Zusammenfassung
Während es offenbar keine Schwierigkeiten bereitet, historische Fälle von Fluchtkapitalbewegungen aufzuzeigen, die es zweifellos auch schon vor der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Phänomen2 immer wieder gegeben hat (Kindleberger, 1987), konnte sich bis heute keine einheitliche Definition durchsetzen. Einigkeit ist jedoch insoweit erzielt worden, als es sich bei Kapitalflucht um private Finanzkapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte handelt. Demnach fallen weder Real- und Humankapitalexporte (Cuddington, 1986, S. 2) noch Kapitalexporte öffentlicher Kapitalgeber unter diesen Begriff. Weitaus schwieriger zu beantworten ist aber die Frage, ob die gesamten Privatkapitalexporte eines Landes die Bezeichnung „Kapitalflucht“ verdienen oder ob dies nur auf einen bestimmten Ausschnitt zutrifft. Die schon in der historischen Kapitalfluchtliteratur bestehenden Gegenpositionen finden sich auch in der aktuellen Diskussion wieder, die durch die massiven Kapitalabflüsse aus hochverschuldeten Ländern in den siebziger und achtziger Jahren angeregt wurde.
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Literatur
Der Bericht der Mc Kenna-Kommission (1924) gilt als die erstmalige Beschäftigung mit dem Begriff der Kapitalflucht. Die Auseinandersetzung mit der Kapitalflucht erfolgte im Rahmen der Zielsetzung der Kommission, die darin bestand, die Möglichkeiten und Grenzen des Deutschen Reiches zu bestimmen, Reparationen zu leisten.
Um die Notwendigkeit der Einbeziehung der Motive des Kapitalbesitzers zu begründen, zitiert Walter (1987, S. 103) Webster’s Dictionary, das ’flight“ als ”an act or instance of running away“ definiert. Auf die darüber hinaus von Walter als wesentlich angesehenen Methoden, die genutzt werden, um das Kapital ins Ausland zu schaffen, soll in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu: Walter (1987, S. 110–114) bzw. Gemählich (1989, S. 15–19).
Vorläufer, denen noch nicht das Nettozinskonzept zugrundeliegt, die also Ertrags-und Risikoaspekte isoliert betrachten, seien an 4íieser Stelle vernachlässigt. Eine Übersicht findet sich bei Krämer (1969, S. 17–19). Zur Kritik vgl. auch: Iversen (1935, S. 107).
Einen Überblick über die Grundlagen der Portfoliotheorie gibt Lessard (1983).
Zur Kritik vgl.: Krämer (1969, S. 24f.) und Gemählich (1989, S. 8f.).
Vgl.: Cuddington (1986, S. 10–16), Deppler/Williamson (1987, S. 223–228). Ein Überblick findet sich bei Gemählich (1989, S. 45–58). Zu den negativen Auswirkungen auf die Einkommensverteilung siehe auch Rodriguez (1987, S. 136f.).
Diese Einschätzung wird auch von Autoren geteilt, die letztlich, wie bereits dargestellt, die Abgrenzung des Kapitalfluchtbegriffs von der Motivation des Kapitalanlegers abhängig machen: “The fundamental economic concern about capital flight, however,is that it reduces welfare in the sense that it leeds to a net loss in the total real resources available to an economy for investment and growth” (Deppler/Williamson, 1987, S. 52).
Der Begriff der Auslandsverschuldung umfaßt die Summe aller Verbindlichkeiten der privaten Wirtschaftssubjekte sowie der öffentlichen Haushalte (ohne Zentralnotenbank), die aus Kapitalimporten im Zuge von Kreditaufnahmen im Ausland oder von Wertpapierverkäufen an Ausländer entstanden sind und die Zins-und Tilgungsverpflichtungen implizieren. Damit unterscheidet sich der Begriff in dreifacher Hinsicht von dem der Nettoauslandsposition. Erstens werden Forderungen aus einer Kreditvergabe an das Ausland nicht mit den Verbindlichkeiten saldiert, mindern die Auslandsverschuldung also nicht. Zweitens beeinflussen Nettodirektinvestitionen die Auslandsverschuldung nicht, da die Nettodirektinvestitionen als langfristige Kapitalanlagen angesehen werden, die keine unmittelbaren Zins-und Tilgungsverpflichtungen nach sich ziehen. Zum Dritten hat auch die Veränderung der Währungsreserven der Zentralnotenbank keinen Einfluß auf die Höhe der Auslandsverschuldung (Dieckheuer, 1990, S. 540ff.).
Duwendag (1986, S. 123) führt diesen Zusammenhang am Beispiel Argentiniens näher aus.
Diese Systematisierung verschleiert allerdings, daß der auf einen schon 1983 gehaltenen Vortrag zurückgehende Aufsatz von Dooley/Helkie/Tryon/Underwood (1986) als die erste Anwendung des Residualansatzes anzusehen ist.
In Varman/Varman-Schneider (1990) werden die Auslandsanlagen privater Banken vernachlässigt.
Im Hinblick auf die Philippinen wird nicht deutlich, ob eine homogene oder inhomogene Regression durchgeführt wird. Der Verzicht auf die Angabe eines Absolutglieds in der Tabelle (Varman/Varman-Schneider, 1990, S. 63; Varman, 1989, S. 115) und die Nichtberücksichtigung des Absolutgliedes bei den Freiheitsgraden sprechen für eine homogene Regression. Im Gegensatz dazu enthält die Tabelle eine Information über das empirische Bestimmtheitsmaß (R2), die lediglich für eine inhomogene Regression zulässig wäre (Schönfeld, 1969, S. 35ff.).
Gemählich (1989, S. 240) vernachlässigt allerdings die Angaben über die kurzfristigen Bruttokapitalzuflüsse als Bestandteil der Kapitalfinanzierungseite, da diese Zahlen nur für einen Teil des sehr langen Untersuchungszeitraumes vorliegen. Dadurch dürfte die Kapitalflucht zumindest zu Beginn der achtziger Jahre erheblich unterschätzt sein.
Zu den Instrumenten des Menüansatzes vgl.: Bender (1989), sowie Claessens/Diwan/Froot/-Krugman (1990).
Möglicherweise geht der Unterschied gegenüber der Weltbank (1991/92)-Schätzung auch auf die sehr weite Abgrenzung des Begriffs der “Repatriation” durch die Weltbank zurück, die auch den Fall einbezieht, daß Auslandsfilialen mexikanischer Banken Kredite an mexikanische Unternehmen vergeben haben, die vermutlich durch Einlagen mexikanischer Staatsangehöriger gedeckt sind. Auch der bedeutende Anteil, den mexikanische Staatsangehörige wahrscheinlich an den jüngsten Bond-Emissionen mexikanischer Unternehmen am Euromarkt haben, wird von der Weltbank als Form der Repatriierung bezeichnet. Dagegen ist es in der Literatur zur Kapitalfluchtproblematik üblich, den Vorgang des Erwerbs einer privaten Auslandsanlage in einer Auslandsfiliale einer mexikanischen Bank als Kapitalflucht und die Kreditvergabe der Auslandsfiliale an ein mexikanisches Unternehmen als Erhöhung der Auslandsverschuldung anzusehen, da zwei grundsätzlich unterschiedliche Kreditverträge, die sich z.B. in Währung, Sicherheiten etc. unterscheiden, zugrundeliegen. Entscheidend für die Zuordnung zum Ausland bzw. Inland ist dabei das Wohn-(Sitz)-Prinzip. Eine echte Repatriierung wäre demnach erst dann gegeben, wenn die Einlage in der Auslandsfiliale der mexikanischen Bank gekündigt werden würde.
Die ebenfalls unter den “investment climate”-Ansatz fallende ökonometrische Analyse von Conesa (1987) wird aufgrund ihrer methodischen Fragwürdigkeit vernachlässigt. Vgl. dazu auch: Lessard/Williamson (1987b, S. 221f.).
Boyce (1992, S. 337) bezeichnet diese Verbindung von Auslandsverschuldung und Kapitalflucht mit dem Begriff des “flight-driven external borrowing” und veranschaulicht sie wie folgt: “Mr. Peso leaves and Mr. Dollar is invited to take his place”.
Laut Boyce (1992, S. 337) gilt in diesem Fall:“Mr. Peso steps out and then comes back dressed as Mr. Dollar” (“flight-fueled external borrowing”).
Boyce (1992, S.337) beschreibt den Fall der “debt-driven capital flight” wie folgt: “Mr. Dollar arrives through the revolving door, apd Mr. Peso upon seeing him anticipates trouble and decides to leave”. Im Falle der “debt-fueled capital flight” gilt dagegen: “Mr. Dollar enters, attends to a few formalities (…), and then slips out again”.
Dieser Zusammenhang wird auch von Eaton (1987, S. 379) angedeutet.
Zu den Auswirkungen der Endogenisiemng der hier als dem inländischen Investor bekannt unterstellten Wahrscheinlichkeit vgl.: Khan/U1 Haque (1985, S. 620–624).
Zur Bestimmung der Obergrenze der Auslandsverschuldung bei linearer Produktions-technologie vgl.: Eaton (1987, S. 382f.).
Eaton (1987, S. 387ff.) zeigt auf, daß Garantieei des Staates auf Auslandskredite auch dann ein multiples Gleichgewicht verursachen können, wenn die Auslandskredite im Inland investiert werden, inländisches Kapital aber zur Investition im Ausland herangezogen wird.
An dieser Stelle empfiehlt es sich für die Regierung, die Währung abzuwerten, da jede Einheit zusätzlicher Auslandsverschuldung bei steigender Zinsbelastung in Kapitalflucht umgewandelt werden würde (Ize/Ortiz, 1987, S. 319).
Zur exakten analytischen Herleitung dieser Bedingung vgl.: Diwan (1989, S. 124–126).
Zur analytischen Herleitung der Kreditobergrenze vgl.: Diwan (1989, S. 126f.).
Diwan (1989, S. 121) bezieht sich auf die Jahre 1976–84.
Borenzstein (1989a,b) betont, daß ein gehuldenüberhang nicht zwingend mit Kreditrationierung einhergehen muß und stellt auf Neukredite ab, deren Gläubigem gegenüber denen von Altkrediten eine Vorrangposition bei der Kreditrückzahlung eingeräumt wird.
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Büntjen, C. (1994). Kapitalflucht aus hochverschuldeten lateinamerikanischen Ländern — Begriff, empirische Bedeutung und Bestimmungsfaktoren. In: Kapitalflucht aus lateinamerikanischen Ländern. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08622-2_2
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