Zusammenfassung
Schon relativ lange läßt sich das Versagen der herkömmlichen, d.h. datengesteuerten Sozialforschung vor einer Vielzahl von Erklärungsproblemen innerhalb der Soziologie und ihrer verschiedenen „Bindestrich-Soziologien“ beobachten. Klassische soziologische Erklärungsansätze mit Hilfe von Kategorien wie Klasse, sozialer Schicht, Nonnen, Werten, sozialer Rolle oder sozialstrukturellen Variablen der klassischen “Standarddemographie” wie Alter, Geschlecht, Einkommen, Religionszugehörigkeit, Beruf oder Haushaltsgröße verlieren immer mehr an Erkenntniswert (vgl. Esser 1987, 1989, 1989a, 1993, 1996; Faulbaum 1991, 1992; Schnell/Kohler 1995).
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Literatur
Das Modell rationalen Handelns liegt einer Vielzahl von Theorien zugrunde, die so verschiedene Bezeichnungen tragen wie die folgenden, wobei die Aufzählung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: Ökonomischer Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens (Becker 1982); Wert-ErwartungsTheorie (Opp 1978); Erwartungsnutzentheorie (Frey 1990; Engelkamp 1980); Nutzentheorie (Opp 1983); Utilitaristisches Verhaltensmodell (Opp 1986); Ökonomisches Verhaltensmodell (Weede 1989; Opp 1989); SEU-Theorie (Edwards 1954, 1961); Nutzen-Erwartungs-Modell (Wegener 1987); Kognitiv-Hedonistische Verhaltenstheorie (Kaufmann-Mall 1978, 1981, 1982 ); Theorie rationalen Handelns (Voss 1985); Theory of Purposive Action (Coleman 1990); Rational Choice Theory (Esser 1990, 1991); Expectancy-Value Theory (Feather 1982); Theory of Reasoned Action (Ajzen/Fishbein 1980); Theory of Planned Behavior (Ajzen 1985, 1988, 1991 ).
Trotz der Mehrdeutigkeit wollen wir hier den Begriff “Paradigma” des Wissenschaftstheoretikers Thomas
S. Kuhn (1967) verwenden. Zur Mehrdeutigkeit dieses Begriffs vgl. jedoch Masterman (1970), die 21 (!) verschiedene Bedeutungen bei Kuhn (1967) herausgearbeitet hat.
Zur Kritik des RC-Ansatzes vgl. Schlagenhauf 1984; Preisendörfer 1985, 1985a; Lautmann 1985; Trapp 1986; England 1989; Denzin 1990; Hirsch 1990; England/Stanek Kilbourne 1990; Smelser 1992; Boh-man 1992; Mtinch 1992; Sciulli 1992; Hannan 1992; Green/Shapiro 1994; Etzioni 1994; Miller 1994; Blossfeld 1996.
Zu weiteren sozialwissenschaftlichen Anwendungen des RC-Ansatzes vgl. z.B. Opp 1978, 1983; Boudon 1979, 1980; Opp et al. 1984; Raub 1982, 1984; RaubNoss 1981; Becker 1982; Sodeur 1983; McKenzie/Tullock 1984; Lindenberg 1981a, 1983, 1984, 1985, 1989, 1990, 1991a, 1992, 1993; Voss 1985; Büschges/Raub 1985; Cornish/Clarke 1986; Schäfer/Wehrt 1989; Hartmann 1989; Coleman 1986, 1987, 1990; Krause 1989; Hechter et al. 1990; Frey 1990; Opp/Wippler 1990; Opp/Roehl 1990; Esser/Troitzsch 1991; MarwelUOliver 1993; Esser 1990, 1991, 1993; OppNoß 1993; Ramb/Tietzel 1993; Kopp 1994 sowie die Beitrage der Zeitschrift “Rationality and Society”. Auch theoretische Überlegungen soziologischer Klassiker wie Norbert Elias (Esser 1984), Alfred Schütz (Esser 1991) oder Max Weber (Esser 199la, S. 442 f.) wurden in Termen des RC-Ansatzes rekonstruiert.
So schreibt Karl Popper leider zu Recht: “Das grausame Spiel, Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken, wird leider traditionell von vielen Soziologen, Philosophen usw. als ihre legitime Aufgabe angesehen. So haben sie es gelernt, und so lehren sie es. Da kann man gar nichts machen.” Popper 1971a, S. 289; vgl. auch Oehler 1981.
Analytisch wahr ist z.B. die Aussage “wenn etwas ein soziales System ist, dann besteht es aus Personen, die miteinander interagieren”. Es genügt hier eine Analyse der Bedeutung der beiden Ausdrücke “soziales System” und “Personen, die miteinander interagieren”, um festzustellen, daß diese Aussage analytisch wahr ist, da im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch “soziales System” in der Regel das gleiche bedeutet wie “eine Menge von Personen, die miteinander interagieren”; vgl. zu diesem Beispiel Opp 1976, S. 118. Tautologisch ist dagegen die folgende Behauptung von Ulrich Beck: “Individualisierung bedeutet Enttraditionalisierung, aber auch das Gegenteil: Die Erfindung von Traditionen.” (Süddeutsche Zeitung vom 7./8.5.1994); zitiert nach Diekmann 1995, S. 138. Diese Aussage ist tautologisch, da sie die logische
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Lüdemann, C. (1997). Theoriegesteuerte Sozialforschung und das Modell rationalen Handelns. In: Rationalität und Umweltverhalten. DUV: Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08905-6_2
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