Zusammenfassung
Zwischen ökonomischen und demographischen Variablen bestehen vielfältige Abhängigkeitsbeziehungen. Diese sind zum Gegenstand einer eigenen, rasch wachsenden volkswirtschaftlichen Disziplin, der Bevölkerungsökonomie, geworden, die sich mit den ökonomischen Ursachen und Folgen der Bevölkerungsentwicklung auseinander setzt. Die Analyse bevölkerungsökonomischer Fragestellungen erfordert sowohl eine einzelwirtschaftliche als auch eine gesamtwirtschaftliche Perspektive.1 Eine präzise Analyse der gesellschaftlichen Alterung unterscheidet zwischen den Folgen eines verminderten Bevölkerungswachstums und den Wirkungen der Bevölkerungsalterung, obwohl beide Phänomene in einem engen Zusammenhang stehen.
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Literatur
Rosenzweig/Stark (1997) als Herausgeber des umfassenden Handbook of Population Economics folgen genau dieser Einteilung.
Diese Modelle stehen in der Tradition von Samuelson (1958). Der demographische Wandel wird abgebildet, indem die Lebensspanne der Individuen — der ökonomische Sprachgebrauch verwendet hierfür den Begriff des Lebenszyklus — in eine endliche Anzahl von Perioden (im Extremfall bis hin zu Ein-Jahres-Perioden) zerlegt und eine entsprechende Aufteilung der Gesamtbevölkerung in die gleiche Anzahl von sich überlappenden Kohorten (Generationen) zerlegt wird.
So fehlt den Simulationen allgemeiner Gleichgewichtsmodelle auf Basis überlappender Generationen bislang eine systematische Integration von Risikoaspekten. Die hier angesprochenen Simulationsmodelle unterscheiden sich grundlegend von den verbreiteten langfristigen gesamtwirtschaftlichen Modellrechnungen, zum Beispiel durch Prognos (2000), weil ihnen ein theoretisch fundiertes Verhaltensmodell zugrunde liegt, das endogene, individuelle Anpassungen bei Marktungleichgewichten abbildet. Statische gesamtwirtschaftliche Modellrechnungen sind, insbesondere in der längeren Frist, wegen der großen Zahl der erforderlichen (impliziten) Annahmen nur scheinbar aussagekräftig, gerade wenn Anpassungsprozesse ad hoc spezifiziert werden.
Hierzu sei auf die Übersichtsartikel von Lee (1997) und Weil (1997) verwiesen.
Zu den unterstellten Verhaltensparametern vgl. Zimmermann et al. (2002, Kapitel 4). Die Modellrechnungen bilden insbesondere einen generell späteren Einstieg ins Erwerbsleben als Folge längerer Bildungsbeteiligung und die steigende Erwerbsneigung von Frauen in mittleren und oberen Altersklassen ab. Die Erwerbsbeteiligung von Männern ist dagegen leicht rückläufig.
Die Vorstellung einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion ist zentraler Bestandteil jeder ökonomischen Wachstumstheorie. Während in der traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie in der Tradition von Solow (1956) die Entwicklung des Sozialprodukts pro Kopf im Gleichgewicht vollständig von der Bevölkerungsentwicklung abgekoppelt ist, erlauben neuere Entwicklungen der endogenen Wachstumstheorie (vgl. Aghion/Howitt 1998) jenseits reinen technischen Fortschritts ein im Gleichgewicht steigendes Pro-Kopf-Sozialprodukt. Damit bestehen Spielräume für einen langfristigen Einfluss der demographischen Entwicklung auf die individuelle Wohlfahrt. Jedoch kann auch in traditionellen, neoklassischen Wachstumsmodellen die demographische Entwicklung zu vorübergehenden Anpassungsprozessen mit Schwankungen der Pro-KopfProduktion führen.
Für eine formale Ableitung des folgenden Zusammenhangs vgl. Blanchet (1993).
Dies ist die Frage nach der funktionalen Einkommensverteilung, das heißt der Verteilung des Sozialprodukts auf die Produktionsfaktoren. Die demographische Abhängigkeit der personalen Einkommensverteilung, das heißt der Verteilung des Sozialprodukts auf die Wirtschaftssubjekte, ist in der ökonomischen Literatur bisher kaum behandelt worden.
Auch durch kollektive Lohnfindungsprozesse oder staatliche Eingriffe können sich die gezahlten Löhne vorübergehend von der aktuellen Knappheitsrelation entfernen. Solche Prozesse werden in der hier vorgenommenen langfristigen Betrachtung ausgeblendet, da sie wegen Anpassungen auf anderen Märkten im Allgemeinen nicht permanent sind.
In job-matching-Modellen fehlt den Arbeitgebern Information über die wahre Qualifikationen neu eingestellter Arbeitkräfte. Diese können daher nicht sofort dem geeignetsten Arbeitsplatz zugeordnet werden. Zudem besteht das Risiko von Fehleinstellungen. In einer Testphase nach Berufseintritt werden Arbeitnehmer unterhalb ihrer Produktivität entlohnt, um ungeeignete Bewerber zum Verlassen des Betriebs zu bewegen, bzw. weil geeignete Bewerber noch nicht den richtigen Arbeitsplatz im Betrieb besetzen. Shirking-Modelle beruhen auf dem Informationsproblem, dass der Arbeitgeber die tatsächliche Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers (etwa wegen Teamproduktion oder Störungen im Betriebsablauf) nicht beobachten kann. Betriebe wählen daher ein Entlohnungsschema, dass darauf angelegt ist, die Motivation ihrer Mitarbeiter zu erhöhen, indem lange Betriebszugehörigkeit belohnt wird.
Sind diese Modelle empirisch relevant (vgl. Medoff/Abraham 1981; Hutchens 1989; Brown 1989), können, wie bereits im letzten Abschnitt erwähnt, aus beobachteten LohnAlters-Profilen keine Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen Alter und Arbeitsproduktivität gezogen werden.
Eine alternative Interpretation dieser Entwicklung wäre, dass innerbetriebliche Informationsprobleme in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben. Dies würde auch ohne Kohorteneffekte zu zunehmend steileren Alters-Lohn-Profilen aufeinander folgender Generationen führen.
Ein Rentensystem beruht auf dem Prinzip von defined benefits,wenn die Anspruchsleistungen des Versicherten in Abhängigkeit von bestimmten Kriterien (wie Einkommenshöhe und Dauer der Versicherungsmitgliedschaft) vorgegeben ist. Das Einnahmenrisiko liegt beim Versicherer. Im Gegensatz dazu werden bei einem Rentensystem auf der Basis von defined contributions die Beiträge für den Versicherten während des Erwerbsverlaufs auf einem individuellen Konto gutgeschrieben und im Alter verzinst ausgezahlt. Das Ertragsrisiko liegt beim Versicherten.
Für einen Überblick vgl. Klevmarken 1993, S. 157ff.
Da abnehmende Kapitalrenditen die Kapitalbildung verlangsamen, bleibt die Zunahme der Lohn-Zins-Relation allerdings vermutlich begrenzt.
Das Konzept der Nachfrageelastizität beschreibt, um wie viel sich die relative Nachfrage nach Humankapital bei einer Veränderung des Preises von Humankapital relativ zu anderen Produktionsfaktoren verändert. Eine niedrige Nachfrageelastizität impliziert, dass bei einer relativen Vergrößerung des Humankapitalangebots der Preis für das Humankapital nur wenig zurückgeht.
Es gibt zahlreiche empirische Hinweise, dass die Nachfrageelastizität mit steigendem Qualifikationsgrad abnimmt, weil bessere Qualifikationen schwieriger durch Kapital (oder niedrigere Qualifikationen) zu ersetzen sind. Für Deutschland vgl. Falk/Köbel (1998) sowie Steiner/Wagner (1997).
Ähnlich lassen sie die empirischen Untersuchungen der Ausbildungsrenditen amerikanischer Baby Boomer von Freeman (1979) und Stapleton/Young (1988) interpretieren.
Vgl. umfassend Achtenhagen/Lempert (2000).
Die implizite Steuer beruht darauf, dass der interne Ertrag der Beitragszahlungen zum Umlageverfahren der Wachstumsrate der Lohnsumme entspricht, die in einer dynamisch effizienten Wirtschaft niedriger ist als die Rendite bei Anlage der Beiträge auf dem Kapitalmarkt (vgl. Aaron 1966). Dieser Renditenachteil, der häufig von Befürwortern des Kapitaldeckungsverfahrens betont wird, ist unter dem Effizienzaspekt kein stichhaltiges Argument gegen das Umlageverfahren, denn ihm steht der (unendlich große) einmalige Ertrag der Einführungsgeneration gegenüber (vgl. Sinn 2000).
Dies ist selbst dann der Fall, wenn Beiträge und Leistungen während des demographischen Übergangs unverändert bleiben und die Finanzierungslücke durch vorübergehende Defizite finanziert wird. In diesem Fall führt die entstehende Zinslast für spätere Generationen zu intergenerationaler Umverteilung.
Konjunkturelle Einbrüche belasten die gesetzliche Rentenversicherung kurzfristig, weil steigende Arbeitslosigkeit zu Beitragseinbrüchen bei unveränderten Leistungsverpflichtungen führt. Dieser Phase stehen im Konjunkturverlauf jedoch Boom-Perioden gegenüber, in denen es zu überdurchschnittlichen Einnahmen kommt.
Anders wäre es im Fall einer Indexierung der Renten gemäß der Inflationsrate, wie sie in zahlreichen europäischen Ländern gültig ist. Gegenüber einer Lohnindexierung kann dieses Prinzip die langfristige finanzielle Tragfähigkeit einer umlagefinanzierten Rentenversicherung deutlich verbessern. Für eine empirische Illustration am Beispiel Frankreichs vgl. Crettez/Feist (1999).
Als Nettorentenniveau bezeichnet man in der Rentenversicherung das Verhältnis einer repräsentativen Nettorente zum Nettoerwerbseinkommen. Die Nettorente ist dabei ein fiktives statistisches Konstrukt, das auf einer idealtypischen Erwerbsbiografie beruht. Das empirische Nettorentenniveau kann daher erheblich von der versicherungsstatistischen Kenngröße abweichen.
Man könnte allerdings argumentieren, dass die heutige Rentnergeneration von der Rentenexpansion der 70er Jahre begünstigt ist, während sie im Durchschnitt vergleichsweise niedrige Beiträge gezahlt hat (vgl. Besendorfer et al. 1998). Ökonomisch sind verteilungspolitische Aussagen dieser Art aber sehr schwierig zu bewerten.
Zum Kapitalmarktrisiko gehören, vor allem wegen der in vielen ökonomisch fortgeschrittenen Ländern parallel verlaufenden Bevölkerungsentwicklung, auch demographische Risiken. Da demographisches Risiko und Kapitalmarktrisiko jedoch nicht perfekt korreliert sind, trägt eine Teilkapitalisierung der Altersdeckung effektiv zur Risikominderung bei.
Die Projektion von Fetzer et al. (2001) repräsentiert keineswegs die pessimistischste der verfügbaren langfristigen Vorausrechnungen zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung. Buttter et al. (1999), DIW (2001) und die Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ (2002) nennen Werte bis über 30 Prozent. Hof (2001) und Buttter et al. (1999), die die demographischen Beitragssatzeffekte isolieren, bestätigen weitgehend die hier vorgelegte Modellrechnung.
Der genaue Umfang der Nachhaltigkeitslücke hängt selbstverständlich erheblich von der Wahl der zahlreichen in die Analyse eingehenden Parameter ab. Qualitativ sind die hier vorgestellten Resultate der Generationenbilanzierung jedoch hinreichend robust.
Wichtige neuere empirische Studien, die die reine Lebenszyklustheorie auf Grundlage von Individualdaten für verschiedene industrialisierte Länder nicht bestätigen können, sind Auerbach und Kotlikoff (1992) und Bórsch-Supan (1996).
Dies sind zwei theoretisch zu unterscheidende Formen des Altruismus. Im ersten Fall stiftet den Eltern lediglich das Geschenk der Erbschaft direkten Nutzen. Im anderen Fall geht die Nutzenfunktion der Kinder in das Optimierungskalkül der Eltern ein.
Statistisch ist die altersspezifische individuelle Sparquote nicht eindeutig zu erfassen. Die Berechnungen von Miles (1999) zeigen für Deutschland einen noch flacheren Verlauf des Sparprofils. Dies entspricht auch der Erfahrung in anderen Ländern mit überwiegend umlagefinanzierter Rentenversicherung.
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Arnds, P., Bonin, H. (2003). Gesamtwirtschaftliche Folgen demographischer Alterungsprozesse. In: Herfurth, M., Kohli, M., Zimmermann, K.F. (eds) Arbeit in einer alternden Gesellschaft. Sozialwissenschaften im Überblick. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09275-9_6
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