Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden mit narrativen Interviews und Fallvergleichen Dimensionen des Leidens und Lernens in den biographischen Verläufen ostdeutscher Erwachsener herausgearbeitet. Die Untersuchungsgruppe ist dabei keine, die nach soziologischen Kriterien eine Rand- oder Extremgruppe ist, in der man von vornherein ausgeprägte Leidenserlebnisse erwarten würde. Trotzdem läßt sich ausgehend von den erzählten Lebensgeschichten auch in der Untersuchungsgruppe, deren einziges formales Merkmal das mittlere Erwachsenenalter ist, eine Spannbreite von Leidens- und Lernerlebnissen erkennen, die zu einer Typolologie von sechs Prozeßstrukturen führt. Nimmt man Budes Anregung für die Soziologie ernst, wieder richtig hinzusehen, dann zeigen sich selbst bei den vermeintlichen Normalbürgern sehr deutliche Unterschiede in den Bedingungen, den Strategien und den Konsequenzen, die zu dem Untersuchungsphänomen gehören. Die Fallvergleiche machen deutlich, daß ein Typus, in dem das Leiden eine individualisierende Funktion hat, nur einer neben einer Reihe anderer Typen ist, in denen die Kosten durch das Leiden überwiegen.27 Stellt man die Typen nebeneinander, findet sich auf der einen Seite ähnlich wie in der sozialen Scham ein leidensbedingtes Verhalten, in welchem die Betroffenen mangels Anhaltspunkten wie in einem Laufrad gefangen sind. Am gegenüberliegenden Ende der Skala katapultieren sich andere durch ungewollte Folgen ihrer berufsbiographischen Entscheidungen gleichsam auf eine individualisierende Flugbahn. Damit sind zwei Pole einer Energetik des biographischen Verlaufs genannt, die durch das Leiden zustandekommt; eine Energetik, die weniger motivierte oder hochmotivierte Handlungszustände aufweisen kann.
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Literatur
Eine individualisierte Lebensform tritt demnach nur in bestimmten Personenkreisen auf, vgl. Dirk Konietzka: Lebensstile im sozialstrukturellen Kontext. Ein theoretischer und empirischer Beitrag zur Analyse soziokultureller Ungleichheiten, Opladen 1995, S. 167.
Hans-Jürgen von Wensierski: Mit uns zieht die alte Zeit. Biographie und Lebenswelt junger DDR-Bürger im gesellschaftlichen Umbruch, a.a.O., S. 589
vgl. Fritz Schütze: Das narrative Interview, a.a.O., S. 191 ff.
vgl. z.B. Martin Seligman: Erlernte Hilflosigkeit, München u.a. 1979.
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Brüsemeister, T. (1998). Zusammenfassung und Ausblick. In: Lernen durch Leiden?. DUV: Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08697-0_11
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