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Integration der Medizin in Romantische Prosa. Bilder aus der Wissenschaft und Poetische Gegenbilder

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Zusammenfassung

Hoffmann kannte die Erscheinungsweisen von Krankheiten bestens. Das Ausmaß und die Intensität seines Interesses spiegeln sich exakt in seinem Werk wider. Nahezu alle medizinischen Richtungen werden dort berücksichtigt. Die Humoralpathologie gehört ebenso dazu wie der Brownianismus und die Erregungstheorie, naturphilosophisches Gedankengut, das in den Kreis der Bamberger Ärzte Eingang fand, ebenso wie der Magnetismus. Psychische Kurmethoden werden rezipiert und ‚angewandt‘, ebenso wie der ‚fromme Betrug‘ als therapeutisches Mittel. Besonders beschäftigt haben ihn die Phänomene des animalischen Magnetismus und das Verhältnis Wahnsinn und Vernunft, das seit Kants Überlegungen, vorgetragen in der Anthropologie, in der medizinischen Fachliteratur, vor allem bei Reil, Hoffbauer und Pinel die zentrale Rolle spielt. Heilung durch die tiefe Kenntnis psychischer Vorgänge, Genesung durch Theateraufführungen, pastoralmedizinisches Gedankengut, Heilung mit Hilfe der Kunst (Poesie und Musik), Formen von Gesprächstherapien, all das findet sich in Hoffmanns Prosa.

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Anmerkungen und Exkurse

  1. F.Loquai, Künstler und Melancholie in der Romantik (1984), S.51, hat bemerkt, daß die Rede Dr.K.s das ganze Arsenal der psychischen Therapien um 1815 enthält.

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  2. S. Hocks kleine Untersuchung: Die Vampyrsagen und ihre Verwertung in der deutschen Litteratur (1900), S.81 f., hat auf das Interesse Hoffmanns am “Ghulenstoff” (S.82) hingewiesen, schreibt seine Rezeption dem Wunsch zu, “Gruseln zu erregen”(ebd.), obwohl der Vampyrismus bei Hoffmann nur Ekel hervorrief. Stellt man diese Bewertungskriterien einmal zurück und fragt lieber nach dem Stellenwert der Figuren, der Funktion des Arztes, dem Phänomen einer unerklärlichen psychischen Erkrankung und Hoffmanns schöpferischer Ausgestaltung, dann entsteht vor den Augen des Lesers ein Gegenbild zur zeitgenössischen Medizin.

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  3. G. Köhler, Narzißmus, Obersinnliche Phänomene und Kindheitstrauma im Werk E.T.A.Hoffmanns, (1971), S.113–163, hat ein eigenes Kapitel über den Vampyrismus geschrieben; der Paraphrase folgt aber keine Interpretation.

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  4. F. Fühmann, Fräulein Veronika Paulmann (1984), hat in seinen geistreichen Essays über Hoffmann auch einen Blick auf die Erzählskizze Vampirismus geworfen und betont, daß es Hoffmann nicht so sehr um die Darstellung gräßlicher Szenen zu tun gewesen sei, sondern um die poetische Gestaltung eines Geschlechterfluches über Generationen hinweg, der selbst schauerlich ist (vgl. S.91–98).

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  5. Über die Spukgeschichte hat sich G.Köhler, Narzißmus, Ubersinnliche Phänomene und Kindheitstrauma im Werk E.T.A.Hoffmanns (1971), S.164–183, ausführlich geäußert. Sie will mit Hilfe einiger Gedanken von C. G. Jung und Sigmund Freud die “übersinnlichen Phänomene” sichtbar machen; Konturen bekommen sie aber nicht.

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  6. F. Loquai, Künstler und Melancholie in der Romantik (1984), S.50, hat die Spukgeschichte im Kontext der Medizin um 1800 erörtert und Hoffmanns schöpferischen Umgang so nachgewiesen: “Hoffmann geht es offensichtlich nicht primär um Kritik oder Entlarvung einer als Scharlatanerie verstandenen ärztlichen Praxis, er nutzt vielmehr seine Kenntnis der Medizin produktiv, um die Durchdringung der Realität mit geheimnisvollen, wunderbaren Wirkungen eines ‘höheren Prinzips’ Gestalt werden zu lassen.” Jean Paul hat die Methode des frommen Betrugs im Titan ebenfalls schöpferisch ausgestaltet: Schoppe befreit den wahnsinnigen Albano von der Vorstellung einer allabendlichen Erscheinung (es ist die verstorbene Liane) dadurch, daß Idoine, verkleidet als Liane - “’Punkt 8 Uhr kommt die bewußte Person!” - in Albanos Zimmer erscheint. Die Kur gelingt: “’Ich habe nun meinen Frieden, guter Schoppe…”. Jean Paul, Werke,III, 24.Jobelperiode, 98.Zykel, S.549. Das Beispiel ist von Reil (Rh,345) entlehnt: “Ein Wahnsinniger,…der an der Gnade Gottes verzweifelte, wurde dadurch gerettet, daß Jemand in der Gestalt eines Engels… des Nachts durch die Decke des Zimmers kam, und ihm im Namen des dreieinigen Gottes Vergebung seiner Sünden ertheilte.” Hoffmann übersteigt in der kritischen Rezeption der Medizin die Position Jean Pauls. Zu Jean Pauls Rezeption der Philosophie und Medizin vgl. jetzt G.Müller, Jean Pauls Ästhetik und Naturphilosophie (1983).

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  7. Gerade in den für ihn unerklärlichen ‘Erscheinungen’ sucht er sein Heil in rhapsodischen, auch komischen Metaphern: “Es werden gleichsam Provinzen abtrünnig...In diesem Zustande muß die Synthesis im Bewußtseyn verlohren gehn. Die Seele ist gleichsam von ihrem Standpunkt weggerückt; unbekannt in ihrer eigenen Wohnung, in welcher sie alles umgestürzt findet, hat Mast und Ruder verlohren und schwimmt gezwungen auf den Wogen der schaffenden Phantasie in fremde Welten…”(Rh,63 f.).

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  8. Diesen Teil der Erzählung hat zuerst aufgegriffen und einer knappen Interpretation unterzogen: W. Segebrecht, Krankheit und Gesellschaft (1978), hier S.272 f.

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  9. V.Chiarugi, Abhandlung über den Wahnsinn überhaupt und insbesondere. Leipzig 1795, S.284.

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  10. Die zweigeteilte Welt kommt, um nur ein Beispiel aus diesem Topos der Forschung zu nennen, bei K. L. Schneider, Künstlerliebe und Philistertum im Werk E. T. A. Hoffmanns (1978), S.200–218, bereits im Titel zum Ausdruck; sein Urteil läßt auch an Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig: “Der poetischen Welt ist bei Hoffmann als zentrale Figur der Künstler zugeordnet, in der ‘prosaischen’ Sphäre des Alltags hingegen dominiert der Philister” (5.200). Solche Interpretationen kommen auch an keinem Punkt über jene von P.Bruning, E.T.A. Hoffmann and the Philistine (1955), 5.111–121, hinaus.

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  11. A.De Loecker, Zwischen Atlantis und Frankfurt (1983), S.50, betont, bei all seiner Einseitigkeit des Urteils, wenigstens Hoffmanns Wissen um die Faszination, die von der Behaglichkeit bürgerlichen Lebens ausgeht.

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  12. F.Fühmann, Fräulein Veronika Paulmann (1984) S.78, versucht am Goldnen Topf erste Differenzierungen der Bürger figuren.

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  13. W.Segebrecht ist seit längerem bemüht, das Verhältnis zwischen Künstler und Bürger in Hoffmanns Prosa interpretatorisch zu entkrampfen und vorsichtig umzuwerten; so in: Künstler und Bürger (1979), S.3–8; oder in: Beamte, Künstler, Außenseiter (1984), S.295–307.

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  14. Über die historische Entwicklung des Begriffs gibt G.Schoppe, Philister. Eine Wortgeschichte (1922), 5.193–203, Auskunft; sie reicht aber nicht mehr bis in die Zeit der Romantik hinein.

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  15. M.M. Tatar, Mesmerism, Madness and Death in E.T.A. Hoffmann’s ‘Der goldne Topf’ (1975), S.365–389, hat die Krankheit des Anselmus nachzuzeichnen versucht, verfuhr aber lediglich applizierend, so daß über den positivistischen Nachweis der Rezeption mesmerscher Lehren und entsprechender Stellen aus Reils Rhapsodieen hinaus keine weitere Auskunft erteilt wird.

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  16. Ganz exakt hat dagegen J.Osinski, Über Vernunft und Wahnsinn (1983), S.215, auf die pathologischen Momente verwiesen: “Für Anselmus verwandelt sich die Wirklichkeit sowohl ins Gräßliche, das ihn aufzulösen und in der Auflösung erstarren zu lassen droht, als auch in das Zauberland der Sehnsucht.”

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  17. G.Reuchlein, Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur (ungedr. Manuskript, 1984, S.137–150), interpretiert das Wahnsinnsmotiv im Goldnen Topf in seinem märchenhaft-phantastischen Rahmen. Er konzentriert sich in seiner Quellenauswertung vor allem auf die Schriften G.H. Schuberts, verweist auf die spezifisch romantische Vorstellung des ‘goldenen Zeitalters’ und betont ganz zurecht, daß der Wahnsinn des Anselmus mit jenem Serapions oder Ritter Glucks nicht zu vergleichen sei.

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  18. Über den Umgang mit Menschen (1790), 5.105. Hoffmann hat das Buch, das weit mehr als ein Vademecum für gutes Benehmen ist, gekannt; im Kater Murr (VI,37), in Die Königsbraut (V,557), u.ö.wird es zitiert.

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  19. V.Chiarugi, Abhandlung über den Wahnsinn (1795), 5.245. Oder Reil, Rh,281: “… einen an Körper und Seele schwachen Menschen, der krank hypochondrisch, durch Unglücksfälle gebeugt ist, seine düstere Phantasie in stiller Einsamkeit nährt…”

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  20. Wer Lust hat, mehr über den Spott der Vögel, die Anselmus umflattern, zu erfahren, kann das jetzt bei Ch.-M.Beardsley, E.T.A. Hoffmanns Tierfiguren im Kontext der Romantik (1985), 5.156–164, nachlesen; sie hat deren Singen und Zwitschern belauscht und einzeln registriert.

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  21. Ihn auf den Genuß der geringen Menge Likörs zurückzuführen, wie die Ursachen des Wahnsinnsanfalls interpretiert wurden, ist viel zu harmonisierend. Vgl. J. Schmidt, ‘Der goldne Topf’ als dichterische Entwicklungsgeschichte (1981), S.156.

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  22. C.Magris, Die andere Vernunft (1980), S.19 f. verzichtet ebenfalls auf jede Harmonisierung: “Im ‘Goldnen Topf’… sieht der Neurotiker Anselmus einen Türklopfer sich unmittelbar in das höhnisch lachende Gesicht einer alten Frau verwandeln. Hoffmann erkennt intuitiv den Prozeß der Veränderung des Seelenlebens, die unvorhersehbaren Verkettungen von Ideen, das universale Gesetz der Analogie, und er stellt all das in Form eines grotesken und beängstigenden Märchens dar, das heißt, er greift die romantische Gattung des Märchens als zuverlässigen und unheimlichen Spiegel nicht einer mythischen Daseinsform, sondern der geistigen Struktur des Menschen wieder auf.” Magris hat mindestens recht. Mit wenigen Strichen stellt er die Proportionen wieder her, indem er den von der Forschung allzu kräftig nachgezogenen Konturen des mythischen Bereichs etwas von ihrer Aufdringlichkeit nimmt, die anthropologische Komponente stattdessen in den Vordergrund rückt und ihr Gestalt gibt. Daß sie in Hoffmanns

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  23. Johann Daniel Metzger, Kurz gefaßtes System der gerichtlichen Arzneiwissenschaft (1805), S.414, Anm. a.

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  24. Diese zentrale Stelle hat L.Pikulik, Anselmus in der Flasche. Kontrast und Illusion in E.T.A. Hoffmanns ‘Der goldne Topf’ (1969), 5.341–370, zum Thema eines eigenen Aufsatzes gemacht. Zusammengefaßt erschien diese Interpretation erneut in: Ders., Romantik als Ungenügen an der Normalität (1979), S.213 ff.; Pikulik nachgeschrieben hat P.-W.Wührl (Hg.), E.T. A.Hoffmann, ‘Der goldne Topf’ (1982), S.44 ff.

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  25. Die Ambivalenz dieses Motivs wird auch gesehen und von Wührl (1982), S.45 f. so interpretiert: “…Kristall entstammt den Tiefen der Erde und der Zeiten. Das nichtelementare Glas dagegen ist künstlich hergestellt und besitzt minderwertige, ja schädliche Eigenschaften...Sie (die Kristallflasche,F.A.) ist ein zwitterhaftes Gebilde; denn der Kerker des Studenten besitzt eine ‘gläserne’, d.h. ’bürgerliche’ und eine ’kristallene’ bzw. ’wunderbare’ Natur.” Meine Interpretation hier setzt nicht zu solchen Höhenflügen an, die wegen des gehörigen spekulativen Ballasts ohnehin nicht hoch hinauskommen, sondern fragt schlicht nach dem Glasmotiv im medizinischen und literarischen Kontext.

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  26. “Das Motiv vom gläsernen Körper läßt sich bis auf Galen zurückführen.” H.-J.Schings, Melancholie und Aufklärung (1977), S.59. Im 18.Jahrhundert verzeichnet es jedes medizinische Lehrbuch (Nachweise bei Schings,ebd.S.59 f.). F.Loquai, Künstler und Melancholie in der Romantik (1984), S.6 und Anm., hat in den Pathologien, die am Beginn des 19.Jahrhunderts erschienen sind, nachgeschlagen und das Glasmotiv in den Schriften Reils, Henkes, Hoffbauers, Arnolds, Muratoris gefunden. K.Dörner, Bürger und Irre (1975), S.233, geht ebenfalls kurz auf das Glasmotiv ein. Und neuerdings erwähnt es auch G.Reuchlein, Die Heilung des Wahnsinns bei Goethe: Orest, Lila, der Harfner und Sperata (1983), S.52.

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  27. Hier wird das Glasmotiv ebenfalls produktiv rezipiert. Das hat erstmals F. Loquai, Künstler und Melancholie in der Romantik (1984), S.6, bemerkt und interpretatorisch genutzt. In der 9. Nachtwache nimmt Kreuzgang den Leser in ein Irrenhaus mit. Kreuzgang, der es seiner harmlosen Narrheit wegen zum “Vize- und Unteraufseher” gebracht hat, führt den leitenden Arzt Olearius herum und zeigt ihm die Tollheiten des Hauses: “No 2 und 3 sind philosophische Gegenfüßler, ein Idealist und ein Realist, jener laborirt an einer gläsernen Brust, und dieser an einem gläsernen Gesäße, weshalb er sein Ich niemals sezt, was jenem eine Kleinigkeit ist, ob er gleich dagegen die moralische Anschauung vermeidet, und darum die Brust sorgfältig bedeckt.” Nachtwachen von Bonaventura. Hg. von J.Schillemeit (1974), 5.112. Es ist offensichtlich, daß diese Anspielungen den Systemen Kants und Fichtes gelten.

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  28. Den bislang überzeugendsten Versuch zur Ermittlung des Verfassers hat F.Heiduk, Bonaventuras ‘Nachtwachen’. Erste Bemerkungen zum Ort der Handlung und zur Frage nach dem Verfasser (1982), S.143–165, gemacht. Aus dem Roman heraus versucht Heiduk die Örtlichkeit zu identifizieren (Gegend um Erfurt) und benennt den Unterhaltungsschriftsteller Ferdinand Kajetan Arnold aus Erfurt. Auf Heiduks angekündigtes Buch zur Verfasserfrage darf man gespannt sein.

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  29. R.Hunter-Lougheed, E.T.A. Hoffmann - der Verfasser der Nachtwachen? (1984), schrieb ein ganzes, hypothesenüberfrachtetes, methodisch fragwürdiges Buch. Bewundernswert ist allein ihre Hartnäckigkeit, mit der sie seit Jahren ihre Idee verfolgt, Hoffmann als den Verfasser zu beweisen. Ihr Vorgehen erinnert sehr an das der Figur Knarrpanti aus dem Meister Floh: Hat man erst einmal irgendeine verdächtige Person gefaßt, lassen sich die Indizien zu ihrer Oberführung schon noch finden.

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  30. Es zählt zweifellos zu Hoffmanns besonderen poetischen Leistungen, daß zahlreiche Interpreten mit Anselmus über die ‘Verrücktheiten’ der Kreuzschüler und Praktikanten staunten. Zu denen, die sich eilig die Sicht des Anselmus zu eigen machten, gehört auch L.Pikulik, Romantik als Ungenügen an der Normalität (1979), 5.215 f.: “Ihre Lage ist die gleiche wie die des Anselmus, auch sie sind eingesperrt. Wäre sie es nicht, müßte des Studenten Qual als bloße Illusion erscheinen, eine durch die Intention des Textes ausgeschlossene Deutung. Darum bleibt der Schluß, daß die Illusion auf seiten der Philister zu suchen ist.” Oder: P.-W.Wührl: Das deutsche Kunstmärchen (1984), 5.162: “Das platte Geschwätz einiger ’Kreuzschüler und Praktikanten’, die ebenfalls in Flaschen eingesperrt sind, sich aber pudelwohl fühlen und glauben, von der ’Elbbrücke /…/ins Wasser’ zu sehen, enthüllt ihm die ganze Enge bürgerlicher Existenz.” Daß überhaupt in dieser Weise interpretiert wird, hängt ganz eng mit Hoffmanns Fähigkeit zu schöpferischer Umformung psychischer Phänomene zusammen. (Auf Pikuliks Interpretation komme ich im Kap. “Autor und Leser” zurück).

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  31. Vgl. dazu: J.N1.McGlathery, The Suicide Motif in E.T.A. Hoffmann’s ‘Der goldne Topf’ (1966), S.115–123. McGlathery bringt den Suizid in biographische Zusammenhänge aus Hoffmanns Zeit. Seine Schlußfolgerungen geraten aber dann ins Neue Testament.

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  32. Wer Vergnügen an psychoanalytischen Interpretationen findet, dem bietet der Goldne Topf reichlich Gelegenheit. Hoffmann war ein psychologisch feinsinniger Autor, dem nicht entgangen ist, daß reale Verdrängungen nicht verschwinden können, sondern sich Auswege suchen müssen und folgerichtig in veränderter Form wiedererscheinen. Die realen Verdrängungen werden auf der mythologischen Ebene sichtbar. So demonstriert der Verlust von Pfeife, Hut und Tabaksbeutel die Kastrationsängste des Anselmus; auch Veronika heiratet er aus seiner ihm unerklärlichen Angst vor Frauen nicht. Der Türklopfer an Lindhorsts Haus ist ein treffliches Bild für die Ängste des Anselmus: das verzogene Maul mit den schnarrenden und klappernden Zähnen läßt sich als vagina dentata interpretieren, das erst seine Schrecken verliert, als Anselmus vom Archivarius Lindhorst, einem Hilfs-Ich, eine Flasche mit einer merkwürdigen Flüssigkeit erhält, mit der er seine Ängste bannt; er schüttet den Inhalt ins Gesicht der Alten, das sich glättet und dann Einlaß gewährt. Anselmus verbindet sich auf der mythologischen Ebene erst mit Serpentina, einer Schlange, die ihm mit ihrer Gestalt den Phallus zurückgibt und trotzdem Weiblichkeit verkörpert, d.h. sie löst seine Kastrationsängste als phallische Frau auf. - Ein weiteres Moment ist die Vernichtung der Frau im Goldnen Topf. Anselmus hat keine Mutter, Veronika und Heerbrand auch nicht. In der Punschszene feiern Paulmann, Heerbrand und Anselmus eine homosexuelle Männerorgie, in die Veronika hineingerät und folgerichtig arg zu leiden hat. Auf der mythologischen Ebene wird die alte Liese als feindliches Prinzip ebenfalls vernichtet. Zum Goldnen Topf hat die C.G.Jung-Schülerin A.Jaffé, Bilder und Symbole aus E.T.A. Hoffmanns Märchen ‘Der Goldne Topf’ (1978), eine psychoanalytische Studie verfaßt.

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  33. R.Matzker, Der nützliche Idiot. Wahnsinn und Initiation bei Jean Paul und E.T.A. Hoffmann (1984), hat den Goldnen Topf religionsgeschichtlich, philosophisch und eben auch psychoanalytisch untersucht. Gut ist, daß er den Wahnsinn des Anselmus nicht harmonisierend auflöst

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  34. J. Schmidt, ‘Der goldne Topf’ als dichterische Entwicklungsgeschichte (1981), 5.164.

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  35. Vgl. dazu die umfassende Studie von H.-J.Mähl, Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis (1965), S.305 ff.; aus marxistischer Sicht: G. Heinrich, Geschichtsphilosophische Positionen der deutschen Frühromantik (1977), bes.S.188 ff.; eine klare, knapp gefaßte Interpretation der Idee des goldenen Zeitalters, zum triadischen Geschichtsdenken und der spezifisch ästhetischen Umformung durch die romantische Generation gibt: W. Segebrecht, Künstler und Bürger (1979), S.3–8; hier S. 4 f.

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  36. W. Segebrecht, Künstler und Bürger (1979), S.5.

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  37. Vgl. dazu die ausführliche Interpretation von F.Loquai, Künstler und Melancholie in der Romantik (1984), S.237 ff. Ich folge hier Loquais Darstellung, um mich dann auf die Interpretation des Goldnen Topf zu konzentrieren.

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  38. Der Vergleich ist aus geistesgeschichtlicher Perspektive längst gezogen; am überzeugendsten von G.vom Hofe, E.T.A.Hoffmanns Zauberreich Atlantis (1980), S.107–126.

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  39. J. Schmidt, ‘Der goldne Topf’ als dichterische Entwicklungsgeschichte (1981), S.174, hat gesehen, daß ein stabiles Erzählkontinuum im Sinne von Novalis nicht mehr möglich ist.

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  40. Ch.-M.Beardsley, E.T.A. Hoffmann. Die Gestalt des Meisters in seinen Märchen (1975), hat sich dieser Mentorfigur mehrmals, aber im ganzen doch zu liebevoll angenommen.

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  41. Den hemdsärmeligen Versuch einer “Ehrenrettung des Herrn Registra-tors Heerbrand” unternahm R. Hunter-Lougheed unter dem Bleichlautenden Titel (1982), S.12–18, mit dem etwas betulichen Ergebnis: “Im Grunde ist…Heerbrand kein übler Kerl” (S.18). Hier wird viel zu stark personalisiert; hat man die Funktionalität der Bürgerfiguren im Blick, bedarf es einer solchen ‘Ehrenrettung’ nicht.

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  42. Dieser Aspekt einer exakten Figurendarstellung ist M.M.Tatar, Mesmerism, Madness and Death in E.T.A. Hoffmann’s ‘Der goldne Topf’ (1975), entgangen, weil sie lediglich Diagnose und Therapie der Seelenkrankheit nachvollzieht.

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  43. Die wohl differenzierteste Interpretation der Bürgerfiguren im Goldnen Topf glückte L.C.Nygaard, Anselmus as Amanuensis: The Motif of Copying in Hoffmann’s ‘Der goldne Topf’ (1983), S.79–104.

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  44. Auch H. Ohl, Der reisende Enthusiast (1955), interpretiert in seiner textnahen Untersuchung die Figurenkonstellation recht feinfühlig.

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  45. Zu den kompetenten Urteilen gehören: O.Nipperdey, Wahnsinnsfiguren bei E.T.A. Hoffmann (1957), S.21; N.J.Berkowski, Die Romantik in Deutschland (1979), S.612; F.Fühmann, Fräulein Veronika Paulmann (1984), S.84 f., interpretierte das Schauerliche am Goldnen Topf sehr klug. Nur in der Beurteilung Veronikas gleitet seine Interpretation selbst ins Schauerliche ab. Was aber seine Interpretation durchgehend klarstellt, ist, daß Hoffmann Bewußtseinsfragen der Individuen thematisiert und sich viel weniger um die Ausstaffierung des mythologischen Raums kümmert.

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  46. Es ist aufschlußreich, einige Urteile, die sich beliebig vermehren ließen, über Veronika zusammenzustellen, auch wenn die Lektüre ermüdend wirkt; der Text rückt in den Hintergrund, in den Vordergrund treten die jahrzehntelang wiederholten Meinungen: H.Meyer, Der Sonderling in der deutschen Dichtung (1963), S.123: “Denn Veronika ist ja ein durchaus reines, kindlich-unschuldiges Geschöpf, und ihr einziger Fehl ist, daß sie in der bürgerlichen Endlichkeit befangen bleibt und in Anselmus nur den künftigen Hofrat erblickt.” Vgl. auch W. Preisendanz, Humor als dichterische Einbildungskraft (1976), S.103; K.L.Schneider, Künstlerliebe und Philistertum im Werk E.T.A. Hoffmanns (1978), S.213: “Es ist höchst bezeichnend, daß Anselmus seine Fähigkeit verliert, die Lindhorstschen Manuskripte zu entziffern, sobald er in den Bannkreis der blauäugigen Philisterin Veronika gerät…”.

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  47. P.-W.Wührl (Hg.), E.T.A. Hoffmann, Der goldne Topf (1982), S.24, mag trotz aller Bemühungen - er guckt seit über 25 Jahren angestrengt in den Topf - eine Würdigung nicht recht gelingen: “Sie entlarvt sich…als ein simples Bürgermädchen, dessen sozialer Ehrgeiz vor allem auf den feudalen Titel eines Hofrats gerichtet ist.” Er verschärft seine Kritik noch in: P.-W.W., Das deutsche Kunstmärchen (1984), S.163: “So gerät Anselmus…in eine Dreiecksbeziehung zwischen Veronika, dem resoluten skrupellos auf sozialen Aufstieg versessenen Bürgermädchen, und Serpentina.”

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  48. A.De Loecker, Zwischen Atlantis und Frankfurt (1983), S.49: “In ihrer unkomplizierten Liebe versucht sie nur, Anselmus für sich zu gewinnen und den begehrten Stand einer Frau Hofrätin zu erreichen. Es fehlt ihr auch die innere Dimension, das nötige Fassungsvermögen.”

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  49. H.Grob, Puppen, Engel, Enthusiasten (1984), S.36, teilt die Frauen in Hoffmanns Werk nur grob in negative und positive Figuren ein: “So liebt Veronika…Anselmus vor allem deshalb, weil sie in ihm bereits den Hofrat sieht, der ihr eine gesicherte und wohlangesehene Zukunft zu garantieren verspricht… Als Anselmus aber seine Karriere als Hofrat fahren läßt…verspricht sie kurzerhand dem inzwischen zum Hofrat avancierten Heerbrand ‘Herz und Hand’, um doch noch in den Genuß zu kommen, das Leben einer Hofrätin führen zu können.” Solche Interpretationen sind deshalb so ernüchternd, weil sie hinter jene von H.Dahmen, E.T.A. Hoffmann und G.H. Schubert (1926), zurückfallen.

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  50. Am Sandmann ließe sich heute modellhaft ein Stück Forschungsgeschichte zur Hoffmann-Rezeption schreiben, weil die Erzählung im Rahmen des Gesamtwerks mit über 250 Deutungen die meisten Interpreten gefunden hat. Zeitgenössische Rezensenten sprachen ihr jede künstlerische Qualität ab, Hoffmanns Biographen äußerten Unverständnis, Literaturwissenschaftler schrieben den abschätzigen Urteilen lange nach. Der Erzählung fehle es an jeglichem Halt, sie biete kein geschlossenes Ganzes, nichts füge sich zur Einheit als Kennzeichen künstlerischen Gelingens, die dauernd wechselnden Perspektiven seien doch zu irritierend, um einen möglichen Sinn erraten zu können, sagen die Vertreter unterschiedlichster methodischer Ansätze und fügen resignierend hinzu, dem Walten dämonischer Mächte sei der Interpret ebenso ausgeliefert wie Nathanael. Seinen Wahnsinn nahm man nur widerwillig zur Kenntnis, doch jeder versuchte sich und sein interpretatorisches Geschick mit unterschiedlichem Erfolg an diesem Sujet. Er schwebt drohend über jedem Ansatz. Sein Tosen wird durchgehend von einem Raunen der Forschung begleitet, die fasziniert und abgestoßen zugleich, konsequent in ambivalente Deutungen verfällt. Die Literaturwissenschaft fand schließlich eine nur scheinbar beruhigende Formel: Zwar sei der Wahnsinn in der Geschichte nicht zu leugnen, aber mit Literatur habe er eben nichts zu schaffen; Der Sandmann sei schließlich kein klinischer Fall aus der Psychiatrie, sondern ein ästhetisches Gebilde, das ausschließlich den Gesetzen der Kunst gehorche. Erst jüngst räumte man ein, daß es Hoffmanns ästhetische Absicht gewesen sein könne, Widersprüchlichkeiten unverstellt zur Anschauung zu bringen (vgl. W. Preisendanz,1976; G. Hartung, 1977). Doch immer noch blieb Nathanaels Wahnsinn weitgehend außerhalb der Betrachtung. Man konzentrierte sich darauf, die Gründe für das Scheitern eines angehenden Künstlers in dessen nächster Umgebung zu suchen und fiel mit vereinten Kräften über die Bürgerfiguren Siegmund, Lothar und vor allem Klara her. Wenige Arbeiten haben hier mit soziologischen (L.Wawrzyn,1976), medizinischen (W.Obermeit,1980) und rezeptionsästhetischen (J. Walter, 1984) Fragestellungen einen Wandel geschaffen. Der Grund dafür liegt einmal an den auf Dauer nicht recht befriedigenden Deutungsstrategien, permanent psychologischen Fragestellungen ausweichen zu wollen, ihnen aber fatalerweise nicht entgehen zu können, weil der Text des Sandmann in hohem Grad selbst Psychologie ist.

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  51. Die Psychoanalyse benutzte u.a. den Sandmann als Fundgrube zur Bestätigung ihrer wissenschaftlichen Bemühungen. In einem 1919 geschriebenen Essay Das Unheimliche hat sich Sigmund Freud auch dem Sandmann zugewandt und eher beiläufig festgestellt, der Dichter habe die Bausteine der Erzählung in der Tat nicht so durcheinandergewirbelt, daß ihre ursprüngliche Anordnung nicht mehr zu erkennen sei. Er reduzierte die Vieldeutigkeit der Erzählung auf zwei: auf die Angst Nathanaels vor dem Verlust seiner Augen als verschleierter Kastrationsangst und auf den Narzißmus als Folge der nichtbewältigten frühkindlichen Traumata (I.Aichinger,1976). Die Empörung über diese Deutung innerhalb der Literaturwissenschaft war groß, die Schlüssigkeit von Freuds Interpretationskunst, die listigerweise die meisten literaturwissenschaftlichen Deutungen an heuristischer

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  52. Vertreter der Lacan-Schule, vor allem F.Kittler (1977 und 1978), kritisieren psychoanalytische Interpretationen als “leere Verdoppelung” (F.Kittler,1977,S.139) eines ohnehin psychologischen Textes und konzentrieren sich, ungeduldig gegenüber anderen Interpretationsansätzen, auf die Entzifferung der Sprache als Zeichenmodell. Zugegeben: Kittlers Interpretationen, ganz den Systemen und Zeichen vertrauend, schlagen Funken am Text - wenn nur die Zeichen nicht trügen. Ich gehe kurz auf die o.g. neueren Untersuchungen ein.

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  53. W. Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt”(1980), hat, auf Wawrzyns Gedanken aufbauend, zahlreiche Verbindungen zwischen Medizin und schöngeistiger Literatur aufgedeckt. Ihm gelingt der Nachweis überzeugend, daß die Erzählung vom Sandmann durchaus als produktiver poetischer(!) Beitrag zu den medizinischen Debatten um 1815 gelesen werden kann. Seine Interpretation, obwohl ohne jegliches literaturwissenschaftliches Rüstzeug geschrieben, gehört zu den besten; daran konnten auch J.Schmidts jüngste und kluge Deutungen (1981,1982 und 1985) nicht rütteln; klug sind sie deshalb, weil der Stellenwert der Aussagen der Figuren, des personalen und auktorialen Erzählers exakt bestimmt wird und alle vorschnellen Urteile vermieden werden; nur sein ungebrochenes Vertrauen in die Ergiebigkeit einer rein geistesgeschichtlichen Perspektive verwundert ein bißchen. Als willkommene Ergänzung zu Obermeits Studie schrieb J.Walter, Das Unheimliche als Wirkungsfunktion (1984) eine vorzügliche rezeptionsästhetische Analyse, in der er die Textvarianten zum Sandmann berücksichtigt und mit subtilen Beobachtungen aufwarten kann.

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  54. G. Reuchlein, Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur (ungedr. Manuskript, 1984, S.151–177), liest den Sandmann als ‘Fallgeschichte’ einer spezifisch romantischen Künstlerfigur, untersucht das Wahnsinnsmotiv in ’realistischem’ Rahmen, interpretiert die Erzähltechnik, mit der Hoffmann den Standpunkt der Vernunft aufgibt, um sich dem Wahnsinn nähern zu können, und diagnostiziert Nathanaels Verrücktheit als,’Manie’. Da Obermeit und z.T. auch Reuchlein Hoffmanns unmittelbare Rezeption der medizinischen Quellen außer acht ließen, setze ich hier an (eine konzise Darstellung dieser Interpretation findet sich in meinem Beitrag: E.T.A. Hoffmann, 1985).

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  55. Das Motiv der blutenden Augen, die Nathanael an die Brust springen, hat ein eigenes Gewicht. Dreimal gestaltet es Hoffmann: im Gedicht Nathanaels, beim Besuch Coppolas, der Brillen in verwirrender Folge auf dem Tisch ausbreitete und in der eben zitierten Szene. Folgerichtig sind auch bedeutsame Überlegungen dazu angestellt worden, z.B. A.Gloor, E.T.A. Hoffmann, (1947), S.63: “Die grausige Wirkung des Ganzen wird noch erhöht durch die Tatsache, daß die Augen, die am Boden liegen, blutig sind. Damit verschwimmen selbst für den Leser die klaren Zusammenhänge, magische Mächte scheinen aus ihrer Hintergründigkeit in die vordergründige Wirklichkeit hereinzuragen, und der ausbrechende Wahnsinn wird verständlich.” Vgl. ebenso N. Reber, Studien zum Motiv des Doppelgängers bei Dostojevskij und E.T.A. Hoffmann, (1964), 5.191. Ich stelle diese Vermutungen für einen Augenblick zurück und orientiere mich an Hoffmanns Kenntnissen der Medizin. Schuberts Symbolik des Traumes (1814) - ein Lieblingsbuch Hoffmanns - entwickelt u.a. auch eine Konstitutionslehre, ganz den Vorstellungen Reils und der zeitgenössischen Medizin folgend. Schubert war praktischer Arzt und wandte

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  56. Da helfen alle gegenteiligen Versicherungen, die fast magische Beschwörungsformen erreichen können, nichts: “Gewiß verwendet Hoffmann hier Symptome des Verfolgungswahns, aber es wäre falsch, das Märchen psychologisch zu deuten; denn die entscheidende Rolle spielt ein Märchenrequisit, das magische Perspektiv” (P.-W.Wührl (Hg.), Im magischen Spiegel, 1978, S.52). Requisiten spielen in Hoffmanns Prosa bestimmt eine Rolle, aber eben als Requisiten.

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  57. Viel weiter sah hier L.Pikulik (Hg.), E.T.A. Hoffmann. Nachtstücke (1982), 5.356: “Sein Fall erfährt sogar eine eingehendere psychologische Erklärung, die, enthielte sie nicht einen romantischen ‘Rest’, einem Vertreter des Rationalismus alle Ehre machen würde: als ’Phantom unseres eigenen Ichs’ wird da der äußere Dämon deklariert, als Projektion, die entsteht, wenn man eine fremde Gestalt, der man in der Außenwelt begegnet, mit den phantastischen Attributen des eigenen Inneren ausstattet.”

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  58. Vgl. W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt” (1980), S.110.

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  59. Vgl. dazu J. Habermas, Strukturwandel der tiffentlichkeit (1978), S.66 ff.; hier S.66 f.: “Das psychologische Interesse wächst von Anbeginn in der doppelten Beziehung auf sich selbst und auf den anderen: Selbstbeobachtung geht eine neugierige, teils eine mitfühlende Verbindung ein mit den seelischen Regungen des anderen Ichs.” Habermas’ Gedanken produktiv aufgegriffen hat W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt” (1980), S.62 f.

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  60. W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt” (1980), S.63.

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  61. Es ist mittlerweile sehr glaubhaft gemacht worden, daß Hoffmann hier auf eine Tradition der Psychologie zurückgegriffen hat, deren wichtigster Vertreter Karl Philipp Moritz mit seinem Publikationsorgan Magazin zur Erfahrungsseelenkunde war: “Das Magazin behandelt die Subjektivität des Individuums, den Bereich des Privaten, die Welt des Einzelnen und wendet sich gleichzeitig an ein breites Publikum. Als ein regelmäßig erscheinendes Periodikum vermag es das Interesse der iffentlichkeit am Privaten zu befriedigen und kommt dem Drang der Individuen nach öffentlicher Selbstdarstellung entgegen. In Moritz’ Magazin findet die Beziehung zwischen bürgerlicher t5ffentlichkeit und der Privatsphäre der Bürger, die am Ende des 18.Jahrhunderts zwar weitgehend festgelegt, aber in all ihren neuartigen Möglichkeiten noch nicht ausprobiert war, ihren Ausdruck” (W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt”, 1980, S.61).

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  62. Die Differenz in der Therapie zum Graf P. im Einsiedler Serapion ist beträchtlich. Dort hatte sich Cyprian streng an Reils Kurmethode gehalten, um Serapions fixe Idee zu beseitigen. Das versucht Klara zwar auch, aber nicht nur. Sie hat erkannt, daß es nicht ausreicht, Nathanael allein durch lebhafte Vorstellungen vom Gegenteil seiner Wirklichkeit zu überzeugen.

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  63. Werden diese Zusammenhänge nicht bedacht, kommt es zu solch fatalen Deutungen, Klara sei Olimpia und übertreffe sie an Geistlosigkeit noch, z.B. R.Belgardt, Der Künstler und die Puppe (1969), L.Wawrzyn, Der Automaten-Mensch (1976). Selbst Obermeits vortreffliche Interpretation des Sandmann (1980, 5.113 ff.) konnte der Versuchung nicht widerstehen, Wawrzyns Bild von Klara, kaum modifiziert, in seine Arbeit mit hinüberzunehmen. J. Schmidts Charakterisierung Klaras ist ein Vexierbild. Im Rahmen von Nathanaels Gedicht wird Klaras Rolle definiert: “Denn unermüdlich weist sie den Geliebten darauf hin, daß sein eigenes Ich, sein Selbst so zerstörerisch wirkt. Gelegentlich vermag Nathanael diese Sicht anzuerkennen. Er gewinnt damit ein Stück stabilisierender Selbsterkenntnis. Aber weil die Diagnose nicht auch Therapie ist, bewirkt sie jeweils nur eine vorübergehende Beruhigung”. J. Schmidt, Die Krise der romantischen Subjektivität: E.Th.A.Hoffmanns Künstlernovelle ‘Der Sandmann’ in historischer Perspektive (1981), S.348–370, hier S.370. Mit Recht werden medizinische Termini verwendet. Sie sind aber im argumentativen Vollzug der geistesgeschichtlichen Perspektive nicht einleuchtend. Außerdem geraten die Begriffe durcheinander. An der Richtigkeit ihrer Diagnose gibt es keinen Zweifel. Was aber J. Schmidt als Diagnose identifiziert, ist bereits Teil der vermögenspsychologischen Therapie, die letzten Endes scheitert.

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  64. Das macht auch den Sinn des Wettkampfes in der Sandmann-Forschung etwas zweifelhaft. Zwei Parteien tragen gegeneinander mit tiefem Ernst die Sache ihres Klienten aus, gleichgültig, ob sie für Klara fechten und Nathanael richten, oder Nathanael helfen und Klara verurteilen. Zwei Beispiele: während J.Schmidt, Die Krise der romantischen Subjektivität: E.Th.A.Hoffmanns Künstlernovelle ‘Der Sandmann’ in historischer Perspektive (1981), S.364, Klara “ein integrales Menschentum” bescheinigt, was immer das sein mag, erscheint sie für Ch. Hayes, Phantasie und Wirklichkeit im Werke E.T.A. Hoffmanns, mit einer Interpretation der Erzählung ‘Der Sandmann’. (1972), S.191, als “das typische Bürgermädchen, als lächerliche Puppe, als völlig geistlose(r), leblose(r) Gegenstand.”

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  65. Aus dem medizingeschichtlichen Kontext heraus hat W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt” (1980), S.119 ff., die Erzählerrolle im Sandmann untersucht und im allgemeinen korrekt geurteilt, z.B. über Hoffmanns Unentschiedenheit, die Erscheinungen des Wahnsinns aus dem Blickwinkel der Normalität sicher zu beurteilen. Der Erzähler, der die ihn umgebenden Figuren wanken sieht, ist der Auffassung vom Bewußtsein, wie sie Karl Philipp Moritz im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nicht müde wird zu betonen, sehr nah, vgl. Bd.IX,H.2,S.24 (Anm.): “So wenig die Vorstellungen, die sich in uns erzeugen (welche bloße Formen der Erkenntniß sind), als die wir blos empfangen, sind zum Bewußtsein hinreichend. Jene, da sie allgemeine Formen sind, liefern zwar ein Bewußtsein überhaupt, keineswegs aber ein Bewußtsein der Individualität…, diese liefern an sich gar kein Bewußtsein; sondern die Beziehung beider aufeinander liefert uns, sowohl ein Bewußtsein der Objekte, als unsrer selbst. Denn ob schon die Formen allen Menschen gemein angenommen werden, so können doch die Objekte, worauf sie bezogen werden, in verschiedenen Subjekten verschieden sein.”

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  66. Genau das wird auch an Nathanael vorgeführt. Das Erkenntnisvermögen sowohl seiner selbst als auch das der äußeren Realität kann so verschieden sein, wie es Auffassungen vom Leben gibt. Darum ist die Beurteilung Hoffmanns auch mehr als zurückhaltend und eine Verurteilung nicht möglich. Für Kant sind solche Differenzierungen Abweichungen vom Erkenntnisvermögen, geleitet von den Prinzipien der Vernunft, und sie tragen Krankheitskeime bereits in sich.

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  67. Ich treffe mich hier wieder mit W.Obermeit, “Das unsichtbare Ding, das Seele heißt” (1980), S.126, der diese Idee zuerst entwickelte.

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  68. W.Erman, Der Tierische Magnetismus in Preußen (1925), S.67, dessen Darstellung eher ein Pamphlet als eine wissenschaftliche Abhandlung ist, hat zugegeben: “Die mystisch-magnetischen Neigungen eines der bedeutendsten jüngeren Romantiker, E.T.A. Hoffmann, sind aus seinen heute noch beliebten Schriften zur Genüge bekannt. Bei ihm kann man indessen zweifelhaft sein, ob er an all den Unsinn glaubte, oder ihn nur als Hilfsmittel zu seinen poetischen Zwecken gebrauchte ”

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  69. H.O.Burger, Arzt und Kranker in der deutschen schönen Literatur des 19. Jahrhunderts (1962), S.98–106, hier S.102, macht erste Bemerkungen zu Hoffmanns produktiver Umformung des magnetischen Sujets: “So nutzt beispielsweise E.T.A. Hoffmann in ‘Der Magnetiseur’, ‘Der unheimliche Gast’, ’Ignaz Denner’ die Lehren des Magnetismus, um poetische Wirkungen geheimnisvoll-unheimlicher Art zu erzielen.”

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  70. G.K. Brand, Der Arzt in der Literatur (1924), S.515–519, hier S.519, geht ebenfalls auf den Magnetiseur ein und hebt Hoffmanns Darstellung des fehlgeleiteten Arztes hervor.

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  71. R.Safranski, E.T.A. Hoffmann (1984), S.294 ff., schrieb in seiner Hoffmann-Biographie ein eigenes, sehr gutes Kapitel über das Phänomen des Magnetismus.

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  72. P.Sloterdijk, Der Zauberbaum (1985), verfaßte einen Roman über den Mesmerismus, den tierischen Magnetismus, über die Telepathie mit recht kundiger historischer Kenntnis.

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  73. H.-G.Werner, E.T.A. Hoffmann (1962), schaltete ein eigenes Kapitel über den Magnetismus (S. 84 ff.) ein; kursorisch handelt er Hoffmanns Prosa, in der dieses Phänomen eine Rolle spielt, ab.

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  74. H.-G.Werner, E.T.A. Hoffmann (1962), S.94.

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  75. H.-G.Werner, E.T.A. Hoffmann (1962), S.103 f.

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  76. W.Segebrecht, Krankheit und Gesellschaft (1978), S.288, Anm.74.

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  77. E.T.A. Hoffmanns Phantasiestück ‘Der Magnetiseur’ (1975), S.39–56. Sie arbeitete die älteren Forschungsergebnisse auf und revidierte deren Vor-Urteile.

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  78. Wenn an den Ausführungen von Nettesheim überhaupt etwas zu kritisieren ist, dann ihre Annahme, daß Hoffmanns Rezeption über die Schriften Mesmers verlaufen sein soll. Es waren wohl jene von Kluge, Bartels und Schubert.

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  79. Gesundheit und Krankheit in romantischer Medizin und Erzählkunst (1966), S.223 ff.

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  80. G. Köhler, Narzißmus, Übersinnliche Phänomene und Kindheitstrauma im Werk E.T.A. Hoffmanns (1971), 5.184 ff., hat auch etwas über den Magnetiseur geschrieben; I.Aichinger, E.T.A. Hoffmanns Novelle ‘Der Sandmann’ und die Interpretation Sigmund Freuds (1976), 5.116 f., ging, Hoffmanns Kenntnisse würdigend, auf diese Novelle ein.

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  81. So der Pädagoge und Literaturkritiker Konrad Schwenk in ‘Hermes oder Kritisches Jahrbuch der Literatur’ (Drittes Stück für das Jahr 1823). Hier zitiert nach der Aufbau-Ausgabe (III,487).

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  82. M.Jaroszewski/M.Wydmuch, Das Phantastische in E.T.A. Hoffmanns Novelle ‘Das öde Haus’ (1976), hatten in ihrer Interpretation nichts weiter zu erzählen, wiesen aber sieben Mal (S.131, 2x auf S.132 und 4x auf 5.133) auf zahlreiche Schwächen der Novelle hin. Diese Selbstgenügsamkeit der im Irrgarten von Hoffmanns Prosa herumtaumelnden Interpreten gilt nicht für K.Kanzog, Berlin-Code, Kommunikation und Erzählstruktur (1976), S.66 ff. In einer sorgfältigen Analyse hat er die Erzählstrukturen im Öden Haus aufzudecken versucht, die Erzähleinlagen als funktionalen Bestandteil betont, den Sinn der Krankengeschichten erahnt, Leserlenkung und Leserrolle nachvollzogen. Da aber der Titel den Leser auf die Entschlüsselung des Berlin-Codes warten läßt, ist man denn doch überrascht, so wenig von den apokryphen biographischen Bezügen zu erfahren. Erste in diese Richtung weisende Überlegungen finden sich bei F.v.

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  83. Oppeln-Bronikowski, David Ferdinand Koreff (1928), S.66xff. Diesen Bezügen geht behutsam R.Mühlher, E.T.A. Hoffmann. Zum Verständnis der Werke (1964), nach im Kapitel: Die Berliner Gesellschaft, 5.103 ff.

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  84. Ebensoviel Verständnis für den Text bringen M.Wacker im Nachw.zu E.T.A. Hoffmann, Der Sandmann, Das öde Haus (1969), S.95 und L.Pikulik im Nachw. zu E.T.A.Hoffmann, Nachtstücke (1982), S.350, auf.

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  85. M.Wacker, Nachw.zu E.T.A. Hoffmann, Der Sandmann, Das öde Haus (1969), S.89 f. muß davon etwas geahnt haben: “Die Vorliebe der damaligen Zeit für das Nachtseitige führte fast zwangsläufig zur Beschäftigung mit okkulten und psychopathologischen Phänomenen. Das Übernatürliche und Abnorme eroberte sich die Studierstuben und die Salons; Hypnose, Magnetismus, Somnambulismus, Spiritismus und Geisteskrankheiten wurden zu regelrechten Modeartikeln. Hoffmann griff diese Themen auf, doch sein Hohn auf alles modische Salongeschwätz läßt bei ihm eine größere Ernsthaftigkeit vermuten.”

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  86. Konrad Schwenk, Pädagoge und Literaturkritiker in: Hermes oder Kritisches Jahrbuch der Literatur (Drittes Stück für das Jahr 1823). Zitiert nach Aufbau-Ausg.(III,485).

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  87. Den Zusammenhängen von Irren und Tänzen ist im einzelnen nachgegangen: S.L.Gilman, Wahnsinn, Text und Kontext (1981), bes. S.23 ff.

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  88. Vgl. dazu S.L. Gilman, Wahnsinn, Text und Kontext (1981) S.27: “Die therapeutische Natur des Tanzes für die Geistesgestörten ist ein Behandlungsmuster, das im Denken des gesamten Westens immer wieder auftaucht. Motto des heilenden Tanzes ist: ‘Gleiches wird durch Gleiches geheilt’. Wahnsinn durch Musik verursacht und geheilt…”.

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  89. Nur zur weiteren Illustration erwähne ich zwei hübsche Belege aus späterer Zeit. Edgar Allan Poe schrieb eine Erzählung, die im Irrenhaus spielt: The System of Dr. Tarr and Prof. Fether (1845). Der Erzähler begibt sich während einer Reise durch die südlichen Provinzen Frankreichs in ein Tollhaus, um die Irren zu besichtigen. Er wird vom Anstaltsleiter freundlich empfangen, hereingeführt und mit den Aufsehern und Helfern bekannt gemacht. Alle setzen sich später um einen Tisch und erzählen dem Besucher von ihrem Alltag im Irrenhaus, von den Eigenheiten und fixen Ideen der Verrückten, die sie zu beaufsichtigen hätten. Der Erzähler bleibt aufmerksamer und unbefangener Zuhörer. Am Ende stellt sich heraus, daß er mit den Verrückten selbst am Tisch saß; sie hatten vor wenigen Wochen während eines Aufruhrs ihre Aufpasser überwältigt und eingesperrt. Ihr Rädelsführer war der jetzige Anstaltsleiter. (Für den Hinweis auf Poe bedanke ich mich bei Franz Loquai).

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  90. S.L.Gilman, Wahnsinn, Text und Kontext (1981), S.25, berichtet über einen Fall: 1884 “erschien im Londoner ‘Daily Telegraph’ ein Artikel unter der Überschrift: ’Ein Irrenball’ (A Lunatic Ball). Der Autor Charles Maurice Davies, ein anglikanischer Priester, der für den ’Telegraph’ schrieb,…’war…hinter die Mauern des Hanwell Asylum gegangen, verkleidet…um seine Story zu bekommen...Der Autor (und mit ihm seine Leser) schreitet durch die Galerien und bemerkt, daß diese Insassen den Eindruck erwecken, nur durchgangsweise hier zu leben…’.

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  91. Vgl. die Achte Platte. Nahe dem rechten Bildrand finden sich drei Verrückte zu einer Gruppierung zusammen, pyramidal aufgebaut. An die Spitze ist jener gestellt, der sich für Gottvater hält. Franzisco de Goya fertigte zwischen 1812 und 1819 ein Gemälde, Das Irrenhaus; es hält eine Szene mit Verrückten fest. Neben der Hauptsäule, die den Raum trägt, ruht halbnackt, den Unterleib in Leinengewändern gehüllt, ein Mann, der sich mit allen Insignien eines Erwählten oder Erlösers ausgestattet hat.

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  92. J.Metzner, Geschichte und Ästhetik des therapeutischen Augenblicks (1984), S.93–120, interpretiert in einem außerordentlich weitführenden Aufsatz Momente des ‘therapeutischen Blicks’ seit Ph. Pinel und J.Ch.Reil bis ins 20.Jh. (S. Beckett) hinein. Die Kunst (Malerei und Poesie) verwandelte in ihren Darstellungen den heilenden Blick der Ärzte in einen dämonischen: “Hoffmann spaltete die ideale Helfergestalt der Psychiatrie auf in Puppe und Verbrecher” (5.101). Coppelius/Coppola treibt den kranken Nathanael mit seinem teuflischen Blick noch tiefer in den Wahnsinn, während die nur kurzfristig helfende Therapie des starren Blicks der Olimpia als Betrug entlarvt wird.

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  93. So interpretiert G. Hartung, Anatomie des Sandmanns (1977), S.45–65, die Gestalt des Coppelius zutreffend: sie sei eine “zusammengesetzte Erscheinung, an der gerade noch so viele traditionelle Vorstellungselemente beteiligt sind, daß sich die Resultante eines in Menschengestalt erscheinenden ‘teuflischen Prinzips’ ergibt” (S.59).

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  94. S.L. Gilman, Wahnsinn, Text und Kontext (1981), S.27.

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  95. Einen knappen Überblick zur Forschungskontroverse gibt L.Köhn, Vieldeutige Welt (1966), S.36.

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  96. Ch.Karoli, ‘Ritter Gluck’ (1976), 5.343 f. hat die Meinungen aufgefächert und sich zu den Apologeten Glucks gesellt.

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  97. So R.S.Struc, Madness as Existence: An Essay on a Literary Theme (1970), S.75–94, S.80: von eigentlicher Verrücktheit könne man trotz allen Anscheins nicht sprechen, da “Ritter Gluck is a madman in this highly complex sense of the word; but it is a madness which differentiates him as a genuine artist and the world of compromises…and its representative, the philistine.”

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  98. W.Nehring, E.T.A. Hoffmanns Erzählwerk: Ein Modell und seine Variationen (1976), S.3–24, S.21: “Frühere Interpreten suchten die Lösung für dieses Problem darin, daß sie die Hauptfigur als Wahnsinnigen deuteten. Eine solche Deutung geht aber notwendig an dem Sinn der Erzählung vorbei, weil sie den Dichter unbekümmert zum Realisten stempelt.”

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  99. H.Meyer, Der Sonderling in der deutschen Dichtung (1963), S.107, ist etwas zurückhaltender mit eiligen Versicherungen: “Nur die fixe Idee, daß er der Ritter Gluck sei, verleiht dem wahnsinnigen Künstler das stolze Selbstbewußtsein, das er braucht, um es in einer Welt der Banalität aushalten zu können.”

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  100. Forciert in der Fragestellung, aber vorsichtig im Urteil ist H.Mayer, Die Wirklichkeit E.T.A. Hoffmanns (1980; zuerst 1959), S.116–144, S.116: “Der Zugang zum Gesamtwerk E.T.A. Hoffmanns hängt von der Antwort ab, die einer hier zu geben hat.”

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  101. H.Ohl, Der reisende Enthusiast (1955), S.100, interpretiert in seiner bemerkenswerten Untersuchung genau: die Haltung des Erzählers “schwebe zwischen gebannter Nähe und beobachtender Distanz”. L.Köhn, Vieldeutige Welt (1966), S.42, brachte viel Verständnis auf: “Ein großer Teil der Interpreten ist Hoffmann ‘in die Falle’ gegangen, indem er den bewußt geförderten Schwebezustand nicht erfaßte.” G.Reuchlein, Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur (ungedr.Manuskr.1984, S.75–86), interpretiert Ritter Gluck im Rahmen von Wahnsinn, Einsicht und Künstlertum recht eigenwillig unter dem Aspekt des Magnetismus. Mit guten Gründen zeigt er, daß Hoffmann zu keiner Zeit den Wahn seiner Figuren glorifizierte (vgl. S.83 f.).

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  102. Hoffmanns Bitte an Rochlitz um Aufnahme eines Erzählbeitrags vom 12. Januar 1809 lautet: “Ich wage es einen kleinen Aufsatz, dem eine wirkliche Begebenheit in Berlin zum Grunde liegt, mit der Anfrage beyzulegen, ob er wohl in die Musik(alische) Zeitung aufgenommen werden könte? - Aehnliche Sachen habe ich ehmals in oben erwähnter Zeitung wirklich gefunden zB. die höchst interressanten. Nachrichten von einem Wahnsinnigen, der auf eine wunderbare Art auf dem Clavier zu fantasiren pflegte” (Bw,I,261).

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  103. F.Schnapp (Bw,I,261,Anm.3) hat das nachgewiesen. Veröffentlicht in: AMZ,6.Jg. (No.39–42, 27.Juni-18.Juli 1804).

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  104. Ch. Karoli, ‘Ritter Gluck’ (1976), 5.348, Anm.29, hat sich diese Vorlage auch angesehen und nach Übereinstimmungen im Verhalten der Figuren gesucht. Zu ihnen sollen gehören: “Das totale Aufgehen im Traumreich der Musik… die Klanghalluzinationen… ferner die Verkörperung von Grundton, Terz und Quinte…”.

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  105. Das ließe sich am Briefwechsel zwischen dem Baron Wallborn und dem Kapellmeister Kreisler in den Kreisleriana (I,352–360) demonstrieren, bedürfte aber einer umfangreichen Vorarbeit.

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  106. Festzuhalten ist die Übereinstimmung von medizinischer Vorlage mit dem poetischen Text in Passagen. Hoffmann dürfte für die Konzipierung des Ritter Gluck bereits ausgiebig Reils Schriften herangezogen haben.

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Auhuber, F. (1986). Integration der Medizin in Romantische Prosa. Bilder aus der Wissenschaft und Poetische Gegenbilder. In: In einem fernen dunklen Spiegel. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05389-7_2

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