Zusammenfassung
Die Aufgabe der Chemotherapie im eigentlichen Sinne besteht in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten, also von niederen Parasiten in höher entwickelten Tieren. Die Chemotherapie arbeitet fast immer mit wohlcharakterisierten Substanzen und unterscheidet sich schon dadurch rein äußerlich von der serologischen Methode, deren Wirkstoffe in keinem Falle reine Substanzen im chemischen Sinne darstellen. Ein weiterer Unterschied ist in der Tatsache gegeben, daß die serologisehen Heilstoffe immer nur auf biologischem Wege gewonnen werden können, während die eigentlichen Chemotherapeutica entweder synthetisch hergestellte Produkte oder pflanzliche Substanzen sind. Das soll aber nicht bedeuten, daß Naturstoffe, deren chemische Konstitution bis heute nicht erkannt werden konnte, oder die sich der Synthese entzogen haben, nicht trotzdem zu den Chemotherapeuticis gerechnet werden dürfen. Der Unterschied liegt auf ganz anderer Linie. Die immunisatorischen Heilstoffe, also die Sera, können nur aus tierischem Material gewonnen werden und nur aus dem lebenden Objekt. Ihre „Synthese“ im Tierorganismus wird künstlich veranlaßt und kann in keinem Falle durch eine Synthese im Reagensglas ersetzt werden. Anders die Chemotherapeutica. Sie sind entweder Kunstprodukte, wie z. B. das Germanin gegen die Schlafkrankheit, oder aber Nebenprodukte im Stoffwechsel der Pflanze, wie das Chinin, das Heilmittel gegen die Malaria. Diese Differenzierung erscheint auf den ersten Blick bei einer allgemeinen Naturbetrachtung erkünstelt und wenig berechtigt. Bei einem eingehenderen Vergleich treten aber noch tiefere Unterschiede zutage. Die immunisatorischen Heilstoffe, seien es Antitoxine gegen Schlangengifte oder Heilsera gegen Infektionskrankheiten, bestehen immer aus hochmolekularem Material. Ihre Wirkungsweise ist gar nicht so ohne weiteres „chemisch“, denn sie kann sich über Jahrzehnte erstrecken, also über Zeiträume, in welchen jedes chemisch wirkende Agens längst wieder aus dem Organismus entfernt worden ist. Die Natur und die Wirkungsweise solcher Immunstoffe bringen es mit sich, daß sich ihre Wirkung immer nur auf einen bestimmten Erreger bezieht, daß sie also streng spezifisch ist.
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Oesterlin, M. (1939). Allgemeine Betrachtungen. In: Chemotherapie. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-04368-3_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-04368-3_2
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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