Zusammenfassung
Die neuere Bachmannforschung scheint zunehmend dem Trend zu folgen, den Erkenntniswert systematischer Strukturanalysen zu übersehen. Man neigt eher dazu, die Interpretationsansätze entweder als „zeitgemäß“ thematisierte Fragestellungen zu konzipieren und deren autorenspezifische Evidenz in methodischem Eklektizismus an entsprechend selektierten Textpartien zu belegen, oder die Texte a priori „mit Wittgenstein, gegen Heidegger bzw. aus der Perspektive Derridas [etc.]“1 zu lesen; für die gewählte Verfahrensweise und deren Ergebnisse wird dann, zumindest in Einzelfällen, ein gleichsam überzeitlich gültiger Erkenntniswert postuliert: denn nur auf diese Weise könne — angeblich — der Text in seiner geschichtlichen Relevanz verstanden und erklärt werden. Gerade dadurch aber werden die erfahrungsgemäß mehrfach differenzierten und geschichtlich veränderlichen Aussage- und Wirkungsmöglichkeiten poetischer Texte auf ihre Dokumentationsleistung innerhalb eines heutzutage relevant erscheinenden Problemhorizonts reduziert. Und zwangsläufig werden alle nicht in den von außen vorgegebenen Diskurs passenden Strukturelemente, trotz ihrer potentiellen Vermittlungsfunktion, vernachlässigt.
Erweitere Fassung des Vortrags „I. Bachmann ,Ihr glücklichen Augen’. Eine Fallstudie zum Interpretationsverfahren“ der vom Verf. auf dem Ingeborg-Bachmann-Symposium an der Universität des Saarlandes (Saarbrücken, 7. u. 8.11.1996) gehalten wurde.
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Referenzen
Der Name steht paradigmatisch für die seit den achtziger Jahren als methodische Instanzen bevorzugten Autoren des Poststrukturalismus.
Vgl. Jost Hermand: Synthetisches Interpretieren. Zur Methodik der Literaturwissenschaft. München: Nymphenburger Verlagshandlung, 1968, S. 143ff.
Ebd., S. 4lf.
Vgl. Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Übers. von Günter Memmert. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977 (= stw 222), S. 81.
Ebd.
Vgl. die rhetorische Frage Marcel Reich-Ranickis: „Sollten etwa diese Geschichten […] nichts anderes sein wollen als Lesestoff für jene Damen, die beim Friseur oder im Wartezimmer des Zahnarztes in Illustrierten blättern? Bewußt und zynisch angestrebte Trivialliteratur also?“ (M. Reich-Ranicki: Ingeborg Bachmann — Die Dichterin wechselt das Repertoire. In: Ders.: Entgegnung. Zur deutschen Literatur der siebziger Jahre. München: dtv 21985, S. 173f.)
Vgl. ebd., S. 170.
Vgl. Robert Pichl: Ingeborg Bachmanns „Offene Kunstwerke“. Überlegungen zu ihrer poetischen Verfahrensweise. In: Robert Pichl und Alexander Stillmark (Hg.): Kritische Wege der Landnahme. Ingeborg Bachmann im Blickfeld der neunziger Jahre. Londoner Symposium 1993. Wien: Hora 1994 (= Sonderpublikationen der Grillparzer-Gesellschaft 2), S. 97f.
Vgl. Robert Pichl: Rhetorisches bei Ingeborg Bachmann. Zu den ‚redenden Namen’ im „Simultan“-Zyklus. In: Akten des VI. Internationalen Germanisten-Kongresses Basel 1980. Hg. von Heinz Rupp und Hans-Gert Roloff. Teil 2. Bern — Frankfurt/M. — Las Vegas: P. Lang 1980, S. 298–303.
Die Deutung dieser Lokalitäten durch Ingeborg Dusar im Sinne biblischer Assoziationen, wobei die Bezugsherstellung vom „römischen Kaiser“ zu König Herodes dem Großen auch sachlich unrichtig ist, scheint hier nicht überzeugend. Vgl. I. Dusar: Choreographien der Differenz. Ingeborg Bachmanns Prosaband „Simultan“. Köln — Weimar — Wien: Böhlau 1994, S. 59, Fußn. 65.
Vgl. Felix Czeike: Das große Groner Wien Lexikon. Wien — München -Zürich: F. Molden 1974, S. 406f.
Vgl. Marcel Reich-Ranicki (zit. Fußn. 7).
Vgl. Fußn. 7.
Der Fernsehfilm „frei bearbeitet nach der gleichnamigen Erzählung von Ingeborg Bachmann“ entstand 1992 als Gemeinschaftsproduktion von ORF und ZDF (Drehbuch: Christian Jordan; Regie: Margareta Heinrich; Personen und ihre Darsteller: Miranda: Cornelia Köndgen; Josef: Peter Sattmann; Stasi: Andrea Eckert). Als Beweis für die mangelnde Publikumsresonanz auf die beschriebene Vorgangsweise mag gelten, daß dieser Film trotz des bekannten Hanges des ORF zur mehrfachen Wiederholung seiner Produktionen bisher (1997) nicht wieder ausgestrahlt wurde.
Vgl. Robert Pichl: Ingeborg Bachmanns „Offene Kunstwerke“ (zit. Fußn. 8), S. 104. — In Verfolgung anderer diskursiver Bezüge auch bei Ingeborg Dusar: Choreographien der Differenz (zit. Fußn. 10), bes. S. 92ff.
Vgl. Umberto Eco: Das offene Kunstwerk (zit. Fußn. 4), S. 37.
Ingeborg Bachmann: Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers. (Dissertation Wien 1949). Aufgrund eines Textvergleichs mit dem literarischen Nachlaß hg. von Robert Pichl. Mit einem Nachwort von Friedrich Wallner. München — Zürich: Piper 1985, S. 127–131.
Vgl. Tanja Schmidt: Beraubung des Eigenen. Zur Darstellung geschichtlicher Erfahrung im Erzählzyklus „Simultan“ von Ingeborg Bachmann. In: Christine Koschel und Inge von Weidenbaum (Hg.): Kein objektives Urteil -nur ein lebendiges. Texte zum Werk von Ingeborg Bachmann. München -Zürich: Piper 1989, S. 479–502.
Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke. 1. Abt.: Bd. 7/1: Faust. Texte. Hg. von Albrecht Schöne. Frankfurt/M.: Deutscher Klassiker Verlag 1994, S. 436.
Vgl. ebd., Bd. 7/2: Faust. Kommentare. Von Albrecht Schöne, S. 728f.
Vgl. Ingeborg Dusar: Choreographien der Differenz (zit. Fußn. 10), S. 89.
Georg Groddeck: Das Buch vom Es. Psychoanalytische Briefe an eine Freundin. Eingeleitet von Laurence Durrell. Wiesbaden: Limes 1961. — Dieses Exemplar findet sich auch in Ingeborg Bachmanns Privatbibliothek.
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Pichl, R. (1998). Ingeborg Bachmanns „Ihr glücklichen Augen“. In: Heidelberger-Leonard, I. (eds) „Text-Tollhaus für Bachmann-Süchtige?“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09184-4_8
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