Zusammenfassung
Die alltägliche Diskussion um die Arbeitslosigkeit ist durch zwei einander auf den ersten Blick scheinbar diametral entgegengesetzte Attitüden geprägt: Entweder wird das Schicksal Arbeitsloser als materielle und psychische Verelendung beklagt, so, als ob den Betroffenen mit dem Arbeitsplatz auch der zentrale Lebenssinn geraubt worden sei; oder aber es wird, nicht frei von Häme, darauf verwiesen, daß das Ansteigen der Arbeitslosigkeit nichts weiter sei als die natürliche Folge überzogener Lohnforderungen und des allgemeinen Schlendrians in der Arbeit überhaupt, und insofern doch immerhin eine positive Funktion erfülle, nämlich die der Disziplinierung der Arbeiterarmee zu Gehorsam, Fleiß und Bescheidenheit. Das, was den Widerspruch zwischen den beiden Positionen ausmacht, ist der ideologische Klassenstandpunkt, von dem aus sie jeweils formuliert werden; logisch wie empirisch schließen sie sich nicht gegenseitig aus — in jedem Falle wird die Veränderung von Einstellungen durch das Schicksal der Arbeitslosigkeit behauptet, wenn auch in verschiedener Richtung: läuft das erste auf die These von der Vernichtung von Arbeitskraft durch Arbeitslosigkeit hinaus, so das zweite auf die von deren Anpassung an die Bedingungen der kapitalistischen Arbeitswelt — für beides lassen sich Beispiele schnell finden. Perioden erhöhter Arbeitslosigkeit selektieren und transformieren die Ware Arbeitskraft in den betroffenen Ökonomien; die Frage ist, nach welchen Kriterien.
Für zahlreiche Hinweise danke ich H. G. Burgbacher.
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Literatur
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Anmerkungen
Vgl. A. Wacker, Arbeitslosigkeit, Frankfurt/Köln 1976, S. 62 ff. oder auch C. Brinkmann, Finanzielle und psychosoziale Belastungen während der Arbeitslosigkeit, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung 1976, 4.
Vgl. C. Offe, Bildungssystem, Beschäftigungssystem und Bildungspolitik, in: Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission 50, Bildungsforschung, Teil 1, S. 225, 233 ff.
Einmal in den schon klassischen Studien wie: H. Popitz, H. P. Bahrdt, E. A. Jüres und H. Resting, Das Gesellschaftsbild des Arbeiters, Tübingen 1957, H. Kern und M. Schumann, Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein, Teil I und II, Frankfurt 1970, entsprechend für die Angestellten in: S. Braun und J. Fuhrmann, Angestelltenmentalität, Neuwied/Berlin 1970, dann bei F. Deppe und H. Lange, Soziologie des Arbeiterbewußtseins, in: Das Argument 1970, 9 und 10, F. Deppe, Das Bewußtsein der Arbeiter, Köln 1971, sowie in den Schriften des Projekts Klassenanalysen, Klossenbewußtsein und Partei, Westberlin 1972 und Materialien zur Klassenstruktur in der BRD, Westberlin 1972 — eine theoretische Zusammenfassung dieser Studien findet sich bei M. Tjaden-Steinhauer, Gesellschaftsbewußtsein der Arbeiter, Köln 1975, die Auswirkungen der ‚Krise ‘auf das Bewußtsein von Arbeitern wird theoretisch bei W. Wagner, Verelendungstheorie — die hilflose Kapitalismuskritik, Frankfurt 1976, diskutiert und ist empirisch untersucht in C. Bierbaum u. a., Ende der Illusion, Frankfurt/Köln 1977.
H. Kern und M. Schumann, a. a. O., S. 271.
Zu den Thesen von J. H. Goldthorpe vgl. die Zusammenfassung bei K. Hörning, Der ‚neue ‘Arbeiter, Frankfurt 1971.
K. Hörning, a. a. O., S. 14.
Vgl. Projekt Klassenanalyse, Materialien, a. a. O., S. 224 bzw. S. 228 oder auch M. Tjaden-Steinhauer, a. a. O., S. 71 f.
C. Bierbaum u. a., a. a. O., S. 189.
M. Tjaden-Steinhauer, a. a. O., S. 79: „Gleichgültigkeit gegenüber konkreter, nützlicher Verwendung der Arbeitskraft koinzidiert ebensowenig notwendig mit Einsicht in die Grundstruktur der Gesellschaft wie die Identifikation mit solcher Verwendung der Arbeitskraft mit der Befangenheit in Illusionen und Täuschungen zusammenfällt.“
U. Beck und M. Brater, Grenzen abstrakter Arbeit, Leviathan 1976, 2, S. 186, dazu und zu folgenden vgl. auch: dieselben, Wider den Papier-Horn, Leviathan 1976, 4, G. Lehnhardt, Berufliches Engagement und Lohnarbeit, Leviathan 1976, 2, K. Horn, Wie man eine interessante Frage der Lächerlichkeit preisgeben kann, Leviathan 1976, 4, D. Brock und H. R. Vetter, Kapital — sonst nichts?, Leviathan 1976, 4.
Z. B. bei C. Offe, a. a. O., S. 226.
Zu dieser Diskussion vgl. u. a. F. Huisken, Zur Kritik bürgerlicher Didaktik und Bildungsökonomie, München 1972.
C. Offe, a. a. O., S. 225 f., 233 f
Vgl. H. von Henniges u. a., Neue Daten zum Wandel der beruflichen Aufgabenstruktur in de; Bundesrepublik Deutschland, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung 1971, 1.
C. Offe, a. a. O., S. 225 oder auch E. Hildebrandt, Entwicklung der Beschäftigungsstruktur und der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, Probleme des Klassenkampfes 1975, 19, 20, 21, S. 48 ff.
K. Marx, Das Kapital I, Berlin 1973 (MEW 23), S. 742.
Zitiert nach W. Hofmann, Sozialökonomische Studientexte Bd. 2, Berlin 1965, S. 31 f.
Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Wirtschaftlicher und sozialer Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, (Bonn 1977), S. 853.
Nach C. Brinkmann, a. a. O., S. 403.
Ebd., S. 400, Tabelle 1.
Vgl. Bild der Wissenschaft 1977, S. 104.
S. C. Bierbaum u. a., a. a. O., S. 74 f., 120 f.
D. Freiburghaus und G. Schmid, Theorie der Segmentierung von Arbeitsmärkten, Leviathan 1975, S. 423 ff.
Ebd., S. 423.
C. Offe, Leistungsprinzip und industrielle Arbeit, Frankfurt 1970, S. 165.
R. Schmiede und E. Schudlich, Die Entwicklung der Leistungsentlohnung in Deutschland, Frankfurt 1976, S. 209.
U. Beck und M. Brater, Grenzen ..., a. a. O., S. 182.
G. Lehnhardt, a. a. O., S. 220.
R. Schmiede und E. Schudlich, a. a. O., S. 416, E. Dombois, Massenentlassungen bei VW: Individualisierung in der Krise, Leviathan 1976, 4, S. 452 ff.
Zum ganzen s. R. Schmiede und E. Schudlich, a. a. O., 6. Kapitel.
H. Gottschalch und L. Ohm, Kritische Bemerkungen zur Polarisierungsthese bei Kern und Schumann, Soziale Welt 1977, 3, S. 349 f.
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Epskamp, H. (1978). Aspekte des Begriffs der gesellschaftlichen Qualifikation. In: Arbeitsmarktpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09287-2_9
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