2003). Zwischen „Tradition und Moderne“? Empirische Forschungsergebnisse zu Mädchen und jungen Frauen in „Frauenberufen“ und in techniknahen „Männerberufen“. In: Berufsfindungsprozesse von Mädchen und jungen Frauen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09371-8_4
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