Zusammenfassung
Diesem Auftrag an die Programmgestaltung des Zweiten Deutschen Fernsehens, der in ähnlicher Form auch für die einzelnen ARD-Anstalten formuliert ist, widmen sich in besonderem Maße die aktuellen Nachrichten- und Magazinsendungen des Hörfunks und des Fernsehens.1 Hauptsächlich dort wird dem Bürger ein breites Informationsangebot vermittelt, das ihn in die Lage versetzen soll, sich aufgrund der Kenntnis dieser Information eine wohlbegründete, unabhängige politische Meinung zu bilden. Für die Entwicklung und den Bestand moderner Demokratien spielen die Nachrichten, folgt man dem Anspruch des Programmauftrags, eine entscheidende Rolle.
“(1) In den Sendungen der Anstalt soll den Fernsehteilnehmern in ganz Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. (2) Diese Sendungen sollen ... eine unabhängige Meinungsbildung ermöglichen” (Paragraph 2 des ZDF-Staatsvertrags nach Fuhr, 1985, S. 9).
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Literatur
In ähnlicher Form wird diese Programmatik auch von den Berufsverbänden der Journalisten vorgegeben. Der Deutsche Journalistenverband verabschiedete beispielsweise am 18. Mai 1978 eine Resolution mit folgendem Wortlaut: “...durch ein umfassendes Informationsangebot in allen Medien die Voraussetzungen dafür schaffen, daß jeder Staatsbürger die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und selbst am Prozeß der politischen Meinungs-und Willensbildung teilnehmen kann” (vgl. Der Journalist, 1978, Heft 6, S. 14). Mittel, eine solche unabhängige Meinungsbildung zu erreichen, liegen in der Art und Weise, wie Nachrichten ausgewählt und aufbereitet werden, z.B. durch die deutliche Trennung von Tatsachen und Meinungen (vgl. Gillessen, 1981).
Vgl. die wissenschaftstheoretische Debatte um Erkenntnisgewinn (Popper, 1935; Kuhn, 1970).
Spätestens seit der Arbeit von Kuhn (1970) zum Paradigmawechsel in der Wissenschaft wird in Zweifel gezogen, ob dieses Ideal wissenschaftlicher Rationalität verwirklicht ist bzw. werden kann. Die erkenntnisleitende Funktion eines Paradigmas bedeutet letztlich, daß auch Wissenschaftler nicht unvoreingenommen Forschungsergebnisse gewinnen. Paradigmen könnte man auch als Schemata bezeichnen (vgl. Kapitel 3), mit denen Forscher ihren Erkenntnisgegenstand und ihr methodisches Vorgehen strukturieren. Die Verwendung des Begriffs wissenschaftlicher Rationalität in dieser Arbeit geschieht in dem Bewußtsein, daß damit nicht wissenschaftliches Handeln beschrieben wird, sondern eine Idealvorstellung, die in dieser Form in der Wissenschaft nicht verwirklicht und vermutlich auch nicht angestrebt wird.
Vgl. Tversky Kahneman (1973, 1974 ), Nisbett Ross (1980), Chaiken (1980).
Vgl. Tunstall (1983), Robinson Levy (1986a), Noelle-Neumann (1990).
siehe für Amerika Times Mirror (1986), für Deutschland Kiefer (1991).
eine Ausnahme bildet z.B. die frühe Studie von Tannenbaum (1954).
Vgl. die Überblicke in Robinson Levy (1986a) oder Berry (1988).
Z. B. Neuman (1976), Katz, Adoni Farness (1977), Merten (1985) oder Ruhrmann (1989).
Wilson (1974), Schulz, van Lessen, Schlede Waldmann (1976), Renckstorf (1980), Reese (1984), Bernard Coldevin (1985), Edwardson, Kent McConnell (1985), Findahl Höijer (1985), Brosius (1989a, b), siehe zusammenfassend Berry (1983a) und Brosius (1990a, b).
Miller spricht in diesem Zusammenhang von der “magical number seven” und meint damit, daß Menschen etwa sieben Informationseinheiten gleichzeitig im Gedächtnis behalten können.
Vgl. Spiegel-Verlag (o.J.), Buchmüller (1989), Brosius Kepplinger ( 1990, 1992a ).
Vgl. Brosius Kepplinger (1990), Kepplinger, Gotto, Brosius Haak (1989).
Vgl. Mundorf, Drew, Zillmann Weaver (1990).
Vgl. Kepplinger, Brosius Schneider (1987), Kepplinger, Brosius Heine ( 1987, 1990 ).
Z.B. Iyengar Kinder(1987).
Vgl. Kepplinger, Brosius, Staab Linke (1989), Kepplinger, Brosius Staab (1991a, b).
Vgl. Noelle-Neumann (1980), Daschmann (1992).
Leckenby (1977, 1981), Staab (1992).
Vgl. Brosius (1989a).
Vgl. Mattenklott Reifenberger (1990).
Vgl. Chaiken Eagly (1976, 1983 ), Chaiken (1985), Petty Cacioppo (1986).
Der Begriff läßt sich nicht angemessen ins Deutsche übersetzen, so daß er in den folgenden Ausführungen in seiner englischen Form beibehalten wird.
Vgl. Smith Miller (1983), Smith (1984), Hastie Park (1986), Smith Branscomb (1987).
Zum Prozeß der Suche vgl. die spreading-activation Theorie von Collins Loftus (1975).
Vgl. die Diskussion hierzu in Higgins Bargh (1987) oder Bodenhausen Wyer (1987).
Vgl. auch Schneider Shiffrin (1977) und Shiffrin Schneider (1977) zu den gedächtnispsychologischen Grundlagen.
Vgl. die frühen Arbeiten von Tversky Kahneman (1973, 1974) oder die neueren Überblicke in Higgins Bargh (1987) oder Sherman, Judd Park (1989).
Vgl. Neisser (1980), Wyer (1980), Bodenhausen Wyer (1987).
Vgl. Kiefer (1987, S. 141) und Berg Kiefer (1992, S. 169ff).
Die Allensbacher Werbeträgeranalyse (Institut für Demoskopie, 1990) zeigt, daß die Reichweite von Zeitungen insgesamt leicht rückläufig ist. Im Jahre 1967 wurden 83 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren von mindestens einer Zeitung erreicht; 1990 waren es 77,9 Prozent. Der Rückgang betrifft allerdings nicht die wichtigste Zeitungsgattung, die der regionalen Abonnementszeitungen. Hier blieb die Reichweite zwischen 1967 (66,9%) und 1990 (67,9%) fast konstant. Ebenfalls erhöht hat sich nach Berg Kiefer (1992) auch der Anteil derjenigen, die von dem Informationsangebot mehr als eines Mediums erreicht werden. Zum einen hat sich die durchschnittliche Anzahl der genutzten Medien zwischen 1964 und 1990 von 1,4 auf 2,1 erhöht; zum anderen wurden 1990 fast ein Drittel (31 Prozent) der Bundesbürger von den Informationsangeboten aller drei Medien erreicht (zum Vergleich: 1964 waren es 20 Prozent). Rein quantitativ hat sich die Zuwendung zu Nachrichten und aktuellen Beiträgen damit deutlich erhöht. Alle drei Medien erreichen mit ihrem Informationsangebot etwa zwei Drittel aller Menschen in Deutschland (Hörfunk und Fernsehen je 65 Prozent; Zeitungen 60 Prozent ). Die eher beiläufige Nutzung des Hörfunkprogramms, vor allem des Musikangebots, bewirkt vermutlich, daß die Nachrichten dort mit geringer Aufmerksamkeit verfolgt werden.
Die lange verbreitete Meinung, daß durch das bildliche Medium Fernsehen politisches Desinteresse überwunden werden könnte, hat sich nach den neuesten Zahlen als unzutreffend erwiesen. Eine der möglichen Ursachen könnte in der gestiegenen Anzahl von Programmen liegen, die es nicht Interessierten ermöglicht, um die Informationsangebote herum zu jonglieren (vgl. Darschin Frank, 1987, die zeigen, daß der Reichweitenverlust der Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht durch die entsprechenden Angebote im privaten Bereich kompensiert werden, also Nachrichtenseher zur Unterhaltung abwandern; vgl. auch Krüger, 1991 ).
Der Glaubwürdigkeitsverlust zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten, ist jedoch bei den jüngeren Personen, den formal höher Gebildeten und bei den politisch Interessierten am größten.
Fernsehen 59 Prozent, Hörfunk 46 Prozent, Tageszeitung 55 Prozent (vgl. Berg Kiefer, 1992, S. 242 )
Vgl. Bentele (1988a), Gantz (1981), Lee (1978), Times Mirror (1986), Noelle-Neumann Schulz (1988), Noelle-Neumann (1990), Rimmer Weaver (1987), Berg Kiefer (1992).
In Allensbacher Umfragen 1979, 1985 und 1987 schreiben dem Fernsehen unverändert etwa die Hälfte aller Befragten die größte Glaubwürdigkeit zu (vgl. Noelle-Neumann, 1990, S. 368). Ähnliche Befunde liefern Berg Kiefer (1992, S. 255 )
Beispielsweise ging die Reichweite der Tagesschau von 27 Prozent im Jahre 1985 auf 15 Prozent im Jahre 1993 zurück. Gleiches gilt für die politischen Magazinsendungen von ARD und ZDF. Diese verloren in vielen Fällen mehr als ein Drittel ihrer Zuschauer zwischen 1985 und 1990 (vgl. Darschin Frank, 1987, 1990, 1991, 1994 ).
Vgl. Schulz (1976), Schulz, van Lessen, Schiede Waldmann (1976), Donsbach, Brosius Mattenklott ( 1992, 1993 ).
Vgl. Petty Cacioppo (1986), Chaiken Eagly (1976, 1983). Diese unterschiedlichen Wirkungsqualitäten sind sicherlich ein Grund für die unterschiedlichen Auffassungen über die Wirkungsstärke des Fernsehens (vgl. Noelle-Neumann, 1973b, 1980; Schönbach, 1983 )
Dem Hörfunk kommt aus anderen Gründen eine große Bedeutung zu. Vor allem jüngere und politisch wenig interessierte Personen widmen dem Hörfunkprogramm viel Zeit (vgl. Berg Kiefer, 1987 ). Dabei wird der Hörfunk stärker als Fernsehen und Zeitung im Rahmen einer anderen Aktivität (z.B. Autofahren) genutzt (vgl. Berg Kiefer, 1987 ). Da visuelle Strukturierungen des Angebots fehlen, der Rezipient das Darbietungstempo nicht beeinflussen kann und die Verarbeitung peripher erfolgt, wird die Rezeption wahrscheinlich stärker von Schlagworten und unvollständigen Informationen beeinflußt. Diese Art der Vermittlung kann den Rezipienten besonders anfällig für eine selektive Wahrnehmung der berichteten Sachverhalte machen. Auch beim Fernsehen läßt sich, vor allem in den USA, ein Trend erkennen, es als Nebenaktivität zu benutzen.
Zu diskutieren wäre die Begrifflichkeit von Flegel Chaffee (1971), die die extrinsischen Faktoren als “Störfaktoren” bezeichnen. Vgl. hierzu die Diskussion in Kepplinger Brosius (1985).
Vgl. Klein Macoby (1954), Carter (1959), Flegel Chaffee (1971), Schönbach (1977), Noelle-Neumann Kepplinger (1978), Kepplinger, Brosius, Staab Linke (1989), Kepplinger, Brosius Staab (1991a) und Donsbach Barth (1992).
Vgl. die historische Analye von Wilke (1984) zum Problem der Selektionsrate.
Vgl. die Arbeiten von Gaye Tuchman (1972, 1974, 1978a, b).
Vgl. hierzu Schulz (1985), Bonfadelli (1985), Bentele (1985), Saxer (1985).
Ausnahmen finden sich in Rezeptionsanalysen (vgl. Jensen. 1986, 1988; van Dijk, 1988) oder im dynamisch-transaktionalen Modell (vgl. Früh Schönbach, 1982; zusammenfassend Früh, 1991 ).
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Brosius, HB. (1995). Einleitung. In: Alltagsrationalität in der Nachrichtenrezeption. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09247-6_1
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